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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61997C0439

Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 20. Mai 1999. - Sandoz GmbH gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgerichtshof - Österreich. - Darlehensverträge - Rechtsgeschäftsgebühr - Besteuerungsmodalitäten - Diskriminierung. - Rechtssache C-439/97.

Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-07041


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Der österreichische Verwaltungsgerichtshof fragt Sie nach dem Sinn und der Bedeutung der Artikel 73b ff. EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG) und bestimmter Vorschriften der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (im folgenden: Richtlinie 88/361 oder Richtlinie)(1). Er begehrt damit die Prüfung der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit diesen Bestimmungen, die es im Kern der nationalen Steuerverwaltung ermöglicht, eine Gebühr in Höhe von 0,8 % des Wertes eines Darlehens zu erheben, das ein gebietsansässiger Darlehensnehmer bei einem gebietsfremden Darlehensgeber aufgenommen hat.

Rechtlicher Rahmen

Das anwendbare Gemeinschaftsrecht

2 Die am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Artikel 73b ff. führten die Liberalisierung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern ein.

3 Artikel 73b Absatz 1 lautet:

"(1) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels [Kapitel 4 des EG-Vertrages mit dem Titel $Der Kapital- und Zahlungsverkehr`] sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten."

4 In Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag (jetzt Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG) heisst es jedoch:

"(1) Artikel 73b berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten,

...

b) die unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern, sowie Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen oder Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind."

5 Gemäß Artikel 73d Absatz 3 dürfen diese Maßnahmen und Verfahren jedoch "weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 56 darstellen."

6 Sie haben im Urteil vom 14. Dezember 1995, Sanz de Lera u. a., für Recht erkannt: "Die Bestimmungen des Artikels 73b Absatz 1 in Verbindung mit ... [Artikel] 73d Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages können vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden und zur Unanwendbarkeit der ihnen zuwiderlaufenden nationalen Vorschriften führen."(2)

7 Die Richtlinie - von der sich der Vertrag in weitem Umfang leiten ließ - dient ebenfalls der Verwirklichung der vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und verpflichtet diese in Artikel 1, die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten zu beseitigen.

8 Nach Artikel 4 können die Mitgliedstaaten ferner "die unerläßlichen Maßnahmen ... treffen, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern und Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen" (Absatz 1); weiter heisst es: "Die Anwendung dieser Maßnahmen und Verfahren darf keine Behinderung des im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht abgewickelten Kapitalverkehrs zur Folge haben" (Absatz 2).

9 Darlehen und Kredite von Gebietsansässigen an Gebietsfremde gehören gemäß Anhang I Abschnitt VIII der Richtlinie zum Kapitalverkehr.

Das anwendbare österreichische Recht

10 Nach dem österreichischen Gebührengesetz (GebG)(3) sind Rechtsgeschäfte "gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wurde, es sei denn, daß in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist" (§ 15 Absatz 1 GebG).

11 § 16 GebG unterscheidet danach, ob die Urkunde im Ausland oder im Inland errichtet wurde.

12 Wird die Urkunde in Österreich errichtet, entsteht die Gebührenschuld gemäß § 16 Absatz 1 GebG entweder im Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung durch die Vertragsteile oder im Zeitpunkt ihrer Aushändigung bzw. Übersendung, wenn sie von einem Vertragsteil unterzeichnet wird.

13 Wird die Urkunde hingegen im Ausland errichtet, ist die Gebührenpflicht von bestimmten Voraussetzungen abhängig, die auf einen besonderen Inlandsbezug zu Österreich schließen lassen. Sind beide Vertragsparteien gebietsansässig und besteht hinsichtlich des Vertragsgegenstands ein Inlandsbezug zu Österreich(4), so entsteht die Gebührenpflicht mit Abschluß des schriftlichen Vertrages im Ausland (Artikel 16 Absatz 2 Nr. 1 GebG). Ist eine der Parteien oder sind beide(5) gebietsfremd, so entsteht die Gebührenpflicht, wenn die Urkunde ins Inland gebracht wird (§ 16 Absatz 2 Nr. 2 GebG). Zusammengefasst entsteht die Gebührenpflicht, wenn die Urkunde im Ausland errichtet wird, nur dann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfuellt sind.

14 Nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 6 GebG sind bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften die Unterzeichner der Urkunde zur ungeteilten Hand zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet.

15 Nach § 30 GebG haften alle an einem Rechtsgeschäft beteiligten Personen für die Entrichtung der Gebühr.

16 Der Tarif der Gebühren ist in § 33 GebG geregelt und richtet sich nach der Art des betreffenden Rechtsgeschäfts.

17 Nach § 33 Tarifpost (TP) 8 Absatz 1 GebG unterliegen Darlehensverträge einer Gebühr in Höhe von 0,8 v. H. des Wertes der dargeliehenen Sache.

18 § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG bestimmt ferner: "Wurde über ein Darlehen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft oder über das Darlehen eines Darlehensgebers, der im Inland weder einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt noch seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat, keine Urkunde in einer für das Entstehen der Gebührenschuld maßgeblichen Weise errichtet, so gelten die nach den abgabenrechtlichen Vorschriften im Inland zu führenden Bücher und Aufzeichnungen des Darlehensschuldners, in die das Darlehen aufgenommen wurde, als Urkunde."

Sachverhalt und Verfahren

19 Am 20. Januar 1995 nahm die Sandoz GesmbH mit Sitz in Wien (im folgenden: Beschwerdeführerin) bei der Sandoz Management Services SA mit Sitz in Brüssel ein Darlehen in Höhe von 220 Millionen ATS auf. Eine Urkunde wurde nicht errichtet, doch verbuchte die Beschwerdeführerin dieses Darlehen in ihren Geschäftsbüchern.

20 Am 18. Dezember 1995 erging gegen die Beschwerdeführerin ein Rechtsgebührenbescheid auf der Basis einer sogenannten Ersatzbeurkundung über 0,8 % des Darlehensbetrags gemäß § 33 Tarifpost (TP) 8 Absatz 4 Satz 1 GebG.

21 Die Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid wurde abgewiesen. Sie reichte Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde ein und machte u. a. geltend, sie sei in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf "Festsetzung von Gebühren und Abgaben nur in Übereinstimmung mit dem EU-Recht, insbesondere in ihrem Recht auf Unterlassung der Festsetzung von Gebühren und Abgaben, die der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG und/oder Art. 73 b Abs. 1 EGV widersprechen", verletzt.

22 Die Beschwerdeführerin erachtet die von der belangten nationalen Steuerbehörde angewendete Bestimmung des § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG als geeignet, einen gebietsansässigen Darlehensnehmer davon abzuschrecken, sich an einen gebietsfremden, also im allgemeinen ausländischen Darlehensgeber zu wenden, um ein Darlehen aufzunehmen, über das nach dem Willen der Parteien keine Urkunde aufgenommen wird. Denn, wenn ein Darlehen aufgenommen werde, ohne daß eine Urkunde errichtet werde, bestehe für den Darlehensnehmer, der sich an einen im Inland ansässigen Darlehensgeber wende, keine Pflicht zur Entrichtung der Gebühr des § 33 TP 8 Absatz 1 GebG. Daher stelle § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 ein Hemmnis für den freien Kapitalverkehr zwischen gebietsfremden Darlehensgebern und gebietsansässigen Darlehensnehmern dar.

23 Der Bundesminister für Finanzen (als Vertreter der belangten Steuerverwaltung) macht geltend, § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG werde vom Geltungsbereich der Ausnahmebestimmungen in Artikel 73d Absatz 1 erfasst. Die in Rede stehende nationale Bestimmung führe nicht zu einer Diskriminierung von Darlehen ausländischer Darlehensgeber, sondern helfe nur möglicherweise von in Österreich ansässigen Personen begangenen Betrügereien ab. Diese Maßnahme ermögliche es daher der nationalen Verwaltung, Schwierigkeiten zu beseitigen, denen sie sich bei dem Nachweis gegenübersehe, daß der Darlehensvertrag in schriftlicher Form geschlossen worden sei, wenn das Geschäft im Ausland getätigt worden sei. Der Ersatzbeurkundungstatbestand sei nur im Interesse der Gleichmässigkeit der Besteuerung in Österreich ansässiger Personen in das GebG aufgenommen worden.

24 Das vorlegende Gericht führt aus(6), daß der Erlaß der in Rede stehenden nationalen Bestimmung vom österreichischen Gesetzgeber wie folgt begründet worden sei:

"Im Interesse der Gleichmässigkeit der Besteuerung sind bei der Darlehens- und Kreditvertragsgebühr ausserdem weitere Änderungen vorgesehen:

...

- die Aufnahme in die im Inland zu führenden Bücher und Aufzeichnungen des Darlehens (Kredit)schuldners soll nicht nur für Gesellschafterdarlehen und Gesellschafterkredite als Ersatzurkunde gelten, sondern auch für Darlehen und Kredite, wenn der Darlehens- oder Kreditgeber im Inland weder einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt noch seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat (Z 77)."

25 Es folgert daraus, daß dann, wenn ein gebietsansässiger Darlehensnehmer bei einem gebietsansässigen Darlehensgeber ein Darlehen aufnehme, wobei keine förmliche Urkunde im Sinne von § 15 Absatz 1 GebG errichtet, wohl aber das Darlehen in die Bücher aufgenommen werde, keine Gebührenpflicht entstehe. Der gleiche Vorgang führe hingegen in Anwendung des § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG zur Gebührenpflicht, wenn der Darlehensgeber im Inland keinen Wohnsitz oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. keine Geschäftsleitung bzw. keinen Sitz habe(7).

26 Die Form des Abschlusses eines Darlehensvertrags dergestalt, daß keine förmliche Urkunde im Sinne des § 15 Absatz 1 GebG errichtet werde, könne nicht als Mißbrauch im Sinne des österreichischen Abgabenrechts (Bundesabgabenordnung) angesehen werden; die in Rede stehende Regelung des § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG scheine demnach nicht durch Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b gerechtfertigt zu sein(8).

27 Es führt ferner aus(9), daß in der österreichischen Literatur auch bereits die Auffassung vertreten worden sei, daß die in Rede stehende nationale Bestimmung eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs und eine Diskriminierung der Darlehensgewährung durch Ausländer an Inländer darstelle, die nicht mit dem vom Gerichtshof in seinen Urteilen vom 28. Januar 1992, Bachmann(10), und Kommission/Belgien(11) entwickelten Grundsatz der Steuerkohärenz gerechtfertigt werden könne.

28 Der Verwaltungsgerichtshof hat daher Zweifel daran, ob die Rechtsausführungen des österreichischen Gesetzgebers begründet sind, und ist der Ansicht, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung bestimmter Vorschriften des EG-Vertrags und der Richtlinie abhängt; er hat deshalb dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen Artikel 73b in Verbindung mit Artikel 73d (insbesondere dessen Absatz 3) EG-Vertrag und Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 88/361/EWG der Beibehaltung jener Bestimmung des § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 Gebührengesetz 1957 (in der Fassung BGBl 1993/818) entgegen, wonach in Fällen, in denen über das Darlehen eines Darlehensgebers, der im Inland weder einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt noch seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat, keine Urkunde in einer für das Entstehen der Gebührenpflicht maßgeblichen Weise errichtet wurde, die nach den abgabenrechtlichen Vorschriften im Inland zu führenden Bücher und Aufzeichnungen des Darlehensschuldners, in die das Darlehen aufgenommen wurde, als Urkunde gelten?

2. Stellt die Besteuerung von Darlehen (soweit dabei ein Kapitalfluß von einem Mitgliedstaat in den anderen erfolgt) durch § 33 TP 8 Absatz 1 GebG eine willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 73b des Vertrages dar?

Die Beantwortung der Fragen

29 Mit seiner ersten Frage begehrt das vorlegende Gericht Auskunft darüber, ob die Artikel 73b ff. EG und die Bestimmungen der Richtlinie der Beibehaltung einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die die Erhebung von Gebühren für grenzueberschreitende Darlehen vorschreibt, bei denen eine "Ersatz"-Beurkundung vorgenommen wurde, während bei gleichartigen Darlehensverträgen, die zwischen in Österreich ansässigen Personen geschlossen werden, keine Gebühren erhoben werden. Die zweite Frage geht allgemein nach der Vereinbarkeit der Besteuerung von grenzueberschreitenden Darlehen in gleicher Weise wie bei zwischen in Österreich ansässigen Personen abgeschlossenen Darlehensverträgen mit denselben Bestimmungen des EG-Vertrags. Diese Frage, die eine Vorfrage zur ersten Frage darstellt, ist zuerst zu untersuchen.

Die zweite Frage

30 Das vorlegende Gericht ersucht Sie um Entscheidung, ob die Artikel 73b Absatz 1 und 73d Absätze 1 Buchstabe b und 3 so auszulegen sind, daß sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die grenzueberschreitende Darlehen, über die eine Urkunde errichtet wurde, und in dieser Form in Österreich geschlossene Darlehensverträge der Pflicht zur Entrichtung der gleichen Gebühr unterwirft.

31 Es sei darauf hingewiesen, daß es die in Rede stehende nationale Bestimmung Gebietsansässigen in Österreich nicht untersagt, ein Darlehen ausserhalb des Staatsgebiets aufzunehmen, und diese auch keinen einschneidenderen Bedingungen unterwirft, als wenn sie die Darlehen in Österreich aufnehmen würden. Sie entzieht ihnen jedoch die Möglichkeit, in den Genuß einer Gebührenfreiheit zu kommen, die für ausserhalb des Staatsgebiets geschlossene Darlehensverträge gelten könnte.

32 Zur Beantwortung dieser Frage ist zu prüfen, ob eine nationale Regelung der in Rede stehenden Art vom sachlichen Geltungsbereich des Artikels 73b Absatz 1 erfasst wird, wonach, dies sei ins Gedächtnis gerufen, "alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten" sind. Falls diese erste Frage zu bejahen sein wird, wird geprüft werden, ob diese Maßnahmen vom Geltungsbereich der Ausnahmen vom Grundsatz des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 73d Absatz 1 erfasst werden. Falls diese Frage bejaht wird, wird zu prüfen sein, ob eine solche Maßnahme, selbst wenn sie gerechtfertigt wäre, ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung im Sinne von Artikel 73d Absatz 3 darstellt.

33 Der Vertrag definiert den Begriff des Kapitalverkehrs nicht. Sie hatten ihn jedoch insbesondere in Ihrem Urteil vom 31. Januar 1984, Luisi und Carbone(12) zu erläutern. Sie wurden insbesondere gefragt, ob ein Transfer von Devisen in bar zum Zweck der Bezahlung bestimmter Transaktionen(13) als Kapitalverkehr im Sinne des EWG-Vertrags anzusehen sei. Sie haben dies verneint und dabei klargestellt: "Aus dem allgemeinen System des Vertrages ergibt sich ..., daß die laufenden Zahlungen Devisentransferierungen sind, die eine Gegenleistung im Rahmen einer dieser Leistung zugrunde liegenden Transaktion darstellen, während es sich beim Kapitalverkehr um Finanzgeschäfte handelt, bei denen es in erster Linie um die Anlage oder die Investition des betreffenden Betrages und nicht um die Vergütung einer Dienstleistung geht."(14)

34 Ferner haben Sie insbesondere im Urteil vom 16. März 1999, Trummer und Mayer(15), entschieden: "Da jedoch Artikel 73b EG-Vertrag im wesentlichen den Inhalt des Artikels 1 der Richtlinie 88/361 übernommen hat und ungeachtet dessen, daß diese Richtlinie auf die Artikel 69 und 70 Absatz 1 EWG-Vertrag gestützt ist, die inzwischen durch die Artikel 73b ff. EG-Vertrag ersetzt worden sind, behält die Nomenklatur für den Kapitalverkehr im Anhang zu dieser Richtlinie den Hinweischarakter für die Definition des Begriffes des Kapitalverkehrs, den sie vor dem Inkrafttreten der letztgenannten Artikel hatte, wobei die in ihr enthaltene Aufzählung gemäß ihrer Einleitung nicht erschöpfend ist."(16)

35 Ein Darlehen ist ein Finanzgeschäft, das es ermöglicht, Mittel zu erhalten, die im allgemeinen angelegt oder investiert werden sollen(17). Im übrigen geht aus Anhang I Abschnitt VIII Buchstabe b der Richtlinie 88/361 hervor, daß Darlehen und Kredite von Gebietsansässigen an Gebietsfremde Kapitalverkehr darstellen.

36 Darlehen zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden sowie der Kapitalverkehr im Zusammenhang mit diesen Vorgängen sind also liberalisiert.

37 Lassen Sie mich nun prüfen, ob es eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs gemäß Artikel 73b Absatz 1 darstellt, im Ausland abgeschlossene Darlehensverträge mit einer Gebühr zu belegen, wenn sie in das österreichische Inland gebracht werden oder einer der Vertragspartner Österreicher ist.

38 Der Gerichtshof hatte bereits Elemente der Definition des Begriffes "Beschränkung" des Kapitalverkehrs zu erstellen.

39 Im Urteil vom 23. Februar 1995, Bordessa u. a.(18), haben Sie für Recht erkannt, daß der Umstand, daß ein Mitgliedstaat die Ausfuhr von Devisen in andere Mitgliedstaaten von einer vorherigen Genehmigung durch die Verwaltung abhängig macht, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

40 Sie haben dies auch für die vorherige Anmeldung des Devisentransfers festgestellt. Denn in Randnummer 27 des Urteils Bordessa u. a. haben Sie aus der Sicht des Artikels 73d Absatz 1 Buchstabe b mit der Feststellung, daß "eine vorherige Anmeldung eine unerläßliche Maßnahme darstellen [kann], die die Mitgliedstaaten treffen können", implizit angenommen, daß eine solche Maßnahme eine Beschränkung im Sinne von Artikel 73b Absatz 1 darstellt.

Im übrigen wird dieses Ergebnis durch den Wortlaut von Artikel 73b Absatz 1 Buchstabe b bestätigt, der die Mitgliedstaaten ermächtigt, "Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen"(19).

41 Ferner wurden Sie in dem Urteil Svensson und Gustavsson um Entscheidung darüber ersucht, ob eine nationale Regelung von der Art der luxemburgischen, die eine Zinsvergütung bei Darlehen für den Bau, den Erwerb oder die Verbesserung einer Wohnung Personen vorbehielt, die dieses Darlehen bei einem in Luxemburg zugelassenen Kreditinstitut aufgenommen hatten, eine Beschränkung des Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 67 EWG-Vertrag (nach Änderung Artikel 67 EG, aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) darstellte(20). Generalanwalt Elmer hatte vorgeschlagen, festzustellen, daß Maßnahmen nicht als Beschränkung des freien Kapitalverkehrs qualifiziert werden können, wenn sie nicht als solche grenzueberschreitende Bewegungen des Kapitals, das aufgrund der Darlehensaufnahme ausgezahlt werde, "verhindern oder erschweren"(21). Er führte jedoch aus, die betreffende nationale Regelung habe es den Gebietsansässigen nicht verboten, Darlehen im Ausland aufzunehmen, und sie auch nicht zur Einhaltung von Bedingungen verpflichtet, die nicht für die Aufnahme eines Darlehens in Luxemburg gegolten hätten. Er meinte lediglich: "Wesentliches Merkmal der nationalen Zuschußregelung ... ist ..., daß durch sie die Aufnahme eines Darlehens bei einem Kreditinstitut, das nicht in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassen ist, und damit ein grenzueberschreitender Austausch von Dienstleistungen in Form von Baudarlehen wirtschaftlich ungünstiger [wird]." Daher lag nach seiner Ansicht keine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs durch diese Maßnahme vor(22).

42 Entgegen diesen Schlussanträgen haben Sie ausgeführt, daß jede Maßnahme, "die geeignet ist, die Interessenten davon abzuschrecken, sich an in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene [Wirtschaftsteilnehmer] zu wenden, ... ein Hindernis für den Verkehr von Kapital wie Bankdarlehen darstellen"(23).

43 Sie haben noch vor kurzem Ihre Rechtsprechung im Urteil Trummer und Mayer mit folgender Feststellung bestätigt: "Eine nationale Regelung ... [, die] bewirkt, daß der Zusammenhang zwischen der zu sichernden Forderung, die in der Währung eines anderen Mitgliedstaats zahlbar ist, und der Hypothek, deren Wert infolge späterer Währungsschwankungen geringer sein kann, als der Wert der zu sichernden Forderung, gelockert wird, ... [verringert] die Wirksamkeit und somit die Attraktivität einer solchen Sicherheit zwangsläufig ... Diese Regelung ist daher geeignet, die Betroffenen davon abzuhalten, eine Forderung in der Währung eines anderen Mitgliedstaats zu bezeichnen, und ihnen somit ein Recht zu nehmen, das ein Bestandteil des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs ist."(24)

44 Die in Rede stehende nationale Regelung stand weder der Bezeichnung einer Forderung in einer ausländischen Währung noch der Möglichkeit entgegen, eine solche Forderung in hypothekarischer oder sonstiger Weise zu sichern, sondern verbot nur die Eintragung einer Hypothek, die eine solche Forderung sichert, in ausländischer Währung.

45 Nach Ihrer Rechtsprechung kann also jede belastende oder bloß störende Maßnahme eine Beschränkung im Sinne von Artikel 73b Absatz 1 darstellen.

46 Meines Erachtens stellt die österreichische Regelung eine Beschränkung des Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 73b Absatz 1 dar.

47 Denn der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs wurde insbesondere aufgestellt, um es den Gemeinschaftsangehörigen zu ermöglichen, in den Genuß der günstigsten Voraussetzungen zu gelangen, die ihnen in einem der die Gemeinschaft bildenden Staatsgebiete für die Investition und Anlage ihres Kapitals geboten werden.

48 Es ist offensichtlich, daß es die in Rede stehende nationale Maßnahme den Gebietsansässigen nicht verbietet, ein Darlehen ausserhalb des Staatsgebiets aufzunehmen, und sie auch nicht belastenderen Bedingungen unterwirft, als wenn sie das Darlehen in Österreich aufnähmen. Sie nimmt ihnen jedoch die Möglichkeit, in den Genuß einer Gebührenfreiheit zu gelangen, die mit im Ausland aufgenommenen Darlehen verbunden sein könnte. Eine Maßnahme, die darin besteht, daß ein Mitgliedstaat Darlehensnehmern die Gebührenfreiheit der Darlehen bietet, kann jedoch einen einzelnen oder ein Unternehmen dazu veranlassen, ein Darlehen bei einer in dem Staat, der diese Art Vergünstigung oder Steuerbefreiung anbietet, ansässigen Einrichtung aufzunehmen.

49 Daher kann die österreichische Regelung, die im Ergebnis einem Gebietsansässigen in Österreich interessante Bedingungen vorenthält, die anderen Gemeinschaftsangehörigen geboten werden, die Attraktivität eines solchen Geschäftes in einzigartiger Weise verringern und somit die Interessenten davon abhalten, es zu tätigen. Daher stellt eine solche Regelung eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 73b Absatz 1 dar.

50 Lassen Sie mich nun untersuchen, ob diese Maßnahme, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Kapitalverkehr zu beschränken, unter die Ausnahmen von dem Grundsatz des Artikels 73b Absatz 1 fällt. Es ist also zu prüfen, ob diese Maßnahme im Sinne des Artikels 73d Absatz 1 Buchstabe b unerläßlich ist, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern, oder ob sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt ist.

51 Der EG-Vertrag erläutert diese Begriffe nicht.

52 Der Gerichtshof hatte jedoch bei verschiedenen Gelegenheiten zu beurteilen, ob nationale Maßnahmen, die Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs bildeten, gerechtfertigt waren.

53 So mussten Sie im Urteil vom 3. Februar 1993, Veronica Omröp Organisatie(25), entscheiden, ob die Bestimmungen des EG-Vertrages über den freien Kapitalverkehr so auszulegen sind, daß sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der es einer in diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Rundfunkeinrichtung verboten ist, sich am Kapital einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten oder zu gründenden Rundfunkgesellschaft zu beteiligen oder für eine in diesem anderen Mitgliedstaat zu gründende Fernsehgesellschaft eine Bürgschaft zu stellen. Die niederländische Regierung rechtfertigte diese Maßnahmen mit dem Vorbringen, daß durch die streitige Regelung ein pluralistisches und nichtkommerzielles Hörfunk- und Fernsehwesen geschaffen werden sollte; sie sei damit Teil einer Kulturpolitik, die die Meinungsfreiheit der verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen und geistigen Strömungen im audiovisuellen Bereich in den Niederlanden schützen solle(26). Sie haben anerkannt, daß solche Maßnahmen im allgemeinen Interesse stehen und Beschränkungen des durch Artikel 67 EWG-Vertrag eingeführten freien Kapitalverkehrs rechtfertigten(27).

54 Desgleichen wurden Sie im Urteil Bordessa u. a. nach der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit Artikel 73b befragt, die den Transfer erheblicher Summen Bargeld in andere Mitgliedstaaten von einer vorherigen Anmeldung oder einer vorherigen Genehmigung durch die Verwaltung abhängig machte. In bezug auf die vorherige Anmeldung haben Sie entschieden, daß diese "eine unerläßliche Maßnahme darstellen [kann], die die Mitgliedstaaten treffen können, da hierdurch im Gegensatz zu einer vorherigen Genehmigung die betreffende Transaktion nicht ausgesetzt und es den nationalen Behörden dabei trotzdem ermöglicht wird, eine tatsächliche Kontrolle durchzuführen, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern"(28).

55 In bezug auf die vorherige Genehmigung machte die spanische Regierung geltend, daß diese Maßnahmen den Erfordernissen von Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b entsprächen, da sie der Bekämpfung von Straftaten dienten, die häufig mit dieser Art von Transfers verbunden seien, wie Geldwäsche, Drogenhandel, Steuerhinterziehung und Terrorismus. Mit der Einführung dieser Maßnahmen gehe es für die zuständigen spanischen Behörden gerade darum, die Personen zu identifizieren, die erhebliche Devisentransfers ins Ausland tätigten (und somit zu verhindern, daß diese Vorgänge anonym stattfänden), und gegebenenfalls zusätzliche Ermittlungen vorzunehmen, um mögliche Verbindungen zwischen dem betreffenden Vorgang und bestimmten Straftaten nachzuweisen. Nur eine vorherige Genehmigung erlaube die Prüfung, ob der Urheber eines Transfers eine Straftat begehe, so daß dieses System den Vorteil biete, daß wirksame strafrechtliche Sanktionen, wie beispielsweise die Beschlagnahme des Kapitals, mit dessen Hilfe die Straftat begangen worden sei, verhängt werden könnten. Diese Maßnahmen verfolgten daher Ziele der öffentlichen Ordnung.

56 Sie haben jedoch entschieden, daß die spanische Regierung nicht hinreichend dargetan hat, daß "es unmöglich sei, eine unterlassene vorherige Anmeldung durch Strafen zu ahnden"(29).

57 In den Urteilen Bachmann und Kommission/Belgien hatten Sie zu entscheiden, ob die Artikel 48 EWG-Vertrag (später 48 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 39 EG), 59 EWG-Vertrag (später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG), 67 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 73h EG-Vertrag, aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) und 106 EWG-Vertrag (aufgehoben durch den Vertrag von Maastricht) Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen zu Kranken- und Invaliditäts- oder Alters- und Todesfallversicherungen von der Voraussetzung abhängig machen, daß diese Beiträge in diesem Staat gezahlt werden.

58 Sie haben diese Fragen bejaht, jedoch hinzugefügt, daß solche Maßnahmen gerechtfertigt sind. Sie haben nämlich festgestellt, daß in der betreffenden Steuerregelung ein enger Zusammenhang zwischen der steuerlichen Abziehbarkeit der Beiträge und der Besteuerung der von den Versicherern in Erfuellung der Verträge über die Alters- und Todesfallversicherungen geschuldeten Beträge bestand. Wegen dieses Zusammenhangs haben Sie entschieden, daß der Ausgleich zwischen den Beiträgen und der Besteuerung nicht mehr sichergestellt werden könnte, wenn die auf den steuerfreien Beiträgen beruhenden Zahlungen von einem ausländischen Versicherer im Ausland geleistet würden, wo ihre Besteuerung vom Zufall abhängig sei.

59 Sie haben daher ausgeführt, daß die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu gewährleisten, eine Regelung rechtfertigen kann, die geeignet ist, die Ausübung von durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten wie des freien Kapitalverkehrs zu beschränken.

60 Im vorliegenden Fall macht die österreichische Regierung geltend, daß der Zweck der nationalen Regelung darin bestehe, eine indirekte inländische Abgabe einzuführen, die beim gegenwärtigen Stand der teilweisen Harmonisierung des Steuerrechts in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle. Daher bestehe der Grund der Schuld, d. h. der Gebührenpflicht, im Vorliegen des Darlehensvertrags in Form einer Urkunde oder einer Ersatzurkunde im Inland. Die Erhebung von Gebühren für von in Österreich Gebietsansässigen im Ausland aufgenommenen Darlehen, über die eine Urkunde errichtet werde, finde ihre Rechtfertigung in der Wahrung der Gleichmässigkeit der Besteuerung der Gebietsansässigen. Diese Maßnahme sei daher unerläßlich, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliches Steuerrecht im Sinne von Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b zu verhindern.

61 Die Kommission vertritt ebenfalls die Ansicht, daß weder Artikel 73b Absatz 1 noch eine andere Bestimmung des Gemeinschaftsrechts der Erhebung einer Gebühr für diese Art von Geschäften entgegenstehe, sofern die Mitgliedstaaten die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachteten und insbesondere keine offene oder verschleierte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit der Wirtschaftsteilnehmer vornähmen(30) und den Verhältnismässigkeitsgrundsatz nicht verletzten.

62 Vorab ist zu bestimmen, ob die in Rede stehende Maßnahme in einem Zoll besteht, der bestimmte Finanzgeschäfte wegen des Überschreitens der Grenze trifft, oder in einer inländischen Abgabe, der sämtliche Erzeugnisse unterschiedslos und unabhängig davon, ob eine Grenze überschritten wird, unterliegen. Diese Frage ist wichtig, denn nach Ihrer ständigen Rechtsprechung(31) gilt "das Verbot der Zölle unabhängig von dem Zweck, zu dem diese geschaffen wurden, sowie vom Verwendungszweck der durch sie bewirkten Einnahmen"(32). In dem Urteil Kommission/Italien haben Sie in Randnummer 9, Satz 2, festgestellt: "Eine - auch noch so geringe - den in- oder ausländischen Waren wegen ihres Grenzuebertritts einseitig auferlegte finanzielle Belastung stellt sonach, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung eine Abgabe gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 9, 12, 13 und 16 des Vertrages dar, selbst wenn sie nicht zugunsten des Staates erhoben wird und keine diskriminierende oder protektionistische Wirkung hat und wenn die belastete Ware nicht mit inländischen Erzeugnissen in Wettbewerb steht." Selbst wenn Kapital nicht als Ware angesehen werden kann(33), kommt es in den Genuß des freien Verkehrs in der Gemeinschaft. Die Erhebung von Zöllen für grenzueberschreitenden Kapitalverkehr würde gegen diesen Grundsatz verstossen, der gemäß Artikel 73b Absatz 1 unmittelbare Wirkung entfaltet(34). Hingegen sind Steuern im Sinne des Gemeinschaftsrechts, d. h. inländische Abgaben, die die Waren unterschiedslos und unabhängig von einer Grenzueberschreitung treffen, als solche nicht verboten.

63 Wie wir gesehen haben(35), unterliegen gemäß § 15 Absatz 1, § 16 Absatz 1 und § 33 TP 8 Absatz 1 GebG in Österreich geschlossene Darlehensverträge, über die eine Urkunde errichtet wurde, einer Gebühr von 0,8 % des Darlehens. Zudem betrifft diese Gebühr gemäß § 15 Absatz 1 in Verbindung mit § 16 Absatz 2 und § 33 TP 8 Absatz 1 GebG alle im Ausland zwischen Gebietsfremden und Gebietsansässigen abgeschlossenen Darlehensverträge, sofern sie einen Bezug zu Österreich aufweisen(36).

64 Eine nationale Maßnahme, mit der eine Gebühr eingeführt wird, die ohne Berücksichtigung der Nationalität der Vertragspartner oder des Ortes des Abschlusses des Darlehensvertrags alle Gebietsansässigen in Österreich betrifft, die einen solchen Vertrag unterzeichnen, ist eine indirekte inländische Abgabe. Zudem führt diese Maßnahme gerade dazu, daß sich gebührenpflichtige Personen zugunsten der Ausübung der in Artikel 73b Absatz 1 vorgesehenen Freiheit mißbräuchlich ihren Verpflichtungen aus einer der Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der auf diesem Gebiet über weitgehende Befugnisse verfügt, unterliegenden Steuerregelung entziehen können.

65 Offensichtlich enthält nämlich der EG-Vertrag in bezug auf die unmittelbare wie mittelbare Besteuerung keine mit Artikel 95 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 90 EG)(37) vergleichbaren Bestimmungen. Denn mit Ausnahme von Artikel 220 EG-Vertrag (jetzt Artikel 293 EG)(38) schweigt der EG-Vertrag auf diesem Gebiet.

66 Im übrigen ist das Steuerrecht vom Geltungsbereich des Artikels 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) ausgeschlossen, der mit qualifizierter Mehrheit erlassene Harmonisierungsmaßnahmen zulassen würde. Vielmehr müsste nach Artikel 99 EG-Vertrag (jetzt Artikel 93 EG) die Harmonisierung auf dem Gebiet der indirekten Steuern von den Mitgliedstaaten einstimmig vorgenommen werden, soweit sie für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts innerhalb der in Artikel 7a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 14 EG) gesetzten Frist, d. h. bis zum 31. Dezember 1992, notwendig ist.

67 Dieses Gebiet wurde jedoch nur teilweise harmonisiert (dies ist der Fall bei der Mehrwertsteuer(39) und bei indirekten Steuern auf Kapitalansammlungen(40)). Somit unterliegt das Recht, eine Steuer festzusetzen, insbesondere das Recht, eine "Gebühr" auf Darlehensverträge zu erheben, der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

68 Diese Zuständigkeit findet ihre Grenzen in der Beachtung des Gemeinschaftsrechts und seinen allgemeinen oder grundlegenden Prinzipien. Sie haben nämlich bereits entschieden, daß die Mitgliedstaaten "ihre Befugnisse ... unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben" müssen(41).

69 Es ist also zu prüfen, ob der Mitgliedstaat im Rahmen des ihm zugebilligten weiten Ermessens seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht erfuellt hat.

70 Die Beschwerdeführerin macht geltend, § 33 TP 8 Absatz 1 GebG verstosse gegen Artikel 73b Absatz 1 und könne nicht aus einem der in Artikel 73d Absatz 1 genannten Gründe gerechtfertigt werden. Eine Urkunde im Sinne des GebG werde grundsätzlich aus Gründen der Rechtssicherheit errichtet, und dementsprechend werde die zu entrichtende Gebühr "als Äquivalent für die durch die Urkunde erhöhte Rechtssicherheit gerechtfertigt"(42). Der mit der streitigen österreichischen Bestimmung verfolgte Zweck bestehe daher in der Gewährleistung der Rechtssicherheit für das Geschäft.

71 Jedoch entspreche die von der österreichischen Regierung ergriffene Maßnahme, eine Gebühr auf jeden Darlehensvertrag unabhängig davon zu erheben, ob er im Ausland oder in Österreich geschlossen worden sei, nicht den Anforderungen Ihrer Rechtsprechung in bezug auf die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit. Denn in Österreich herrsche die Praxis, für diese Art von Rechtsgeschäften (Darlehen) keine Urkunde zu errichten oder sie durch einen nicht gebührenpflichtigen Vorgang zu ersetzen. Da diese Maßnahme nicht mehr sachgerecht sei, sei sie auch nicht mehr notwendig. Ferner könne die Rechtssicherheit, die bereits selbständig schutzwürdig sei, kein notwendiges bzw. verhältnismässiges Mittel sein, den Finanzbedarf der öffentlichen Hand zu decken, was der - eigentliche - Zweck von § 33 TP 8 Absatz 1 GebG sei. Diese Maßnahme entspreche daher nicht dem angegebenen Zweck der Gewährleistung der Rechtssicherheit des Vorgangs, und somit sei der Verhältnismässigkeitsgrundsatz verletzt.

72 Nach Ihrer ständigen Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, daß die im Rahmen einer Regelung ergriffenen Maßnahmen nicht die Grenzen des zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung rechtmässig verfolgten Ziele Angemessenen und Erforderlichen überschreiten, wobei der zuständige Gesetzgeber, wenn sich die Wahl zwischen mehreren angemessenen Maßnahmen bietet, die am wenigsten belastende wählen muß und die erzeugten Nachteile nicht ausser Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen dürfen(43).

73 § 33 TP 8 Absatz 1 GebG ist eine Maßnahme, mit der eine indirekte Steuer auf im Inland abgeschlossene Darlehensverträge oder solche eingeführt wird, die zwar im Ausland geschlossen werden, jedoch einen besonderen Bezug zu Österreich aufweisen. Das mit dieser Maßnahme verfolgte wesentliche Ziel besteht daher darin, die gleichmässige Steuerbelastung der Gebietsansässigen in Österreich zu gewährleisten, und nicht, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, die Rechtssicherheit des Vorgangs zu garantieren.

74 Die fragliche nationale Maßnahme bewirkt, daß alle Gebietsansässigen in Österreich ohne Berücksichtigung ihrer Staatsangehörigkeit oder des Ortes des Abschlusses des Darlehensvertrags gezwungen sind, eine Gebühr in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Wertes des Darlehens zu entrichten. Sie ist daher sehr wohl dazu geeignet, den ihr beigelegten Zweck zu erreichen.

75 Ferner erlaubt die blosse Feststellung, daß die österreichische Regelung die Vertragspartner nicht verpflichtet, über diese Art von Verträgen eine Urkunde errichten zu lassen, nicht den Schluß, die betreffende Maßnahme sei nicht erforderlich. Ich würde zu einem anderen Ergebnis gelangen, wenn die Beschwerdeführerin den Nachweis erbracht hätte, daß die österreichische Regelung bestimmte Gebietsansässige von der Entrichtung dieser Gebühr befreite, die unter gleichen Umständen ein Darlehen aufnehmen, über das eine Urkunde errichtet wird.

76 Unter Berücksichtigung des Sachverhalts des vorliegenden Verfahrens muß das Ergebnis lauten, daß kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit vorliegt.

77 Nach allem stellte eine nationale Maßnahme wie § 33 TP 8 Absatz 1 GebG eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die gemäß Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b gerechtfertigt ist.

78 Es bleibt zu untersuchen, ob diese nationale Bestimmung ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung im Sinne von Artikel 73d Absatz 3 darstellt.

79 Nach Ihrer ständigen Rechtsprechung(44) "liegt eine Diskriminierung nur dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte rechtlich unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte rechtlich gleich behandelt werden"(45).

80 Aus den Akten geht nicht hervor, daß die österreichische Regelung über die Erhebung der durch § 33 TP 8 Absatz 1 GebG eingeführten Gebühr auf gebietsansässige ausländische Darlehensnehmer anders und in nachteiliger Weise angewandt würde, sondern daß sie vielmehr ohne Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit oder dem Ort des Abschlusses des Darlehensvertrags auf alle gebietsansässigen Darlehensnehmer angewandt wird. Im übrigen räumen dies alle Beteiligten des Verfahrens, einschließlich der Beschwerdeführerin, ein.

81 Nach allem stellt eine nationale Maßnahme von der Art des § 33 TP 8 Absatz 1 GebG eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 73b Absatz 1 dar, die durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, die Gleichmässigkeit der Besteuerung der Gebietsansässigen in Österreich zu gewährleisten. Somit fällt die erwähnte nationale Maßnahme unter die in Artikel 73b Absatz 1 Buchstabe b vorgesehenen Ausnahmen von Artikel 73d Absatz 1. Ferner ist eine solche Maßnahme nicht unverhältnismässig und stellt keine willkürliche Diskriminierung im Sinne von Artikel 73d Absatz 3 dar.

Die erste Frage

82 Mit dieser Frage begehrt das vorlegende Gericht die Entscheidung, ob die Artikel 73b Absatz 1 und 73d Absatz 3 sowie Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 4 der Richtlinie einer nationalen Bestimmung wie § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG entgegenstehen, wonach Darlehen, in bezug auf die eine sogenannte Ersatzbeurkundung vorgenommen wird, der Gebühr nach § 33 TP 8 Absatz 1 GebG unterliegen, wenn das Darlehen von einem Darlehensgeber gewährt wurde, "der im Inland weder einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt noch seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat".

83 Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie finden sich im wesentlichen nunmehr in Artikel 73b Absatz 1 und Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b wieder. Hingegen enthält Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie eine besondere Bestimmung, die nicht ausdrücklich in den EG-Vertrag übernommen wurde. Dort heisst es: "Die Anwendung [der Maßnahmen, die unerläßlich sind, um Zuwiderhandlungen gegen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern] darf keine Behinderung des im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht abgewickelten Kapitalverkehrs zur Folge haben."

84 Ich werde daher die erste Frage des vorlegenden Gerichts unter dem Blickwinkel der Vereinbarkeit der nationalen Bestimmungen nur mit den Artikeln 73d Absatz 1 sowie 73d Absätze 1 und 3 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie untersuchen. Daher ist zunächst zu prüfen, ob die in Rede stehende nationale Bestimmung eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

85 § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG bestimmt im Kern, wie gesagt, daß ein Darlehensvertrag, der von einem in Österreich Gebietsansässigen im Ausland abgeschlossen wird, ohne daß darüber eine Urkunde errichtet wird, und dessen Bestehen durch die Aufnahme in die Bücher und Aufzeichnungen dokumentiert wird, der Gebühr des § 33 TP 8 Absatz 1 unterliegt.

86 Ich habe bereits bei der Untersuchung der zweiten Frage dargelegt, daß eine nationale Maßnahme von der in § 33 TP 8 Absatz 1 GebG vorgesehenen Art eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt(46). Dieses Ergebnis gilt erst recht für eine Bestimmung wie § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG, die die Besteuerung der von in Österreich Gebietsansässigen in Österreich wie im Ausland aufgenommenen Darlehen, über die eine Urkunde errichtet wird, allein auf Darlehen ausdehnt, die von in Österreich Gebietsansässigen im Ausland in einer Form aufgenommen werden, bei der eine sogenannte Ersatzbeurkundung eintritt. Denn eine solche Maßnahme ist zweifellos geeignet, gebietsansässige Darlehensnehmer davon abzuhalten, ein Darlehen in dieser Form im Ausland aufzunehmen, da sie in den Genuß der Befreiung von der Gebühr nur dann gelangen können, wenn sie das Darlehen in Österreich aufnehmen.

87 Die Beantwortung der ersten Frage setzt weiter voraus, daß geklärt wird, ob diese Beschränkung des freien Kapitalverkehrs unerläßlich ist, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern, wozu Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b ermächtigt. Ist dies der Fall, so ist zu untersuchen, ob sie eine durch Artikel 73d Absatz 3 verbotene willkürliche Diskriminierung darstellt.

88 Wie wir bei der Untersuchung der zweiten Frage gesehen haben, definiert der EG-Vertrag die Begriffe in Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b nicht. Ferner bestimmen Sie nach Ihrer Rechtsprechung den Inhalt dieser Begriffe unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls(47).

89 So wurde im Urteil Trummer und Mayer zur Rechtfertigung einer Regelung, die die Eintragung einer Hypothek zur Sicherung einer Schuld in ausländischer Währung untersagt, die Vorhersehbarkeit und die Transparenz des Grundpfandrechtssystems angeführt. Es wurde geltend gemacht, daß dies ein zwingender Grund des Gemeinwohls sei(48).

90 Sie sind dem nicht gefolgt, denn Sie haben insbesondere ausgeführt, daß die in Rede stehende nationale Regelung die Bestimmung des Wertes der Hypothek durch Bezugnahme auf den Preis des Feingoldes erlaube, der ähnlichen Schwankungen wie eine ausländische Währung unterliege. Daher sind Sie zu dem Ergebnis gelangt, daß "eine nationale Regelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art ein Zufallselement [enthält], das die Verwirklichung des beschriebenen Zieles vereiteln kann"(49).

91 Auch die in § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG vorgesehene nationale Maßnahme erscheint mir nicht geeignet, die vom nationalen Gesetzgeber angegebenen berechtigten Ziele zu erreichen.

92 Die österreichische Regierung macht geltend, § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG falle in den Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmungen in Artikel 73d Absatz 1 und diene der Verwirklichung eines doppelten berechtigten Zieles. Zum einen sei mit dieser Maßnahme bezweckt, Steuerhinterziehungen von gebietsansässigen Darlehensnehmern zu verhindern, die das Bestehen eines Darlehens, über das eine Urkunde errichtet worden sei, verdecken wollten, was durch die Schwierigkeiten der zuständigen nationalen Verwaltung beim Beweis, daß eine Urkunde im Ausland errichtet worden sei, erleichtert werde. Die streitige Maßnahme sei daher aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt. Zum anderen würde sie die Gleichheit der Gebietsansässigen in Österreich vor der Besteuerung unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Gebietsansässigen und dem Ort der Darlehensaufnahme gewährleisten. Sie bezwecke daher, Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern.

93 In bezug auf den letztgenannten Grund steht fest, daß zum einen die österreichische Regelung Darlehensnehmern erlaubt, ein Darlehen aufzunehmen, ohne darüber eine Urkunde zu errichten, und zum anderen, daß diese Art von Darlehen in die Geschäftsbücher aufgenommen werden muß. Ferner ist nach österreichischem Recht ein Darlehen dieser Art, wenn es in Österreich aufgenommen wurde, von der Gebühr nach § 33 TP 8 Absatz 1 GebG befreit(50). Daher wird durch die Einführung der Bestimmung, daß der gebietsansässige Darlehensnehmer, der ein solches Darlehen im Ausland aufnimmt, die streitige Gebühr entrichten muß, der Grundsatz der Gleichheit der Gebietsansässigen vor der Besteuerung gerade verletzt, denn die Steuerregelung für Gebietsansässige in Österreich, die sich in der gleichen Situation befinden, ist nach Maßgabe des Ortes des Vertragsschlusses unterschiedlich. Die fragliche nationale Maßnahme ist daher geeignet, die Verwirklichung des beschriebenen Zieles zu gefährden.

94 In bezug auf die Gefahr von Steuerhinterziehungen, die mit dieser Maßnahme bekämpft werden sollen, ist darauf hinzuweisen, daß diese Gefahr unabhängig davon besteht, ob das Darlehen in Österreich oder im Ausland aufgenommen wird. Mir ist nicht bekannt, ob der österreichische Gesetzgeber Maßnahmen zur Bekämpfung solcher Steuerhinterziehungen durch Gebietsansässige in Österreich ergriffen hat, die den Vertrag in Österreich abschließen, und, wenn dies der Fall ist, welches ihr Inhalt ist. Lassen Sie mich beide Fälle behandeln. Sieht die österreichische Regelung keine Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehungen vor, die in Österreich Gebietsansässige mit Geschäften der erwähnten Art begehen, so folgt daraus, daß sie diese Gefahr duldet. Gibt es hingegen solche Maßnahmen, so bestehen sie nicht in Maßnahmen der in der streitigen nationalen Regelung aufgeführten Art. Die österreichische Regierung hat nicht nachgewiesen, daß derartige Maßnahmen nicht auf Steuerhinterziehungen anwendbar wären, die von gebietsansässigen Darlehensnehmern begangen werden, die die Verträge im Ausland abschließen. In beiden Fällen muß ich zu dem Ergebnis gelangen, daß die streitige Maßnahme zur Erreichung des beschriebenen Zieles nicht geeignet ist.

95 Daher reicht das Vorbringen der österreichischen Regierung nicht aus, um die Beschränkung des Kapitalverkehrs durch § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG zu rechtfertigen.

96 Ferner dürfte der in Rede stehenden nationalen Maßnahme die Richtlinie, insbesondere Artikel 4 Absatz 2, entgegenstehen, der insoweit weiter gilt, als er den Inhalt der Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr erläutert(51). Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie lautet: "Die Anwendung dieser Maßnahmen und Verfahren darf keine Behinderung des im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht abgewickelten Kapitalverkehrs zur Folge haben."

97 Im Urteil Bordessa u. a. haben Sie festgestellt, daß die spanische Regelung, nach der bei sämtlichen Kapitalausfuhren die vorherige Genehmigung der zuständigen nationalen Behörde einzuholen war, letztlich die Ausübung des freien Kapitalverkehrs in das Ermessen der Verwaltung stellt und diese Freiheit daher illusorisch werden lassen kann(52). Daher haben Sie entschieden, daß diese Maßnahme "eine Behinderung des in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht abgewickelten Kapitalverkehrs zufolge haben [könnte], was Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie zuwiderliefe"(53).

98 § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG unterwirft, wie gesagt, systematisch alle gebietsansässigen Darlehensnehmer, die ein Darlehen im Ausland aufnehmen, über das keine Urkunde errichtet wird, der Pflicht zur Entrichtung der streitigen Gebühr zu dem Zweck, von einigen unter ihnen begangene Steuerhinterziehungen zu verhindern. Damit entzieht diese Bestimmung gebietsansässigen Darlehensnehmern, die keine Steuerhinterziehung begehen, den Genuß der Steuerbefreiung, die allein solchen Darlehensnehmern vorbehalten bleibt, die ihren Vertrag in Österreich abschließen. Diese Bestimmung bewirkt daher, daß gebietsansässige Darlehensnehmer, die keine Steuerhinterziehung begehen, davon abgehalten werden, Darlehen im Ausland aufzunehmen.

99 Somit ist eine derartige Bestimmung geeignet, den Kapitalverkehr, der im Einklang mit den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts stattfindet, zu behindern, und verstösst daher gegen Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie.

100 Nach allem verstösst eine nationale Bestimmung von der Art des § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG gegen Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie.

101 Da ich zu dem Ergebnis gelangt bin, daß die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, die die streitige nationale Maßnahme darstellt, nicht den Anforderungen von Artikel 73d Absatz 1 entspricht, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob die streitige nationale Maßnahme diskriminierend im Sinne von Artikel 73d Absatz 3 ist(54).

102 Nach allem stellt eine nationale Bestimmung wie § 33 TP 8 Absatz 4 Satz 1 GebG eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 73b Absatz 1 dar, die nicht unter die Ausnahmen von dem erwähnten Grundsatz in Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b fällt.

Antrag

103 Daher schlage ich vor, auf die vom Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1. Eine nationale Regelung, die die Aufnahme eines Darlehens, über das eine Urkunde errichtet wird, durch gebietsansässige Darlehensnehmer bei gebietsfremden Darlehensgebern mit einer Gebühr in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Wertes des Darlehens belegt, ist als Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG) anzusehen, die

- unter die in Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag (jetzt Artikel 58 EG) aufgeführten Ausnahmen fällt, der die Mitgliedstaaten ermächtigt, die Maßnahmen zu treffen, die unerläßlich sind, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern, da sie die Kohärenz einer nationalen Steuerregelung gewährleisten soll, die in die verbliebene Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt;

- nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstösst;

- kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung im Sinne von Artikel 73d Absatz 3 darstellt, soweit die in Rede stehende Steuerregelung keine unterschiedliche Behandlung gebietsansässiger Darlehensnehmer nach Maßgabe ihrer Staatsangehörigkeit oder derjenigen ihrer Vertragspartner oder auch des Ortes des Vertragsabschlusses enthält.

2. Die Artikel 73b Absatz 1 und 73d Absatz 1 Buchstabe b sowie Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages stehen einer nationalen Regelung entgegen, die gebietsansässige Darlehensnehmer, die bei einem gebietsfremden Darlehensgeber ein Darlehen in einer Form aufnehmen, bei der eine Ersatzbeurkundung eintritt, verpflichtet, eine Gebühr in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Wertes des Darlehens zu entrichten, wenn gebietsansässige Darlehensnehmer, die ein solches Darlehen bei einem gebietsansässigen Darlehensgeber aufnehmen, keine derartige Gebühr zu entrichten haben.

Die Prüfung der Vereinbarkeit einer derartigen Regelung mit Artikel 73d Absatz 3 ist daher gegenstandslos.

(1) - ABl. L 178, S. 5.

(2) - Rechtssachen C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (Slg. 1995, I-4821, Randnr. 2 des Tenors).

(3) - BGBl 1957/267 in der im BGBl 1957 veröffentlichten Fassung, geändert durch BGBl 1993/818.

(4) - Dies ist bei einem Darlehen, das der Finanzierung eines Geschäfts in Österreich dient, oder dann der Fall, wenn der Darlehensnehmer in Österreich ansässig ist.

(5) - Dies geht aus den Erklärungen der österreichischen Regierung in der mündlichen Verhandlung hervor.

(6) - Vorlagebeschluß, S. 8.

(7) - A. a. O., S. 8.

(8) - A. a. O., S. 9.

(9) - A. a. O.

(10) - Rechtssache C-204/90 (Slg. 1992, I-249).

(11) - Rechtssache C-300/90 (Slg. 1992, I-305).

(12) - Rechtssachen 226/82 und 26/83 (Slg. 1984, 377).

(13) - Es handelte sich im damaligen Fall um die Gewährleistung laufender Zahlungen für Dienstleistungen im Rahmen von Studienreisen, Geschäftsreisen, Fremdenverkehr und medizinischen Behandlungen.

(14) - Urteil Luisi und Carbone (Randnr. 21, Hervorhebung von mir).

(15) - Rechtssache C-222/97 (Slg. 1999, I-0000, Randnr. 21).

(16) - So haben Sie bereits in den Urteilen Sanz de Lera u. a. zitiert, Randnr. 34, und vom 14. November 1995 in der Rechtssache C-484/93 (Svensson und Gustavsson, Slg. 1995, I-3955, Randnr. 7) entschieden.

(17) - Im Vorlagebeschluß sind weder der Darlehensgrund noch die Bestimmung der Mittel angegeben.

(18) - Rechtssachen C-358/93 und C-416/93 (Slg. 1995, I-361).

(19) - Hervorhebung von mir.

(20) - Absatz 1 lautete: "Soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig ist, beseitigen die Mitgliedstaaten untereinander während der Übergangszeit schrittweise alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs in bezug auf Berechtigte, die in den Mitgliedstaaten ansässig sind, und heben alle Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts der Parteien oder des Anlageorts auf."

(21) - Nr. 8, Hervorhebung von mir.

(22) - A. a. O.

(23) - Randnr. 10, Hervorhebung von mir.

(24) - Randnr. 26.

(25) - Rechtssache C-148/91 (Slg. 1993, I-487, Randnr. 8).

(26) - A. a. O. (Randnr. 9).

(27) - A. a. O. (Randnr. 14).

(28) - Randnr. 27.

(29) - Randnr. 30.

(30) - In diesem Sinne auch die portugiesische Regierung.

(31) - Vgl. Urteil vom 1. Juli 1969 in der Rechtssache 24/68 (Kommission/Italien, Slg. 1969, 193, Randnr. 7).

(32) - Urteil vom 14. September 1995 in den Rechtssachen C-485/93 und C-486/93 (Simitzi, Slg. 1995, I-2655, Randnr. 14).

(33) - Vgl. Urteile vom 23. November 1978 in der Rechtssache 7/78 (Thompson u. a., Slg. 1978, 2247, Randnr. 25), vom 10. Dezember 1968 in der Rechtssache 7/68 (Kommission/Italien, Slg. 1968, 634) und Bordessa u. a. (Randnr. 12).

(34) - Vgl. Urteil Sanz de Lera u. a., Nr. 2 des Tenors.

(35) - Siehe Nrn. 10 bis 17 dieser Schlussanträge.

(36) - A. a. O., Nr. 13.

(37) - Dort heisst es, daß die Mitgliedstaaten "auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art [erheben], als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben".

(38) - Dieser Artikel verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft.

(39) - Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1).

(40) - Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25).

(41) - Urteile vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-246/89 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1991, I-4585, Randnr. 12), vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93 (Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21) sowie vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-250/95 (Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 19).

(42) - Erklärungen der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens, S. 13, dritter Absatz. Für diese Ansicht werden verschiedene Autoren zitiert: Gaier, Gebührengesetz, § 1 GebO, Rz. 14; Doralt, P., in: FS-Kastner zum 90. Geburtstag, S. 106.

(43) - Vgl. z. B. Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-354/95 (National Farmer's Union u. a., Slg. 1997, I-4559, Randnrn. 49 und 50) oder vom 29. Januar 1998 in der Rechtssache C-161/96 (Südzucker, Slg. 1998, I-281, Randnr. 31).

(44) - Urteil vom 13. November 1984 in der Rechtssache 283/83 (Racke, Slg. 1984, 3791).

(45) - Urteil Schumacker (Randnr. 30).

(46) - Vgl. insbes. Nrn. 35 und 36 sowie Nrn. 45 bis 49 dieser Schlussanträge.

(47) - A. a. O. (Randnrn. 51 bis 59).

(48) - Randnr. 49.

(49) - Randnr. 32.

(50) - Siehe insbes. die Nrn. 25 und 26 dieser Schlussanträge. Dies wurde im übrigen in der mündlichen Verhandlung vom Vertreter der österreichischen Regierung bestätigt.

(51) - In entsprechender Anwendung von Randnr. 21 des Urteils Trummer und Mayer.

(52) - Randnr. 25.

(53) - A. a. O.

(54) - Im übrigen steht Artikel 58 Absatz 3 EG einer solchen Bestimmung ebenfalls entgegen. Alle am Verfahren Beteiligten, einschließlich der österreichischen Regierung, sind dieser Ansicht. Die Kommission hat nämlich in der mündlichen Verhandlung, ohne daß der Vertreter der österreichischen Regierung in diesem Punkt widersprochen hätte, angekündigt, daß eine Änderung der streitigen nationalen Bestimmung so ausgestaltet werde, daß alle gebietsansässigen Darlehensnehmer unabhängig vom Ort der Aufnahme des Darlehens, das einer "Ersatzbeurkundung" unterliegt, die streitige Gebühr zu entrichten hätten.