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61994J0107

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 27. Juni 1996. - P. H. Asscher gegen Staatssecretaris van Financiën. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad - Niederlande. - Artikel 52 EG-Vertrag - Gleichbehandlungspflicht - Besteuerung des Einkommens von Gebietsfremden. - Rechtssache C-107/94.

Sammlung der Rechtsprechung 1996 Seite I-03089


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


++++

1. Freizuegigkeit ° Niederlassungsfreiheit ° Bestimmungen des Vertrages ° Persönlicher Geltungsbereich ° Gebietsfremder Angehöriger eines Mitgliedstaats, der selbständige Erwerbstätigkeiten im Hoheitsgebiet dieses Staates und zugleich in einem anderen Mitgliedstaat ausübt ° Einbeziehung

(EG-Vertrag, Artikel 52)

2. Freizuegigkeit ° Niederlassungsfreiheit ° Steuerrecht ° Einkommensteuern ° Gebietsfremder Angehöriger eines Mitgliedstaats, der selbständige Erwerbstätigkeiten im Hoheitsgebiet dieses Staates und zugleich in einem anderen Mitgliedstaat ausübt ° Höhere Besteuerung als die der Gebietsansässigen ° Steuerliche Maßnahmen als Ausgleich dafür, daß der Betreffende nicht dem nationalen System der sozialen Sicherheit angeschlossen ist und zu diesem keine Beiträge entrichtet ° Unzulässigkeit

(EG-Vertrag, Artikel 52; Verordnung Nr. 1408/71 des Rates)

Leitsätze


1. Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der eine selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er auch wohnt, ausübt, kann sich gegenüber seinem Herkunftsstaat, in dessen Gebiet er eine andere selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, auf die Bestimmungen des Artikels 52 des Vertrages berufen, wenn er sich aufgrund der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsstaat diesem gegenüber in einer Lage befindet, die mit derjenigen anderer Personen vergleichbar ist, die sich gegenüber dem Aufnahmestaat auf die durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten berufen können.

2. Artikel 52 des Vertrages ist dahin auszulegen, daß er es einem Mitgliedstaat verwehrt, auf einen Angehörigen eines Mitgliedstaats, der eine selbständige Erwerbstätigkeit im Gebiet dieses Staates und daneben eine andere selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er auch wohnt, ausübt, einen Einkommensteuersatz anzuwenden, der höher ist als derjenige, der für Gebietsansässige gilt, die die gleiche Tätigkeit ausüben, wenn kein objektiver Unterschied in der Situation dieser Steuerpflichtigen und derjenigen der gebietsansässigen Steuerpflichtigen sowie der diesen gleichgestellten Personen besteht, der geeignet wäre, eine solche Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Tatsache, daß jemand Gebietsfremder ist, ihn nicht der Anwendung der Progressionsbestimmung entgehen lässt und wenn sich die beiden Gruppen von Steuerpflichtigen im Hinblick auf diese Bestimmung in einer gleichartigen Situation befinden.

Einem Mitgliedstaat ist es auch verwehrt, durch einen solchen erhöhten Einkommensteuersatz der Tatsache Rechnung zu tragen, daß der Steuerpflichtige aufgrund der für die Bestimmung der anzuwendenden sozialrechtlichen Vorschriften geltenden Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, nicht der Beitragspflicht in seinem nationalen Sozialversicherungssystem unterliegt. Der sich ebenfalls aus dieser Verordnung ergebende Umstand, daß der Steuerpflichtige dem System der sozialen Sicherheit seines Wohnstaats angeschlossen ist, ist insoweit unerheblich.

Entscheidungsgründe


1 Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 23. März 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 30. März 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag fünf Fragen nach der Auslegung des Artikels 48 EWG-Vertrag, nunmehr EG-Vertrag, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Staatssecretaris van Financiën und P. H. Asscher, einem in den Niederlanden arbeitenden, dort jedoch nicht wohnenden niederländischen Staatsangehörigen, über die Anwendung eines Lohnsteuersatzes auf Herrn Asscher, der höher ist als derjenige, der für in den Niederlanden ansässige Steuerpflichtige oder diesen gleichgestellte Personen, die dort die gleiche Tätigkeit ausüben, gilt.

3 In den Niederlanden ist die direkte Besteuerung natürlicher Personen in der Wet op de inkomstenbelasting (Einkommensteuergesetz) vom 16. Dezember 1964 (Staatsblad, 519) und der Wet op de loonbelasting (Lohnsteuergesetz) vom 18. Dezember 1964 (Staatsblad, 521) geregelt, die im Jahr 1989 einer Reform unterzogen wurden (geänderte Fassungen abgedruckt im Staatsblad 1990, 103 und 104).

4 Mit den Gesetzen vom 27. und 28. April 1989 (Staatsblad 122, 123, 129 und 611) wurde sowohl für die Einkommensteuer als auch für die Lohnsteuer mit Wirkung vom 1. Januar 1990 eine kombinierte Erhebung der Steuer und der Sozialversicherungsbeiträge eingeführt. Die Erhebung erfolgt seither nach einer einheitlichen Bemessungsgrundlage: Das zu versteuernde Einkommen und das Einkommen, das als Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge dient, entsprechen einander, so daß der steuerfreie und der beitragsfreie Betrag (d. h. der Grundfreibetrag ) identisch sind.

5 Der aus drei Tranchen bestehende Steuertarif ist in den Artikeln 20a und 20b des Lohnsteuergesetzes (und entsprechend in den Artikeln 53a und 53b des Einkommensteuergesetzes) niedergelegt, die nur in bezug auf die erste Tranche des zu versteuernden Betrages unterschiedliche Sätze vorsehen. Im Rahmen des vor der Steuerrechtsreform bestehenden Tarifs galt dagegen für Steuerpflichtige mit Lohn- oder Gehaltseinkünften aus inländischer Quelle in den Niederlanden in der ersten Tranche ein einheitlicher Satz von 14 %.

6 Artikel 20a sieht einen Steuertarif für die in den Niederlanden wohnenden Steuerpflichtigen und die diesen gleichgestellten Personen vor. Eine Gleichstellung erfolgt, wenn ein gebietsfremder Steuerpflichtiger nachweist, daß sein Welteinkommen vollständig oder nahezu vollständig (d. h. zu mindestens 90 %) aus in den Niederlanden zu versteuernden Einkünften besteht, wobei diese Voraussetzung dann als erfuellt gilt, wenn der Steuerpflichtige in den Niederlanden nach der allgemeinen Regelung der Volksverzekering (niederländische Pflichtsozialversicherung, im folgenden: allgemeine Sozialversicherung) der Beitragspflicht unterliegt. Für diese Steuerpflichtigen beträgt der Steuersatz in der ersten Tranche des zu versteuernden Betrages 13 %.

7 Im Steuerjahr 1990 entsprach die erste Tranche des zu versteuernden Betrages einem zu versteuernden Jahreseinkommen von bis zu 42 123 HFL. Der Satz für die mit der Steuer gleichzeitig erhobenen Beiträge zur allgemeinen Sozialversicherung betrug in diesem Jahr in der ersten Besteuerungstranche 22,1 %. Demgemäß wurden auf die Löhne oder Gehälter von gebietsansässigen Steuerpflichtigen und diesen gleichgestellten Personen Steuern und Beiträge in Höhe von insgesamt 35,1 % erhoben.

8 Artikel 20b sieht einen Ausländertarif genannten Tarif vor, der für gebietsfremde Steuerpflichtige gilt, die die Voraussetzungen des Artikels 20a nicht erfuellen, also weniger als 90 % ihres Welteinkommens in den Niederlanden erzielen und nicht zur Entrichtung von Beiträgen zur niederländischen Sozialversicherung verpflichtet sind. Für diese gilt in der ersten Tranche ein höherer Steuersatz von 25 %.

9 In den beiden übrigen Tranchen des Steuertarifs beträgt der Steuersatz unterschiedslos für alle Steuerpflichtigen 50 % des zu versteuernden Betrages (zweite Tranche) und 60 % (dritte Tranche; dieser Satz hatte vor der Reform von 1989 72 % betragen).

10 Nach den Akten ist Herr Asscher in den Niederlanden Geschäftsführer einer Besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (Gesellschaft mit beschränkter Haftung), der P. H. Asscher Beheer BV, deren einziger Gesellschafter er ist.

11 Herr Asscher übt auch in Belgien eine berufliche Tätigkeit aus; er leitet dort eine Gesellschaft belgischen Rechts namens Vereudia , für die er nur innerhalb Belgiens tätig wird.

12 Im Mai 1986 verlegte Herr Asscher seinen Wohnort von den Niederlanden nach Belgien; an der Ausübung seiner Tätigkeiten in den Niederlanden oder in Belgien änderte sich dadurch nichts.

13 Die steuerrechtlichen Vorschriften über die Verteilung der Zuständigkeit für die Erhebung der Steuer zwischen dem Königreich Belgien und dem Königreich der Niederlande sind im bilateralen Abkommen vom 19. Oktober 1970 zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen auf dem Gebiet der Einkommen- und der Vermögensteuer sowie zur Regelung einiger anderer steuerrechtlicher Fragen (Tractatenblad, 1970, Nr. 192, im folgenden: Abkommen) enthalten.

14 Nach Artikel 16 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 24 Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 des Abkommens sind die von Herrn Asscher in den Niederlanden erzielten Einkünfte, nämlich das ihm von der niederländischen Gesellschaft gezahlte Arbeitsentgelt, ausschließlich in den Niederlanden zu versteuern.

15 Seine übrigen Einkünfte hat Herr Asscher in Belgien, seinem Wohnstaat, zu versteuern. Seine in den Niederlanden erzielten Einkünfte sind zwar von der Steuer befreit, doch bleibt Belgien nach Artikel 24 Absatz 2 Nummer 1 Satz 2 des Abkommens berechtigt, die steuerfreien Einkünfte bei der Festsetzung des für ihn geltenden Steuersatzes zu berücksichtigen und damit die Progressionsbestimmung anzuwenden.

16 Im Bereich der sozialen Sicherheit befindet sich Herr Asscher in folgender Situation.

17 Herr Asscher war bis zur Verlegung seines Wohnorts nach Belgien im Mai 1986 dem niederländischen System der allgemeinen Sozialversicherung angeschlossen. Seitdem ist er nicht mehr zur Entrichtung von Beiträgen zur niederländischen allgemeinen Sozialversicherung verpflichtet und unterliegt ausschließlich den belgischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit. Zur maßgeblichen Zeit war er in Belgien in der Sozialversicherung der Selbständigen pflichtversichert.

18 Im Juni 1990, dem Gehaltszeitraum, um den es im Ausgangsverfahren geht, wurde auf das von Herrn Asscher in den Niederlanden bezogene Gehalt in der ersten Besteuerungstranche der Satz von 25 % angewandt.

19 Nachdem sein Einspruch gegen den an seinem Gehalt für den Monat Juni 1990 vorgenommenen Steuerabzug zurückgewiesen worden war, erhob Herr Asscher eine Klage vor dem Gerechtshof Amsterdam, mit der er geltend machte, die Anwendung des Satzes von 25 % stelle allgemein eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, die gegen die Artikel 7 und 48 EWG-Vertrag ° nunmehr Artikel 6 und 48 EG-Vertrag ° verstosse.

20 In seiner Entscheidung vom 13. April 1992 verwarf der Gerechtshof das Vorbringen zur Diskriminierung. Er führte aus, vor dem 1. Januar 1990 habe zwar ein Steuerpflichtiger wie der Kläger, der keine Beiträge zur allgemeinen Sozialversicherung habe entrichten müssen (im folgenden: nicht beitragspflichtiger Steuerpflichtiger), Lohn- und Einkommensteuer zum gleichen Satz wie ein Steuerpflichtiger gezahlt, der diese Beiträge habe entrichten müssen (im folgenden: beitragspflichtiger Steuerpflichtiger); Letzterer habe jedoch die Beiträge von der Bemessungsgrundlage für seine Steuer abziehen können.

21 Zwar sei für den beitragspflichtigen Steuerpflichtigen am 1. Januar 1990 die allgemeine Steuersenkung in Kraft getreten; im Gegenzug sei aber die Möglichkeit des Abzugs der Beiträge zur allgemeinen Sozialversicherung von dem zu versteuernden Betrag beseitigt worden. Dieser Nachteil habe jedoch die nicht beitragspflichtigen Steuerpflichtigen nicht getroffen. Ohne die Anwendung eines erhöhten Steuersatzes auf die nicht beitragspflichtigen Steuerpflichtigen hätte die allgemeine Senkung der Steuersätze für diese einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den übrigen Steuerpflichtigen bedeutet. Daher sei die Einführung unterschiedlicher Steuersätze für beitragspflichtige Steuerpflichtige und nicht beitragspflichtige Steuerpflichtige im Rahmen der Steuerrechtsreform sachlich gerechtfertigt.

22 Herr Asscher legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde ein.

23 Da der Hoge Raad der Nederlanden Zweifel hinsichtlich der Auslegung des EG-Vertrags hegt, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Lässt es Artikel 48 des Vertrages zu, daß ein Mitgliedstaat (der Arbeitsstaat) das in diesem Staat bei einem dort ansässigen Arbeitgeber verdiente Arbeitsentgelt mit einer erheblich höheren Lohn- und Einkommensteuer belegt, wenn der Arbeitnehmer nicht im Arbeitsstaat, sondern in einem anderen Mitgliedstaat wohnt?

2. Falls Frage 1 zu verneinen ist, ist dann die unterschiedliche Behandlung doch zulässig, wenn das nach den Maßstäben des Arbeitsstaats berechnete Welteinkommen des Arbeitnehmers zu weniger als 90 % aus Einkünften besteht, die vom Arbeitsstaat bei der Besteuerung des Einkommens von Gebietsfremden berücksichtigt werden können?

3. Kann dem Umstand, daß der Arbeitnehmer im Arbeitsstaat nicht in der dort bestehenden Sozialversicherung beitragspflichtig ist, durch einen unterschiedlichen Steuersatz, wie er hier in Rede steht, Rechnung getragen werden?

4. Kommt es dabei darauf an, ob der Arbeitnehmer im Wohnstaat der Beitragspflicht in vergleichbaren Versicherungen unterliegt?

5. Macht es für die Beantwortung der vorstehenden Fragen einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer Angehöriger des Arbeitsstaats ist?

24 Um die rechtliche Situation von Herrn Asscher im Hinblick auf die Vertragsbestimmungen über die Freizuegigkeit klären zu können, ist zunächst festzustellen, welcher Art die von ihm ausgeuebten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind.

25 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist als Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 48 des Vertrages jede Person anzusehen, die tatsächliche und effektive Tätigkeiten ausübt, wobei solche Tätigkeiten ausser Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, daß sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (Urteil vom 3. Juli 1986 in der Rechtssache 66/85 (Lawrie-Blum, Slg. 1986, 2121, Randnr. 17).

26 Als Geschäftsführer einer Gesellschaft in den Niederlanden, deren einziger Gesellschafter er ist, übt Herr Asscher seine Tätigkeit nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses aus, so daß er nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 48 des Vertrages anzusehen ist, sondern als eine Person, die eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des Artikels 52 des Vertrages ausübt.

27 Zur Tätigkeit von Herrn Asscher in Belgien genügt die Feststellung, daß, wie aus den dem Gerichtshof zur Verfügung gestellten Akten hervorgeht und von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt wird, die von ihm in diesem Staat ausgeuebte berufliche Tätigkeit ebenfalls als selbständige Erwerbstätigkeit anzusehen ist.

28 Folglich ist die Vereinbarkeit von Rechtsvorschriften, wie sie hier in Rede stehen, mit Artikel 52 und nicht mit Artikel 48 des Vertrages zu prüfen.

29 Nach dem Urteil vom 20. Mai 1992 in der Rechtssache C-106/91 (Ramrath, Slg. 1992, I-3351, Randnr. 17) zeigt der Vergleich zwischen den Artikeln 48 und 52 ohnehin, daß sie sowohl bezueglich der Einreise von unter das Gemeinschaftsrecht fallenden Personen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und ihres Aufenthalts dort als auch bezueglich des Verbots der Diskriminierung dieser Personen aus Gründen der Staatsangehörigkeit auf denselben Grundsätzen beruhen. Gleiches gilt für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten durch unter das Gemeinschaftsrecht fallende Personen.

30 Die Fragen des Hoge Raad der Nederlanden sind vor diesem Hintergrund zu beantworten.

Zur fünften Vorlagefrage

31 Mit seiner fünften Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der eine selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er auch wohnt, ausübt, gegenüber seinem Herkunftsstaat, in dessen Gebiet er eine andere selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, auf die Bestimmungen des Artikels 52 des Vertrages berufen kann.

32 Nach ständiger Rechtsprechung gelten die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit zwar nicht für auf das Gebiet eines Mitgliedstaats beschränkte Sachverhalte, doch kann Artikel 52 des Vertrages nicht dahin ausgelegt werden, daß die eigenen Staatsangehörigen eines bestimmten Mitgliedstaats von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen wären, wenn sie sich aufgrund ihres Verhaltens gegenüber ihrem Herkunftsmitgliedstaat in einer Lage befinden, die mit derjenigen anderer Personen, die in den Genuß der durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten kommen, vergleichbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Februar 1979 in der Rechtssache 115/78, Knoors, Slg. 1979, 399, Randnr. 24, vom 3. Oktober 1990 in der Rechtssache C-61/89, Bouchoucha, Slg. 1990, I-3551, Randnr. 13, vom 31. März 1993 in der Rechtssache C-19/92, Slg. 1993, I-1663, Randnr. 15, und vom 23. Februar 1994 in der Rechtssache C-419/92, Scholz, Slg. 1994, I-505).

33 Im vorliegenden Fall übte Herr Asscher vor 1986 von den Niederlanden, seinem Herkunftsstaat, aus eine wirtschaftliche Tätigkeit in Belgien aus. Seit der Verlegung seines Wohnorts nach Belgien im Mai 1986 übt er diese wirtschaftliche Tätigkeit in Belgien wie auch seine wirtschaftliche Tätigkeit in den Niederlanden weiter aus; diese zweifache wirtschaftliche Tätigkeit hat unmittelbare Auswirkungen auf die Berechnung seiner Einkommensteuer in den Niederlanden im Steuerjahr 1990, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist. Herr Asscher hat demnach von den durch den Vertrag zuerkannten Rechten und Freiheiten Gebrauch gemacht und kann sich auf die entsprechenden Bestimmungen des Vertrages berufen.

34 Demgemäß ist auf die fünfte Vorlagefrage zu antworten, daß sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der eine selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er auch wohnt, ausübt, gegenüber seinem Herkunftsstaat, in dessen Gebiet er eine andere selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, auf die Bestimmungen des Artikels 52 des Vertrages berufen kann, wenn er sich aufgrund der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsstaat diesem gegenüber in einer Lage befindet, die mit derjenigen anderer Personen vergleichbar ist, die sich gegenüber dem Aufnahmestaat auf die durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten berufen können.

Zur ersten und zur zweiten Vorlagefrage

35 Mit der ersten und der zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, ob Artikel 52 des Vertrages dahin auszulegen ist, daß er es einem Mitgliedstaat verwehrt, auf einen Gemeinschaftsangehörigen, der eine selbständige Erwerbstätigkeit im Gebiet dieses Staates und daneben eine andere selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er auch wohnt, ausübt, einen Einkommensteuersatz anzuwenden, der höher ist als derjenige, der für Gebietsansässige gilt, die die gleiche Tätigkeit ausüben. Zum anderen fragt das vorlegende Gericht, ob die Antwort auf diese Frage dadurch beeinflusst wird, daß das Welteinkommen des Steuerpflichtigen zu weniger als 90 % aus Einkünften besteht, die der Staat, in dem der Steuerpflichtige arbeitet, aber nicht wohnt, bei der Einkommensbesteuerung berücksichtigen kann.

36 Die direkten Steuern fallen zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse in diesem Bereich unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und deshalb jede offensichtliche oder versteckte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen (vgl. Urteile vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnrn. 21 und 26, und vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16).

37 Die Rechtsvorschriften, um die es im Ausgangsverfahren geht, gelten unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betreffenden Steuerpflichtigen.

38 Bei nationalen Rechtsvorschriften dieser Art, die eine insbesondere auf dem Wohnortkriterium beruhende Unterscheidung dahin gehend treffen, daß der für bestimmte Gebietsfremde geltende Lohn- und Einkommensteuersatz höher ist als derjenige, der für gebietsansässige Steuerpflichtige und diesen gleichgestellte Personen gilt, besteht jedoch die Gefahr, daß sie sich hauptsächlich zum Nachteil der Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken. Gebietsfremde sind nämlich in den meisten Fällen Nichtstaatsangehörige. Ausserdem sind nationale Rechtsvorschriften wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, um so mehr geeignet, vor allem Staatsangehörige anderer Staaten zu betreffen, wenn zusätzlich zum Wohnortkriterium das Kriterium angewandt wird, daß das Welteinkommen zu mindestens 90 % in den Niederlanden erzielt wurde.

39 Unter diesen Umständen kann die Anwendung eines Lohn- und Einkommensteuersatzes auf gebietsfremde Steuerpflichtige, die weniger als 90 % ihres Welteinkommens in den Niederlanden erzielen ° wobei diese Voraussetzung als erfuellt gilt, wenn sie keine Beiträge zur allgemeinen Sozialversicherung entrichten °, dann, wenn dieser Steuersatz höher ist als derjenige, der für gebietsansässige Steuerpflichtige und diesen gleichgestellte Personen gilt, eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellen.

40 Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Diskriminierung dann vor, wenn unterschiedliche Vorschriften auf gleichartige Situationen angewandt werden oder wenn dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (Urteil Wielockx, a. a. O., Randnr. 17).

41 Im Hinblick auf die direkten Steuern befinden sich in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Personen und Gebietsfremde in der Regel aber nicht in einer gleichartigen Situation, da zwischen ihnen sowohl hinsichtlich der Einkunftsquelle als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft oder der Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands objektive Unterschiede bestehen (Urteil Wielockx, a. a. O., Randnr. 18, unter Hinweis auf das Urteil Schumacker, a. a. O., Randnrn. 31 ff.).

42 Jedoch kann bei einer Steuervergünstigung, die Gebietsfremden nicht gewährt wird, eine Ungleichbehandlung dieser beiden Gruppen von Steuerpflichtigen als Diskriminierung im Sinne des Vertrages angesehen werden, wenn kein objektiver Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Steuerpflichtigen besteht, der eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil Schumacker, a. a. O., Randnrn. 36 bis 38).

43 So stellt die Tatsache, daß ein Mitgliedstaat einem Steuerpflichtigen, der in seinem Gebiet arbeitet, ohne dort zu wohnen, an die Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands geknüpfte Steuervergünstigungen versagt, während er sie gebietsansässigen Steuerpflichtigen gewährt, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes dann eine Diskriminierung dar, wenn der Gebietsfremde die Gesamtheit oder praktisch die Gesamtheit seines Welteinkommens in diesem Staat erzielt, da die im Wohnstaat erzielten Einkünfte nicht hoch genug sind, um eine Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands zu ermöglichen. Diese beiden Gruppen von Steuerpflichtigen befinden sich dann im Hinblick auf die Berücksichtigung ihrer persönlichen Lage und ihres Familienstands in einer gleichartigen Situation (Urteil Schumacker, a. a. O., Randnrn. 36 bis 38).

44 Was dagegen den gebietsfremden Steuerpflichtigen angeht, der nicht die Gesamtheit oder praktisch die Gesamtheit seiner Einkünfte in dem Staat erzielt, in dem er arbeitet, ohne dort zu wohnen, so kann die Versagung solcher Vergünstigungen durch den Arbeitsstaat gerechtfertigt sein, da im Wohnstaat, dem nach internationalem Steuerrecht diese Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands obliegt, vergleichbare Vergünstigungen gewährt werden.

45 Im vorliegenden Fall besteht die Ungleichbehandlung darin, daß auf Gebietsfremde, die in den Niederlanden weniger als 90 % ihres Welteinkommens erzielen, in der ersten Tranche ein Steuersatz von 25 % angewandt wird, während die in den Niederlanden ansässigen Personen, die dort die gleiche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, in der ersten Besteuerungstranche in den Genuß des Steuersatzes von 13 % auch dann kommen, wenn sie dort weniger als 90 % ihres Welteinkommens erzielen.

46 Der niederländischen Regierung zufolge soll mit dem höheren Steuersatz der Umstand ausgeglichen werden, daß bestimmte Gebietsfremde wegen ihrer auf die in den Niederlanden erzielten Einkünfte beschränkten Steuerpflicht der Steuerprogression entgingen.

47 Nach Artikel 24 Absatz 2 Nummer 1 des Abkommens, der dem Muster des Artikels 23a Absätze 1 und 3 des ÖCD-Musterabkommens folgt (Methode der Befreiung mit Progressionsvorbehalt), sind die Einkünfte, die in dem Staat erzielt wurden, in dem der Steuerpflichtige seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, ohne dort zu wohnen, ausschließlich in diesem Staat zu versteuern und im Wohnstaat von der Steuer befreit. Dieser Staat bleibt jedoch berechtigt, sie bei der Berechnung der Höhe der Steuer von den übrigen Einkünften des betreffenden Steuerpflichtigen, namentlich im Hinblick auf die Anwendung der Progressionsbestimmung, zu berücksichtigen.

48 Die Tatsache, daß jemand Gebietsfremder ist, lässt ihn somit unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht der Anwendung der Progressionsbestimmung entgehen. Die beiden Gruppen von Steuerpflichtigen befinden sich also im Hinblick auf diese Bestimmung in einer gleichartigen Situation.

49 Demnach stellt es eine nach Artikel 52 des Vertrages verbotene mittelbare Diskriminierung dar, wenn auf bestimmte Gebietsfremde ein höherer Einkommensteuersatz angewandt wird, als er für Gebietsansässige und diesen gleichgestellte Personen gilt.

50 Nunmehr ist zu prüfen, ob diese Diskriminierung möglicherweise gerechtfertigt ist.

51 Erstens ist nach Ansicht der niederländischen Regierung ein unterschiedlicher Steuersatz für gebietsfremde, nicht beitragspflichtige Steuerpflichtige einerseits und gebietsansässige Steuerpflichtige und diesen gleichgestellte Personen andererseits durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, zu verhindern, daß auf den erstgenannten ein deutlich geringerer Steuerdruck als auf den letztgenannten laste. Ohne die Anwendung eines erhöhten Satzes würden die gebietsfremden, nicht beitragspflichtigen Steuerpflichtigen eine Steuervergünstigung gegenüber den Gebietsansässigen und den diesen gleichgestellten Personen erhalten, für die der Wegfall der Abzugsfähigkeit der Sozialversicherungsbeiträge zu einer Erhöhung des zu versteuernden Einkommens und einer entsprechenden Erhöhung der Steuer geführt habe.

52 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

53 Die angebliche Vergünstigung für diese Gebietsfremden ergibt sich allenfalls aus der Entscheidung des niederländischen Gesetzgebers, die Abzugsfähigkeit der Sozialversicherungsbeiträge abzuschaffen, die naturgemäß nur die Steuerpflichtigen trifft, die zu deren Entrichtung verpflichtet sind, was nach Auffassung der niederländischen Regierung diejenigen begünstigt, die zur Entrichtung dieser Beiträge in den Niederlanden nicht verpflichtet seien. Dieser Umstand kann aber nicht zu einem steuerrechtlichen Ausgleich zu Lasten der letztgenannten Personen führen, da dies darauf hinauslaufen würde, sie dafür zu bestrafen, daß sie in den Niederlanden keine Sozialversicherungsbeiträge entrichten.

54 Jedenfalls besteht nur folgende Alternative. Entweder ist Herr Asscher ordnungsgemäß nur dem belgischen System der sozialen Sicherheit angeschlossen; dann kommt es nicht in Frage, ihn durch einen steuerlichen Ausgleich dafür zu bestrafen, daß er in den Niederlanden keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Oder Herr Asscher müsste ausschließlich oder konkurrierend dem niederländischen System der sozialen Sicherheit angeschlossen sein, was es den Niederlanden ermöglichen würde, von ihm die Entrichtung von Beiträgen zu verlangen, und was, wie in Randnummer 8 ausgeführt worden ist, seinen Ausschluß vom Ausländertarif zur Folge hätte. Es ergibt sich also, daß der Anschluß oder der Nichtanschluß an eines der beiden nationalen Systeme der sozialen Sicherheit in keiner der beiden ins Auge gefassten Fallgestaltungen die Anwendung eines erhöhten Steuersatzes auf Gebietsfremde rechtfertigen kann.

55 Zweitens ist zu prüfen, ob der unterschiedliche Steuersatz durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, die steuerrechtliche Kohärenz der Steuerregelung des betreffenden Mitgliedstaats zu gewährleisten, wie sowohl der Staatssecretaris van Financiën im nationalen Verfahren als auch die französische Regierung gemeint haben.

56 Der Gerichtshof hat in der Tat in den Urteilen vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90 (Bachmann, Slg. 1992, I-249) und in der Rechtssache C-300/90 (Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-305) ausgeführt, daß die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu gewährleisten, eine Regelung rechtfertigen kann, die geeignet ist, die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft zu beschränken.

57 Dieser Fall liegt hier jedoch nicht vor.

58 In den genannten Rechtssachen bestand zwischen der Abzugsfähigkeit der Beiträge und der Besteuerung der von den Versicherern in Erfuellung der Versicherungsverträge für den Fall des Alters und des Todes zu zahlenden Beträge ein unmittelbarer Zusammenhang, der zur Wahrung der Kohärenz des fraglichen Steuersystems aufrechtzuerhalten war. In diesem Fall wurde nämlich dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt, zwischen der Abzugsfähigkeit der Versicherungsprämien bei gleichzeitiger Besteuerung der Kapitalabfindungen und Renten bei Vertragsende und der Nichtabzugsfähigkeit der Prämien bei gleichzeitiger Steuerbefreiung der bei Vertragsende erhaltenen Kapitalabfindungen und Renten zu wählen.

59 Dagegen besteht im vorliegenden Fall kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der im Bereich des Steuerrechts liegenden Anwendung eines erhöhten Steuersatzes auf die Einkünfte bestimmter Gebietsfremder, die weniger als 90 % ihres Welteinkommens in den Niederlanden erzielen, und dem Umstand, daß auf die in den Niederlanden erzielten Einkünfte dieser Gebietsfremden keine Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden.

60 Denn zum einen führt die Anwendung eines erhöhten Steuersatzes nicht zu einem Sozialversicherungsschutz. Zum anderen können der Nichtanschluß an das niederländische System der sozialen Sicherheit und damit die Nichterhebung von Sozialversicherungsbeiträgen auf die in den Niederlanden erzielten Einkünfte bestimmter Gebietsfremder, wenn beides zu Recht besteht, nur aus der der Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften dienenden Anwendung des allgemeinen, zwingenden Systems der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), resultieren; daraus folgt nach diesen Bestimmungen grundsätzlich ein Anschluß allein an das System der sozialen Sicherheit des Wohnstaats, in dem diese Personen einen Teil ihrer beruflichen Tätigkeiten ausüben.

61 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes können die Mitgliedstaaten, da sie verpflichtet sind, die geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu beachten, nicht bestimmen, inwieweit ihre eigenen Rechtsvorschriften oder die eines anderen Mitgliedstaats anwendbar sind (vgl. Urteile vom 23. September 1982 in der Rechtssache 276/81, Kuijpers, Slg. 1982, 3027, Randnr. 14, vom 12. Juni 1986 in der Rechtssache 302/84, Ten Holder, Slg. 1986, 1821, Randnr. 21, und vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache 60/85, Luijten, Slg. 1986, 2365, Randnr. 14); diese Rechtsprechung verwehrt es einem Mitgliedstaat, mit steuerrechtlichen Maßnahmen in Wirklichkeit den Zweck zu verfolgen, den Nichtanschluß an sein System der sozialen Sicherheit und die Nichterhebung von Beiträgen zu diesem System auszugleichen.

62 Demgemäß ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, daß Artikel 52 des Vertrages dahin auszulegen ist, daß er es einem Mitgliedstaat verwehrt, auf einen Angehörigen eines Mitgliedstaats, der eine selbständige Erwerbstätigkeit im Gebiet dieses Staates und daneben eine andere selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er auch wohnt, ausübt, einen Einkommensteuersatz anzuwenden, der höher ist als derjenige, der für Gebietsansässige gilt, die die gleiche Tätigkeit ausüben, wenn kein objektiver Unterschied in der Situation dieser Steuerpflichtigen und derjenigen der gebietsansässigen Steuerpflichtigen und der diesen gleichgestellten Personen besteht, der geeignet wäre, eine solche Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

Zur dritten und zur vierten Vorlagefrage

63 Die dritte und die vierte Frage sind bereits im Rahmen der Prüfung der Frage beantwortet worden, ob die Diskriminierung gerechtfertigt sein kann (siehe insbesondere Randnrn. 53 und 54 sowie 59 bis 61).

64 Demgemäß ist dem Hoge Raad der Nederlanden zu antworten, daß Artikel 52 des Vertrages es einem Mitgliedstaat verwehrt, durch einen erhöhten Einkommensteuersatz der Tatsache Rechnung zu tragen, daß der Steuerpflichtige aufgrund der für die Bestimmung der anzuwendenden sozialrechtlichen Vorschriften geltenden Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht der Beitragspflicht im nationalen Sozialversicherungssystem unterliegt. Der sich ebenfalls aus der Verordnung Nr. 1408/71 ergebende Umstand, daß der Steuerpflichtige dem System der sozialen Sicherheit seines Wohnstaats angeschlossen ist, ist insoweit unerheblich.

Kostenentscheidung


Kosten

65 Die Auslagen der deutschen, der belgischen, der französischen, der niederländischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 23. März 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der eine selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er auch wohnt, ausübt, kann sich gegenüber seinem Herkunftsstaat, in dessen Gebiet er eine andere selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, auf die Bestimmungen des Artikels 52 EG-Vertrag berufen, wenn er sich aufgrund der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsstaat diesem gegenüber in einer Lage befindet, die mit derjenigen anderer Personen vergleichbar ist, die sich gegenüber dem Aufnahmestaat auf die durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten berufen können.

2. Artikel 52 des Vertrages ist dahin auszulegen, daß er es einem Mitgliedstaat verwehrt, auf einen Angehörigen eines Mitgliedstaats, der eine selbständige Erwerbstätigkeit im Gebiet dieses Staates und daneben eine andere selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er auch wohnt, ausübt, einen Einkommensteuersatz anzuwenden, der höher ist als derjenige, der für Gebietsansässige gilt, die die gleiche Tätigkeit ausüben, wenn kein objektiver Unterschied in der Situation dieser Steuerpflichtigen und derjenigen der gebietsansässigen Steuerpflichtigen und der diesen gleichgestellten Personen besteht, der geeignet wäre, eine solche Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

3. Artikel 52 des Vertrages verwehrt es einem Mitgliedstaat, durch einen erhöhten Einkommensteuersatz der Tatsache Rechnung zu tragen, daß der Steuerpflichtige aufgrund der für die Bestimmung der anzuwendenden sozialrechtlichen Vorschriften geltenden Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, nicht der Beitragspflicht im nationalen Sozialversicherungssystem unterliegt. Der sich ebenfalls aus der Verordnung Nr. 1408/71 ergebende Umstand, daß der Steuerpflichtige dem System der sozialen Sicherheit seines Wohnstaats angeschlossen ist, ist insoweit unerheblich.