Avis juridique important
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 17. Juli 1997. - ARO Lease BV gegen Inspecteur van de Belastingdienst Grote Ondernemingen te Amsterdam. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Gerechtshof Amsterdam - Niederlande. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Leasinggesellschaft für Personenkraftwagen - Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Dienstleistenden - Feste Niederlassung. - Rechtssache C-190/95.
Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-04383
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Dienstleistungen - Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts - "Feste Niederlassung" im Sinne der Sechsten Richtlinie - Leasinggesellschaft, die an in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Kunden Personenkraftfahrzeuge vermietet
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 9 Absatz 1)
Eine Niederlassung einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Sitzes ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit kann nur dann als Ort der Dienstleistung im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern betrachtet werden, wenn sie einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur hat, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht.
Folglich erbringt eine in einem Mitgliedstaat ansässige Leasinggesellschaft ihre Dienstleistungen nicht von einer festen Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat aus, wenn sie ihre Tätigkeit unter folgenden Umständen ausübt: Sie vermietet an in dem letztgenannten Mitgliedstaat ansässige Kunden Personenkraftwagen aufgrund von Leasingverträgen; ihre Kunden werden durch in diesem Mitgliedstaat ansässige unabhängige Vermittler angeworben; die Kunden suchen sich selbst die von ihnen gewünschten Fahrzeuge bei in diesem Mitgliedstaat ansässigen Vertragshändlern aus; die Leasinggesellschaft erwirbt die Fahrzeuge in diesem Mitgliedstaat, in dem sie zugelassen sind, und vermietet sie an ihre Kunden aufgrund von Leasingverträgen, die an ihrem Geschäftssitz aufgesetzt und unterzeichnet werden; die Kunden tragen die Kosten für die Wartung und zahlen in dem vorgenannten Mitgliedstaat die Kraftfahrzeugsteuer; die Leasinggesellschaft verfügt aber in diesem Mitgliedstaat weder über ein Büro noch über einen Stellplatz für die Fahrzeuge.
1 Der Gerechtshof Amsterdam hat mit Beschluß vom 7. Juni 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juni 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft ARO Lease BV (im folgenden: Klägerin) mit Sitz in 's- Hertogenbosch (Niederlande) und den niederländischen Steuerbehörden über die Zahlung von Mehrwertsteuer auf von der Klägerin in Belgien erbrachte Leistungen.
3 Nach den Akten des Ausgangsverfahrens ist die Klägerin eine Leasinggesellschaft, deren Tätigkeit im wesentlichen in der Vermietung von Personenkraftwagen aufgrund von Leasingverträgen besteht. Während des fraglichen Zeitraums waren etwa 6 000 Personenkraftwagen in den Niederlanden und etwa 800 dieser Fahrzeuge in Belgien Gegenstand solcher Verträge. 90 % dieser Verträge waren mit Unternehmen und der Rest mit Privatpersonen geschlossen worden. Die fraglichen Verträge waren für einen Zeitraum von drei bis vier Jahren geschlossen; sie waren in den Büros der Klägerin in 's-Hertogenbosch aufgesetzt worden. Die Klägerin hat kein Büro in Belgien.
4 Die Kunden in Belgien setzen sich mit der Klägerin durch unabhängige, in diesem Staat ansässige Vermittler, die für ihre Dienste eine Provision erhalten, in Verbindung. Im Regelfall suchen sich die belgischen Kunden selbst das von ihnen gewünschte Fahrzeug bei einem in Belgien ansässigen Vertragshändler aus. Dieser liefert sodann das Fahrzeug an die Klägerin, die den Kaufpreis zahlt. Die Klägerin vermietet danach das Fahrzeug aufgrund eines Leasingvertrags an den Kunden. Die Fahrzeuge werden in Belgien zugelassen. Die Vermittler in Belgien sind nicht an der Durchführung der Verträge beteiligt. Die Verträge bestimmen u. a., daß der Kunde die Kosten für die Wartung des Fahrzeugs sowie die in Belgien fällige Kraftfahrzeugsteuer zu zahlen hat. Demgegenüber sind die Kosten für Reparaturen und Hilfsleistungen aufgrund von Schäden am Fahrzeug von der Klägerin zu tragen, die als Eigentümerin des Fahrzeugs für diese Risiken eine Versicherung abschließt.
5 Nach Ablauf des vereinbarten Leasingzeitraums nennt die Klägerin dem Kunden den Preis, zu dem das Fahrzeug an ihn verkauft werden kann. Wenn der Verkauf des Fahrzeugs nicht sofort möglich ist, wird er vorübergehend auf Kosten und Gefahr der Klägerin bei einem Händler in Belgien untergestellt, da die Klägerin selbst nicht über entsprechenden Stellplatz in Belgien verfügt.
6 Die für die Vermietung von Personenkraftfahrzeugen in Belgien aufgrund von Leasingverträgen fällige Mehrwertsteuer wurde von der Klägerin stets in den Niederlanden bezahlt, und zwar aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 des niederländischen Umsatzsteuergesetzes von 1968, mit dem Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie umgesetzt worden ist. Diese Vorschrift bestimmt:
"Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort."
7 Die belgische Steuerverwaltung ist jedoch der Ansicht, daß seit Januar 1993 allein schon die Anwesenheit eines der Klägerin gehörenden Fahrzeugparks in Belgien zur Folge habe, daß diese über eine feste Niederlassung in Belgien verfüge, von der aus sie die Fahrzeuge im Rahmen von Leasingverträgen vermiete. Im Hinblick auf die fraglichen Dienstleistungen sei die Klägerin daher in Belgien mehrwertsteuerpflichtig, was diese im übrigen nicht bestreite. Demgegenüber ist die niederländische Steuerverwaltung der Auffassung, gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie befinde sich der Ort der Dienstleistung in den Niederlanden, da die Klägerin, die in Belgien weder über Personal noch über technische Mittel verfüge, um die Leasingsverträge zu schließen, dort keine feste Niederlassung habe.
8 Die Klägerin und die niederländische Steuerverwaltung streiten über einen Mehrwertsteuerbetrag von 389 753 HFL, der von der Klägerin für November 1993 gezahlt wurde und dessen Erstattung sie begehrt.
9 Der mit dem Rechtsstreit befasste Gerechtshof Amsterdam meint, der Ort der fraglichen Dienstleistungen werde durch die in Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie niedergelegte Regel bestimmt. Das Gericht wirft die Frage auf, ob die fraglichen Dienstleistungen von einer festen Niederlassung in Belgien im Sinne dieser Vorschrift aus erbracht werden. Wegen seiner Zweifel bezueglich der Auslegung von Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie hat der Gerechtshof Amsterdam das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage dahin auszulegen, daß ein Steuerpflichtiger, der in den Niederlanden ansässig ist und als solcher Dritten auf der Grundlage von Verträgen über Operation-Leasing ungefähr 6 800 Personenkraftwagen zur Verfügung stellt, von denen ungefähr 800 in der Weise und unter den Umständen, wie sie im Vorlagebeschluß beschrieben sind, in Belgien gekauft und zur Verfügung gestellt werden, diese Dienstleistungen von einer festen Niederlassung in Belgien aus erbringt?
10 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, daß eine in einem Mitgliedstaat ansässige Leasinggesellschaft ihre Dienstleistungen von einer festen Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat aus erbringt, wenn sie ihre Tätigkeit unter folgenden Umständen ausübt: Sie vermietet an in dem letztgenannten Mitgliedstaat ansässige Kunden Personenkraftwagen aufgrund von Leasingverträgen; ihre Kunden werden durch in diesem Mitgliedstaat ansässige unabhängige Vermittler angeworben; die Kunden suchen sich selbst die von ihnen gewünschten Fahrzeuge bei in diesem Mitgliedstaat ansässigen Vertragshändlern aus; die Leasinggesellschaft erwirbt die Fahrzeuge in diesem Mitgliedstaat, in dem sie zugelassen sind, und vermietet sie an ihre Kunden aufgrund von Leasingverträgen, die an ihrem Geschäftssitz aufgesetzt und unterzeichnet werden; die Kunden tragen die Kosten für die Wartung und zahlen in dem vorgenannten Mitgliedstaat die Kraftfahrzeugsteuer; die Leasinggesellschaft verfügt aber in diesem Mitgliedstaat weder über ein Büro noch über Stellplatz für die Fahrzeuge.
11 Die Vermietung von Fahrzeugen aufgrund eines Leasingvertrags ist eine Dienstleistung gemäß Artikel 9 der Sechsten Richtlinie.
12 Nach der vierten Begründungserwägung der Zehnten Richtlinie 84/386/EWG des Rates vom 31. Juli 1984 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in Abänderung der Richtlinie 77/388/EWG - Anwendung der Mehrwertsteuer auf die Vermietung von beweglichen körperlichen Gegenständen (ABl. L 208, S. 58; im folgenden: Zehnte Richtlinie) ist "bei der Vermietung von Beförderungsmitteln ... aus Kontrollgründen der genannte Artikel 9 Absatz 1 strikt anzuwenden und somit als Ort der Dienstleistung der Ort des Dienstleistenden anzusehen".
13 Nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie in der Fassung der Zehnten Richtlinie sind "Beförderungsmittel" ausdrücklich von der Ausnahmeregelung ausgenommen, nach der bei der "Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände" der Ort der Dienstleistungen "der Ort [ist], an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat". Beförderungsmittel unterliegen somit der in Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richlinie aufgestellten allgemeinen Regel.
14 Wie der Gerichtshof im übrigen insoweit festgestellt hat, ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, den Ort der Nutzung von Beförderungsmitteln zu bestimmen, da diese leicht die Grenzen überschreiten können; daher ist es erforderlich, in jedem Fall ein praktikables Kriterium für die Erhebung der Mehrwertsteuer vorzusehen. Die Sechste Richtlinie hat deshalb für die Vermietung sämtlicher Beförderungsmittel nicht an den Ort der Nutzung des vermieteten Gegenstands, sondern, dem allgemeinen Grundsatz entsprechend, an den Ort angeknüpft, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat (Urteil vom 15. März 1989 in der Rechtssache 51/88, Hamann, Slg. 1989, 767, Randnrn. 17 und 18).
15 Zur allgemeinen Regel des Artikels 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie hat der Gerichtshof entschieden, daß der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, ein vorrangiger Anknüpfungspunkt ist und daß die Berücksichtigung einer anderen Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, nur dann von Interesse ist, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat. Aus dem Zusammenhang der in Artikel 9 verwendeten Begriffe und aus der Zielsetzung dieser Bestimmung ergibt sich, daß die Zuordnung einer Dienstleistung zu einer anderen Niederlassung als dem Sitz nur dann in Betracht kommt, wenn dort die für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen personellen und Betriebsmittel ständig vorhanden sind und diese Niederlassung damit einen gewissen Bestand hat (Urteil vom 4. Juli 1985 in der Rechtssache 168/84, Berkholz, Slg. 1985, 2251, Randnrn. 17 und 18).
16 Demzufolge kann eine Niederlassung nur dann unter Abweichung vom vorrangigen Kriterium des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit als Ort der Dienstleistungen eines Steuerpflichtigen betrachtet zu werden, wenn sie einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur hat, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht.
17 Daher ist zu prüfen, ob die vom vorlegenden Gericht dargelegten tatsächlichen Umstände den Schluß zulassen, daß eine Leasinggesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat über eine feste Niederlassung verfügt.
18 Die Dienstleistungen, die beim Verleasen von Fahrzeugen erbracht werden, sind im wesentlichen das Aushandeln, die Abfassung, die Unterzeichnung und die Durchführung der Verträge sowie die tatsächliche Bereitstellung der betreffenden Fahrzeuge für die Kunden, wobei die Leasinggesellschaft Eigentümerin der Fahrzeuge bleibt.
19 Wenn also eine Leasinggesellschaft in einem Mitgliedstaat weder über eigenes Personal noch über eine Struktur mit einem hinreichenden Grad an Beständigkeit verfügt, in deren Rahmen Verträge abgefasst oder Entscheidungen über die Geschäftsführung getroffen werden können, d. h. eine Struktur, die die autonome Erbringung der fraglichen Dienstleistungen ermöglicht, hat sie keine feste Niederlassung in diesem Mitgliedstaat.
20 Im übrigen ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut wie aus der Zielsetzung von Artikel 9 Absätze 1 und 2 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie sowie aus dem Urteil Hamann, daß die tatsächliche Bereitstellung von Fahrzeugen für die Kunden im Rahmen von Leasingverträgen ebensowenig wie der Ort der Benutzung dieser Fahrzeuge als ein der Zielsetzung der Sechsten Richtlinie entsprechendes sicheres, einfaches und praktikables Kriterium für das Bestehen einer festen Niederlassung angesehen werden kann.
21 Dem steht nicht entgegen, daß es im Verhältnis zu den Leasingdienstleistungen untergeordnete und ergänzende Elemente und Vorgänge wie diejenigen gibt, die in Belgien stattfinden. Der Umstand, daß die Kunden sich selbst das von ihnen gewünschte Fahrzeug bei den belgischen Vertragshändlern aussuchen, steht nämlich in keinerlei Zusammenhang mit der Niederlassung des Dienstleistenden. Die unabhängigen Vermittler, die den Kontakt zwischen den interessierten Kunden und der Klägerin herstellen, können nicht als ständiges Personal im Sinne der angeführten Rechtsprechung angesehen werden. Schließlich ist der Umstand, daß die Fahrzeuge in Belgien zugelassen sind, wo auch die Kraftfahrzeugsteuer zu entrichten ist, durch den Ort ihrer Nutzung bestimmt, ein Element, das nach der genannten Rechtsprechung für die Anwendung der Regel des Artikels 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie nicht relevant ist.
22 Unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, werden die Dienstleistungen somit nicht von einer festen Niederlassung aus erbracht.
23 Die Kommission und die dänische Regierung machen jedoch geltend, daß für die Anwendung von Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie auf Beförderungsmittel die wirtschaftliche Realität zu berücksichtigen und als Ort der Dienstleistungen der Ort der tatsächlichen Ausübung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit anzusehen sei.
24 Wie sich aus dem Sinn und Zweck des Artikels 9 der Sechsten Richtlinie ergibt und durch Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c verdeutlicht wird, der von dem allgemeinen Grundsatz des Artikels 9 Absatz 1 abweicht, wonach der Ort bestimmter Dienstleistungen der Ort ist, an dem diese Leistungen tatsächlich erbracht werden, war der Gedanke der tatsächlichen Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit dem Gemeinschaftsgesetzgeber gegenwärtig.
25 Dieser Gedanke hat auch bei der Formulierung der in Artikel 9 Absatz 1 enthaltenen allgemeinen Regel sowie in den angeführten besonderen und ausdrücklichen Vorschriften über Beförderungsmittel Berücksichtigung gefunden.
26 Die von der Kommission und der dänischen Regierung vertretene Auslegung läuft somit dem Willen des Gesetzgebers zuwider, der sich für den Bereich der Beförderungsmittel unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität dafür entschieden hat, im Rahmen des allgemeinen Grundsatzes des Artikels 9 Absatz 1 das sichere, einfache und praktikable Kriterium des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit oder einer festen Niederlassung einzuführen.
27 Aufgrund dieser Erwägungen ist daher auf die gestellte Frage zu antworten, daß Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, daß eine in einem Mitgliedstaat ansässige Leasinggesellschaft ihre Dienstleistungen nicht von einer festen Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat aus erbringt, wenn sie ihre Tätigkeit unter folgenden Umständen ausübt: Sie vermietet an in dem letztgenannten Mitgliedstaat ansässige Kunden Personenkraftwagen aufgrund von Leasingverträgen; ihre Kunden werden durch in diesem Mitgliedstaat ansässige unabhängige Vermittler angeworben; die Kunden suchen sich selbst die von ihnen gewünschten Fahrzeuge bei in diesem Mitgliedstaat ansässigen Vertragshändlern aus; die Leasinggesellschaft erwirbt die Fahrzeuge in diesem Mitgliedstaat, in dem sie zugelassen sind, und vermietet sie an ihre Kunden aufgrund von Leasingverträgen, die an ihrem Geschäftssitz aufgesetzt und unterzeichnet werden; die Kunden tragen die Kosten für die Wartung und zahlen in dem vorgenannten Mitgliedstaat die Kraftfahrzeugsteuer; die Leasinggesellschaft verfügt aber in diesem Mitgliedstaat weder über ein Büro noch über Stellplatz für die Fahrzeuge.
Kosten
28 Die Auslagen der niederländischen, der belgischen, der dänischen, der deutschen und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
(Sechste Kammer)
auf die ihm vom Gerechtshof Amsterdam mit Beschluß vom 7. Juni 1995 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, daß eine in einem Mitgliedstaat ansässige Leasinggesellschaft ihre Dienstleistungen nicht von einer festen Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat aus erbringt, wenn sie ihre Tätigkeit unter folgenden Umständen ausübt: Sie vermietet an in dem letztgenannten Mitgliedstaat ansässige Kunden Personenkraftwagen aufgrund von Leasingverträgen; ihre Kunden werden durch in diesem Mitgliedstaat ansässige unabhängige Vermittler angeworben; die Kunden suchen sich selbst die von ihnen gewünschten Fahrzeuge bei in diesem Mitgliedstaat ansässigen Vertragshändlern aus; die Leasinggesellschaft erwirbt die Fahrzeuge in diesem Mitgliedstaat, in dem sie zugelassen sind, und vermietet sie an ihre Kunden aufgrund von Leasingverträgen, die an ihrem Geschäftssitz aufgesetzt und unterzeichnet werden; die Kunden tragen die Kosten für die Wartung und zahlen in dem vorgenannten Mitgliedstaat die Kraftfahrzeugsteuer; die Leasinggesellschaft verfügt aber in diesem Mitgliedstaat weder über ein Büro noch über Stellplatz für die Fahrzeuge.