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Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 10. September 2002. - Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH gegen Finanzamt für Körperschaften I in Berlin. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland. - Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben c und g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG - Befreiung von Pflegeleistungen, die von Kapitalgesellschaften erbracht werden - Mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, die von anderen Einrichtungen als Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt wurden, erbracht werden - Unmittelbare Wirkung. - Rechtssache C-141/00.
Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-06833
Leitsätze
Parteien
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
1. Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie - Befreiung von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Rahmen ärztlicher und arztähnlicher Berufe - Rechtsform des Steuerpflichtigen - Unbeachtlich
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c)
2. Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie - Befreiung von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Rahmen ärztlicher und arztähnlicher Berufe - Ort und Art der Leistungen - Außerhalb von Krankenhäusern erbrachte Heilbehandlungen
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c)
3. Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie - Befreiung von mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen - Umfang - Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung - Einbeziehung
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g)
4. Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie - Befreiung von mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen - Unmittelbare Wirkung - Grenzen - Ermessen der nationalen Behörden hinsichtlich des Begriffes als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" - Nachprüfung durch die nationalen Gerichte
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g)
1. Die für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388 ist von der Rechtsform des Steuerpflichtigen, der die dort genannten ärztlichen oder arztähnlichen Leistungen erbringt, unabhängig.
Der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegende Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der bei der Anwendung der in Artikel 13 der Sechsten Richtlinie 77/388 vorgesehenen Befreiungstatbestände zu beachten ist, verbietet es nämlich insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleiche Umsätze bewirken, bei der Steuererhebung unterschiedlich behandelt werden. Dieser Grundsatz wäre daher verletzt, wenn die Möglichkeit einer Berufung auf die genannte Steuerbefreiung von der Rechtsform abhinge, in der der Steuerpflichtige seine Tätigkeit ausübt.
( vgl. Randnrn. 29-31, Tenor 1 )
2. Die für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388 erfasst Leistungen der Behandlungspflege durch eine einen ambulanten Pflegedienst betreibende Kapitalgesellschaft, die - auch als häusliche Leistungen - von qualifiziertem Krankenpflegepersonal erbracht werden, nicht aber Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung.
Was den Ort angeht, an dem die Leistungen zu erbringen sind, so sollen nach dieser Bestimmung diejenigen Heilbehandlungen steuerfrei sein, die außerhalb von Krankenhäusern, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort, erbracht werden. Was die Art der Pflegeleistungen betrifft, die unter den Begriff Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" fallen, so kann dieser Begriff nicht so ausgelegt werden, dass er medizinische Eingriffe umfasst, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden.
( vgl. Randnrn. 35-38, 41, Tenor 2 )
3. Die Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von ambulanten Pflegediensten erbracht werden, stellen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie 77/388 dar.
( vgl. Randnr. 61, Tenor 3a )
4. Ein Steuerpflichtiger kann sich auf die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie 77/388 vorgesehene Befreiung für eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen vor einem nationalen Gericht berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist.
Was jedoch die Frage angeht, ob der Steuerpflichtige tatsächlich eine von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung" ist, räumt diese Bestimmung den Mitgliedstaaten ein Ermessen dahin gehend ein, ob sie bestimmten Einrichtungen sozialen Charakter zuerkennen; solange ein Mitgliedstaat die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens beachtet, kann der Einzelne ihm gegenüber die Eigenschaft einer Einrichtung mit sozialem Charakter nicht dadurch erlangen, dass er sich auf diese Bestimmung beruft.
Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die zuständigen Behörden diese Grenzen bei der Anwendung der Gemeinschaftsgrundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Gleichbehandlung, beachtet haben, und demgemäß anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne der fraglichen Bestimmung ist.
( vgl. Randnrn. 54-56, 61, Tenor 3b )
In der Rechtssache C-141/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Bundesfinanzhof (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH
gegen
Finanzamt für Körperschaften I in Berlin
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben c und g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin F. Macken (Berichterstatterin) sowie der Richter C. Gulmann, J.-P. Puissochet, R. Schintgen und J. N. Cunha Rodrígues,
Generalanwalt: A. Tizzano
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt U. Behr,
- des Finanzamts für Körperschaften I in Berlin, vertreten durch W. Lang als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und T. Jürgensen als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und K. Gross als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt U. Behr, des Finanzamts für Körperschaften I in Berlin, vertreten durch H.-J. Klees als Bevollmächtigten, der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing, und der Kommission, vertreten durch K. Gross, in der Sitzung vom 28. Juni 2001,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. September 2001,
folgendes
Urteil
1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 3. Februar 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 14. April 2000, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben c und g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH (im Folgenden: Klägerin) und dem Finanzamt für Körperschaften I in Berlin (im Folgenden: Finanzamt) über die Erhebung von Mehrwertsteuer auf von der Klägerin in den Jahren 1988 bis 1990 erbrachte ambulante Pflegeleistungen zu einem ermäßigten Satz, die nach Ansicht der Klägerin von der Mehrwertsteuer zu befreien gewesen wären.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3 Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt", der Mehrwertsteuer.
4 Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie lautet:
(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst."
5 Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben b, c und g der Sechsten Richtlinie bestimmt:
Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
...
b) die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden;
c) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden;
...
g) die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen."
6 Artikel 13 Teil A Absatz 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
a) Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der unter Absatz 1 Buchstaben ... g ... vorgesehenen Befreiungen für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, von Fall zu Fall von der Erfuellung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen abhängig machen:
- Die betreffenden Einrichtungen dürfen keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.
- Leitung und Verwaltung müssen im Wesentlichen ehrenamtlich durch Personen erfolgen, die weder selbst noch über zwischengeschaltete Personen ein unmittelbares oder mittelbares Interesse an den Ergebnissen der betreffenden Tätigkeit haben.
- Es müssen Preise angewendet werden, die von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder solche, die die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Tätigkeiten, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen Preise angewendet werden, die unter den Preisen liegen, die von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen für entsprechende Tätigkeiten gefordert werden.
- Die Befreiungen dürfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zu Ungunsten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen führen.
b) Von der in Absatz 1 Buchstaben ... g ... vorgesehenen Steuerbefreiung sind Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn
- sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind;
- sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden."
Nationale Regelung
7 § 4 Nummern 14 und 16 des Umsatzsteuergesetzes von 1980 (im Folgenden: UStG) bestimmt:
Von den unter § 1 Nr. 1 bis 3 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
...
14. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker. Steuerfrei sind auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Satz 1 bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1 steuerfreien Umsätze verwendet werden. ...
...
16. die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung sowie der Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime eng verbundenen Umsätze, wenn
a) diese Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden oder
b) bei Krankenhäusern ...
c) bei Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden ...
d) bei Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen ..."
8 § 4 Nummer 16 UStG wurde durch das Steueränderungsgesetz 1992 (im Folgenden: StÄndG) geändert, mit dem dieser Nummer insbesondere ein Buchstabe e angefügt wurde, der Folgendes bestimmt:
16. die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken und anderen von Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung sowie der Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze, wenn
...
e) bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind."
9 § 18 Absatz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: EStG) bestimmt, was unter Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit" zu verstehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bezieht sich die Verweisung in § 4 Nummer 14 UStG auf § 18 Absatz 1 Nummer 1 EStG nur auf die Beurteilung der Art der Tätigkeiten, nicht aber auf die ertragsteuerrechtliche Qualifizierung der Einkünfte. Die Steuerbefreiung in § 4 Nummer 14 UStG ist daher nicht auf die natürliche Person des jeweiligen Berufsträgers beschränkt, sondern kann auch von einer Personen- oder einer Kapitalgesellschaft beansprucht werden.
10 Hinsichtlich häuslicher Pflegedienste umfasst die Steuerbefreiung des § 4 Nummer 14 Satz 1 UStG nur die Leistungen der Behandlungspflege, d. h. Pflegemaßnahmen, die durch eine Erkrankung veranlasst sind und im Rahmen der häuslichen Krankenpflege durch Krankenschwestern und Krankenpfleger durchgeführt werden, denn nur insoweit besteht eine Ähnlichkeit der ausgeübten Tätigkeit mit den in § 4 Nummer 14 UStG aufgeführten Katalogberufen. Ausgeschlossen sind nach dieser Bestimmung somit zum einen Leistungen der Grundpflege, d. h. der Körperpflege, des Zubereitens und der Verabreichung der Nahrung sowie des An- und Auskleidens sowie beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, und zum anderen die hauswirtschaftliche Versorgung, die Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und Waschen der Kleidung umfasst.
11 Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch Einrichtungen der ambulanten Pflege fielen erst nach der Gesetzesänderung durch das StÄndG 1992 unter § 4 Nummer 16 UStG. Dessen Rückwirkung aus sachlichen Billigkeitsgründen wurde von der Finanzverwaltung abgelehnt.
Sachverhalt und Ausgangsverfahren
12 Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts, die in den Jahren 1988 bis 1990 einen ambulanten Pflegedienst betrieb. Sie verfolgte nach ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar mildtätige Zwecke durch Unterstützung von Personen, die wegen ihres körperlichen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen oder wirtschaftlich hilfsbedürftig im Sinne von § 53 Absatz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung (AO) 1977 waren.
13 Der Satzungszweck der Klägerin sollte insbesondere durch Leistungen der Behandlungspflege, der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erreicht werden.
14 Das Finanzamt bescheinigte der Klägerin durch einen bis zum 31. Dezember 1989 befristeten Bescheid vom 23. August 1988 die Verfolgung mildtätiger Zwecke.
15 Mit verschiedenen Bescheiden setzte das Finanzamt die von der Klägerin für die Jahre 1988 bis 1990 geschuldete Umsatzsteuer aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen mit dem ermäßigten Steuersatz fest.
16 Die Klägerin legte Einspruch mit der Begründung ein, ihre Umsätze seien nach § 4 Nummern 14 und 16 UStG von der Mehrwertsteuer zu befreien. Nach Zurückweisung ihres Einspruchs erhob sie Klage beim Finanzgericht Berlin, das ihre Klage jedoch abwies.
17 Das Finanzgericht Berlin vertrat die Ansicht, die Klägerin übe keinen der in § 4 Nummer 14 Satz 1 UStG aufgezählten Berufe aus, da sie als juristische Person nicht die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfuelle. Sie erbringe auch keine steuerfreien Umsätze nach § 4 Nummer 16 UStG, da sie keine Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung im Sinne von § 4 Nummer 16 Buchstabe c UStG unterhalten habe und da die in § 4 Nummer 16 Buchstabe e UStG in seiner geänderten Fassung vorgesehene Steuerbefreiung für Umsätze der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen erst 1992 eingeführt worden sei.
18 Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Steuerbefreiungsvorschriften der Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben c und g der Sechsten Richtlinie berufen, da diese Bestimmungen richtlinienkonform in nationales Recht umgesetzt worden seien. Zum einen erfuellten nämlich nur natürliche Personen mit den Qualifikationsmerkmalen der ärztlichen oder arztähnlichen Berufe die Voraussetzungen des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie. Zum anderen sei die Klägerin keine Einrichtung, die im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt sei, da die Anbieter privater Krankenpflege nicht in den Katalog der in § 4 Nummer 16 UStG genannten Einrichtungen aufgenommen worden seien.
19 Unter diesen Umständen legte die Klägerin Revision beim Bundesfinanzhof ein, der das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die nachstehenden drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:
1. Gilt die Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG nur, wenn die Heilbehandlung von einer Einzelperson" ausgeführt wird, oder ist die Befreiung von der Rechtsform des behandelnden Unternehmers unabhängig?
2. Falls die Befreiung auch bei Kapitalgesellschaften anwendbar ist: Erfasst die Befreiung insgesamt oder teilweise die Umsätze einer Kapitalgesellschaft durch ambulante Krankenpflege (Behandlungspflege, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung), die von geprüften Krankenschwestern und Krankenpflegern erbracht wird?
3. Fallen die bezeichneten Leistungen unter Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 77/388/EWG, und kann sich ein Steuerpflichtiger auf diese Bestimmung berufen?
Zur ersten Frage
20 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie von der Rechtsform des Steuerpflichtigen abhängig ist, der die dort genannten ärztlichen oder arztähnlichen Leistungen erbringt.
21 Das Finanzamt trägt vor, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach die in Artikel 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts seien und die Begriffe, mit denen diese Befreiungen umschrieben seien, eng auszulegen seien, müssten die Heilbehandlungen im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, so dass der Anwendungsbereich des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c notwendig auf natürliche Personen beschränkt sei.
22 Die Klägerin, die deutsche und die schwedische Regierung sowie die Kommission vertreten hingegen im Wesentlichen die Ansicht, die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie hänge nicht von der Rechtsform des die Heilbehandlung erbringenden Unternehmens ab, so dass auch von juristischen Personen erbrachte Leistungen befreit seien.
23 Die deutsche Regierung weist darauf hin, dass nach dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität natürliche und juristische Personen unabhängig von der Wortwahl des Befreiungstatbestands gleichzubehandeln seien.
24 Aus dem Wortlaut des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie, der sich auf Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" beziehe, gehe hervor, dass es für die Steuerbefreiung allein auf die Art der bezeichneten Tätigkeit ankomme. Diese Auslegung werde durch die allgemeinen Grundsätze der Sechsten Richtlinie und insbesondere deren Artikel 2 und 4 gestützt. Außerdem bestehe der Sinn und Zweck der Steuerbefreiung u. a. darin, Krankheitskosten niedrig zu halten und den Gesundheitsschutz zu fördern.
25 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Steuerbefreiungen nach ständiger Rechtsprechung autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts darstellen, die im Gesamtzusammenhang des durch die Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind (siehe u. a. Urteile vom 26. März 1987 in der Rechtssache 235/85, Kommission/Niederlande, Slg. 1987, 1471, Randnr. 18, vom 15. Juni 1989 in der Rechtssache 348/87, Stichting Uitvoering Financiële Acties, Slg. 1989, 1737, Randnr. 11, und vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C-2/95, SDC, Sammlung 1997, I-3017, Randnr. 21).
26 Außerdem ist festzustellen, dass Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie die steuerbefreiten Umsätze nach der Art der erbrachten Leistungen definiert, ohne die Rechtsform des Leistenden zu erwähnen.
27 Nach wörtlicher Auslegung verlangt diese Bestimmung für eine Befreiung ärztlicher Leistungen nicht, dass diese von einem Steuerpflichtigen mit bestimmter Rechtsform erbracht werden. Es genügt, dass zwei Voraussetzungen erfuellt sind: Es muss sich um ärztliche Leistungen handeln, und diese müssen von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen.
28 Dieser Auslegung steht auch nicht die Rechtsprechung des Gerichtshofes entgegen, wonach die Steuerbefreiungen des Artikels 13 der Sechsten Richtlinie eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (siehe insbesondere Urteil SDC, Randnr. 20).
29 Die Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen, die von juristischen Personen erbracht werden, steht nämlich im Einklang mit dem Zweck, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2001 in der Rechtssache C-76/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-249, Randnr. 23) sowie mit dem dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegenden Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der bei der Anwendung der in Artikel 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungstatbestände zu beachten ist (vgl. u. a. Urteil vom 7. September 1999 in der Rechtssache C-216/97, Gregg, Slg. 1999, I-4947, Randnr. 19).
30 Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden. Dieser Grundsatz wäre daher verletzt, wenn die Möglichkeit einer Berufung auf die Steuerbefreiung für die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c genannten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Rechtsform abhinge, in der der Steuerpflichtige seine Tätigkeit ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil Gregg, Randnr. 20).
31 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie von der Rechtsform des Steuerpflichtigen, der die dort genannten ärztlichen oder arztähnlichen Leistungen erbringt, unabhängig ist.
Zur zweiten Frage
32 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie Leistungen der Behandlungspflege und solche der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung durch eine einen ambulanten Pflegedienst betreibende Kapitalgesellschaft erfasst, die als häusliche Leistungen von qualifiziertem Krankenpflegepersonal erbracht werden.
33 Im Gegensatz zur Klägerin vertreten das Finanzamt, die deutsche Regierung und die Kommission die Ansicht, die Befreiung nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c erfasse nur Heilbehandlungen, d. h. Pflegeleistungen, die im Zusammenhang mit der Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung einer Erkrankung stuenden. Die übrigen, die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung betreffenden Tätigkeiten fielen nicht unter diese Ausnahme, da sie, weil mit ihnen kein unmittelbarer therapeutischer Zweck verfolgt werde, als solche nicht zur Genesung des Erkrankten beitrügen.
34 Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort geben zu können, ist nacheinander zu prüfen, an welchem Ort die Leistungen erbracht werden müssen, um nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie steuerfrei sein zu können, und welche Leistungen ihrer Art nach unter diese Bestimmung fallen.
35 Zu dem Ort, an dem die Leistungen zu erbringen sind, hat der Gerichtshof im Urteil vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 353/85 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1988, 817, Randnrn. 32 und 33) bereits festgestellt, dass Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie - im Gegensatz zu Buchstabe b dieser Bestimmung, der Leistungen betrifft, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen bestehen, die üblicherweise ohne Gewinnerzielungsabsicht in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie etwa der des Schutzes der menschlichen Gesundheit erbracht werden - auf Leistungen anwendbar ist, die außerhalb von Krankenanstalten im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Behandelndem, und zwar normalerweise in den Praxisräumen des Letzteren, erbracht werden.
36 Die Buchstaben b und c des Artikels 13 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie, deren Anwendungsbereiche unterschiedlich sind, bezwecken somit eine abschließende Regelung der Steuerbefreiungen für Leistungen der Heilbehandlung im engeren Sinne. Nach Buchstabe b dieser Bestimmung sollen alle Leistungen steuerfrei sein, die in Krankenhäusern erbracht werden, während nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c diejenigen Heilbehandlungen steuerfrei sein sollen, die außerhalb von Krankenhäusern, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort, erbracht werden.
37 Was die Bestimmung der Art der Pflegeleistungen angeht, die unter den in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie verwendeten Begriff Heilbehandlungen" im Bereich der Humanmedizin fallen, so sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, wie bereits in Randnummer 28 dieses Urteils ausgeführt, eng auszulegen (Urteil Stichting Uitvoering Financiële Acties, Randnr. 13).
38 Hierzu hat der Gerichtshof im Urteil vom 14. September 2000 in der Rechtssache C-384/98 (D., Slg. 2000, I-6795, Randnr. 18) bereits festgestellt, dass der Begriff der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" nicht so ausgelegt werden kann, dass er medizinische Eingriffe umfasst, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden.
39 Daher müssen die Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, gemäß dem Grundsatz, dass Bestimmungen zur Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung eng auszulegen sind, vom Anwendungsbereich des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie ausgeschlossen werden.
40 Folglich kommen für eine Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie nur Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin in Betracht, die außerhalb von Krankenanstalten im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose oder Therapie erbracht werden, nicht aber sonstige, die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung betreffende Tätigkeiten.
41 Demgemäß ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie Leistungen der Behandlungspflege durch eine einen ambulanten Pflegedienst betreibende Kapitalgesellschaft erfasst, die - auch als häusliche Leistungen - von qualifiziertem Krankenpflegepersonal erbracht werden, nicht aber Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung.
Zur dritten Frage
42 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie darstellen und, bejahendenfalls, ob sich ein Steuerpflichtiger auf diese Bestimmung berufen kann.
43 Zum ersten Teil dieser Frage vertreten alle Beteiligten, die dazu Erklärungen abgegeben haben, die Auffassung, dass von ambulanten Pflegediensten erbrachte Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung unter diese Bestimmung fielen.
44 Hierzu genügt die Feststellung, dass nach dem Wortlaut des Artikels 13 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie Leistungen der Behandlungspflege gemäß Buchstabe c dieser Bestimmung steuerfrei sind, während Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen, wie den Empfängern der Leistungen der Klägerin, von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, grundsätzlich mit der sozialen Hilfe verbunden sind, so dass sie unter den Begriff eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen" gemäß Buchstabe g diese Bestimmung fallen.
45 Mit dem zweiten Teil dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie unmittelbare Wirkung hat, so dass sich ein Steuerpflichtiger vor den nationalen Gerichten auf ihn berufen kann.
46 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Frage hinsichtlich der Bundesrepublik Deutschland nur für die Zeit vor 1992 stellt, da die Steuerbefreiung seither auch für Leistungen gilt, die von Einrichtungen zur ambulanten Pflege pflegebedürftiger Personen erbracht werden.
47 Die Klägerin trägt vor, sie sei eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie und habe sich daher auf diese Bestimmung schon berufen können, bevor der deutsche Gesetzgeber durch Einfügung des Buchstaben e in § 4 Nummer 16 UStG von seinem Ermessen Gebrauch gemacht habe. So habe sie auch außerhalb des Steuerrechts als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt werden und somit in den Genuss des Befreiungstatbestands kommen können. Die von diesen Bestimmungen betroffenen Personen seien nämlich anhand der anwendbaren nationalen Vorschriften (Bundesrecht, Landesrecht, Verwaltungspraxis) bestimmbar, so dass sie sich unmittelbar auf Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie berufen könnten.
48 Die deutsche Regierung und das Finanzamt sprechen sich strikt gegen eine unmittelbare Anwendbarkeit von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie aus und verweisen vor allem darauf, dass die dort geregelte Steuerbefreiung zwar auch anderen Einrichtungen als solchen des öffentlichen Rechts gewährt werden könne, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese zuvor von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt" worden seien. Solange eine Einrichtung nicht anerkannt worden sei - diese Anerkennung könne nur durch den Gesetzgeber erfolgen - könne sich der Einzelne nicht auf diese Bestimmung berufen, da sie nicht unbedingt sei.
49 Dagegen weist die Kommission darauf hin, dass, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass eine Einrichtung in einem Mitgliedstaat in irgendeiner Weise als Einrichtung mit sozialem Charakter angesehen werde, die zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats zu prüfen hätten, ob dies zur Erfuellung der Voraussetzungen des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie ausreiche. Es sei aber nicht erforderlich, dass diese Anerkennung durch ein Gesetz erfolge, wie die deutsche Regierung meine.
50 Außerdem sei auszuschließen, dass Artikel 13 Teil A Absatz 2 der Sechsten Richtlinie, der die Mitgliedstaaten ermächtige, die Gewährung namentlich der Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie von der Erfuellung bestimmter Bedingungen abhängig zu machen, irgendeinen Einfluss auf die inhaltliche Unbedingtheit und hinreichende Genauigkeit dieser Bestimmung haben könne, wenn der betreffende Mitgliedstaat von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht habe.
51 Nach ständiger Rechtsprechung (siehe u. a. Urteil vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81, Becker, Slg. 1982, 53, Randnr. 25, vom 25. Mai 1993 in der Rechtssache C-193/91, Mohsche, Slg. 1993, I-2615, Randnr. 17, und vom 26. September 2000 in der Rechtssache C-134/99, IGI, Slg. 2000, I-7717, Randnr. 36) kann sich der Einzelne in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen; er kann sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit sie so geartet sind, dass sie Rechte festlegen, die der Einzelne dem Staat gegenüber geltend machen kann.
52 Erstens kann ein Mitgliedstaat, auch wenn Artikel 13 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die Steuerbefreiungen unter den Bedingungen [anwenden], die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung [dieser] Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen", einem Steuerpflichtigen, der in der Lage ist, zu beweisen, dass er steuerrechtlich unter einen Befreiungstatbestand der Richtlinie fällt, nicht entgegenhalten, dass er die Vorschriften, die die Anwendung eben dieser Steuerbefreiung erleichtern sollen, nicht erlassen hat (zu Artikel 13 Teil B der Sechsten Richtlinie vgl. Urteil Becker, Randnr. 33).
53 Zweitens ist festzustellen, dass Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie hinreichend genau und unbedingt die Tätigkeiten aufzählt, die steuerfrei sind.
54 Was drittens den Begriff von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" angeht, hat die deutsche Regierung zu Recht darauf hingewiesen, dass Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie den Mitgliedstaaten ein Ermessen in der Frage einräumt, ob sie bestimmten Einrichtungen sozialen Charakter zuerkennen.
55 Solange die Mitgliedstaaten die Grenzen des ihnen in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie eingeräumten Ermessens beachten, kann der Einzelne mit Wirkung gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat die Eigenschaft einer Einrichtung mit sozialem Charakter nicht dadurch erlangen, dass er sich auf diese Bestimmung beruft.
56 Demgemäß obliegt es, wenn ein Einzelner die Eigenschaft als Einrichtung mit sozialem Charakter beansprucht, den nationalen Gerichten, zu prüfen, ob die zuständigen Behörden diese Grenzen bei der Anwendung der Gemeinschaftsgrundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Gleichbehandlung, beachtet haben.
57 Es ist daher Sache der nationalen Behörden, nach dem Gemeinschaftsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte, insbesondere unter Berücksichtigung der Praxis der zuständigen Verwaltung in ähnlichen Fällen zu bestimmen, welche Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie anzuerkennen sind.
58 Im Ausgangsverfahren kann das vorlegende Gericht somit das Bestehen spezifischer Vorschriften berücksichtigen, gleich ob es sich dabei um nationale oder regionale, um Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, um Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handelt, sowie den Umstand, dass Gemeinschaften mit den gleichen Tätigkeiten wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens wegen des mit diesen Tätigkeiten verbundenen Gemeinwohlinteresses bereits in den Genuss einer ähnlichen Steuerbefreiung kommen, und den Umstand, dass die Kosten der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens erbrachten Leistungen möglicherweise zum großen Teil von durch Gesetz errichteten Krankenkassen oder von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden, zu denen die privaten Wirtschaftsteilnehmer, wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens, vertragliche Beziehungen unterhalten.
59 Dem steht auch nicht die in Artikel 13 Teil A Absatz 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Möglichkeit entgegen, die Gewährung der in Absatz 1 dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiungen von der Erfuellung einer oder mehrerer Bedingungen abhängig zu machen.
60 Diese Beschränkung der Befreiungsregel hat nämlich nur Eventualcharakter, und ein Mitgliedstaat, der es unterlassen hat, die insoweit erforderlichen Maßnahmen zu treffen, kann sich nicht auf sein eigenes Unterlassen berufen, um einem Steuerpflichtigen eine Steuerbefreiung zu verwehren, die dieser nach der Sechsten Richtlinie in Anspruch nehmen kann.
61 Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von ambulanten Pflegediensten erbracht werden, eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie darstellen. Auf die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie kann sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung ist.
Kosten
62 Die Auslagen der deutschen und der schwedischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 3. Februar 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist von der Rechtsform des Steuerpflichtigen, der die dort genannten ärztlichen oder arztähnlichen Leistungen erbringt, unabhängig.
2. Die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388 erfasst Leistungen der Behandlungspflege durch eine einen ambulanten Pflegedienst betreibende Kapitalgesellschaft, die - auch als häusliche Leistungen - von qualifiziertem Krankenpflegepersonal erbracht werden, nicht aber Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung.
3. a) Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, stellen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie 77/388 dar.
b) Auf die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie 77/388 kann sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung ist.