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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61995C0188

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 26. Juni 1997. - Fantask A/S e.a. gegen Industriministeriet (Erhvervministeriet). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Østre Landsret - Dänemark. - Richtlinie 69/335/EWG - Abgaben für die Eintragung von Gesellschaften - Nationale Verfahrensfristen. - Rechtssache C-188/95.

Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-06783


Schlußanträge des Generalanwalts


1 In dieser Rechtssache ersucht das Östre Landsret (Dänemark) den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (nachstehend: Richtlinie)(1) in der zuletzt durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates(2) geänderten Fassung. Die Richtlinie, mit der eine harmonisierte Steuer auf die Kapitalzuführung an Kapitalgesellschaften eingeführt wird, verbietet die Erhebung anderer Steuern oder Abgaben auf die Eintragung von Kapitalgesellschaften. Gemäß Artikel 12 der Richtlinie steht den Mitgliedstaaten weiter die Befugnis zu, "Abgaben mit Gebührencharakter" zu erheben. Das Östre Landsret ersucht um Aufklärung über die Bedeutung dieses Ausdrucks und fragt den Gerichtshof weiter, ob sich ein Mitgliedstaat im Licht des Urteils Emmott(3) in einem gegen ihn angestrengten Verfahren auf eine Verjährungsfrist berufen kann, obwohl er die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

Maßgebliche Gemeinschaftsbestimmungen

2 Die Richtlinie will den freien Kapitalverkehr durch Harmonisierung der Besteuerung von Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften und bestimmte sonstige Gesellschaften und durch Abschaffung der Wertpapiersteuer auf Beteiligungen sowie anderer indirekter Steuern mit den gleichen Merkmalen wie die Gesellschaft- oder die Wertpapiersteuer fördern. In Artikel 3 sind die Kapital- und bestimmte sonstige Gesellschaften aufgeführt, bei denen Gesellschaftsteuer erhoben wird und die im Sinne der Richtlinie als "Kapitalgesellschaften" gelten; Artikel 4 legt die Vorgänge fest, die der Steuer unterliegen. Gemäß Artikel 7 der Richtlinie, der kürzlich durch Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 85/303 des Rates geändert wurde, müssen die Mitgliedstaaten diese Vorgänge entweder von der Gesellschaftsteuer befreien oder darauf die Steuer mit einem einheitlichen Satz von höchstens 1 % erheben.

3 In der achten Begründungserwägung der Richtlinie heisst es:

"Die Beibehaltung anderer indirekter Steuern mit den gleichen Merkmalen wie die Gesellschaftssteuer oder die Wertpapiersteuer gefährdet die Zielsetzungen, die mit den in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen verfolgt werden; infolgedessen ist die Aufhebung dieser Steuern erforderlich."

4 Artikel 10 der Richtlinie bestimmt demgemäß:

"Abgesehen von der Gesellschaftssteuer erheben die Mitgliedstaaten von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck keinerlei andere Steuern oder Abgaben auf:

...

c) die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann."

5 Gemäß Artikel 12 Absatz 1 gilt indessen:

"In Abweichung von den Artikeln 10 und 11 können die Mitgliedstaaten folgendes erheben:

...

e) Abgaben mit Gebührencharakter;

..."

6 Der Gerichtshof hatte in seinem Urteil Ponente Carni(4) Gelegenheit, sich zum Anwendungsbereich der Artikel 10 und 12 Absatz 1 Buchstabe e zu äussern. In dieser Rechtssache ging es um italienische Abgaben, die bei der ersten Eintragung einer Gesellschaft und dann jährlich zu entrichten waren. Während des Bezugszeitraums wurden Höhe und Gefüge der Abgaben mehrfach geändert. Die Abgaben waren durchgehend für Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (sog. Publikumsgesellschaften) höher als für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und waren zeitweilig je nach Kapital der Publikumsgesellschaft gestaffelt. Sie waren beträchtlich; 1988 etwa betrugen sie 15 000 000 LIT für Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien und 3 500 000 LIT für Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

7 Der Gerichtshof hat entschieden, daß Abgaben der in dieser Rechtssache fraglichen Art unter Artikel 10 fallen. Dies gelte auch dann, wenn der Ertrag der Abgabe zur Finanzierung des Dienstes beitrage, der das Gesellschaftsregister zu führen habe. Wenn die Mitgliedstaaten eine andere Steuer als die Gesellschaftsteuer für die Erfuellung einer der für ihre Gründung wesentlichen Formalitäten einführen könnten, würde dies die mit der Richtlinie verfolgten Ziele gefährden(5).

8 Der Gerichtshof hat sich sodann mit dem Anwendungsbereich des Artikels 12 der Richtlinie befasst. Er hat seine Rechtsprechung zu den Vertragsbestimmungen über Abgaben mit zollgleicher Wirkung hiervon abgegrenzt und entschieden, daß Artikel 12 eine Abgabe erfasst, die "die Gegenleistung für einen vom Gesetz im allgemeinen Interesse angeordneten Vorgang darstellt". Eben dies könne bei einer Abgabe der Fall sein, die "als Gegenleistung für einen Vorgang wie die Eintragung von Kapitalgesellschaften fällig wird, also einen Vorgang, der im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht von einem innerstaatlichen Gesetz sowohl im Interesse Dritter als auch in dem der Gesellschaften selbst vorgeschrieben wird"(6).

9 Zu den Abgaben mit Gebührencharakter hat der Gerichtshof ausgeführt:

"Die Unterscheidung zwischen den nach Artikel 10 der Richtlinie verbotenen Belastungen und den Abgaben mit Gebührencharakter bringt es mit sich, daß zu letzteren nur - bei der Eintragung oder jährlich fällig werdende - Abgaben zu rechnen sind, deren Höhe sich nach den Kosten des geleisteten Dienstes richtet.

In einer Abgabe, deren Höhe keinen Zusammenhang mit den Kosten des besonderen Dienstes aufwiese oder deren Höhe sich nicht nach den Kosten des Vorgangs, für den sie die Gegenleistung darstellt, richtete, sondern nach den gesamten Verwaltungs- und Investitionskosten des mit dem Vorgang betrauten Dienstes, müsste eine Belastung gesehen werden, für die allein das Verbot des Artikels 10 der Richtlinie gilt.

Bei einigen Vorgängen, wie beispielsweise der Eintragung einer Gesellschaft, kann es schwierig sein, die Kosten des Vorgangs zu ermitteln. In einem solchen Fall kann die Bemessung dieser Kosten nur pauschal erfolgen und muß in sachgerechter Weise vorgenommen werden, indem insbesondere die Anzahl und der Rang der beteiligten Bediensteten, die von ihnen aufgewendete Zeit sowie die für den Vorgang anfallenden Sachkosten berücksichtigt werden.(7)"

10 Nach Auffassung des Gerichtshofes verbietet es ferner die Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht, "für die Eintragung der Aktiengesellschaften einerseits und die Eintragung der Gesellschaften mit beschränkter Haftung andererseits unterschiedliche Beträge festzusetzen, wenn ... darauf geachtet wird, daß keiner der von diesen Gesellschaften zu entrichtenden Beträge höher ist als die Kosten der Eintragung"(8).

Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften

11 Das Gesetz Nr. 468 vom 29. September 1917 und später das Gesetz Nr. 370 vom 13. Juni 1973 ermächtigten den zuständigen Minister, später das dänische Amt für Gewerbe- und Gesellschaftsangelegenheiten, für die Eintragung der Gründung und der Kapitalerhöhung von Aktiengesellschaften bestimmte Abgaben zu erheben. Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung wurden entsprechende Vorschriften mit dem Gesetz Nr. 371 vom 13. Juni 1973 eingeführt.

12 Bis zum 1. Mai 1992 setzten sich die Abgabenbeträge aus einer festen Grundabgabe und einer zusätzlichen Abgabe zusammen, die proportional im Verhältnis von 1 DKR je 1 000 DKR gezeichnetem Nennkapital berechnet wurde. Die Grundabgabe selbst war bis zum 1. Januar 1974 unterschiedlich hoch (degressiv im Verhältnis zum gezeichneten Kapital); von diesem Zeitpunkt an wurde sie durch eine feste Grundabgabe ersetzt, die vom 1. Januar 1974 bis zum 1. Mai 1992 zwischen 500 DKR und 1 700 DKR für die Eintragung einer neuen Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung und 200 DKR und 900 DKR für die Eintragung einer Kapitalerhöhung bei beiden Arten von Gesellschaften schwankte. Vom 1. Februar 1973 bis zum 1. Mai 1992 betrug die zusätzliche Abgabe 4 DKR je 1 000 DKR gezeichnetem Kapital.

13 Der dänische Rechnungshof (Danmarks Rigsrevision) veröffentlichte am 13. Mai 1992 einen Bericht, dem zufolge die betreffenden Abgaben zu dem nach seiner Erfahrung höchst bemerkenswerten Beispiel einer öffentlichen Behörde führten, bei der die Einnahmen die Ausgaben erheblich überschritten. In dem Bericht wurde die nationale Rechtsgrundlage für die Erhebung dieser Abgaben in Zweifel gezogen.

14 Der Bericht, der vor seiner offiziellen Veröffentlichung in einer Zusammenfassung zugänglich gemacht wurde, führte zur Abschaffung der zusätzlichen Abgabe mit Wirkung vom 1. Mai 1992. Gleichzeitig wurde die feste Grundabgabe auf einen Betrag von 1 700 DKR für Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung auf 2 500 DKR für Aktiengesellschaften und 1 800 DKR für Gesellschaften mit beschränkter Haftung angehoben und zugleich die Abgabe für Kapitalerhöhungen von 900 DKR auf 600 DKR gesenkt.

Das dänische Amt für Gewerbe- und Gesellschaftsangelegenheiten

15 Das dänische Gesellschaftsregister wurde 1918 geschaffen und am 1. Januar 1988 in "Amt für Gewerbe- und Gesellschaftsangelegenheiten" (nachstehend: Amt) umbenannt. Das Amt umfasst sechs Abteilungen, die für verschiedene Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Anwendung und dem Entwurf von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts zuständig sind.

16 Der Vorlagebeschluß enthält zwei Tabellen mit den Betriebsausgaben und -einnahmen des Amtes. Die erste Tabelle stammt vom Rechnungshof und führt die Gesamtausgaben und -einnahmen sowie die Überschüsse für die Jahre 1980 bis 1990 auf. Das Amt ist der Meinung, die Zahlen dieser Tabelle gäben seine Einnahmen und Ausgaben im Bereich des Gesellschaftsrechts nicht zutreffend wieder, und hat eine abweichende Zusammenstellung der Zahlen für die Jahre 1987 bis 1991 vorgelegt. Die vom Rechnungshof stammende Tabelle weist Überschüsse zwischen 4,9 Millionen DKR (1980) und 139,4 Millionen DKR (1990) aus. Die Tabelle des Amtes zeigt geringere Überschüsse zwischen 12,0 Millionen DKR (1987) und 90,2 Millionen DKR (1991).

17 Die vom Amt vorgelegten Zahlen enthalten seine unmittelbaren und mittelbaren Ausgaben für die Verwaltung der Gesellschaftsgesetze und auch die Personalkosten des Handelsministeriums im Zusammenhang mit dem Entwurf von Gesellschaftsvorschriften und der Verwaltung des Amtes. Die Ausgaben des Amtes für die Verwaltung der Gesellschaftsgesetze umfassen Kosten für die Eintragung von Gesellschaftsgründungen, Umwandlungen, Kapitalerhöhungen, Verschmelzungen und sonstigen Veränderungen sowie für die Überwachung der Einhaltung von Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit Listen über Mehrheitsbeteiligungen und Prospekten bei Aktienausgaben. Eingeschlossen sind Kosten für folgende Angelegenheiten: rechtliche Vorbereitungsarbeiten für Verordnungen im Bereich des Gesellschaftsrechts und des Jahresabschlusses; Behandlung von Beschwerden bei der Beschwerdestelle des Handelsministeriums und von Anträgen an den Ombudsmann; Handhabung der Bestimmungen über Kapitalminderung, Gesellschafterdarlehen, Jahresabschlüsse (einschließlich Rechnungsprüfung) und Buchführung; Informationsarbeit durch Vorträge, Artikel, Broschüren und Sitzungen mit Wirtschaftsorganisationen und sonstigen Gruppen. Die Zahlen enthalten ferner einen Anteil der Gemeinkosten im Zusammenhang mit Finanzverwaltung und Haushaltswesen, Personalverwaltung, Rechnerentwicklung, Gebäudeverwaltung und -ausstattung, Bücherei, Botendienste und Personalausbildung.

Sachverhalt und Vorlagefragen

18 Beim Östre Landsret wurden von den Firmen Fantask A/S, Norsk Hydro Danmark A/S, Robert Bosch A/S, Uponor A/S und Uponor Holding A/S, Konzern Pen-Sam, Tryg-Baltica Forsikring, Skadeforsikringsselskab A/S und Tryg-Baltica Forsikring, Livsforsikringsselskab A/S, Aalborg Portland A/S und Alka Forsikring A/S insgesamt acht Klagen erhoben. Alle Klägerinnen sind in Dänemark eingetragene Aktiengesellschaften (zum Konzern Pen-Sam gehört allerdings auch eine Reihe von Gesellschaften mit beschränkter Haftung).

19 Alle Fälle betreffen Rückforderungen von Abgaben, die im Zusammenhang mit Anträgen auf Gesellschaftsgründung und Kapitalerhöhungen entrichtet wurden. Alle mit Ausnahme von Fantask S/A beschränken ihre Rückforderung auf die zusätzliche Abgabe. Die eingeklagten Beträge liegen zwischen 2 900 DKR (Fantask) und 4 800 000 DKR (Konzern Tryg).

20 Nach dem Vorlagebeschluß gilt für die Klagebeträge im Ausgangsverfahren § 1 des dänischen Verjährungsgesetzes vom 22. Dezember 1908, der eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorsieht. § 2 bestimmt, daß die Frist zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Gläubiger Zahlung der Schuld verlangen kann, normalerweise also ab Fälligkeit. War dem Gläubiger jedoch ohne sein Verschulden die Forderung unbekannt, so beginnt die Verjährung nach § 3 zu dem Zeitpunkt, zu dem Gläubiger imstande war oder bei verkehrsüblicher Sorgfalt imstande gewesen wäre, seine Forderung geltend zu machen.

21 Zusätzlich zu diesen Gesetzesbestimmungen verweist das vorlegende Gericht auf einen von dänischen Gerichten entwickelten Grundsatz (sog. "Forstgebühren"-Grundsatz), wonach einem Steuerzahler die Erstattung überzahlter Abgaben versagt bleibt, wenn diese seit alters her aufgrund von Vorschriften erhoben wurden, die sowohl die Behörden als auch der Steuerzahler für rechtswirksam hielten. Umfang und Wirkung dieses Grundsatzes sind zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens streitig.

22 Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht beschlossen, dem Gerichtshof folgende Fragen vorzulegen:

1. Stellt das Gemeinschaftsrecht bestimmte Anforderungen an die Abgrenzung des Begriffes "Gebührencharakter" in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335/EWG durch die Mitgliedstaaten, oder kann der einzelne Mitgliedstaat frei entscheiden, was als "Gebühr für eine konkrete Dienstleistung" anzusehen ist?

2. Dürfen in die Berechnungsgrundlage für Abgaben, die von einem Mitgliedstaat aufgrund von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335/EWG für die Eintragung der Gründung einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder der Erhöhung ihres Kapitals erhoben werden, folgende Arten von Kosten oder einzelne dieser Arten eingehen:

- Löhne und Gehälter sowie Ruhegehaltsbeiträge für die Bediensteten, die an der Eintragung nicht mitwirken, z. B. das Verwaltungspersonal der Eintragungsbehörde oder das Personal dieser Behörde oder anderer Behörden, das mit Arbeiten zur Vorbereitung von gesellschaftsrechtlichen Vorschriften befasst ist;

- Kosten bei der Eintragung anderer die Gesellschaft betreffender Tatsachen, für die nach einer Regelung des Mitgliedstaats kein bestimmtes Entgelt zu entrichten ist;

- Kosten für die Wahrnehmung anderer Aufgaben als der Eintragung, die der Eintragungsbehörde nach den Gesetzen über die Gesellschaften und den damit zusammenhängenden Gesetzen obliegen, wie z. B. die Aufsicht über die Rechnungslegung der Gesellschaften und die Kontrolle der Buchführung der Gesellschaften;

- Verzinsung und Abschreibung sämtlicher Investitionskosten, die sich nach Auffassung der Eintragungsbehörde auf gesellschaftsrechtliche oder damit zusammenhängende Rechtsgebiete beziehen;

- Kosten für Dienstreisen, die mit der konkreten Eintragungstätigkeit in keinem Zusammenhang stehen;

- Kosten für die öffentliche Informationsarbeit und Beratungstätigkeit der Eintragungsbehörde, die mit der konkreten Eintragungstätigkeit in keinem Zusammenhang stehen, wie z. B. Vorträge, Ausarbeitung von Artikeln und Broschüren und Durchführung von Sitzungen mit Wirtschaftsorganisationen und anderen Interessengruppen?

3. a) Ist Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335/EWG dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat keine Einheitsabgaben durch zeitlich unbegrenzt geltende Vorschriften festsetzen darf?

b) Wenn diese Frage zu verneinen ist: Ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, jedes Jahr oder in anderen bestimmten Zeitabständen die Abgabensätze anzupassen?

c) Ist es für die Beantwortung von Bedeutung, ob die Abgaben proportional zur Höhe der zur Eintragung angemeldeten Kapitalzufuhr festgesetzt werden?

4. Ist Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e in Verbindung mit Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie 69/335/EWG dahin auszulegen, daß der Betrag, der als Entgelt für eine konkrete Dienstleistung erhoben wird, z. B. die Eintragung der Gründung einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder der Erhöhung ihres Kapitals, auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten für die konkrete Dienstleistung - die Eintragung - zu berechnen ist, oder kann als Abgabe für die einzelne Eintragung z. B. eine Grundabgabe zuzueglich (4 $) der nominellen Kapitaleinlage festgesetzt werden, so daß die Höhe der Abgabe unabhängig von dem Zeitaufwand und den übrigen Kosten der Eintragungsbehörde ist, die mit der Eintragung verbunden sind?

5. Ist Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e in Verbindung mit Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie 69/335/EWG dahin auszulegen, daß der Mitgliedstaat bei der Berechnung eventuell zurückzuzahlender Beträge von dem Grundsatz ausgehen muß, daß die Abgabe die Kosten für die konkrete Dienstleistung zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung widerspiegeln muß, oder ist der Mitgliedstaat berechtigt, eine Pauschalberechnung innerhalb eines längeren Zeitraums, z. B. eines Rechnungsjahres oder innerhalb des Zeitraums, in dem nach nationalem Recht eine Rückzahlungsforderung geltend gemacht werden kann, vorzunehmen?

6. Steht, wenn nach einem allgemeinen Grundsatz des nationalen Rechts, wonach bei der Beurteilung einer Forderung auf Rückzahlung von Abgaben, die ohne die erforderliche Rechtsgrundlage erhoben worden sind, darauf abzustellen ist, ob die Erhebung aufgrund von Vorschriften erfolgte, die lange Zeit galten, ohne daß die Behörden oder andere sich der fehlenden Rechtsgrundlage der Erhebung bewusst waren, das Gemeinschaftsrecht einem damit begründeten Ausschluß der Rückforderung von Abgaben entgegen, die im Widerspruch zur Richtlinie 69/335/EWG erhoben worden sind?

7. Widerspricht dem Gemeinschaftsrecht ein nationaler Rechtszustand, aufgrund dessen die Behörden eines Mitgliedstaats in einer Sache wegen einer Rückforderung von Abgaben, die im Widerspruch zur Richtlinie 69/335/EWG erhoben worden sind, mit Erfolg geltend machen können, daß nationale Verjährungsfristen von einem Zeitpunkt an laufen, zu dem die Richtlinie 69/335/EWG nicht ordnungsgemäß umgesetzt war?

8. Begründen die Bestimmungen des Artikels 10 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335/EWG, wie sie in den vorhergehenden Fragen ausgelegt worden sind, Rechte, auf die der einzelne in den jeweiligen Mitgliedstaaten seinen Anspruch vor den nationalen Gerichten stützen kann?

Zu den ersten fünf Fragen

23 Mit den ersten fünf Fragen möchte das vorlegende Gericht Näheres über die Bedeutung des Ausdrucks "Abgaben mit Gebührencharakter" in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie erfahren. Es will wissen, ob die Mitgliedstaaten den Begriffsumfang selbst bestimmen dürfen (Frage 1), ob bestimmte Kostenarten bei der Festlegung der Höhe der Abgabe mit Gebührencharakter berücksichtigt werden dürfen (Frage 2) und ob feste Abgaben (einschließlich derjenigen, die proportional zum Zeichnungskapital steigen) erhoben werden dürfen, die nicht mit den wirklichen Kosten der besonderen Dienstleistung zusammenhängen, und in welchem Umfang sie von Zeit zu Zeit überprüft werden müssen (Fragen 3 und 4). Die fünfte Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Berechnung der zurückzuzahlenden Beträge. Das Gericht will hier wissen, ob die Berechnung die Kosten für die konkrete Dienstleistung zum Zeitpunkt ihrer Erbringung widerspiegeln muß oder ob sie auf eine Pauschalberechnung innerhalb eines längeren Zeitraums wie etwa eines Rechnungsjahres oder des Zeitraums gestützt werden muß, in dem eine Rückzahlungsforderung geltend gemacht werden kann.

24 Die Parteien des Ausgangsverfahrens, das dänische Handelsministerium (Industrieministerium), die dänische und die schwedische Regierung und die Kommission haben sich vor dem Gerichtshof schriftlich und mündlich geäussert.

25 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sind der Auffassung, daß die zusätzliche Abgabe in Abhängigkeit vom Zeichnungskapital nach Artikel 10 der Richtlinie verboten sei und nicht unter den Begriff der nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e zulässigen Abgabe mit Gebührencharakter falle. Die Abgabe weise keinen Zusammenhang mit den Kosten der Verwaltung bei Vornahme der Eintragung auf. Die Kommission stimmt diesem Vorbringen zu. Sie vertritt die Auffassung, daß zwar die Grundabgabe eine angemessene Vergütung für die betreffenden Eintragungstätigkeiten sein dürfe, daß aber die zusätzliche Abgabe ad valorem zu grossen Überschüssen führe und keinen Zusammenhang mit der besonderen Dienstleistung an die Gesellschaften bei der Eintragung aufweise.

26 Die dänische Regierung geht davon aus, daß die Richtlinie indirekte Steuern und keine Gebühren für im allgemeinen Interesse erbrachte Dienstleistungen harmonisieren wolle. In Analogie zum Urteil Corbeau des Gerichtshofes(9) in bezug auf Artikel 90 des Vertrages legt sie dar, daß sie Gebühren in einer Höhe festlegen dürfe, die ausreiche, um sowohl unmittelbare als auch mittelbare Kosten nicht nur für die besonderen Registerdienstleistungen, sondern für alle Tätigkeiten der Verwaltung auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts zu decken. Sie dürfe ausserdem einen Solidaritätsaspekt bei den Belastungen berücksichtigen, indem grösseren Gesellschaften eine höhere Last auferlegt werde. Ihre Auffassung stehe im Einklang mit dem Urteil Ponente Carni und mit dem Subsidiaritätsgrundsatz, den der Gerichtshof auch bei der Auslegung von Rechtsvorschriften zu beachten habe, die vor dem Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union gegolten hätten. Der dänischen Regierung pflichten das dänische Handels- und Industrieministerium und die schwedische Regierung bei, nach deren Auffassung das Amt befugt war, bei der Festlegung des Gebührenbetrags alle in der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts aufgeführten Kostenarten zu berücksichtigen.

27 Bei der ersten Frage des vorlegenden Gerichts stimme ich der Auffassung des dänischen Ministeriums und der dänischen Regierung bei, daß die Richtlinie keine Abgaben mit Gebührencharakter für Dienstleistungen harmonisiert. Sie legt nicht fest, welche Dienstleistungen Gesellschaften im Gegenzug für ein Entgelt zu erbringen sind, noch, wie hoch dieses Entgelt sein sollte. Dem Urteil Ponente Carni(10) ist jedoch zu entnehmen, daß eine Abgabe im Zusammenhang mit der Eintragung einer Kapitalgesellschaft unter das Verbot des Artikels 10 der Richtlinie fällt und nur rechtmässig ist, wenn sie nach Artikel 12 zugelassen ist. Aus diesem Urteil(11) geht auch hervor, daß die Richtlinie Grenzen dafür vorsieht, was ein Mitgliedstaat rechtmässig als "Abgabe mit Gebührencharakter" nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e erheben darf. Der Grund hierfür ist klar. Ohne solche Grenzen wäre die Richtlinie wirkungslos, da die Mitgliedstaaten ihre Bestimmungen durch Erhebung anderer Steuern als Gesellschaftsteuern unter dem Deckmantel von Abgaben mit Gebührencharakter für angebliche Dienstleistungen umgehen könnten.

28 Insoweit geht der Hinweis der dänischen Regierung auf den Grundsatz der Subsidiarität in Artikel 3b des Vertrages in der Fassung des Artikels G Nummer 5 des Vertrages über die Europäische Union fehl. Trotz dieser Bestimmung muß der Gerichtshof, wenn die Gemeinschaft sich auf einem Gebiet, das nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fällt, für den Erlaß einer Richtlinie entschieden hat, diese im Einklang mit ihrem Wortlaut und ihren Zielen und in der Weise auslegen, daß ihre Wirksamkeit sichergestellt wird.

29 Bezueglich der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts zu den Kosten, die bei der Festlegung der betreffenden Abgaben berücksichtigt werden dürfen, können dem Urteil Ponente Carni des Gerichtshofes folgende Grundsätze entnommen werden:

- Ein Mitgliedstaat kann Abgaben für einen individuell geleisteten Dienst erheben, den er Gesellschaften erbringt. Zu solchen Diensten gehört "[ein] Vorgang wie die Eintragung von Kapitalgesellschaften ..., der im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht von einem innerstaatlichen Gesetz sowohl im Interesse Dritter als auch in dem der Gesellschaften selbst vorgeschrieben wird"(12).

- Alle Abgaben mit Gebührencharakter müssen nach den effektiven Kosten des geleisteten Dienstes berechnet werden. Sie dürfen nicht so festgesetzt werden, daß die "gesamten Verwaltungs- und Investitionskosten des mit dem Vorgang betrauten Dienstes" einbezogen werden(13).

- Wenn es schwierig ist, die Kosten des Vorgangs zu ermitteln, kann die Bemessung dieser Kosten pauschal erfolgen. Das muß in sachgerechter Weise geschehen, indem Anzahl und Rang der beteiligten Bediensteten, die von ihnen aufgewendete Zeit sowie die für den Vorgang anfallenden Sachkosten berücksichtigt werden(14).

- Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und für Aktiengesellschaften dürfen unterschiedliche Beträge festgesetzt werden, solange "keiner der zu entrichtenden Beträge höher ist als die Kosten" der Dienstleistung.

30 Die vorliegende Rechtssache wirft für mich zwei grundlegende Fragen auf: Erstens, für welche Dienste darf das Amt Abgaben mit Gebührencharakter im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe e erheben, und zweitens, welche Grenzen legt die Richtlinie für die Berechnung solcher Abgaben mit Gebührencharakter fest?

Für welche Dienste dürfen Abgaben mit Gebührencharakter erhoben werden?

31 Dem Urteil Ponente Carni lässt sich entnehmen, daß Dänemark Abgaben zur Deckung der Kosten für die Anlage und Führung von Gesellschaftsakten beim Gesellschaftsregister festlegen darf. Dieser Dienst, der der Gesellschaft im allgemeinen Interesse erbracht wird, wird in Artikel 3 Absatz 1 der Ersten Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts(15) ausdrücklich gefordert, wie denn viele der Erfordernisse bezueglich der Hinterlegung von Urkunden und der Erteilung von Auskünften heute dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen sind. Gemäß Artikel 3 Absatz 2 dieser Richtlinie ist jeder Mitgliedstaat gehalten, dafür zu sorgen, daß alle Urkunden und Angaben, die nach Artikel 2 der Offenlegung unterliegen, in der Akte hinterlegt oder in das Register eingetragen werden. Artikel 2 Absatz 1 in der Fassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge(16) bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften mindestens auf folgende Umstände und Angaben erstreckt:

a) den Errichtungsakt und, falls sie Gegenstand eines gesonderten Aktes ist, die Satzung;

b) Änderungen der unter Buchstabe a) genannten Akte, einschließlich der Verlängerung der Dauer der Gesellschaft;

c) nach jeder Änderung des Errichtungsaktes oder der Satzung, den vollständigen Wortlaut des geänderten Aktes in der geltenden Fassung;

d) die Bestellung, das Ausscheiden sowie die Personalien derjenigen, die als gesetzlich vorgesehenes Gesellschaftsorgan oder als Mitglieder eines solchen Organs

i) befugt sind, die Gesellschaft gerichtlich und aussergerichtlich zu vertreten,

ii) an der Verwaltung, Beaufsichtigung oder Kontrolle der Gesellschaft teilnehmen.

Bei der Offenlegung muß angegeben werden, ob die zur Vertretung der Gesellschaft befugten Personen die Gesellschaft allein oder nur gemeinschaftlich vertreten können;

e) zumindest jährlich den Betrag des gezeichneten Kapitals, falls der Errichtungsakt oder die Satzung ein genehmigtes Kapital erwähnt und falls die Erhöhung des gezeichneten Kapitals keiner Satzungsänderung bedarf;

f) die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr. In das Dokument, das die Bilanz enthält, sind die Personalien derjenigen aufzunehmen, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften einen Bestätigungsvermerk zu der Bilanz zu erteilen haben.

...

g) jede Verlegung des Sitzes der Gesellschaft;

h) die Auflösung der Gesellschaft;

i) die gerichtliche Entscheidung, in der die Nichtigkeit der Gesellschaft ausgesprochen wird;

j) die Bestellung und die Personalien der Liquidatoren sowie ihre Befugnisse, sofern diese nicht ausdrücklich und ausschließlich aus dem Gesetz oder der Satzung hervorgehen;

k) den Abschluß der Liquidation sowie in solchen Mitgliedstaaten, in denen die Löschung Rechtswirkungen auslöst, die Löschung der Gesellschaft im Register."

32 Gemäß Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie sind diese Urkunden und Angaben in einem von dem Mitgliedstaat zu bestimmenden Amtsblatt bekanntzumachen; die Bekanntmachung kann in Form eines Hinweises auf die Hinterlegung des Dokuments in der Akte erfolgen.

33 Spätere Richtlinien haben zahlreiche weitere Erfordernisse aufgestellt. Artikel 3 der Zweiten Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts(17) enthält z. B. eine Liste der Angaben, die in der Satzung, dem Errichtungsakt oder einem gesonderten, nach Artikel 3 der Ersten Richtlinie offenzulegenden Schriftstück enthalten sein müssen. Die Richtlinie regelt ferner die Offenlegung bestimmter Maßnahmen wie etwa einer Kapitalerhöhung (Artikel 25 Absatz 1), der Angebote zur vorzugsweisen Zeichnung an Aktionäre und der Beschränkungen des Bezugsrechts (Artikel 29 Absätze 3 und 4), der Herabsetzungen des gezeichneten Kapitals (Artikel 30), der Tilgung gezeichneten Kapitals ohne Herabsetzung (Artikel 35 Buchstabe a), der Zwangseinziehung von Aktien (Artikel 36 Absatz 1 Buchstabe e) und des Rückerwerbs von Aktien (Artikel 39 Buchstabe h). Die Dritte Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts(18) fordert die Offenlegung nach Artikel 3 der Ersten Richtlinie für zahlreiche Angaben in Verbindung mit Verschmelzungen und Übertragungen (Artikel 6 und 18). Die Vierte(19) und die Siebente Richtlinie(20) fordern die Offenlegung der Jahresabschlüsse von Gesellschaften und der konsolidierten Abschlüsse von Konzernen, vgl. Artikel 47 der Vierten Richtlinie und Artikel 38 der Siebenten Richtlinie. Nach Artikel 16 der Sechsten Richtlinie(21) ist die Offenlegung von Spaltungen von Gesellschaften erforderlich. Die Elfte Richtlinie(22) regelt die Offenlegung bei Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften errichtet werden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen. Artikel 3 der Zwölften Richtlinie(23) schreibt die Offenlegung von Einmanngesellschaften vor.

34 Regelungen dieser Art nach Gemeinschafts- oder nach nationalem Recht scheinen mir unter die in Nummer 8 dieser Schlussanträge zitierte Feststellung des Gerichtshofes im Urteil Ponente Carni zu fallen. Sie führen zur Leistung von Diensten durch die Registerbehörde an Gesellschaften im allgemeinen Interesse.

35 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht Näheres zu drei spezifischen Tätigkeiten wissen: rechtliche Vorarbeiten im Bereich des Gesellschaftsrechts, Eintragung sonstiger Angaben über Gesellschaften, für die keine besondere Abgabe erhoben wird, sowie Prüfung von Abschlüssen und Überwachung der Buchführung.

36 Meines Erachtens können allgemeinere Betätigungen des Amtes oder des Handels- und Industrieministeriums im Bereich des Gesellschaftsrechts wie Verwaltungsarbeiten, die nicht die Führung des Gesellschaftsregisters betreffen, Überprüfung von EG-Entwicklungen und Vorarbeiten für die Gesetzgebung nicht als Dienstleistung betrachtet werden, für die eine Abgabe mit Gebührencharakter nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e erhoben werden darf. Solche Tätigkeiten führen nicht zu besonderen Diensten für einzelne Gesellschaften, wie dies das Urteil Ponente Carne fordert, sondern gehören eher zur allgemeinen Verwaltungstätigkeit.

37 Andererseits ist klar, daß die Dienste des Amtes zugunsten einzelner Gesellschaften eine Reihe von Aufgaben umfassen, für die keine besondere Abgabe erhoben wird. Offenbar erhebt das Amt Abgaben nur bei der ersten Eintragung und der Eintragung von Kapitalerhöhungen. Eine Eintragungsbehörde ist, wie ich ausgeführt habe(24), für die Sicherstellung der Befolgung zahlreicher Eintragungs- und Offenlegungserfordernisse verantwortlich. Wie ich noch näher ausführen werde(25), ist ein Mitgliedstaat meines Erachtens befugt, seine Abgaben auf wichtigere Vorgänge zu beschränken und bei den für diese Vorgänge erhobenen Abgaben mit Gebührencharakter die Kosten für geringere Aufgaben in Verbindung mit der Führung des Registers zu berücksichtigen.

38 Was insbesondere die Prüfung von Jahresabschlüssen und Buchführungsunterlagen betrifft, muß beachtet werden, daß Artikel 51 Absatz 1 der Vierten Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts(26) eine Pflichtprüfung für Gesellschaften (mit Ausnahme sehr kleiner Unternehmen) vorschreibt. Die Achte Richtlinie(27) enthält Vorschriften über die berufliche Eignung der Personen und Gesellschaften, die von den Mitgliedstaaten für die Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen zugelassen werden können. Es kann davon ausgegangen werden, daß eine solche Prüfung, die teilweise auch im allgemeinen Interesse durchgeführt wird und für die der Prüfer eine Gebühr erhebt, die Durchsicht der Buchführungsunterlagen und der Abschlüsse umfasst, um sicherzustellen, daß sie die Lage der Gesellschaft ordnungsgemäß wiedergeben und mit der anerkannten Buchführungspraxis und den Gesetzes- und Börsenvorschriften in Einklang stehen.

39 Auf diesem Hintergrund scheint es mir nicht gerechtfertigt zu sein, wenn eine Behörde eines Mitgliedstaats eine weitere Abgabe zu Lasten einer Gesellschaft für Arbeiten erheben würde, die die von einem staatlich zugelassenen Prüfer durchgeführten Arbeiten von neuem vollzögen. Das gilt namentlich für Prüfungen der Rechnungsführungsunterlagen der Gesellschaft, d. h. ihrer Buchhaltung. Gleichwohl würde ich es für richtig halten, daß die Eintragungsbehörde, die, wie die dänische Regierung dargelegt hat, letztlich sicherzustellen hat, daß die Eintragungs- und Offenlegungspflichten erfuellt werden, befugt bleiben muß, die ihr vorgelegten Rechnungslegungsunterlagen zu überprüfen, um sicherzustellen, daß sie die zahlreichen Offenlegungserfordernisse nach nationalem und nach Gemeinschaftsrecht (namentlich nach der Vierten und der Siebenten Richtlinie) erfuellen, und dafür eine angemessene Abgabe (mit Gebührencharakter) erheben darf.

Berechnung der Kosten der Dienste

40 Aus Randnummer 41 des Urteils Ponente Carni ergibt sich, daß alle Abgaben mit Gebührencharakter nach den effektiven Kosten der betreffenden besonderen Dienste berechnet werden müssen. In Randnummer 42 des Urteils hat der Gerichtshof ergänzt, daß ein Mitgliedstaat keine Abgabe festsetzen darf, deren Höhe "keinen Zusammenhang mit den Kosten des besonderen Dienstes aufwiese oder deren Höhe sich nicht nach den Kosten des Vorgangs, für den sie die Gegenleistung darstellt, richtete, sondern nach den gesamten Verwaltungs- und Investitionskosten des mit dem Vorgang betrauten Dienstes".

41 Diese Ausführungen machen deutlich, daß die Abgabe die Kosten der besonderen Dienste widerspiegeln muß und nicht zur Finanzierung der allgemeinen Verwaltungsausgaben der betreffenden Dienststelle eingesetzt werden darf. Insoweit geht der Hinweis der dänischen Regierung auf das Urteil Corbeau(28) fehl. Dort ist der Gerichtshof im Rahmen des Artikels 90 des Vertrages davon ausgegangen, daß die Verpflichtung eines mit einer im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe, im konkreten Fall mit dem Postdienst, Betrauten, seine Dienstleistungen unter wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen sicherzustellen, die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den rentablen und den weniger rentablen Tätigkeitsbereichen voraussetzt und daher eine Einschränkung des Wettbewerbs durch einzelne Unternehmer in wirtschaftlich rentablen Bereichen rechtfertigt(29). Der Geltungsgrund dieses Prinzips ist klar. Ohne Beschränkung des Wettbewerbs würden nämlich einzelne Unternehmen, denen nicht die gleichen Pflichten wie dem Inhaber ausschließlicher Rechte oblägen, in die Lage versetzt, dessen Preise in den rentablen Bereichen zu unterbieten und ihm die unrentablen Bereiche zu überlassen(30). Dieses Urteil, das die unterschiedlichen Kostenstrukturen der einzelnen Bereiche der Wirtschaftstätigkeit eines öffentlichen Dienstleistungsunternehmens berücksichtigt, hat keine Bedeutung für die Tätigkeiten des Amtes. Überschüsse des Amtes aus der Eintragung von Gesellschaften werden nicht benutzt, um andere, weniger ertragreiche Bereiche einer Wirtschaftstätigkeit zu finanzieren, sondern als Finanzierungsquelle für Verwaltungsausgaben. Seine Abgaben haben daher, soweit sie die Eintragungskosten übersteigen, eher die Natur einer Steuer als die einer Abgabe mit Gebührencharakter für selbständige Dienste.

42 Die vorstehend zitierte Äusserung des Gerichtshofes im Urteil Ponente Carni, daß Abgaben mit Gebührencharakter nicht auf die "gesamten Verwaltungs- und Investitionskosten des mit dem Vorgang betrauten Dienstes" abstellen dürften, mag auf die Anregung der italienischen Regierung zurückgehen, daß die Abgaben in einer Höhe festgelegt werden könnten, die den gesamten Mechanismus der Offenlegung von Urkunden finanzieren würde. Wie ich in meinen Schlussanträgen in jener Rechtssache ausgeführt habe, können bei der Festlegung von Abgaben mit Gebührencharakter einzig die Kosten berücksichtigt werden, die der Verwaltung bei den fraglichen Eintragungen (und, wie ich hinzufügen sollte, durch die Veröffentlichung im entsprechenden Amtsblatt) entstehen. Die anderen mit der Regelung verbundenen Kosten, insbesondere die durch Abschriften von Urkunden für einzelne verursachten, können nicht den Gesellschaften angelastet werden, sondern müssen auf andere Weise finanziert werden, etwa mit Hilfe einer Gebühr für die Auskunftsempfänger, wie dies Artikel 3 Absatz 3 der Ersten Richtlinie ausdrücklich zulässt(31).

43 Im vorliegenden Fall muß der Gerichtshof insbesondere wegen der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts etwas weiter gehen als in der Rechtssache Ponente Carni und detailliertere Hinweise zu der Art und Weise geben, in der Kosten einer Eintragungsbehörde zu berechnen sind. Meines Erachtens wäre es angemessen, die Berechnung der relevanten Kosten auf die anerkannten Grundsätze der Kosten- und Betriebsrechnung zurückzuführen. Die Abgaben dürften mit anderen Worten die unmittelbaren Kosten und Gemeinkosten der Behörde widerspiegeln, die den betreffenden Diensten zugerechnet werden können. Diese Kosten könnten mithin neben den unmittelbaren Materialkosten und den Personal- und Sozialversicherungskosten des Personals, das die Dienste erbringt, auch einen Teil der Gemeinkosten der Behörde umfassen, wie etwa Licht und Heizung, Personalführungskosten, Betriebs- und Entwicklungskosten der Rechner, Büromiete oder -abschreibung, Abschreibungen auf anderes Zubehör wie Möbel und Ausstattung usw. Der Anteil dieser Kosten, der den Eintragungsdiensten zugewiesen werden könnte, sollte, wenn möglich, unmittelbar zurückgeführt werden, indem z. B. die Miete für die Diensträume ermittelt wird, die für die betreffenden Dienstleistungen benutzt werden. Beziehen sich Kosten sowohl auf Eintragungsdienste als auch auf andere Tätigkeiten wie Vorarbeiten für die Gesetzgebung, wird man eine sinnvolle Aufteilung anhand geeigneter Kriterien (Personal für die einzelnen Tätigkeiten, genutzter Büroraum, Rechnerzeiten usw.) vornehmen müssen.

44 Was die vom vorlegenden Gericht in seiner zweiten Frage erwähnten besonderen Gegenstände betrifft, wird man die Kosten für Dienstreisen, Zinsen und Abschreibungen sowie die Kosten für die Informationsverbreitung auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts unberücksichtigt lassen müssen, soweit sie nicht unmittelbar mit den Eintragungs- oder Aktenführungsarbeiten zusammenhängen. Andererseits sollten Kosten von Veröffentlichungen von Rechts wegen in die Abgaben einbezogen werden, wenn sie unmittelbar mit den Diensten für Eintragung und Aktenführung zusammenhängen, z. B. Anleitungen für Geschäftsführer über Offenlegungserfordernisse.

45 Ich schließe mich dem Vorschlag der dänischen Regierung an, wonach das Amt im Interesse einer Verwaltungsvereinfachung befugt sein sollte, die Erhebung von Abgaben auf grössere Vorgänge zu beschränken und die Kosten verhältnismässig geringer Dienstleistungen (z. B. Eintragung von Änderungen des eingetragenen Sitzes oder der Geschäftsführung) den von ihm erhobenen Abgaben zuzuschlagen. Die entgegengesetzte Auffassung würde das Amt zwingen, Einzelabgaben für jede noch so kleine Dienstleistung zu erheben.

46 Entgegen der Auffassung der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und der Kommission bin ich nicht der Meinung, daß grundsätzlich betrachtet eine Abgabe proportional zur Höhe des gezeichneten Kapitals notwendig in noch geringerer Beziehung zu den Kosten der einzelnen Dienste steht als eine Pauschalabgabe. Wenn nachgewiesen würde, daß durchschnittlich die Kosten der Registrierung ungefähr linear mit dem gezeichneten Kapital anstiegen, könnte die Einpassung eines proportionalen Anteils in die Gesamtabgaben zu faireren Gebührensätzen führen.

47 Während ich durchaus annehmen möchte, daß die Eintragung der Gründung grösserer Aktiengesellschaften und grosser Aktienausgaben, womöglich im Zusammenhang mit einer Verschmelzung oder Neugründung, mehr als die durchschnittlich für Eintragungen im allgemeinen erforderliche Zeit beanspruchen dürfte, bezweifle ich doch, daß die Kosten solcher Vorgänge direkt proportional zum Betrag des gezeichneten Kapitals ansteigen. Die dänische Regierung räumt das stillschweigend ein, wenn sie vorbringt, daß ihr Gebührensatz eine gewisse Solidarität zwischen grossen und kleinen Gesellschaften ins Spiel bringt. Wie Norsk Hydro und Tryg-Baltica Forsikring in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, ist diese Solidarität schwer mit der Feststellung des Gerichtshofes im Urteil Ponente Carni zu vereinbaren, daß ein Mitgliedstaat zwar für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und für Aktiengesellschaften unterschiedliche Beträge festsetzen darf, daß aber "keiner der zu entrichtenden Beträge höher [sein darf] als die Kosten der Dienstleistung". Anders als die dänische Regierung bin ich nicht der Auffassung, daß die Entscheidung des Gerichtshofes im Urteil Corbeau hier irgendeine Bedeutung hat. Anders als bei einer Postverwaltung, die der Bevölkerung entlegener Gebiete unrentable Dienste erbringen muß, gibt es keinen besonderen Grund, warum das Amt nicht in der Lage sein sollte, seine Abgaben so zu gestalten, daß seine Kosten für die verschiedenen Dienste zugunsten von Gesellschaften unterschiedlicher Grösse gedeckt werden. Dies muß allerdings gegen die Befugnis einer Eintragungsbehörde abgewogen werden, ihre Gebühren in vernünftigen Grenzen anhand von Durchschnittskosten festzulegen.

48 In der vorliegenden Rechtssache steht auf jeden Fall fest, daß die proportionale Abgabe über die Anwendung eines Solidaritätsgrundsatzes hinausgeht. Das Fehlen jeder unmittelbaren Beziehung zwischen den Kosten der Eintragung und dem Betrag des gezeichneten Kapitals, das hohe Niveau der proportionalen Abgabe (4 DKR je 1 000 DKR) und das Fehlen jedes Hoechstbetrags für die Abgabe müssen in dem betreffenden Zeitraum unvermeidbar zu Abgaben geführt haben, die zusammengenommen höher waren als die Gesamtkosten der den Gesellschaften erbrachten Dienste. Die Bestätigung hierfür liefern die Überschüsse in den Tabellen, die dem Vorlagebeschluß beigefügt sind. Zwar räume ich ein, daß geringe oder zufällige Überschüsse notwendig sein mögen, um künftige Ruhegehaltsverpflichtungen abzudecken (je nachdem, wie diese finanziert werden), zusätzliche Abschreibungen für Zubehör zu finanzieren oder Verluste in anderen Jahren zu decken, doch sind die regelmässigen hohen Überschüsse, die die Zahlen des Rechnungshofs und selbst die des Amtes ausweisen, schwerlich mit der These in Einklang zu bringen, daß das Amt lediglich seine Kosten decke. Ausserdem ist dem Vorlagebeschluß zu entnehmen, daß der Rechnungshof zu der Auffassung gelangt ist, daß die vom Amt erhobenen Abgaben erheblich höher seien als die Kosten (die sogar die Kosten bestimmter Tätigkeiten einschließen, die nicht als Dienstleistungen an die Gesellschaften angesehen werden können).

49 Letzten Endes ist es allerdings Sache des vorlegenden Gerichts, im Lichte der angegebenen Kriterien und der ihm zur Verfügung stehenden Zahlen den Betrag der Kosten des Amtes, die rechtmässig auf die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens abgewälzt werden durften und den Betrag der geschuldeten Rückzahlung zu ermitteln.

50 Bezueglich der dritten Frage des vorlegenden Gerichts lässt sich dem Urteil Ponente Carni entnehmen, daß ein Mitgliedstaat Pauschalabgaben erheben darf, wenn die Kosten besonderer Dienste schwer zu ermitteln wären. Das dürfte für meine Begriffe auf den Normalfall zutreffen, da eine Einzelkostenrechnung bei einem Gesellschaftsregister, das für die Abwicklung einer grossen Anzahl verhältnismässig kleiner Vorgänge verantwortlich ist, kaum praktikabel sein dürfte. Ein Mitgliedstaat muß aber seine Abgaben mit Gebührencharakter von Zeit zu Zeit, vielleicht sogar alle paar Jahre, überprüfen, um sicherzustellen, daß sie die Kosten der entsprechenden Vorgänge widerspiegeln.

51 Mit der fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob bei der Berechnung eventuell zurückzuzahlender Beträge von dem Grundsatz auszugehen ist, daß die Abgabe die Kosten für die konkrete Dienstleistung zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung widerspiegeln muß, oder ob eine Pauschalberechnung innerhalb eines längeren Zeitraums, z. B. eines Rechnungsjahres oder innerhalb des Zeitraums, in dem nach nationalem Recht eine Rückzahlungsforderung geltend gemacht werden kann, zulässig ist.

52 Meines Erachtens sollte es dem vorlegenden Gericht überlassen bleiben, wie es anhand der verfügbaren Zahlen am besten etwaige Rückzahlungen ermittelt. Es könnte seine Berechnung entweder auf die tatsächlichen Kosten der Eintragungsbehörde für besondere Dienste an Gesellschaften oder, falls dies nicht möglich ist, auf die Durchschnittskosten der Dienste zu der maßgeblichen Zeit oder um diese Zeit herum oder, falls notwendig, über einen längeren Zeitraum hinweg stützen. Wird die Rückzahlung nach Durchschnittskosten ermittelt, kann das vorlegende Gericht gegebenenfalls, wenn ihm dies möglich ist, die Zahlen anpassen, um die unterschiedlichen Kosten grösserer und kleinerer Vorgänge zu berücksichtigen.

Zur sechsten und zur siebten Frage

53 Mit der sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht einer Abweisung der Rückzahlungsklagen mit der Begründung entgegensteht, daß die Abgaben aufgrund von Vorschriften erhoben wurden, die lange Zeit galten und von allen als rechtswirksam angesehen wurden. Die siebte Frage des vorlegenden Gerichts dient der Feststellung, ob der Lauf der Verjährung vor der ordnungsgemässen Umsetzung der Richtlinie beginnen konnte.

54 Die letztgenannte Frage geht auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Emmott(32) zurück, das die Gleichbehandlungsrichtlinie(33) betraf. In dieser Rechtssache hatten die irischen Behörden Frau Emmott bis zum 28. Januar 1988 nicht für Männer und Frauen gleiche Sozialleistungen erbracht, obwohl die Richtlinie bis zum 23. Dezember 1984 hätte umgesetzt werden müssen. Frau Emmott erhob Klage, um in den Genuß der für Männer und Frauen gleichen Leistungen ab 23. Dezember 1984 zu gelangen. Die irischen Behörden wandten ein, sie habe ihren Antrag nicht, wie nach irischem Recht erforderlich, innerhalb von drei Monaten nach dem Entstehungszeitpunkt des Anspruchs gestellt. Dagegen hat der Gerichtshof wie folgt entschieden:

"Solange ... eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt wurde, sind die einzelnen nicht in die Lage versetzt worden, in vollem Umfang von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen. Dieser Zustand der Unsicherheit für die einzelnen dauert auch nach dem Erlaß eines Urteils an, in dem der Gerichtshof die Ansicht vertreten hat, daß der betroffene Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie nicht nachgekommen ist, selbst wenn der Gerichtshof festgestellt hat, daß die eine oder andere Bestimmung der Richtlinie hinreichend genau und unbedingt ist, um vor den nationalen Gerichten in Anspruch genommen werden zu können.

Nur die ordnungsgemässe Umsetzung der Richtlinie beendet diesen Zustand der Unsicherheit, und erst mit dieser Umsetzung wird die Rechtssicherheit geschaffen, die erforderlich ist, um von den einzelnen verlangen zu können, daß sie ihre Rechte geltend machen.

Hieraus folgt, daß sich der säumige Mitgliedstaat bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemässen Umsetzung der Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein einzelner zum Schutz der ihm durch die Bestimmungen dieser Richtlinie verliehenen Rechte gegen ihn erhoben hat, und daß eine Klagefrist des nationalen Rechts erst zu diesem Zeitpunkt beginnen kann."(34)

55 Die dänische, die französische und die italienische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs stehen auf dem Standpunkt, daß der vorstehend formulierte Grundsatz zu weit gehe, weil er die Mitgliedstaaten mit nahezu grenzenloser Rückwirkung haften lasse. Norsk Hydro und Tryg-Baltica, Alka Forsikring und andere sowie die Kommission schlagen vor, der Gerichtshof solle an seiner Entscheidung im Urteil Emmott festhalten, so daß die fünfjährige Verjährungsfrist erst am 1. Mai 1992 begonnen habe, als Dänemark die Richtlinie durch Abschaffung der zusätzlichen Abgabe umgesetzt habe. Sie machen geltend, daß ein Mitgliedstaat, dem man erlaubte, sich in Fällen wie dem vorliegenden auf Verjährungsfristen zu berufen, damit in die Lage versetzt würde, den Folgen seines eigenen rechtswidrigen Verhaltens zu entgehen, und zugleich entmutigt würde, rechtzeitig Schritte zu ergreifen, um Mängel seiner Rechtsvorschriften zu beheben.

56 Nachstehend werde ich erläutern, weshalb ich die Kritik der Regierungen am Urteil Emmott für berechtigt halte, und belegen, daß eine weite Auslegung des Urteils Emmott auf jeden Fall nicht mit der späteren Rechtsprechung des Gerichtshofes zu vereinbaren wäre. Ich werde indessen auch nachweisen, daß der Besorgnis, die die Kommission ein weites Verständnis des Urteils Emmott befürworten ließ, im Licht anderer Entwicklungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Rechtsbehelfen vor nationalen Gerichten innerhalb eines kohärenten Rechtsschutzsystems Rechnung getragen werden kann, das einen angemessenen Ausgleich zwischen der Notwendigkeit effektiven Schutzes von Rechten aufgrund des Gemeinschaftsrechts einschließlich der Richtlinien und den Grundsätzen der Beachtung der Verfahrensautonomie und der Rechtssicherheit im nationalen Bereich ermöglicht.

Die Kritik am Urteil Emmott

57 Alle Regierungen haben auf die weitreichenden finanziellen Auswirkungen des Urteils Emmott hingewiesen. In der mündlichen Verhandlung hat beispielsweise die italienische Regierung ausgeführt, die italienischen Gerichte hätten nach dem Urteil Ponente Carni des Gerichtshofes unter Anwendung des Grundsatzes im Urteil Emmott die dreijährige Verjährungsfrist des nationalen Rechts beiseite geschoben und damit den italienischen Staat umfangreichen Rückforderungsansprüchen ausgesetzt. Die französische Regierung hat ihrerseits auf ein Urteil der französischen Cour de cassation vom 9. Juli 1996 hingewiesen, in dem unter Berufung auf das Urteil Emmott entschieden worden sei, daß die französischen Steuerbehörden sich zur Abwehr von auf die 70er Jahre zurückgehenden Ansprüchen im Anschluß an das Urteil Bautiaa des Gerichtshofes(35), dem zufolge eine französische Gesellschaftsteuer mit einem Satz von 1,2 % auf die Einbringung beweglicher Vermögensgegenstände im Rahmen einer Fusion rechtswidrig sei, nicht auf die Verjährungsfristen des französischen Rechts berufen könnten.

58 Die französische Regierung hat weiter darauf hingewiesen, daß das Urteil Emmott, das auf den besonderen Merkmalen von Gemeinschaftsrichtlinien beruhe, zu dem paradoxen Ergebnis führe, daß Rechte aufgrund von Richtlinien mehr Rechtsschutz genössen als Rechte aufgrund von Verordnungen und aus dem Vertrag selbst.

59 Zur Begründung des Urteils Emmott hat die französische Regierung ausgeführt, die Feststellung des Gerichtshofes, daß einzelne bis zur ordnungsgemässen Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht nicht in die Lage versetzt worden seien, in vollem Umfang von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen, sei im Urteil nicht näher begründet. Sie hat allerdings auf den Abschnitt der Schlussanträge von Generalanwalt Mischo verwiesen, in dem dieser ausgeführt habe, daß schon das Wesen der Richtlinie es ausschließe, als Beginn der dreimonatigen Verjährungsfrist den letzten Zeitpunkt für die Umsetzung der Richtlinie zugrunde zu legen. Es heisse dort:

"Der Grundsatz $Unkenntnis des Gesetzes wird nicht vermutet` kann nämlich den einzelnen im Fall einer noch nicht umgesetzten Richtlinie nicht entgegengehalten werden. Eine Richtlinie ist nur für den Mitgliedstaat verbindlich; sie richtet sich nicht an die einzelnen. Aus der Richtlinie als solcher lassen sich somit keine Verpflichtungen für die einzelnen ableiten[(36)]. Infolgedessen vermag sie auch keine Klagefrist auszulösen, die diesen entgegengehalten werden könnte.

In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, daß die Veröffentlichung der Richtlinien im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, auf die sich die Beklagten in der mündlichen Verhandlung berufen haben, grundverschieden von der Veröffentlichung derjenigen Akte ist, die für die einzelnen verbindlich sind. Es handelt sich nicht, wie bei den Verordnungen, um eine rechtlich vorgeschriebene Veröffentlichung mit rechtlichen Wirkungen, sondern lediglich um eine Veröffentlichung zu Informationszwecken.

Nicht ohne Interesse ist übrigens der Hinweis darauf, daß es der Wortlaut der veröffentlichten Richtlinie den einzelnen nicht ermöglicht, den genauen Zeitpunkt zu erfahren, bis zu dem diese umgesetzt werden musste. Dieser Wortlaut erwähnt nämlich lediglich das Bestehen einer Frist, bis zu deren Ablauf der Mitgliedstaat, an den die Richtlinie gerichtet ist, sie umzusetzen hat, sowie die Tatsache, daß diese Frist mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem die Richtlinie dem Mitgliedstaat bekanntgegeben wurde. Dieser Zeitpunkt wird dort jedoch nicht angegeben, und es besteht kein Grund für die Annahme, daß er den einzelnen bekannt war.

Ausserdem trifft es zwar zu, daß die vom Gerichtshof in einer Vorabentscheidung gegebene Auslegung rückwirkende Kraft hat, da sie klarstellt, wie die ausgelegte Vorschrift von Anfang an hätte verstanden werden müssen; es steht aber ebenso fest, daß es bis zur Entscheidung der Frage durch den Gerichtshof nicht sicher ist, ob die Richtlinie oder dieser oder jener ihrer Artikel unmittelbare Wirkung hat."(37)

60 Die französische Regierung führt eine Reihe von Gründen gegen die Auffassung des Generalanwalts an. Daß die Richtlinie erstens nicht an einzelne gerichtet sei, schließe es nicht aus, ihre Veröffentlichung als Beginn einer Verjährungsfrist anzusetzen. Hier sei analog auf Entscheidungen der Kommission über staatliche Beihilfen hinzuweisen, die, obwohl sie an die Mitgliedstaaten gerichtet seien, von dem begünstigten Unternehmen oder dessen Wettbewerbern binnen einer Frist von zwei Monaten nach ihrer Veröffentlichung beim Gericht erster Instanz angefochten werden müssten.

61 Zweitens sei es unerheblich, ob die Veröffentlichung einer Richtlinie einer vom Vertrag auferlegten Rechtspflicht genüge oder nicht. Es komme darauf an, ob sie tatsächlich veröffentlicht worden sei. Richtlinien seien in der Praxis systematisch seit vielen Jahren veröffentlicht worden, und Artikel 191 des Vertrages in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union fordere nunmehr die Veröffentlichung der meisten Richtlinien.

62 Unbeeindruckt zeigt sich die französische Regierung von dem Argument, es ergebe sich nicht immer aus einer Richtlinie, wann eine Umsetzungsfrist, die mit der Bekanntgabe an den Mitgliedstaat beginne, ablaufe. Unter diesen - seltenen - Umständen liefere der Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie einen hinreichend genauen Anhaltspunkt und könne ein nationales Gericht bei Anwendung der Verjährungsfrist jede in diesem Punkt bestehende Unsicherheit berücksichtigen.

63 Schließlich befreie die Ungewißheit, ob eine Richtlinienbestimmung unmittelbare Wirkung habe, den einzelnen nicht davon, eine gewisse Sorgfalt an den Tag zu legen und die notwendigen Schritte zur Wahrung seiner Rechte zu unternehmen. Im übrigen könne der gleiche Zweifel auch hinsichtlich einer Bestimmung des Vertrages bestehen.

64 Obwohl ich, wie noch darzulegen sein wird, das Ergebnis des Urteils Emmott für richtig halte, teile ich die Vorbehalte der Regierungen bezueglich der weiten Formulierung der darin enthaltenen Entscheidung.

65 Aus dem Urteil ergibt sich, wie die französische Regierung ausgeführt hat, nicht eindeutig, weshalb ein einzelner bis zur ordnungsgemässen Umsetzung einer Richtlinie nicht in vollem Umfang von seinen Rechten Kenntnis erlangen könne. Aus den von der französischen Regierung angeführten Gründen halte ich es zunächst einmal nicht für annehmbar, daß ein einzelner keine Kenntnis von einer Richtlinie haben sollte, nur weil sie nicht in nationales Recht umgesetzt wurde. Die von Generalanwalt Mischo angeführten Besonderheiten, nämlich das Fehlen einer Veröffentlichungspflicht und der Umstand, daß der Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie sich nicht immer eindeutig aus der Richtlinie selbst ergab, waren darauf zurückzuführen, daß die maßgebenden Vertragsbestimmungen und die Praxis der Gemeinschaftsgesetzgebung zu dieser Zeit nicht den höheren Rang widerspiegelten, den der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung Richtlinien als Instrumenten zugestanden hatte, mit denen Rechte geschaffen wurden, auf die sich einzelne vor den nationalen Gerichten berufen konnten. Es wäre wohl etwas paradox, sich auf solche Besonderheiten - die überdies heute korrigiert sind(38) und Elida Gibbs(40) bieten ein weiteres Beispiel dafür, wie gewaltige Rückzahlungsansprüche aus einem verhältnismässig geringfügigen Fehler bei der Umsetzung einer Steuerrichtlinie der Gemeinschaft entstehen können(41). In diesen Rechtssachen hat der Gerichtshof entschieden, daß die steuerliche Behandlung von Gutscheinkampagnen durch das Vereinigte Königreich - sie werden in diesem Mitgliedstaat ausgiebig als Techniken der Umsatzförderung eingesetzt - nicht mit der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie übereinstimmte. Die sich hieraus ergebenden Rückzahlungsansprüche sollen sich auf 200 bis 400 Millionen £ belaufen(42).

71 Hiergegen könnte eingewandt werden, es sei nicht unvernünftig, die Mitgliedstaaten überzahlte Abgaben zurückzahlen zu lassen, da sie nun einmal nicht zu ihrer Erhebung berechtigt gewesen seien. Bei diesem Standpunkt würde indessen die Notwendigkeit übersehen, daß Staaten und öffentliche Einrichtungen ihre Einnahmen und Ausgaben planen und sicherstellen müssen, daß ihre Haushalte nicht durch unvorhergesehene hohe Ausgaben belastet werden. Diese Notwendigkeit zeigte sich besonders deutlich in der Rechtssache Denkavit(43), in der es um die Rückzahlung der Jahresbeiträge ging, die von den niederländischen Industrie- und Handelskammern zur Finanzierung ihrer Tätigkeit erhoben wurden. Wie ich in meinen Schlussanträgen feststellte, hätten auf bis zu 20 Jahren zurückgehende Ansprüche katastrophale Auswirkungen auf deren Finanzen gehabt(44).

72 Kurz gesagt sind daher meine Hauptvorbehalte gegenüber einem weiten Verständnis des Urteils Emmott die, daß es die in allen Rechtssystemen anerkannte Notwendigkeit einer gewissen Rechtssicherheit für den Staat insbesondere dann, wenn Verstösse verhältnismässig geringfügig sind oder aus Unachtsamkeit begangen werden, ausser acht lässt; daß es weiter als nötig geht, um Richtlinien wirksam zu schützen, und daß es Rechte aufgrund von Richtlinien im Vergleich zu anderen gemeinschaftlichen Rechten ungebührlich privilegiert. Ausserdem lässt sich ein weites Verständnis nicht mit der späteren Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Ausschlußfristen in Einklang bringen.

Nachfolgende Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Ausschlußfristen

73 Den Urteilen Steenhorst-Neerings(45) und Johnson(46) ist zu entnehmen, daß das Urteil Emmott die Berufung auf Vorschriften nicht ausschließt, durch die der Zeitraum, für den Ansprüche für die Vergangenheit erhoben werden können, begrenzt wird. Man sollte denken, daß sich solche zeitlichen Begrenzungen von Verjährungsfristen wie etwa der Dreimonatsfrist für die Klageerhebung in der Rechtssache Emmott unterscheiden lassen; letztere stellt eine absolute Sperre für einen Anspruch dar, während erstere lediglich den zeitlichen Umfang des Anspruchs begrenzt (vgl. Randnr. 21 des Urteils Steenhorst-Neerings).

74 Wie ich später darlegen werde(47), legen es die Urteile Steenhorst-Neerings und insbesondere Johnson indessen nahe, daß es in der Rechtssache Emmott gerade die Anwendung der Verjährungsfrist unter den besonderen Umständen dieses Falles war, die Frau Emmott daran hinderte, ihre Rechte aufgrund der Richtlinie vor den Gerichten geltend zu machen. Ausserdem scheint mir zweifelhaft, ob sich die beiden Typen zeitlicher Begrenzungen überhaupt so allgemein, wie vorstehend angedeutet, unterscheiden lassen. So könnte z. B. eine fünfjährige Verjährungsfrist, wenn sie für wiederkehrende Steuern und sonstige Zahlungen gilt, ebensogut als Regelung verstanden werden, mit der der Zeitraum, für den ein Anspruch in die Vergangenheit zurückgreifen kann, auf fünf Jahre begrenzt wird. Umgekehrt könnte eine Regelung wie die in der Rechtssache Johnson, die einen Anspruch auf einen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten vor der Geltendmachung begrenzt, ebensogut als Verjährung verstanden werden, mit der Ansprüche für einen bestimmten Zeitraum nach zwölf Monaten ausgeschlossen werden; obwohl in den meisten Fällen die Anwendung einer solchen zeitlichen Begrenzung lediglich den Betrag der gezahlten Leistung kürzen wird, wird sie doch in all den Fällen, in denen die Berechtigung zwölf Monate vor der Geltendmachung geendet hat, zur vollständigen Ablehnung des Anspruchs führen.

75 Manche zeitlichen Begrenzungen sind gemischter Natur. Das Recht des Vereinigten Königreichs legt beispielsweise allgemein verhältnismässig kurze Fristen für Rechtsbehelfe gegen laufende Steuerveranlagungen fest, gestattet es aber daneben dem Steuerzahler, für vergangene Jahre Ansprüche aus weniger Gründen geltend zu machen(48). Der letztgenannte Typ zeitlicher Begrenzung könnte ebensogut, obwohl er als zeitliche Beschränkung von Ansprüchen für die Vergangenheit formuliert ist, als erweiterte Verjährungsfrist für Ansprüche verstanden werden, die allerdings auf weniger Gründe gestützt werden können.

76 Auf jeden Fall würde es, wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Denkavit ausgeführt habe, die Begründung des Gerichtshofes im Urteil Emmott, namentlich die Feststellung, daß ein einzelner seine Rechte bis zur ordnungsgemässen Umsetzung einer Richtlinie nicht erkennen könne, jedenfalls bei uneingeschränkter Anwendung den Mitgliedstaaten unmöglich machen, sich auf beide Typen zeitlicher Begrenzung zu berufen. Beide gestatten es einem Mitgliedstaat trotz der Ungewißheit für den einzelnen, Ansprüche für Zeiträume abzulehnen, in denen eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt war.

77 Auch das Urteil BP Soupergaz(49) betraf einen ähnlichen Typ zeitlicher Begrenzung wie den des Urteils Emmott, nämlich eine Dreijahresfrist nach griechischem Recht für Rechtsbehelfe; gleichwohl hat der Gerichtshof das Urteil Emmott zwar zitiert, daraus jedoch nicht abgeleitet, daß angesichts nicht ordnungsgemässer Umsetzung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie eine Berufung auf diese Frist ausgeschlossen sei.

Jüngere Rechtsprechung zur Haftung von Mitgliedstaaten

78 Die Probleme, die sich aufgrund des Urteils Emmott ergeben, dürfen aber nicht isoliert betrachtet werden. Bei der Prüfung der Angemessenheit des Schutzes von durch die Gemeinschaftsrechtsordnung, insbesondere durch Richtlinien, verliehenen Rechten müssen auch jüngere Entwicklungen in der Rechtsprechung berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere für die Rechtsprechungslinie, die mit dem Urteil Francovich(50) beginnt, in dem der Gerichtshof das Recht eines einzelnen auf Ersatz des durch die Nichtumsetzung einer Richtlinie entstandenen Schadens gegen einen Mitgliedstaat anerkannt hat.

79 Im Urteil Comateb(51) hat der Gerichtshof entschieden, daß ein Mitgliedstaat unter bestimmten Voraussetzungen die Erstattung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben verweigern kann, wenn die Erstattung den Händler ungerechtfertigt bereichern würde. Im Rahmen von Erstattungsverfahren könne das nationale Gericht nach nationalem Recht einen Schaden des Händlers infolge eines Umsatzrückgangs berücksichtigen, der eine ungerechtfertigte Bereicherung ganz oder teilweise ausschließe. Der Gerichtshof hat ebenfalls das Recht des Händlers anerkannt, bei den zuständigen Gerichten nach den einschlägigen Verfahren des nationalen Rechts und unter den im Urteil Brasserie du Pêcheur genannten Voraussetzungen den Ersatz des durch die überzahlten Steuern erlittenen Schadens (unabhängig von der Frage der Abwälzung dieser Abgabe) zu fordern.

80 Im Urteil Sutton(52) hat der Gerichtshof entschieden, daß Artikel 6 der Gleichbehandlungsrichtlinie einen Mitgliedstaat nicht verpflichtet, jemandem Zinsen für rückständige Leistungen der sozialen Sicherheit zu zahlen, auch wenn die verspätete Zahlung der Leistung auf eine nach der Richtlinie verbotene Diskriminierung zurückgeht. Der Gerichtshof hat hierbei sein Urteil Marshall II(53) abgegrenzt, in dem er entschieden hatte, daß die Wiedergutmachung für eine diskriminierende Entlassung Faktoren, die ihren Wert verringern könnten, wie etwa den Zeitablauf, berücksichtigen muß, weil in einem solchen Fall Zinsen ein wesentlicher Teil der Entschädigung seien. Demgegenüber stellten fällige Beträge von Leistungen der sozialen Sicherheit keine Wiedergutmachung eines entstandenen Schadens dar, um die es sich in der Rechtssache Marshall II gehandelt habe. Der Gerichtshof hat aber darauf hingewiesen, daß Frau Sutton unter den im Urteil Brasserie du Pêcheur(54) genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Schadensersatz habe und es Sache des nationalen Gerichts sei, zu prüfen, ob dies der Fall sei, und den Schadensbetrag festzulegen.

81 In diesen Urteilen hat der Gerichtshof somit anerkannt, daß Rückzahlungs- oder Leistungsansprüche gegen staatliche Behörden und Schadensersatzansprüche gegen den Staat als unabhängige Rechtsbehelfe im Bereich der Steuern und der sozialen Sicherheit nebeneinander bestehen können. Rückzahlungs- oder Leistungsansprüche und Schadensersatzansprüche sind wesensverschiedene Ansprüche, die auch ihrem Inhalt nach unterschiedlich sein können. So können z. B. Zinsen für fällige und rückständige Leistungen, die bei einem Leistungsanspruch nicht geltend gemacht werden können, bei einem Schadensersatzanspruch durchaus mit Erfolg gefordert werden.

82 Meines Erachtens sollte im Bereich der Steuern und der sozialen Sicherheit ein einzelner, wenn die Voraussetzungen für einen Anspruch nach dem Urteil Francovich erfuellt sind, die volle Wiedergutmachung für einen erlittenen Schaden einschließlich des Betrages überzahlter Steuern oder vorenthaltener Leistungen erhalten (vorbehaltlich der aufgrund anderer Rechtsbehelfe erhaltenen Beträge). Die Pflicht zur Schadensminderung durch Verwendung anderer Rechtsbehelfe, wie sie der Gerichtshof im Urteil Brasserie du Pêcheur(55) anerkennt, hat keine Bedeutung für das Erstattungs- oder Zahlungselement der Forderung, d. h. den Betrag der überzahlten Steuer oder der vorenthaltenen Leistung. Während die Schadensminderungspflicht bei entgangenem Gewinn bedeutsam ist, wird der Schaden in Form überzahlter Steuern oder Vorenthaltung von Leistungen durch eine Verzögerung der Klageerhebung nicht vergrössert(56).

FORTSETZUNG DER SCHLUSSANTRAEGE UNTER DOK.NUM: 695C0188.1

83 Daß für den völlig unabhängigen Schadensersatzanspruch eine längere als die verhältnismässig kurze Verjährungsfrist für Rückerstattungs- und Leistungsansprüche in vielen Mitgliedstaaten gilt, ist mit der unterschiedlichen Natur des Anspruchs zu erklären. Seine Grundlage ist nicht etwa die ungerechtfertigte Bereicherung des Staates als Ergebnis eines blossen Fehlers bei der routinemässigen Anwendung rechtstechnischer Regeln, sondern eine schwerwiegende Verletzung der Rechte einzelner, die nach einem erneuten Ausgleich zwischen diesen Rechten und dem allgemeinen Interesse an einer Maßnahme verlangt, die dem Staat Rechtssicherheit bietet.

84 Ein solcher Denkansatz hat eine Reihe von Vorzuegen. Er sorgt für umfassenden Schutz der Rechte einzelner innerhalb des bestehenden Rahmens von Rechtsbehelfen und Ausschlußfristen; nationale Ausschlußfristen für Rückerstattungs- oder Leistungsansprüche brauchen nicht mehr beiseite geschoben zu werden. Er schafft einen sachgemässen Ausgleich zwischen den Rechten einzelner und dem allgemeinen Interesse an Rechtssicherheit. Er berücksichtigt insbesondere in angemessener Weise den Grad des Verschuldens des Staates, der eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß umsetzt, und stellt sicher, daß Ansprüche ordnungsgemäß eingestuft und unter Beachtung sachgerechter materieller und formeller Bedingungen, insbesondere von Ausschlußfristen, vor den richtigen Gerichten geltend gemacht werden. Darüber hinaus wird dieser Denkansatz, ohne Rechte aufgrund von Richtlinien unangemessen privilegierend zu behandeln, einen wesentlichen Anreiz für die Mitgliedstaaten schaffen, Richtlinien rechtzeitig umzusetzen und jede Anstrengung zu unternehmen, um dies richtig zu tun; er wird sie ausserdem ermutigen, zu

Der Anwendungsbereich des Urteils Emmott

85 Ein wichtiger Faktor in der Rechtssache Emmott war der, daß es unter den besonderen Umständen des Falles ungerecht gewesen wäre, wenn man zugelassen hätte, daß sich die irischen Behörden auf die Ausschlußfrist des nationalen Rechts berufen könnten. In den Urteilen Steenhorst-Neerings und Johnson hat der Gerichtshof, wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Denkavit(57) ausgeführt habe, auf die folgenden besonderen Umstände hingewiesen: Frau Emmott hatte die Zahlung der fraglichen Leistungen unter Hinweis auf das Urteil McDermott und Cotter des Gerichtshofes(58) verlangt, die Verwaltungsbehörden hatten es abgelehnt, ihrer Forderung vor Entscheidung des bei den nationalen Gerichten anhängigen Rechtsstreits über die Richtlinie nachzukommen, und die Behörden wollten sich auf die Frist berufen, obwohl die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden war.

86 Es zeigt sich folglich, wie der Gerichtshof im Urteil Johnson(59) betont hat, "daß die Entscheidung in der Rechtssache Emmott durch die besonderen Umstände dieses Falles gerechtfertigt war, in dem der Klägerin des Ausgangsverfahrens durch den Ablauf der Klagefrist jegliche Möglichkeit genommen war, ihren auf die Richtlinie gestützten Anspruch auf Gleichbehandlung geltend zu machen".

87 Ähnliche, auf die Grundsätze der Billigkeit und des guten Glaubens gestützte Urteile finden sich in der Rechtsprechung der nationalen Gerichte(60). Ich halte es wirklich nicht für notwendig, irgendeinen neuen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zu entwickeln, um das Ergebnis des Urteils Emmott zu erklären. Das Urteil lässt sich, wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Denkavit angeregt habe, als - wenn auch neuen - Anwendungsfall der gefestigten, im Urteil Rewe und späteren Urteilen(61) entwickelten Grundsätze ansehen, namentlich des Grundsatzes, daß die Ausübung von durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechten nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermässig erschwert werden darf. Das Urteil kann so verstanden werden, daß ein Mitgliedstaat sich nicht auf Ausschlußfristen berufen darf, wenn er sowohl eine Richtlinie nicht umgesetzt hat als auch die Ausübung eines auf sie gestützten Rechtsbehelfs erschwert, und vielleicht auch dann, wenn der verspätete Gebrauch des Rechtsbehelfs in irgendeiner Weise auf das Verhalten der nationalen Behörden zurückzuführen ist. In der Rechtssache Emmott wurde das Fehlverhalten des Staates durch Erschwerung des Rechtsbehelfs noch durch die besonders schwache Stellung von Frau Emmott als von der Sozialhilfe Abhängige verschlimmert.

88 So verstanden scheint mir der Grundsatz des Urteils Emmott, auch wenn er auf ganz aussergewöhnliche Umstände beschränkt bleibt, trotz der söben aufgezeigten jüngsten Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin einen wichtigen Schutz zu bieten. Ein einzelner muß alle verfügbaren Rechtsbehelfe nutzen dürfen. Daß daneben noch eine andere Klage z. B. auf Schadensersatz bei den zuständigen Gerichten möglich ist, kann keine Rechtfertigung für die Behinderung einer Rückerstattungs- oder Leistungsklage sein, die ein einzelner erheben wollte.

Die vorliegende Rechtssache

89 Zur siebten Frage des vorlegenden Gerichts vertrete ich daher die Auffassung, daß ein Mitgliedstaat sich auf eine vernünftige Verjährungsfrist nach nationalem Recht berufen darf, um Ansprüche aus Gemeinschaftsrichtlinien trotz Fehlens einer ordnungsgemässen Umsetzung abzuwehren. Die fünfjährige Verjährungsfrist nach dänischem Recht für die Anfechtung von Entscheidungen des Amtes dürfte insgesamt vernünftig sein und die Berufung auf die Richtlinie nicht praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren. Auch besondere Umstände, wie sie in der Rechtssache Emmott vorlagen, dürften im vorliegenden Fall nicht gegeben sein.

90 Offenkundig fragwürdiger ist hingegen der sogenannte "Forstgebühren"-Grundsatz, den das vorlegende Gericht in seiner sechsten Frage anführt; er wurde vom Höjesteret (höchstes dänisches Gericht) in seinem Urteil vom 17. Januar 1899 entwickelt und ist nach den Gebühren benannt, die damals in dieser Sache im Streit waren. Nach diesem Grundsatz, der im Vorlagebeschluß beschrieben wird (Umfang und Wirkungen sind unter den Parteien streitig), müsste das nationale Gericht bei der Entscheidung über Erstattungsansprüche in bezug auf ohne Rechtsgrundlage erhobene Abgaben berücksichtigen, daß die Abgaben nach Vorschriften erhoben wurden, die seit altersher angewandt worden sind und die sowohl die Behörden als auch andere für rechtswirksam hielten.

91 Soweit sich der Grundsatz dahin auswirkt, daß die sonst vernünftige Frist des dänischen Rechts für die Anfechtung von Abgaben negiert wird, macht er entgegen den Erfordernissen, die der Gerichtshof im Urteil Rewe und späteren Urteilen aufgestellt hat, die Ausübung der durch die Richtlinie verliehenen Rechte praktisch unmöglich oder erschwert sie übermässig. Der Grundsatz entspricht der Regelung des Vereinigten Königreichs, die der Gerichtshof im Urteil FMC(62) für rechtswidrig erklärt hat. Dort hat der Gerichtshof entschieden, daß eine nationale Vorschrift, nach der ein einer Behörde aufgrund eines Rechtsirrtums gezahlter Betrag nur zurückverlangt werden kann, wenn die Zahlung unter Vorbehalt erfolgte, den wirksamen Schutz der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte beeinträchtigen kann(63).

Zur achten Frage

92 Die letzte Frage geht dahin, ob Artikel 10 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335 für die einzelnen Rechte begründet, auf die sie sich vor den nationalen Gerichten berufen können. Diese Frage ist eindeutig zu bejahen, da die betreffenden Bestimmungen unbedingt gelten und hinreichend genau sind. Diese Antwort ergibt sich mittelbar aus dem Urteil Ponente Carni(64).

Ergebnis

93 Demgemäß sollten meines Erachtens die vom Östre Landsret vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet werden:

1. Mit dem Ausdruck "Abgaben mit Gebührencharakter" in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335/EWG des Rates sind Abgaben gemeint, die zur Abgeltung der Kosten besonderer Dienste der öffentlichen Behörden eines Mitgliedstaats einschließlich bestimmter im allgemeinen Interesse vorgeschriebener Dienstleistungen erhoben werden. Solche Dienste umfassen die Führung einer Gesellschaftsakte bei gesetzlichen Gesellschaftsregistern und die Überprüfung der Beachtung von Eintragungs- und Offenlegungserfordernissen nach Gemeinschafts- und nach nationalem Recht. Bei der Überprüfung von Bilanzen und der Buchhaltung kann ein Mitgliedstaat Abgaben für die Prüfung erheben, ob die eingereichten Bilanzen gesellschafts- und börsenrechtliche Voraussetzungen erfuellen, nicht hingegen für andere Arbeiten, mit denen gesetzlich vorgeschriebene Buchprüfungsleistungen erneut erbracht werden. Dienste, für die eine Abgabe erhoben werden darf, umfassen keine allgemeinen Dienstleistungen wie etwa die Vorbereitung von Gesetzgebungsmaßnahmen im Bereich des Gesellschaftsrechts.

2. Bei der Berechnung der Abgaben mit Gebührencharakter für solche Dienste darf der Mitgliedstaat alle Kosten einschließlich der Gemeinkosten berücksichtigen, die mit diesen Diensten unmittelbar zusammenhängen. Die Zurechnung von Kosten hat nach Maßgabe der anerkannten Grundsätze der Kosten- und Betriebsrechnung zu erfolgen. Beziehen sich namentlich Kosten nur teilweise auf die besagten Dienste, ist eine sinnvolle Aufteilung anhand geeigneter Kriterien vorzunehmen. Kosten für Zinsen und Abschreibungen, Dienstreisen und Öffentlichkeitsarbeit dürfen nur insoweit in Ansatz gebracht werden, als sie sich unmittelbar auf die genannten Dienste beziehen. Ein Mitgliedstaat darf seine Abgabenerhebung auf bedeutendere Vorgänge beschränken und die Kosten verhältnismässig unbedeutender Vorgänge in diese eingehen lassen.

3. Ein Mitgliedstaat kann pauschale Abgaben vorsehen, wenn sich eine Einzelkostenrechnung für die Dienste als nicht praktikabel erweist. Er muß jedoch seine Abgaben, wenn diese pauschal festgelegt sind oder anteilige Kostenelemente enthalten, in regelmässigen Abständen überprüfen, um sicherzustellen, daß sie die durchschnittlichen Kosten der erbrachten Dienste nicht überschreiten. Ein Mitgliedstaat darf nicht zusätzlich zu einer pauschalen Grundabgabe eine Abgabe ohne Obergrenze erheben, die sich unmittelbar proportional zum gezeichneten Kapital erhöht, wenn dies zu durchschnittlichen Abgaben führt, die die durchschnittlichen Kosten der erbrachten Dienste überschreiten und zu einem unverhältnismässig hohen Gebührenniveau für bestimmte Gesellschaften führen.

4. Es bleibt dem nationalen Gericht überlassen, Rückerstattungsbeträge anhand der verfügbaren Zahlen bestmöglich zu ermitteln. Es kann seine Berechnung entweder auf die tatsächlichen Kosten der Eintragungsbehörde für besondere Dienste an Gesellschaften oder, falls dies nicht möglich ist, auf die Durchschnittskosten der Dienste zu der maßgeblichen Zeit oder um diese Zeit herum oder, falls notwendig, über einen längeren Zeitraum hinweg stützen. Wird der Rückerstattungsbetrag nach Durchschnittskosten ermittelt, kann das Gericht gegebenenfalls, wenn ihm dies möglich ist, die Zahlen anpassen, um die unterschiedlichen Kosten grösserer und kleinerer Vorgänge zu berücksichtigen.

5. Nach dem Gemeinschaftsrecht kann eine Klage auf Erstattung von Abgaben, die unter Verstoß gegen die Richtlinie 69/335 erhoben wurden, nicht mit der Begründung abgewiesen werden, daß die Abgabe nach Vorschriften erhoben wurde, die seit altersher angewandt wurden, ohne daß die Behörden oder andere sich ihrer Unwirksamkeit bewusst gewesen wären.

6. Das Gemeinschaftsrecht steht einer Verjährungsfrist nach nationalem Recht nicht entgegen, deren Lauf beginnt, bevor die Richtlinie von einem Mitgliedstaat ordnungsgemäß umgesetzt wurde.

7. Artikel 10 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335 begründet für den einzelnen Rechte, auf die er sich vor den nationalen Gerichten berufen kann.

(1) - ABl. L 249, S. 25.

(2) - Richtlinie vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23).

(3) - Urteil des Gerichtshofes vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-208/90 (Slg. 1991, I-4269).

(4) - Urteil vom 20. April 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-71/91 und C-178/91 (Slg. 1993, I-1915).

(5) - Randnr. 30 des Urteils.

(6) - Randnrn. 37 und 38 des Urteils.

(7) - Randnrn. 41 bis 43 des Urteils.

(8) - Randnr. 44 des Urteils.

(9) - Urteil vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-320/91 (Slg. 1993, I-2533).

(10) - Zitiert in Fußnote 4; vgl. insbesondere Randnr. 30 des Urteils und deren Zusammenfassung in Nr. 7 dieser Schlussanträge.

(11) - Vgl. insbesondere Randnrn. 41 bis 43 des Urteils (zitiert oben, Nr. 9).

(12) - Randnrn. 37 und 38 des Urteils.

(13) - Randnrn. 41 und 42 des Urteils.

(14) - Randnr. 43 des Urteils.

(15) - Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8).

(16) - ABl. 1985, L 302, S. 23.

(17) - Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1977, L 26, S. 1).

(18) - Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (ABl. L 295, S. 36).

(19) - Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. L 222, S. 11).

(20) - Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß (ABl. L 193, S. 1).

(21) - Sechste Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften (ABl. L 378, S. 47).

(22) - Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen (ABl. L 395, S. 36).

(23) - Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (ABl. L 395, S. 40).

(24) - Nrn. 31 bis 35 dieser Schlussanträge.

(25) - Unten, Nr. 45.

(26) - Zitiert in Fußnote 19.

(27) - Achte Richtlinie 84/253/EWG des Rates vom 10. April 1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen (ABl. L 126, S. 20).

(28) - Zitiert in Fußnote 9.

(29) - Vgl. Randnr. 17 des Urteils.

(30) - Randnr. 18 des Urteils.

(31) - Nr. 32 der genannten Schlussanträge.

(32) - Zitiert in Fußnote 3.

(33) - Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24).

(34) - Randnrn. 21 bis 23 des Urteils.

(35) - Urteil vom 13. Februar 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-197/94 und C-252/94 (Bautiaa und Société Française Maritime, Slg. 1996, I-505).

(36) - Fußnote 5 der zitierten Schlussanträge: Vgl. Urteil vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84 (Marshall, Slg. 1986, 723).

(37) - Nrn. 26 bis 29 der zitierten Schlussanträge.

(38) - Gemäß Artikel 191 des Vertrages in der Fassung des Artikels G Nummer 63 sind Richtlinien jetzt allgemein zu veröffentlichen. Der Endtermin für die Umsetzung der Richtlinie scheint jetzt entweder ausdrücklich genannt oder unter Bezugnahme auf den um daraus das - ebenso paradoxe - Ergebnis abzuleiten, daß Rechte aufgrund von Richtlinien stärkeren Rechtsschutz genießen sollten als Rechte, die auf dem Vertrag selbst oder auf Maßnahmen beruhen, die nach dem Vertrag unmittelbar Anwendung finden.

66 Darüber hinaus ist in meinen Augen die Annahme, bis zur ordnungsgemässen Umsetzung könne der einzelne nie den vollen Umfang seiner Rechte erkennen, schwer mit den Voraussetzungen zu vereinbaren, die für die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie gelten. Die unmittelbare Wirkung einer Richtlinienbestimmung setzt voraus, daß der Grundinhalt des übertragenen Rechts hinreichend klar (oder zumindest gerichtlicher Festlegung zugänglich) ist, um durch die nationalen Rechtsvorschriften geschützt zu werden. Es ist widersprüchlich, anzuerkennen, daß eine Bestimmung hinreichend klar ist, um einem einzelnen Rechtsschutz vor den nationalen Gerichten zu gewähren, und diesen gleichzeitig, weil die ihm übertragenen Rechte nicht hinreichend klar seien, von den zeitlichen Grenzen freizustellen, die nationale Vorschriften für diesen Rechtsschutz vorsehen. Das Ergebnis ist, wie bereits gesagt, unvermeidbar und gänzlich anomal, daß nämlich Richtlinien im Vergleich zu anderen Gemeinschaftsvorschriften auch höheren Ranges ein privilegierter Status zuerkannt wird. Die Anerkennung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien sollte zweifellos sicherstellen, daß die Rechte, die sie schaffen sollten, trotz fehlender Umsetzung vor den nationalen Gerichten den gleichen Schutz genießen wie Rechte aufgrund unmittelbar anzuwendenden Gemeinschaftsrechts.

67 Ich habe auf jeden Fall meine Zweifel, ob ein einzelner sich seiner Rechte im Fall einer nicht umgesetzten Richtlinie wohl weniger sicher ist als im Fall einer Vertragsbestimmung. Obwohl sie keiner Umsetzung in nationales Recht bedürfen, lassen die Vertragsbestimmungen, die ihrem Wesen nach weit gefasst sind, oft erheblichen Raum für eine Ungewißheit bezueglich etwaiger Rechte, die sie einzelnen übertragen.

68 Die Ausführungen der Regierungen zu den finanziellen Auswirkungen des Urteils Emmott werfen ebenfalls eine wichtige Grundsatzfrage auf. Wie sie zutreffend bemerken, würde das Urteil Emmott bei einem wörtlichen Verständnis die Mitgliedstaaten dem Risiko von Ansprüchen aussetzen, die bis zum Endtermin für die Umsetzung der Richtlinie zurückgehen könnten; es würde z. B. die klageweise Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund der Richtlinie 69/335, die bis zum 1. Januar 1972 umzusetzen war, trotz nationaler Verjährungsfristen für die letzten 25 Jahre zulassen.

69 Eine solche Haftung würde ferner auch bei geringen oder unachtsamen Verstössen eintreten. Ein solches Ergebnis würde den Ausgleich völlig ausser acht lassen, der in jedem Rechtssystem zwischen den Rechten einzelner und dem allgemeinen Interesse an der Schaffung von Rechtssicherheit für den Staat gefunden werden muß. Dies gilt besonders für Steuern und die soziale Sicherheit, da die staatlichen Behörden in diesen Bereichen die besondere Aufgabe haben, Steuer- und Sozialversicherungsvorschriften routinemässig auf unzählige Fälle anzuwenden.

70 Bei der Anwendung dieser Vorschriften sind Fehler in beträchtlichem Umfang möglich. Bedauerlicherweise ist das besonders bei Gemeinschaftsvorschriften so, die oft eher unachtsam formuliert sind. Die Vorschrift etwa, um die es in der Rechtssache Ponente Carni und in der vorliegenden geht, ist schwerlich ein Muster an Klarheit: Die Richtlinie gibt keinerlei Hinweis auf die Bedeutung des Begriffes "Abgaben mit Gebührencharakter" ("fees or düs") und die Art und Weise ihrer Berechnung. Die jüngeren Rechtssachen

(39) - Urteil vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-288/94 (Slg. 1996, I-5311).

(40) - Urteil vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-317/94 (Slg. 1996, I-5339).

(41) - Es sei darauf hingewiesen, daß Generalanwalt Fennelly in seinen Schlussanträgen vom 27. Juni 1996 in den beiden Rechtssachen eine andere Auffassung vertrat als der Gerichtshof.

(42) - The Times vom 25. Oktober 1996.

(43) - Urteil vom 11. Juni 1996 in der Rechtssache C-2/94 (Denkavit Internationaal u. a., Slg. 1996, I-2827).

(44) - Nr. 64 meiner Schlussanträge.

(45) - Urteil vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-338/91 (Slg. 1993, I-5475).

(46) - Urteil vom 6. Dezember 1994 in der Rechtssache C-410/92 (Slg. 1994, I-5483).

(47) - Vgl. Nrn. 85 und 86 dieser Schlussanträge.

(48) - Vgl. etwa Section 33 des Taxes Management Act 1970.

(49) - Urteil vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-63/93 (Slg. 1995, I-1883).

(50) - Urteil vom 19. November 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357).

(51) - Urteil vom 14. Januar 1997 in den verbundenen Rechtssachen C-192/95, C-193/95 und C-196/95 bis C-218/95 (Comateb u. a., Slg. 1997, I-165).

(52) - Urteil vom 22. April 1997 in der Rechtssache C-66/95 (Slg. 1997, I-2163).

(53) - Urteil vom 2. August 1993 in der Rechtssache C-271/91 (Slg. 1993, I-4367).

(54) - Urteil vom 5. März 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-46/93 und C-48/93 (Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029).

(55) - Randnr. 84 des Urteils.

(56) - Zinsen auf die Hauptsumme sind nur ein Ausdruck dafür, daß der Staat und nicht der einzelne das Geld während der betreffenden Zeit nutzen konnte; das kann nicht als Schadensvergrösserung verstanden werden.

(57) - Zitiert in Fußnote 43.

(58) - Urteil vom 24. März 1987 in der Rechtssache 286/85 (Slg. 1987, 1453).

(59) - Randnr. 26 des Urteils.

(60) - Vgl. im Wege der Analogie das Urteil des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs (Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg 1993, 220). Der Verwaltungsgerichtshof ließ unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben im Verwaltungsrecht die Ausschlußfrist nach nationalem Recht für den Widerspruch gegen Verwaltungsakte unbeachtet, da die betreffende Behörde den Kläger hatte glauben lassen, sie prüfe die Angelegenheit erneut. Vgl. auch für das englische Recht das Urteil des Court of Appeal in der Sache Unilever [1996] C.O.D. 421 (Ermessensmißbrauch der Steuerbehörden, wenn sie sich auf eine Zweijahresfrist für die Geltendmachung von Verlusten berufen, ohne dies vorher jemals getan zu haben) und Order 53 der Rules of the Supreme Court, die eine Verlängerung der dreimonatigen Klagefrist zulassen, wenn es für die Säumnis des Klägers einen "vernünftigen Grund" gibt.

(61) - Vgl. Urteile vom 16. Dezember 1976 in der Rechtssache 33/76 (Rewe, Slg. 1976, 1989, Randnr. 5) und in der Rechtssache 45/76 (Comet, Slg. 1976, 2043, Randnr. 13), vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82 (San Giorgio, Slg. 1983, 3595, Randnr. 12), vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache 208/90 (Emmott, zitiert in Fußnote 3, Randnr. 16), vom 19. November 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich u. a., zitiert in Fußnote 50, Randnr. 43), vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache 338/91 (Steenhorst-Neerings, zitiert in Fußnote 45, Randnr. 15), vom 6. Dezember 1994 in der Rechtssache C-410/92 (Johnson, zitiert in Fußnote 46, Randnr. 21), vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-312/93 (Peterbröck, Slg. 1995, I-4599, Randnr. 12) und in den verbundenen Rechtssachen C-430/93 und C-431/93 (Van Schijndel und Van Veen, Slg. 1995, I-4705, Randnr. 17) sowie vom 8. Februar 1996 in der Rechtssache C-212/94 (FMC u. a., Slg. 1996, I-389, Randnr. 71).

(62) - Zitiert in Fußnote 61.

(63) - Randnr. 72 des Urteils.

(64) - Vgl. Nr. 38 meiner Schlussanträge in dieser Rechtssache sowie zu Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie Urteil vom 28. März 1990 in der Rechtssache C-38/88 (Siegen, Slg. 1990, I-1447).