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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61995C0347

Verbundene Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 23. Januar 1997. - Fazenda Pública gegen União das Cooperativas Abastecedoras de Leite de Lisboa, UCRL (UCAL). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Supremo Tribunal Administrativo - Portugal. - Rechtssache C-347/95. - Fazenda Pública gegen Fricarnes SA. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Supremo Tribunal Administrativo - Portugal. - Rechtssache C-28/96. - Nationale Vermarktungsabgaben von Milcherzeugnissen und Fleisch - Abgabe gleicher Wirkung - Inländische Abgabe - Umsatzsteuer.

Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-04911


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Die vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren lenken die Aufmerksamkeit des Gerichtshofes erneut auf die bereits bekannte Problematik, ob Abgaben, die unterschiedslos inländische und eingeführte Erzeugnisse belasten und deren Aufkommen für die Finanzierung der institutionellen Tätigkeiten einer öffentlichen Einrichtung bestimmt ist, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.

Damit die Tragweite der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen besser verstanden wird, empfiehlt es sich, zunächst die Art der streitigen Abgaben, die Rechtsvorschriften zu ihrer Einführung sowie die Befugnisse der verschiedenen Einrichtungen zu beschreiben, denen das Aufkommen aus diesen Abgaben zufließt(1).

2 In der Rechtssache C-347/95 geht es um eine Abgabe, die auf Milcherzeugnisse bei deren Vermarktung auf dem portugiesischen Markt erhoben wurde. Diese Abgabe war (zu einem nicht genau angegebenen Zeitpunkt) vor 1974 eingeführt worden und wurde in der Folge mehrfach geändert(2).

Die Rechtssache C-28/96 betrifft drei Abgaben, die ebenfalls bei der Vermarktung der betreffenden Erzeugnisse auf dem portugiesischen Markt erhoben wurden: eine Abgabe auf Fleisch, Innereien und Eier, eine Abgabe auf Rind-, Schaf- und Ziegenfleisch, die speziell für die Bekämpfung von Wiederkäuerkrankheiten bestimmt war, sowie eine speziell für die Bekämpfung der Schweinepest bestimmte Abgabe auf Schweinefleisch. Auch diese vor 1949 in Kraft getretenen Abgaben wurden mehrfach hintereinander geändert(3).

3 Das Aufkommen aus diesen Abgaben war ursprünglich für die Finanzierung einer 1939 geschaffenen Einrichtung für wirtschaftliche Koordination, der Junta Nacional dos Produtos Pecuários (JNPP), bestimmt gewesen. Im Anschluß an den Beitritt der Portugiesischen Republik zu den Europäischen Gemeinschaften waren alle Rechte und Befugnisse dieser Einrichtung durch Decreto-Lei Nr. 15/87 vom 9. Januar 1987 auf eine neu geschaffene öffentliche Einrichtung, das Instituto Regulador e Orientador dos Mercados Agrícolas (im folgenden: IROMA), übertragen worden, dem von da an auch das Aufkommen aus den betreffenden Abgaben zugewiesen wurde.

Gemäß Artikel 3 Absatz 4 des genannten Decreto-Lei wurden dem IROMA, einer Einrichtung mit Rechtspersönlichkeit sowie Finanz- und Verwaltungsautonomie, die Verwaltung und Koordination der Märkte für Agrar- und Viehzuchterzeugnisse übertragen. Im einzelnen erfuellte das IROMA folgende Aufgaben: Schaffung der institutionellen Garantien, die für diese Erzeugnisse durch die nationalen und gemeinschaftlichen Interventionsregelungen über Preise, Prämien, Beihilfen und Subventionen vorgesehen waren, Verwaltung der auf nationaler oder Gemeinschaftsebene vorgesehenen Finanzierungsmechanismen zur Unterstützung der Interventions-, Regulierungs-, Ausrichtungs- und Organisationsmaßnahmen für die betreffenden Märkte, Begleitung der Entwicklung und des Funktionierens der Agrar- und Viehzuchtmärkte in Portugal und in den anderen Mitgliedstaaten, Regelung und Regulierung des Aussenhandels mit Agrar- und Viehzuchterzeugnissen, nationale Beteiligung an der Verwaltung der Gemeinschaftsmärkte für diese Erzeugnisse, Zusammenarbeit mit der nationalen Verwaltung und den zuständigen Diensten der Kommission, insbesondere bei der Einholung und Verbreitung von Informationen über das Funktionieren dieser Märkte, Zusammenarbeit mit den Vertretungsorganen der am Funktionieren der betreffenden Märkte interessierten Wirtschaftsteilnehmer, Information und Schulung der Erzeuger, Fabrikanten, Händler und Verbraucher des Sektors, Gesetzesinitiative auf dem Gebiet der Regulierung, Ausrichtung und Organisation der betreffenden Märkte und schließlich Verwaltung der Schlachthöfe.

4 1988 wurde dem IROMA mit Erlaß des Decreto-Lei Nr. 282/88 vom 12. August eine neue Einrichtung, das Instituto Nacional de Intervenção e Garantia Agrícola (im folgenden: INGA), beigeordnet, dem bis auf die Verwaltung der Schlachthöfe alle bis dahin vom IROMA ausgeuebten Befugnisse übertragen wurden.

Das IROMA erhielt jedoch weiterhin 50 % des Aufkommens aus den Abgaben, um die es in den vorliegenden Verfahren geht, während die restlichen 50 % dem INGA zugewiesen wurden.

5 Mit Decreto-Lei Nr. 56/90 vom 13. Februar 1990 wurde sodann beim Landwirtschaftsministerium eine neue Fachdirektion, die Direcção-Geral dos Mercados Agrícolas e da Indústria Agro-Alimentar (im folgenden: DGMAIAA), gebildet. Durch dieses Decreto-Lei wurden alle zuvor dem IROMA und dem INGA zugewiesenen Befugnisse sowie zahlreiche weitere spezielle Befugnisse bei der Verwaltung und Regulierung der Märkte für Agrar- und Viehzuchterzeugnisse(4) auf die DGMAIAA übertragen.

Mit dem späteren Inkrafttreten eines weiteren Decreto-Lei in diesem Bereich (Nr. 284/91 vom 9. August 1991) wurde der DGMAIAA ein Teil des fraglichen Abgabenaufkommens in Höhe von 15 % zugewiesen. Das Gesamtaufkommen aus den streitigen Abgaben wurde somit von diesem Jahr an unter der DGMAIAA, dem INGA und dem IROMA aufgeteilt.

6 Der den vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt geht in der Rechtssache C-347/95 auf 1991 und in der Rechtssache C-28/96 auf 1992 zurück. Wegen Nichtzahlung der für diese Jahre geschuldeten Abgaben erließ die Fazenda Pública nämlich zwei Vollstreckungsanordnungen gegen die União das Cooperativas Abastecedoras de Leite de Lisboa (im folgenden: UCAL) und die Gesellschaft Fricarnes SA (im folgenden: Fricarnes), um die ausstehenden Beträge beizutreiben.

Die UCAL und die Fricarnes wandten sich vor dem Tribunal Tributário Lissabon gegen diese Anordnungen, indem sie sich auf die Verfassungswidrigkeit der streitigen Abgaben beriefen. Das erstinstanzliche Gericht gab ihren Klagen zwar statt, stellte dabei aber fest, daß die fraglichen Abgaben unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht, genauer gesagt mit den Artikeln 9 und 12 des Vertrages, seien.

7 Die Fazenda Pública (im folgenden: Rechtsmittelführerin) legte gegen diese beiden erstinstanzlichen Entscheidungen Rechtsmittel zum Supremo Tribunal Administrativo ein, das die beiden Verfahren ausgesetzt und jeweils durch Vorabentscheidungsvorlage den Gerichtshof mit dem Ersuchen angerufen hat, über die Auslegung der relevanten Gemeinschaftsvorschriften zu entscheiden.

Die drei Fragen des vorlegenden Gerichts in den Beschlüssen vom 11. August 1994 und 11. Oktober 1995 sind ähnlich formuliert und beziehen sich auf die Vereinbarkeit der streitigen Abgaben mit den Artikeln 95, 9 und 12 des Vertrages sowie mit Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie(5).

Zur ersten und zur zweiten Frage

8 Die erste und die zweite Frage, die die Vereinbarkeit der Abgaben mit den Artikeln 9 und 12 einerseits und Artikel 95 andererseits betreffen, sind eng miteinander verknüpft und daher zusammen zu untersuchen.

Dabei ist meines Erachtens zunächst zumindest kurz auf die Grundsätze einzugehen, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung in diesem Bereich entwickelt hat. Diese Rechtsprechung würde ich ohne Bedenken als besonders umfassend und gefestigt bezeichnen.

9 Erstens hat der Gerichtshof mehrfach festgestellt, daß die Bestimmungen des Vertrages über Abgaben gleicher Wirkung und Artikel 95, der diskriminierende inländische Abgaben betrifft, nicht kumulativ anwendbar sind; deshalb kann die Rechtmässigkeit von nationalen Steuerregelungen (parafiskalischen Regelungen), die unter die erstgenannten Vorschriften fallen, nicht zugleich in bezug auf die letztgenannte Vorschrift beurteilt werden(6).

Der Gerichtshof hat ferner dargelegt, daß für die rechtliche Qualifizierung und Beurteilung von Abgaben, die unterschiedslos inländische und eingeführte Erzeugnisse belasten, die Zuweisung der mit den Abgaben verbundenen Einnahmen berücksichtigt werden muß. Bestimmte Abgaben können sich, obwohl sie einheitlich auf inländische und eingeführte Erzeugnisse erhoben werden, gerade wegen ihrer Zuweisung ganz unterschiedlich auf die beiden Erzeugnisse auswirken, so daß sie je nach den Umständen des Falles als Abgaben gleicher Wirkung oder als diskriminierende inländische Abgaben anzusehen sind. Nach gefestigter Rechtsprechung bedeuten nämlich sogar formal nicht diskriminierende steuerliche Belastungen, wenn sie für die Finanzierung von Tätigkeiten bestimmt sind, die speziell den belasteten inländischen Erzeugnissen zugute kommen, für das inländische Erzeugnis eine Belastung, die im wesentlichen durch die erlangten Vorteile ausgeglichen wird, während sie für das eingeführte Erzeugnis in Ermangelung eines Ausgleichs durch die Gewährung anderer Vorteile oder Subventionen eine finanzielle Nettobelastung darstellen(7).

10 In derartigen Fällen ist daher, wie zuletzt im Urteil Scharbatke festgestellt(8), zu prüfen, inwieweit die auf das inländische Erzeugnis erhobene Abgabe durch die erlangten Vorteile ausgeglichen wird. Erfolgt ein vollständiger Ausgleich, so ist davon auszugehen, daß die Belastung in Wirklichkeit ausschließlich das eingeführte Erzeugnis trifft und daher eine Abgabe gleicher Wirkung darstellt; wird die Belastung teilweise ausgeglichen, so ist festzustellen, daß das inländische Erzeugnis jedenfalls geringer belastet wird als das eingeführte Erzeugnis und es sich daher um eine diskriminierende Abgabe im Sinne von Artikel 95 des Vertrages handelt.

Übrigens steht fest, daß diese Prüfung Sache des nationalen Gerichts ist, das allein über alle Informationen einschließlich derjenigen zum Sachverhalt verfügt, die für die erforderlichen Beurteilungen benötigt werden(9).

11 Aus derselben Rechtsprechung des Gerichtshofes geht ausserdem hervor, daß die Anwendung des Grundsatzes der Ausgleichung voraussetzt, daß das belastete Erzeugnis und das begünstigte inländische Erzeugnis gleich sind(10). Damit festgestellt werden kann, ob die steuerliche Belastung ausgeglichen worden ist, ist nämlich offenkundig erforderlich, daß die Einnahmen aus den Abgaben zumindest teilweise dem belasteten inländischen Erzeugnis und nicht ausschließlich anderen Erzeugnissen zugute kommen. Daher stellt sich natürlich die Frage des Ausgleichs gar nicht, wenn eine z. B. auf die Vermarktung von Fleisch erhobene Abgabe anschließend zur Finanzierung von Anreizen verwendet wird, die ausschließlich anderen Sektoren wie z. B. der Produktion von Milch und Milcherzeugnissen zugute kommen.

12 Das Urteil Celbi gibt ferner nützliche Hinweise auf die Kriterien, anhand deren das nationale Gericht zu prüfen hat, ob dem inländischen Erzeugnis ein vollständiger oder ein teilweiser Ausgleich zugute kommt. Nach Darlegung des Gerichtshofes muß in einem Referenzzeitraum die finanzielle Gleichwertigkeit zwischen den insgesamt auf inländische Erzeugnisse erhobenen Beträgen und den Vorteilen festgestellt werden, die diesen Erzeugnissen ausschließlich zugute gekommen sind. Jeder andere Parameter, wie die Art, der Umfang oder die Unerläßlichkeit dieser Vorteile, würde keine hinreichend objektive Grundlage für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer nationalen Steuermaßnahme mit den Bestimmungen des Vertrages abgeben(11).

13 Die Konsequenzen schließlich, die das nationale Gericht daraus zu ziehen hat, daß es die Abgabe rechtlich im Sinne der einen oder der anderen Kategorie von Vorschriften qualifiziert, ergeben sich bereits aus dem Urteil IGAV: Falls die Vorteile für die inländische Erzeugung deren Belastung vollständig ausgleichen (oder sie sogar übertreffen), ist die auf das Erzeugnis erhobene Abgabe als Abgabe zollgleicher Wirkung für in vollem Umfang rechtswidrig zu erachten; gleichen die Vorteile die Belastung der inländischen Erzeugung dagegen teilweise aus, so ist die Abgabe auf das eingeführte Erzeugnis von Rechts wegen lediglich entsprechend herabzusetzen(12).

14 Im vorliegenden Fall ist es somit Aufgabe des nationalen Gerichts, unter Anwendung der genannten Grundsätze zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die mit der Abgabe belasteten eingeführten Erzeugnisse ebenfalls einen Vorteil aus den zahlreichen institutionell ausgeuebten Tätigkeiten der (wechselnden) Einrichtungen ziehen, denen die streitigen Abgaben zufließen.

Dies vorausgeschickt, glaube ich jedoch nicht, daß eine Antwort des Gerichtshofes, die sich auf die Wiederholung der aus seiner gefestigten Rechtsprechung hervorgehenden Grundsätze beschränkte, es dem Gericht ermöglichen würde, die bei ihm anhängigen Streitsachen zu entscheiden. Wäre das der Fall, so hätte das Gericht nämlich nicht die Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof mit dem Ersuchen um Klärung des genannten Punktes angerufen(13). In Wirklichkeit zeugt der Umstand, daß das Gericht die Fragen aufgeworfen hat, mit denen wir uns heute befassen, meiner Auffassung nach von den nicht zu leugnenden Schwierigkeiten, die die Anwendung dieser an sich in ihren wesentlichen Zuegen klaren Rechtsprechung auf die vorliegenden Fälle bereitet.

15 Ich werde daher versuchen, einige ergänzende Ausführungen zu den streitigen Abgaben zu machen, um dem vorlegenden Gericht möglichst viele nützliche Hinweise für deren rechtliche Qualifizierung zu geben, aber selbstverständlich im Rahmen der in der Akte enthaltenen Informationen (einschließlich der von den Beteiligten gegebenen Auskünfte) und unter Beachtung der Zuständigkeit des Gerichts, dem ja die endgültige Entscheidung über diesen Punkt zusteht.

Die streitigen Abgaben sind, wie erwähnt, Beiträge, die sowohl hinsichtlich der geltenden Sätze als auch hinsichtlich der Erhebungsmodalitäten unterschiedslos inländische wie eingeführte Erzeugnisse belasten(14). Ihr Aufkommen wurde zur maßgeblichen Zeit nach einem differenzierten Verteilerschlüssel unter drei öffentlichen Einrichtungen aufgeteilt, von denen eine (die DGMAIAA) rechtlich dafür zuständig war, die Märkte für Agrar- und Viehzuchterzeugnisse in der oben beschriebenen Art und Weise zu organisieren und zu koordinieren(15).

16 Aus der Untersuchung der diesen Einrichtungen übertragenen Aufgaben schließen sowohl die Rechtsmittelführerin als auch die portugiesische Regierung und die Kommission - unter Anerkennung der Befugnis des nationalen Gerichts, die endgültige Entscheidung über diesen Punkt zu treffen -, daß die fraglichen Abgaben offenbar weder Abgaben zollgleicher Wirkung noch diskriminierende Abgaben im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofes seien, und zwar im wesentlichen, weil die Einrichtungen, denen das Aufkommen aus den Abgaben zufließe, ihre Tätigkeit bei der Verwaltung und Koordination der betreffenden Märkte zugunsten aller Wirtschaftsteilnehmer des Sektors, der inländischen wie der ausländischen, ausübten (oder ausgeuebt hätten).

Diese Argumente sind jedoch für sich allein nicht ausschlaggebend. Sie schließen nämlich nicht aus, daß die inländische Erzeugung letztlich ungeachtet der formalen Unerheblichkeit des Unterschieds zwischen inländischen und eingeführten Erzeugnissen aus den Leistungen dieser Einrichtungen de facto einen alleinigen oder überwiegenden Vorteil zieht, so daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Belastung der inländischen Erzeugnisse vollständig (oder teilweise) durch diesen Vorteil ausgeglichen worden ist.

17 Das beweisen z. B. die speziell für die Bekämpfung von Wiederkäuerkrankheiten und der Schweinepest bestimmten Abgaben. Es liegt auf der Hand, daß wahrscheinlich grösstenteils, wenn nicht ausschließlich, die Zuchttiere im nationalen Hoheitsgebiet von dem Aufkommen aus diesen Abgaben profitieren konnten(16), die für die Finanzierung von Maßnahmen zur Verhütung und Behandlung von Viehkrankheiten bestimmt waren.

Das beweist ferner die Rolle, die das IROMA (heute die DGMAIAA) im Rahmen der Organisation und Regulierung des Aussenhandels mit Agrar- und Viehzuchterzeugnissen gespielt hat(17). Wenn sich der Ausdruck "Aussenhandel" nicht nur auf den Handel mit den betreffenden Erzeugnissen mit Drittländern bezieht, sondern auch auf den innergemeinschaftlichen Handel, ergibt sich daraus eindeutig, daß diese spezifische Tätigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach nur den inländischen Erzeugern (und somit Erzeugnissen) zugute kommen sollte.

18 Einen entgegengesetzten Standpunkt vertritt die portugiesische Regierung, die einen zusätzlichen Beweis für die Vereinbarkeit der fraglichen Abgaben mit den Gemeinschaftsvorschriften darin erblickt, daß zu der Zeit, zu der sich der Sachverhalt der beiden vorliegenden Rechtssachen ereignet hat, die organisatorischen Befugnisse im betreffenden Sektor allein der DGMAIAA zustanden, während das INGA und das IROMA, obgleich ihnen weiterhin ein Grossteil des Aufkommens (ungefähr 85 %) zufloß, keine bedeutende Rolle mehr in diesem Sektor spielten. Deswegen sei von vornherein jede Möglichkeit eines Ausgleichs der Belastung der inländischen Erzeugnisse durch die Vorteile aus den Tätigkeiten der letztgenannten Einrichtungen ausgeschlossen.

Ich gebe zu, daß auch dieses Argument mir nicht überzeugend erscheint. Es wirft im Gegenteil meines Erachtens das entgegengesetzte Problem auf: Es muß nämlich noch geprüft werden - und der Gerichtshof verfügt über keine genauen Informationen zu diesem Punkt -, welcher Art von Tätigkeiten sich das IROMA und das INGA widmeten, denen, nachdem sie der auf die DGMAIAA übertragenen Befugnisse bei der Organisation des Marktes "beraubt" worden waren, in jedem Fall weiterhin ein beträchtlicher Prozentsatz der Einnahmen aus den streitigen Abgaben zufloß, und wie sich diese Tätigkeiten auf den etwaigen Ausgleich der Belastung der inländischen und eingeführten Erzeugnisse auswirkten.

19 Die Kommission trägt ferner vor, daß es für die Berücksichtigung des etwaigen Ausgleichs der Belastungen im vorliegenden Fall noch an einer der Voraussetzungen fehle, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung festgelegt habe, und zwar an der Gleichheit zwischen dem belasteten Erzeugnis und dem möglicherweise begünstigten inländischen Erzeugnis. Die Einrichtungen, denen die Abgaben zuflössen, hätten nämlich allgemeine Befugnisse zur Organisation des gesamten Marktes für Agrar- und Viehzuchterzeugnisse, während die fraglichen Abgaben ausschließlich bestimmte Erzeugnisse träfen.

Diese Argumentation beruht jedoch erkennbar auf einer ungenauen Lektüre der Rechtsprechung des Gerichtshofes. Wie oben unter Nummer 11 ausgeführt, ist die Rechtsprechung richtigerweise so zu verstehen, daß die Frage nach dem Ausgleich nicht berechtigt ist, wenn eine auf ein bestimmtes Erzeugnis erhobene Abgabe anschließend zur Finanzierung von Anreizen verwendet wird, die allein anderen Erzeugnissen zugute kommen. Etwas anderes gilt, wenn die Abgabe zur Finanzierung der Tätigkeiten bei der Organisation des gesamten Marktes verwendet wird, unter die per definitionem auch das betreffende Erzeugnis fällt.

20 Abschließend sei gesagt, daß der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht in Anbetracht der Schwierigkeiten, denen dieses offensichtlich bei der Anwendung der in der Rechtsprechung des Gerichtshofes entwickelten Grundsätze gegenübersteht, möglichst viele nützliche Hinweise für die Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten geben sollte, um das Risiko zu vermindern, auf das ich übrigens auch in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache 17/91 aufmerksam gemacht habe, daß nämlich verschiedene Richter, die möglicherweise über dieselbe Abgabe zu entscheiden haben, unterschiedlichen Ausrichtungen folgen(18).

Zur dritten Frage

21 Mir reicht eine sehr kurze Bemerkung, um die dritte Frage des Gerichts zu beantworten, die die Vereinbarkeit der Abgaben mit Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft. Diese Vorschrift untersagt bekanntlich den Mitgliedstaaten, in ihren Rechtsordnungen Steuern, Abgaben und Gebühren beizubehalten oder einzuführen, die den Charakter einer Umsatzsteuer haben.

Die Prüfung der fraglichen Abgaben ergibt meiner Ansicht nach aber eindeutig, daß sich deren Merkmale von den Merkmalen einer Mehrwertsteuer unterscheiden, die der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung genau definiert hat(19). Diese Abgaben werden nämlich, anders als die Mehrwertsteuer, nicht allgemein erhoben, sondern betreffen nur bestimmte Erzeugnisse, sie sind dem Preis dieser Erzeugnisse (zumindest allem Anschein nach) nicht proportional, sie werden nicht auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben, und sie erfassen schließlich nicht den Mehrwert der Erzeugnisse, so daß der Teil, der auf die auf den vorangegangenen Umsatz gezahlte Abgabe entfällt, nicht abgezogen werden kann.

Daher werfen die vorliegenden Fälle meines Erachtens kein Problem hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Abgaben mit der oben genannten Bestimmung der Sechsten Richtlinie auf.

22 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich daher dem Gerichtshof vor, die vom Supremo Tribunal Administrativo vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1. Eine Abgabe, die unterschiedslos auf inländische und eingeführte Erzeugnisse erhoben wird und deren Aufkommen für die Finanzierung von Tätigkeiten bestimmt ist, die nur den inländischen Erzeugnissen zugute kommen, und zwar derart, daß die sich daraus ergebenden Vorteile die Belastung dieser Erzeugnisse vollständig ausgleichen, stellt eine nach den Artikeln 9 und 12 des Vertrages verbotene Abgabe zollgleicher Wirkung dar. Gleichen die Vorteile nur einen Teil der Belastung der inländischen Erzeugnisse aus, so stellt die Abgabe dagegen eine nach Artikel 95 des Vertrages verbotene diskriminierende inländische Abgabe dar.

Das nationale Gericht hat zu prüfen, ob eine finanzielle Gleichwertigkeit zwischen den Beträgen, die aufgrund der Abgabe insgesamt auf inländische Erzeugnisse erhoben werden, und den Vorteilen besteht, die ausschließlich diesen Erzeugnissen zugute kommen. Im Rahmen dieser Prüfung hat das nationale Gericht den Umstand zu berücksichtigen, daß das Aufkommen aus der Abgabe speziell dafür bestimmt ist, Krankheiten des Zuchtviehs im nationalen Hoheitsgebiet zu bekämpfen und/oder den Handel mit den von der Abgabe erfassten Erzeugnissen mit den anderen Mitgliedstaaten zu regulieren.

2. Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Abgaben einzuführen oder beizubehalten, die nicht die Merkmale einer Mehrwertsteuer haben; eine nur auf bestimmte Erzeugnisse erhobene Abgabe, die dem Preis dieser Erzeugnisse nicht proportional ist, nicht auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben wird und nicht den Mehrwert der Erzeugnisse erfasst, weist nicht die Merkmale einer Mehrwertsteuer auf.

(1) - Die beiden Vorlagebeschlüsse sind eigentlich insoweit beide gleich knapp, als sie sich im Grunde genommen auf die Formulierung der dem Gerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsfragen beschränken. Ich halte jedoch die jedenfalls zu den Akten genommenen Angaben zu Sachverhalt und Rechtslage für ausreichend, insbesondere aufgrund der Erläuterungen, mit denen die Rechtsmittelführerin, die portugiesische Regierung und die Kommission die spezifischen schriftlichen Fragen des Gerichtshofes beantwortet haben. Auch mit Rücksicht auf die wesentliche Bedeutung, die meines Erachtens der Zusammenarbeit zwischen dem Gemeinschaftsgericht und den nationalen Gerichten beigemessen werden muß, werde ich mich daher nicht auf eine Vertiefung der Frage einlassen, ob die Vorlagebeschlüsse im Hinblick auf die Möglichkeiten des Gerichtshofes, sich Kenntnis von den erheblichen Punkten zu verschaffen, formal angemessen sind.

(2) - Artikel 1 des Decreto-Lei Nr. 309/86 vom 23. September 1986 legt den Satz fest, der zur maßgeblichen Zeit galt.

(3) - Die Sätze, die für die genannten Abgaben zur maßgeblichen Zeit galten, waren durch Decreto-Lei Nr. 343/86 vom 9. Oktober 1986, Decreto-Lei Nr. 240/82 vom 22. Juni 1982 sowie Decreto-Lei Nr. 44158 vom 17. Januar 1962 festgelegt worden. Die drei Abgaben wurden in der Folge durch Decreto-Lei Nr. 365/93 vom 22. Oktober 1993 abgeschafft. Wie sich aus den Erklärungen der Kommission ergibt, waren alle Abgaben Gegenstand von Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstosses gegen die Verpflichtungen aus Artikel 95 des Vertrages gewesen. Diese Verfahren wurden später aus verschiedenen Gründen eingestellt, und zwar bezueglich der ersten Abgabe, weil das Fehlen diskriminierender Wirkungen festgestellt worden war, und bezueglich der beiden anderen Abgaben infolge ihrer Abschaffung.

(4) - Vgl. insbesondere die Artikel 2 und 6 Absatz 1 des Decreto-Lei Nr. 56/90.

(5) - Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1).

(6) - Vgl. unter den neueren Entscheidungen Urteil des Gerichtshofes vom 2. August 1993 in der Rechtssache C-266/91 (Celbi, Slg. 1993, I-4337, Randnr. 9). Dieser Grundsatz findet sich aber bereits in den Urteilen des Gerichtshofes vom 8. Juli 1965 in der Rechtssache 10/65 (Deutschmann, Slg. 1965, 636) und vom 16. Juni 1966 in der Rechtssache 57/65 (Lütticke, Slg. 1966, 258).

(7) - Hierzu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung; vgl. z. B. die schon älteren Urteile des Gerichtshofes vom 19. Juni 1973 in der Rechtssache 77/72 (Capolongo, Slg. 1973, 611), vom 18. Juni 1975 in der Rechtssache 94/74 (IGAV, Slg. 1975, 699 und vom 25. Mai 1977 in der Rechtssache 77/76 (Cucchi, Slg. 1977, 987) oder in jüngerer Zeit Urteil des Gerichtshofes vom 11. März 1992 in den Rechtssachen C-78/90 bis C-83/90 (Compagnie commerciale de l'Oüst u. a., Slg. 1992, I-1847).

(8) - Urteil des Gerichtshofes vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-72/92 (Slg. 1993, I-5509, Randnr. 10).

(9) - Vgl. z. B. Urteil Compagnie commerciale de l'Oüst u. a. (zitiert in Fußnote 7, Randnr. 28) sowie Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-17/91 (Lornoy u. a., Slg. 1992, I-6523, Randnr. 22).

(10) - Vgl. Urteil Cucchi (zitiert in Fußnote 7) sowie Urteil des Gerichtshofes vom 25. Mai 1977 in der Rechtssache 105/76 (Interzuccheri, Slg. 1977, 1029).

(11) - Urteil Celbi (zitiert in Fußnote 6, Randnr. 18).

(12) - Urteil IGAV (Randnr. 13) sowie in jüngerer Zeit Urteil Compagnie commerciale de l'Oüst u. a. (Randnr. 27; beide Urteile zitiert in Fußnote 7).

(13) - Übrigens hatte das Gericht, das die Fragen vorgelegt hat, mit denen wir uns heute befassen, den Gerichtshof auch in der Rechtssache C-266/91 (Celbi) angerufen und um eine Auslegung derselben Vorschriften ersucht. Das Gericht ist sich also der Grundsätze, die die betreffende Rechtsprechung des Gerichtshofes enthält, offensichtlich vollständig bewusst.

(14) - Insoweit ist übrigens zu beachten, daß immer noch nicht geklärt ist, wodurch die streitigen Abgaben zur maßgeblichen Zeit ausgelöst wurden. Während nämlich aus der Akte hervorgeht, daß es sich um Abgaben handelte, die bei der Vermarktung der betreffenden Erzeugnisse erhoben wurden, lassen einige Erklärungen der portugiesischen Regierung in der mündlichen Verhandlung vermuten, daß hinsichtlich der eingeführten Erzeugnisse die Abgaben bei der Einfuhr erhoben wurden. Auch insoweit hat das nationale Gericht also die erforderlichen Feststellungen zu treffen und daraus die gebotenen Konsequenzen zu ziehen.

(15) - Vgl. oben, Nrn. 3 bis 5.

(16) - Diesen Umstand hat die portugiesische Regierung übrigens in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen eingeräumt.

(17) - Vgl. oben, Nr. 3.

(18) - Schlussanträge vom 25. Juni 1992 in der Rechtssache Lornoy u. a. (zitiert in Fußnote 9, Buchstabe a).

(19) - Vgl. z. B. Urteil vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-200/90 (Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 11).