Avis juridique important
Urteil des Gerichtshofes vom 18. November 1999. - X AB und Y AB gegen Riksskatteverket. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Regeringsrätten - Schweden. - Niederlassungsfreiheit - Geldleistung einer schwedischen Gesellschaft an ihre Tochtergesellschaft - Befreiung von der Körperschaftsteuer. - Rechtssache C-200/98.
Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-08261
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
1 Vorabentscheidungsverfahren - Anrufung des Gerichtshofes - Einzelstaatliches Gericht im Sinne des Artikels 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) - Begriff - "Regeringsrätt" (oberstes Verwaltungsgericht) - Einbeziehung
(EG-Vertrag, Artikel 177 [jetzt Artikel 234 EG])
2 Vorabentscheidungsverfahren - Zuständigkeit des Gerichtshofes - Grenzen - Ersuchen um Auslegung, das nicht ein Problem nur hypothetischer Art aufwirft - Verpflichtung zur Entscheidung
(EG-Vertrag, Artikel 177 [jetzt Artikel 234 EG])
3 Freizuegigkeit - Niederlassungsfreiheit - Steuerrecht - Körperschaftsteuer - Mitgliedstaat, der steuerliche Begünstigungen für Konzernbeiträge versagt, an denen Tochtergesellschaften mit Sitz in verschiedenen anderen Mitgliedstaaten beteiligt sind - Unzulässigkeit
(EG-Vertrag, Artikel 52, 54, 56 und 57 [nach Änderung jetzt Artikel 43 EG, 44 EG, 46 EG und 47 EG], Artikel 53 [aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam] und Artikel 55 und 58 [jetzt Artikel 45 EG und 48 EG])
1 Nationale Gerichte können den Gerichtshof nur anrufen, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und das Verfahren, in dem sie entscheiden, auf den Erlaß einer ihrem Wesen nach als Rechtsprechung anzusehenden Entscheidung abzielt. Der "Regeringsrätt" (oberstes Verwaltungsgericht), bei dem eine Klage gegen Bescheide des Skatterättsnämnd (Ausschuß für Steuerrecht) anhängig ist, kann demnach den Gerichtshof anrufen. Im Verfahren vor dem Regeringsrätt ist nämlich auf eine solche Klage hin die Rechtmässigkeit eines Vorbescheids zu überprüfen, der nach Eintritt seiner Bestandskraft die Steuerbehörden bindet und die Grundlage für die Besteuerung bildet, wenn der Antragsteller das in seinem Antrag beschriebene Vorhaben ausführt.
2 Im Rahmen der durch Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, das die Verantwortung für seine Entscheidung trägt, im Hinblick auf die Umstände dieses Rechtsstreits sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Wenn die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden.
Anders wäre es nur, wenn der Gerichtshof ersucht wäre, über ein Problem hypothetischer Natur zu entscheiden. Dies ist aber nicht der Fall, wenn das nationale Gericht zwar in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit darüber zu entscheiden hat, ob eine Gesellschaft erst in der Zukunft einer anderen Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen einen Konzernbeitrag zu leisten berechtigt sein wird, dem Gerichtshof aber ausreichende Angaben zum Ausgangssachverhalt gemacht wurden, um die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen auszulegen und die Vorlagefrage zweckdienlich zu beantworten.
3 Es verstösst gegen die Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG), 53 EG-Vertrag (aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam), 54 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 44 EG), 55 EG-Vertrag (jetzt Artikel 45 EG), 56 und 57 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 46 EG und 47 EG) sowie 58 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG), wenn ein Mitgliedstaat für Konzernbeiträge zwischen zwei in seinem Gebiet ansässigen Aktiengesellschaften, von denen eine der anderen vollständig gehört, und zwar entweder unmittelbar oder zusammen mit
- einer 100%igen, im selben Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft oder mehreren solcher Tochtergesellschaften oder
- einer 100%igen Tochtergesellschaft oder mehreren solchen Tochtergesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, mit dem der erstgenannte Mitgliedstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, das ein Diskriminierungsverbot enthält,
bestimmte steuerliche Begünstigungen gewährt, diese aber für Konzernbeiträge zwischen zwei in diesem Mitgliedstaat ansässigen Aktiengesellschaften versagt, von denen eine der anderen vollständig gehört, und zwar zusammen mit 100%igen Tochtergesellschaften mit Sitz in verschiedenen anderen Mitgliedstaaten, mit denen der erstgenannte Mitgliedstaat jeweils ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, das ein Diskriminierungsverbot enthält.
Derartige Rechtsbestimmungen behandeln nämlich verschiedene Typen von Konzernbeiträgen nach Maßgabe des Sitzes der Tochtergesellschaften ungleich.
1 Der Regeringsrätt hat mit Beschluß vom 29. April 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Mai 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung der Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG), 53 EG-Vertrag (aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam), 54 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 44 EG), 55 EG-Vertrag (jetzt Artikel 45 EG), 56 und 57 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 46 EG und 47 EG) sowie 58, 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG, 56 EG und 58 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich im Zusammenhang mit einer Klage der beiden schwedischen Gesellschaften X AB und Y AB gegen einen Vorbescheid des Skatterättsnämnd (Ausschuß für Steuerrecht).
3 Nach schwedischem Recht können Entscheidungen des Skatterättsnämnd beim obersten Verwaltungsgericht, dem Regeringsrätt, angefochten werden. Nach dem Gesetz (1951:442) über den Vorbescheid in Steuerangelegenheiten (Lagen om förhandsbesked i taxeringsfraagor) erteilt der Skatterättsnämnd auf Antrag eines Steuerpflichtigen einen bindenden Vorbescheid über die Anwendung des Steuerrechts, insbesondere der Vorschriften über die direkten nationalen oder gemeinschaftlichen Steuern.
4 Im Zuge einer Konzernreorganisation beantragten die schwedischen Gesellschaften X AB, die Muttergesellschaft, und Y AB, ihre Tochtergesellschaft, im Juni 1996 beim Skatterättsnämnd einen Vorbescheid zu der Frage, wie die Bestimmungen über den Konzernbeitrag in § 2 Absatz 3 des Gesetzes (1947:576) über die staatliche Einkommensteuer (Lagen om statlig inkomstskatt; im folgenden: SIL), wonach Beiträge einer Gesellschaft an eine andere desselben Konzerns unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich begünstigt werden können, in ihrem Fall anzuwenden wären. Nach dieser Regelung werden Konzernbeiträge einer schwedischen Gesellschaft an eine andere schwedische Gesellschaft, deren Aktien erstere zu mehr als neun Zehnteln hält, bei der leistenden Gesellschaft als abzugsfähige Betriebsausgabe und bei der empfangenden als steuerpflichtige Einnahme angesehen. Damit soll vermieden werden, daß sich die Steuerlast erhöht, wenn anstelle eines einzigen Unternehmens mehrere Unternehmen desselben Konzerns eine bestimmte Gewerbetätigkeit ausüben.
5 Als der Vorbescheid beantragt wurde, besaß der Konzern 99,8 % der Aktien der Y AB. Etwa 58 % der Aktien hielt die X AB unmittelbar. Das restliche Kapital der Y AB hielten 100%ige Tochtergesellschaften der X AB.
6 Mit dem Antrag auf Vorbescheid des Skatterättsnämnd sollte vor allem geklärt werden, ob die in § 2 Absatz 3 SIL vorgesehenen steuerlichen Begünstigungen in drei verschiedenen Fällen gewährt werden könnten.
7 Im ersten Fall wären die Aktien der Y AB vollständig im Besitz der X AB und ihrer 100%igen schwedischen Tochtergesellschaft. Im zweiten Fall würden 15 % der Aktien der Y AB von einer 100%igen niederländischen Tochtergesellschaft der X AB, der Z BV, erworben werden. Im dritten Fall würden die Z BV und eine 100%ige deutsche Tochtergesellschaft der X AB, die Y GmbH, jeweils 15 % der Y AB erwerben.
8 Am 22. November 1996 erteilte der Skatterättsnämnd den von der X AB und der Y AB beantragten Vorbescheid. Er kam zu dem Ergebnis, daß im ersten Fall nach § 2 Absatz 3 Unterabsatz 1 SIL ein Konzernbeitrag mit den dort vorgesehenen Rechtswirkungen nicht möglich sei, da nach dieser Bestimmung die eine der beiden beteiligten schwedischen Gesellschaften mehr als neun Zehntel der Aktien der anderen besitzen müsse. Allerdings könne der fragliche Beitrag diese Wirkungen aufgrund der Fusionsregelungen in Unterabsatz 2 haben, wonach auch Beiträge einer Muttergesellschaft an eine nicht 100%ige Tochter steuerlich begünstigt seien, sofern die Eigentumsverhältnisse während des gesamten Steuerjahres dergestalt gewesen seien, daß die Tochtergesellschaft durch Fusionen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft in der Muttergesellschaft aufgegangen sei.
9 Diese Bestimmung erachtete der Skatterättsnämnd auch im zweiten Fall für anwendbar. Sie gelte zwar nur zugunsten schwedischer Gesellschaften. Nach der Rechtsprechung des Regeringsrätt verstosse es aber gegen das im Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Königreich Schweden und dem Königreich der Niederlande festgelegte Verbot der sogenannten Eigentümerdiskriminierung, in diesen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften die Möglichkeit zu nehmen, unter Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigungen gemäß dem SIL Konzernbeiträge zu leisten.
10 Im dritten Fall hingegen griffe die genannte Bestimmung für Fusionen nach dem Vorbescheid des Skatterättsnämnd nicht ein, da nach der Rechtsprechung des Regeringsrätt zwei Doppelbesteuerungsabkommen, das des Königreichs Schweden mit der Bundesrepublik Deutschland und das mit dem Königreich der Niederlande, nicht kumulativ anwendbar seien; die Bestimmungen beider Abkommen gälten nämlich jeweils nur für Unternehmen der Vertrags-, nicht von Drittstaaten. Der Skatterättsnämnd fügte hinzu, diese rechtliche Beurteilung werde durch das Gemeinschaftsrecht nicht berührt.
11 Die X AB und die Y AB fochten den Vorbescheid beim Regeringsrätt mit der Begründung an, die Versagung der Steuerbegünstigung für Konzernbeiträge im dritten Fall, für die sich der Skatterättsnämnd ausspreche, sei eine nach dem EG-Vertrag unzulässige Diskriminierung; sie beruhe auf einer Verkennung insbesondere der Artikel 6 (nach Änderung jetzt Artikel 12 EG), 52, 58 und 73b EG-Vertrag.
12 Da der Regeringsrätt eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts für entscheidungserheblich erachtete, legte er dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
Gemäß § 2 Absatz 3 des Gesetzes (1947:576) über die staatliche Einkommensteuer werden einem Konzernbeitrag unter gewissen Voraussetzungen bestimmte steuerrechtliche Wirkung zuerkannt, wenn er von einer schwedischen Aktiengesellschaft an eine andere schwedische Aktiengesellschaft geleistet wird, die der erstgenannten Gesellschaft unmittelbar oder zusammen mit einer oder mehreren 100%igen schwedischen Tochtergesellschaften vollständig gehört. Das steuerliche Ergebnis bleibt gleich, wenn eine oder mehrere der 100%igen Tochtergesellschaften ausländische Gesellschaften sind, ihren Sitz aber in ein und demselben Mitgliedstaat haben und Schweden mit diesem Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, das ein Diskriminierungsverbot enthält. Ist es vor diesem Hintergrund mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit den Artikeln 52, 58, 73b und 73d EG-Vertrag vereinbar, eine Regelung anzuwenden, die einem Konzernbeitrag nicht die gleiche steuerrechtliche Wirkung zuerkennt, wenn die schwedische Muttergesellschaft die empfangende Gesellschaft zusammen mit zwei oder mehr 100%igen ausländischen Tochtergesellschaften besitzt, die ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, mit denen Schweden Doppelbesteuerungsabkommen mit Diskriminierungsverbot geschlossen hat?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
13 Vor Beantwortung der Vorlagefrage ist zunächst zu prüfen, ob der Regeringsrätt in einem Verfahren, in dem er über eine Klage gegen einen Vorbescheid des Skatterättsnämnd entscheidet, ein "einzelstaatliches Gericht" im Sinne von Artikel 177 EG-Vertrag ist. Weiter ist zu prüfen, ob der Gerichtshof im Rahmen einer echten und nicht rein hypothetischen Rechtsstreitigkeit um Auslegung des Gemeinschaftsrechts ersucht wird.
14 Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Gerichtshof zur Beurteilung der rein gemeinschaftsrechtlichen Frage, ob die vorlegende Einrichtung als Gericht im Sinne von Artikel 177 EG-Vertrag anzusehen ist, auf eine Reihe von Gesichtspunkten wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständigen Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung und ihre Unabhängigkeit ab (vgl. Urteile vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 61/65, Vaassen-Göbbels, Slg. 1966, 584, und vom 17. September 1997 in der Rechtssache C-54/96, Dorsch Consult, Slg. 1997, I-4961, Randnr. 23).
15 Nach ständiger Rechtsprechung können nationale Gerichte den Gerichtshof ferner nur anrufen, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und das Verfahren, in dem sie entscheiden, auf den Erlaß einer ihrem Wesen nach als Rechtsprechung anzusehenden Entscheidung abzielt (vgl. z. B. Beschluß vom 18. Juni 1980 in der Rechtssache 138/80, Borker, Slg. 1980, 1975, Randnr. 4, und Urteil vom 12. November 1998 in der Rechtssache C-134/97, Victoria Film, Slg. 1998, I-7023, Randnr. 14).
16 Da der Regeringsrätt, wie der Generalanwalt in Nummer 12 seiner Schlussanträge dargelegt hat, unzweifelhaft allen sonstigen in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten Voraussetzungen genügt, ist lediglich zu prüfen, ob er über eine Klage gegen Bescheide des Skatterättsnämnd in einem Verfahren entscheidet, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt.
17 Da im Verfahren vor dem Regeringsrätt die Rechtmässigkeit eines Vorbescheids zu überprüfen ist, der nach Eintritt seiner Bestandskraft die Steuerbehörden bindet und die Grundlage für die Besteuerung bildet, wenn der Antragsteller das in seinem Antrag beschriebene Vorhaben ausführt, übt der Regeringsrätt hier eine Rechtsprechungsfunktion aus (vgl. z. B. Urteil Victoria Film, Randnr. 18).
18 Was die Frage nach dem hypothetischen Charakter der Vorlagefrage angeht, so ist es im Rahmen der durch Artikel 177 EG-Vertrag geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, das die Verantwortung für seine Entscheidung trägt, im Hinblick auf die Umstände dieses Rechtsstreits sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. z. B. Urteile vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-127/92, Enderby, Slg. 1993, I-5535, Randnr. 10, und vom 5. Oktober 1995 in der Rechtssache C-125/94, Aprile, Slg. 1995, I-2919, Randnr. 16).
19 Wenn die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteil vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-83/91, Meilicke, Slg. 1992, I-4871, Randnr. 24, und Urteil Aprile, Randnr. 17).
20 Anders wäre es nur, wenn der Gerichtshof ersucht wäre, über ein Problem hypothetischer Natur zu entscheiden (vgl. Urteile vom 16. Dezember 1981 in der Rechtssache 244/80, Foglia, Slg. 1981, 3045, Randnrn. 18 und 20, und Meilicke, Randnr. 25).
21 Im vorliegenden Fall hat das nationale Gericht den Gerichtshof zwar in einem Rechtsstreit angerufen, in dem es darüber zu entscheiden hat, ob die X AB in der Zukunft der Y AB unter bestimmten Voraussetzungen einen Konzernbeitrag leisten kann. Denn als es den Vorlagebeschluß fasste, war der Konzernbeitrag noch nicht erbracht.
22 Dies macht die Vorlagefrage aber nicht unzulässig. Vor dem nationalen Gericht ist vielmehr eine echte Rechtsstreitigkeit anhängig, in deren Rahmen der Gerichtshof nicht mit einem hypothetischen Problem befasst wurde, sondern ihm ausreichende Angaben zum Ausgangssachverhalt gemacht wurden, um die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen auslegen und die Vorlagefrage zweckdienlich beantworten zu können (vgl. Urteil Aprile, Randnr. 20).
23 Da der Vorlagebeschluß diese Bedingung erfuellt, ist der Regeringsrätt im vorliegenden Ausgangsverfahren als einzelstaatliches Gericht im Sinne von Artikel 177 EG-Vertrag anzusehen; die Vorlagefrage ist deshalb zulässig.
Zur Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens
24 Das Ausgangsverfahren betrifft drei Typen von Konzernbeiträgen:
- Konzernbeiträge zwischen zwei in einem Mitgliedstaat ansässigen Aktiengesellschaften, von denen eine der anderen vollständig gehört, und zwar entweder unmittelbar oder zusammen mit einer 100%igen, im selben Staat ansässigen Tochtergesellschaft oder mehreren solcher Tochtergesellschaften (im folgenden: Konzernbeitrag des Typs A);
- Konzernbeiträge zwischen zwei in einem Mitgliedstaat ansässigen Aktiengesellschaften, von denen eine der anderen vollständig gehört, und zwar gemeinsam mit einer 100%igen, in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft oder mehreren solcher - in einem anderen, aber demselben Mitgliedstaat ansässigen - Tochtergesellschaften, wenn zwischen beiden Mitgliedstaaten ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, das ein Diskriminierungsverbot enthält (im folgenden: Konzernbeitrag des Typs B);
- Konzernbeiträge zwischen zwei in einem Mitgliedstaat ansässigen Aktiengesellschaften, von denen eine der anderen vollständig gehört, und zwar gemeinsam mit mehreren, in verschiedenen anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften, wenn zwischen dem erstgenannten Mitgliedstaat und den anderen Mitgliedstaaten Doppelbesteuerungsabkommen bestehen, die ein Diskriminierungsverbot enthalten (im folgenden: Konzernbeitrag des Typs C).
25 Das nationale Gericht möchte wissen, ob die Artikel 52 und 58 EG-Vertrag über die Niederlassungsfreiheit und die Artikel 73b und 73d EG-Vertrag über den freien Kapitalverkehr nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach bestimmte steuerliche Begünstigungen nur für Konzernbeiträge der Typen A und B, nicht aber des Typs C gewährt werden.
26 Auch wenn die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut insbesondere die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, so verbieten sie es doch auch, daß der Herkunftsstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft, die im übrigen der Definition des Artikels 58 EG-Vertrag entspricht, in einem anderen Mitgliedstaat behindert (vgl. Urteile vom 27. September 1988 in der Rechtssache 81/87, Daily Mail and General Trust, Slg. 1988, 5483, Randnr. 16, und vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-4695, Randnr. 21).
27 Die Rechtsvorschriften, um die es im Ausgangsverfahren geht, versagen schwedischen Gesellschaften, die von ihrem Recht auf Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht haben, um in anderen Mitgliedstaaten Tochtergesellschaften zu gründen, den Anspruch auf bestimmte steuerliche Begünstigungen für Konzernbeiträge des Typs C.
28 Sie behandeln damit verschiedene Typen von Konzernbeiträgen nach Maßgabe des Sitzes der Tochtergesellschaften ungleich. Eine solche Ungleichbehandlung läuft den Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit zuwider, sofern sie nicht gerechtfertigt werden kann. Dabei ist es unerheblich, daß nach der Rechtsprechung des Regeringsrätt Konzernbeiträge des Typs B ebenso zu behandeln sind wie solche des Typs A.
29 Die schwedische Regierung hat im Ausgangsverfahren nicht versucht, diese Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen. Sie hat in der mündlichen Verhandlung ausserdem ausdrücklich eingeräumt, daß die fraglichen Rechtsvorschriften Artikel 52 EG-Vertrag zuwiderlaufen.
30 Demnach braucht nicht geprüft zu werden, ob die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen.
31 Auf die Vorlagefrage ist deshalb zu antworten, daß es gegen die Artikel 52 bis 58 EG-Vertrag verstösst, wenn ein Mitgliedstaat für Konzernbeiträge zwischen zwei in seinem Gebiet ansässigen Aktiengesellschaften, von denen eine der anderen vollständig gehört, und zwar entweder unmittelbar oder zusammen mit
- einer 100%igen, im selben Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft oder mehreren solcher Tochtergesellschaften oder
- einer 100%igen Tochtergesellschaft oder mehreren solchen Tochtergesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, mit dem der erstgenannte Mitgliedstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, das ein Diskriminierungsverbot enthält,
bestimmte steuerliche Begünstigungen gewährt, diese aber für Konzernbeiträge zwischen zwei in diesem Mitgliedstaat ansässigen Aktiengesellschaften versagt, von denen eine der anderen vollständig gehört, und zwar zusammen mit 100%igen Tochtergesellschaften mit Sitz in verschiedenen anderen Mitgliedstaaten, mit denen der erstgenannte Mitgliedstaat jeweils ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, das ein Diskriminierungsverbot enthält.
Kosten
32 Die Auslagen der schwedischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Regeringsrätt mit Beschluß vom 29. April 1998 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Es verstösst gegen Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG), 53 EG-Vertrag (aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam), 54 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 44 EG), 55 EG-Vertrag (jetzt Artikel 45 EG), 56 und 57 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 46 EG und 47 EG) sowie 58 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG), wenn ein Mitgliedstaat für Konzernbeiträge zwischen zwei in seinem Gebiet ansässigen Aktiengesellschaften, von denen eine der anderen vollständig gehört, und zwar entweder unmittelbar oder zusammen mit
- einer 100%igen, im selben Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft oder mehreren solcher Tochtergesellschaften oder
- einer 100%igen Tochtergesellschaft oder mehreren solchen Tochtergesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, mit dem der erstgenannte Mitgliedstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, das ein Diskriminierungsverbot enthält,
bestimmte steuerliche Begünstigungen gewährt, diese aber für Konzernbeiträge zwischen zwei in diesem Mitgliedstaat ansässigen Aktiengesellschaften versagt, von denen eine der anderen vollständig gehört, und zwar zusammen mit 100%igen Tochtergesellschaften mit Sitz in verschiedenen anderen Mitgliedstaaten, mit denen der erstgenannte Mitgliedstaat jeweils ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, das ein Diskriminierungsverbot enthält.