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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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62000C0385

Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 20. Juni 2002. - F.W.L. de Groot gegen Staatssecretaris van Financiën. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad der Nederlanden - Niederlande. - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Doppelbesteuerungsabkommen - Niederländische Rechtsvorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. - Rechtssache C-385/00.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-11819


Schlußanträge des Generalanwalts


1. Da die direkte Besteuerung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, läuft ein Gemeinschaftsbürger, der ein Gehalt in dem Staat, in dem er seinen Wohnsitz hat, und in einem weiteren Staat der Gemeinschaft bezieht, Gefahr, dass seine Bezüge sowohl in diesem letzten Staat, Beschäftigungsstaat genannt, als auch im Wohnsitzstaat besteuert werden.

2. Die Beseitigung der Doppelbesteuerung gehört zwar zu den Zielen des EG-Vertrags, das Gemeinschaftsrecht bestimmt aber nicht die Methode, mit der dieses Ziel am besten erreicht werden kann. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, untereinander die Bestimmungen zu erlassen, die dafür erforderlich sind.

3. In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof gefragt, ob mit Artikel 48 EG-Vertrag und Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates Bestimmungen vereinbar sind, nach denen ein Arbeitnehmer bei der Berechnung seiner Einkommensteuer in seinem Wohnsitzstaat einen Teil seiner Steuerfreibeträge verliert, weil er in ein und demselben Jahr Bezüge im Wohnsitzstaat und in einem anderen Mitgliedstaat erhalten hat.

I - Das Gemeinschaftsrecht

4. Nach Artikel 48 Absätze 1 und 2 EG-Vertrag ist innerhalb der Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet; sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

5. Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmt u. a.:

(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

..."

II - Das nationale Recht

6. Das nationale Recht besteht zum einen aus den bilateralen Abkommen des Königreichs der Niederlande mit der Bundesrepublik Deutschland, mit der Französischen Republik und mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland. Zum anderen umfasst es die niederländischen Rechtsvorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, auf die das genannte Abkommen des Königreichs der Niederlande mit dem Vereinigten Königreich verweist.

7. Nach den anwendbaren bilateralen Abkommen werden die Einkünfte, die eine Person mit Wohnsitz in den Niederlanden in einem der Mitgliedstaaten erzielt, die die Abkommen unterzeichnet haben, in diesem letzten Staat besteuert, wenn die Beschäftigung dort ausgeübt wird.

8. In den Niederlanden gilt für diese Einkünfte eine Befreiung, sie werden jedoch bei der Berechnung der Steuer der Gebietsansässigen auf ihre in diesem Staat erhaltenen Bezüge für die Progression des Steuersatzes berücksichtigt.

9. So wird die in den Niederlanden geschuldete Steuer folgendermaßen berechnet:

- Die Steuer wird zunächst auf der Grundlage sämtlicher Einkünfte einschließlich der befreiten ausländischen Einkünfte nach der progressiven Tabelle des allgemeinen Steuerrechts berechnet, wobei die im Rahmen von Unterhaltsverpflichtungen gezahlten Beträge und der Steuerfreibetrag, auf den der Steuerpflichtige aufgrund seiner Situation Anspruch hat, abgezogen werden.

- Von diesem theoretischen Betrag wird die Befreiung abgezogen, auf die wegen der in den Beschäftigungsstaaten erzielten und besteuerten Einkünfte Anspruch besteht.

- Diese Befreiung wird wie folgt berechnet:

ausländische Bruttoeinkünfte

Steuer auf das Gesamteinkommen x ----------------------------.

weltweite Bruttoeinkünfte

Die vom Betroffenen aufgrund seiner Unterhaltsverpflichtungen gezahlten Beträge sowie der Freibetrag, die bei der Berechnung der Steuer auf das Gesamteinkommen berücksichtigt werden, werden nicht von den weltweiten Bruttoeinkünften im Nenner des Verhältnismäßigkeitsbruchs abgezogen.

10. Die Berechnungsmodalitäten für diese Befreiung bezwecken eine Aufteilung der an die persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen geknüpften Freibeträge auf sein gesamtes Einkommen. Folglich werden diese Freibeträge auf die in den Niederlanden geschuldeten Steuern nur im anteiligen Verhältnis der vom Betroffenen in diesem Staat erzielten Einkünfte angerechnet.

III - Sachverhalt und Ausgangsverfahren

11. Herr de Groot (nachfolgend: Kläger), ein niederländischer Staatsangehöriger, hatte 1994 seinen Wohnsitz in den Niederlanden. Im ersten Quartal 1994 erzielte er Einkünfte als Arbeitnehmer in Deutschland, Frankreich und im Vereinigten Königreich in Höhe von 74 395, 84 812 und 35 009 NLG. Ferner bezog er in den Niederlanden ein Gehalt von 89 665 NGL.

12. Vom 1. April 1994 an war der Kläger arbeitslos. Er bezog Unterstützungsleistungen in Höhe von 34 743 NLG.

13. Im Laufe desselben Jahres leistete er Unterhaltszahlungen in Höhe von 43 230 NLG, und am 26. Dezember 1994 zahlte er 135 000 NLG zur Ablösung der entsprechenden Unterhaltsverpflichtungen.

14. Wegen der in Deutschland, in Frankreich und im Vereinigten Königreich erzielten Einkünfte entrichtete er in diesen Staaten Steuern in Höhe von 16 768, 12 398 und 11 335 NLG. Bei der Berechnung dieser Steuern wurden die von ihm aufgrund seiner Unterhaltsverpflichtungen gezahlten Beträge nicht berücksichtigt.

15. Die Steuer auf die in den Niederlanden erzielten Einkünfte wurde von der niederländischen Steuerverwaltung gemäß der in Nummer 9 dieser Schlussanträge dargestellten Berechnungsmethode festgesetzt. Die vom Kläger aufgrund seiner Unterhaltsverpflichtungen gezahlten Beträge und der Freibetrag, die bei der Berechnung der Steuer auf das Gesamteinkommen berücksichtigt wurden, wurden nicht von den weltweiten Bruttoeinkünften im Nenner des Verhältnismäßigkeitsbruchs abgezogen.

16. Wie das vorlegende Gericht feststellt, hat folglich ein Teil des Betrages der vom Kläger beanspruchbaren persönlichen steuerlichen Vergünstigungen, der dem Verhältnismäßigkeitsbruch entspricht, nicht zu einer tatsächlichen Herabsetzung der in den Niederlanden geschuldeten Steuer geführt. Infolgedessen hatte der Kläger einen an seine Unterhaltsverpflichtungen und an den Steuerfreibetrag geknüpften Steuervorteil, der geringer war als der, den er gehabt hätte, wenn er alle seine Einkünfte 1994 in den Niederlanden erzielt hätte.

17. Der Kläger legte gegen das Urteil des Gerechtshof Amsterdam (Niederlande), das die Entscheidung der niederländischen Steuerverwaltung, seine Steuern wie oben dargestellt zu berechnen, bestätigte, Revision ein.

IV - Die Vorlagefragen

18. Der Hoge Raad der Nederlanden hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen Artikel 48 EG-Vertrag und Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 dem entgegen, dass im Rahmen einer Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine Person mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, die in einem bestimmten Jahr (auch) in einem anderen Mitgliedstaat Einkünfte aus einer dort ausgeübten Arbeit erzielt, die in diesem anderen Mitgliedstaat besteuert werden, ohne dass dabei die persönliche und familiäre Situation der betreffenden Person berücksichtigt wird, in ihrem Wohnsitzstaat einen proportionalen Anteil des Vorteils ihres Steuerfreibetrags sowie persönliche steuerliche Vergünstigungen verliert?

2. Ergeben sich, wenn die erste Frage bejaht wird, aus dem Gemeinschaftsrecht besondere Erfordernisse hinsichtlich der Art und Weise der Berücksichtigung der persönlichen und familiären Situation des betroffenen Arbeitnehmers in seinem Wohnsitzstaat?

V - Würdigung

Zur ersten Frage

19. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 48 EG-Vertrag und Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 dahin auszulegen sind, dass sie der Anwendung von Bestimmungen entgegenstehen, die in bilateralen Abkommen und in einer nationalen Regelung vorgesehen sind und nach denen ein Steuerpflichtiger bei der Berechnung seiner Einkommensteuer in seinem Wohnsitzstaat einen Teil des Steuerfreibetrags und seiner persönlichen steuerlichen Vergünstigungen verliert, weil er im Bezugsjahr auch in einem anderen Mitgliedstaat Bezüge erhalten hat, die dort ohne Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation besteuert wurden.

20. Aus den Gründen der Vorlageentscheidung geht hervor, dass das vorlegende Gericht feststellen möchte, ob der dem Kläger durch die streitige Regelung entstandene Nachteil eine nach Artikel 48 EG-Vertrag verbotene Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellt.

21. Die direkten Steuern unterliegen zwar der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch haben diese ihre Befugnisse unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts auszuüben. Folglich dürfen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen verbliebenen Befugnisse nicht den vom EG-Vertrag verbürgten Grundfreiheiten wie der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zuwiderhandeln.

22. Der Gerichtshof hat ferner ausgeführt, dass diese Freiheiten unbedingt seien, so dass ein Staat ihre Beachtung nicht vom Inhalt eines mit einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens abhängig machen könne.

23. Nach ständiger Rechtsprechung verbietet Artikel 48 EG-Vertrag nicht nur unmittelbare Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen von Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu demselben Ergebnis führen.

24. Wie der Gerichtshof auch wiederholt festgestellt hat, führt Artikel 48 EG-Vertrag einen tragenden Grundsatz aus, der in Artikel 3 Buchstabe c EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Buchstabe c EG) verankert ist, nach dem die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 2 EG) die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten umfasst.

25. Sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit sollen den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen.

26. Daraus hat der Gerichtshof abgeleitet, dass die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht haben, ihren Herkunftsstaat zu verlassen, um sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten.

27. Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden.

28. Im vorliegenden Fall war der dem Kläger in Anwendung der streitigen Regelung zustehende an seine Unterhaltsverpflichtungen und den Steuerfreibetrag geknüpfte Steuervorteil unbestritten geringer als der, den er gehabt hätte, wenn er 1994 seine gesamten Einkünfte in den Niederlanden erzielt hätte.

29. Wie die Kommission und die deutsche Regierung bin ich der Ansicht, dass 48 EG-Vertrag der Anwendung der streitigen Regelung entgegensteht.

30. Diese Beurteilung gründet auf folgenden Erwägungen: erstens hat diese Regelung für den Kläger einen tatsächlichen Nachteil bewirkt und kann sich für eine gewisse Anzahl von Steuerpflichtigen in gleicher Weise nachteilig auswirken; zweitens ist dieser Nachteil nicht den Unterschieden zwischen den Steuersystemen der Mitgliedstaaten zuzuschreiben, sondern folgt aus einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, und drittens greifen die Gründe, die zur Rechtfertigung dieser Beschränkung vorgebracht wurden, meiner Ansicht nach nicht durch.

31. Erstens stelle ich zum Vorliegen eines durch die fragliche Regelung entstandenen Nachteils fest, dass der Generalanwalt beim vorlegenden Gericht die Herabsetzung, die dem Kläger aufgrund seiner persönlichen Freibeträge zugute kam, auf 27 341 NLG veranschlagt hat und die Herabsetzung, die dem Kläger zugestanden hätte, wenn diese Freibeträge vollständig auf die von ihm in den Niederlanden erzielten Einkünfte angerechnet worden wären, auf 70 055 NLG. Der Teil der steuerlichen Vergünstigungen, der dem Kläger in seinem Wohnsitzstaat vorenthalten wurde, ist ihm in den Beschäftigungsstaaten erwiesenermaßen weder ganz noch teilweise gewährt worden, da, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, keiner der Beschäftigungsstaaten die persönliche und familiäre Situation des Betroffenen berücksichtigt hat.

32. Da ferner der Steuerfreibetrag und die persönlichen Freibeträge in den Niederlanden nur im anteiligen Verhältnis der in diesem Staat erzielten Einkünfte berücksichtigt werden, ist, wie von der Kommission ausgeführt, offensichtlich, dass der Nachteil für die dort ansässigen Steuerpflichtigen umso größer ausfällt, je höher der Anteil ihrer in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünfte ist. Wie der Advocaat-Generaal beim vorlegenden Gericht darlegt, leidet der Steuerpflichtige, der den Hauptanteil seiner Bezüge im Ausland erhalten hat und dessen Einkünfte in den Niederlanden gerade ausreichen, um dort besteuert zu werden, unter einer sehr großen Steuerlast", weil er einen sehr großen Teil der an seine persönliche und familiäre Situation geknüpften Freibeträge verliert.

33. Zweitens bin ich im Gegensatz zur niederländischen Regierung der Auffassung, dass der dem Kläger entstandene Nachteil nicht auf die Unterschiede zwischen den Steuersystemen der Mitgliedstaaten zurückzuführen ist, sondern aus einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit folgt.

34. Die niederländische Regierung bringt vor, sie habe die persönliche und familiäre Situation des Klägers im Einklang mit den vom Gerichtshof im Urteil Schumacker formulierten Anforderungen berücksichtigt. Der dem Kläger entstandene Nachteil folge aus der Methode, die hier angewandt worden sei, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, und sei auf das jeweilige Steuersystem der Beschäftigungsstaaten zurückzuführen, die die persönliche und familiäre Situation des Betroffenen außer Acht gelassen hätten. Der vorliegende Sachverhalt sei mit dem vergleichbar, zu dem das Urteil vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache Gilly ergangen sei. Außerdem führe die streitige Regelung insoweit zum gleichen Ergebnis wie die andere Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, die in jenem Urteil in Rede stehende so genannte Anrechnungsmethode", als ein Gebietsansässiger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe, gegebenenfalls eine höhere Steuerbelastung zu tragen habe.

35. Dieser Analyse der niederländischen Regierung kann ich mich nicht anschließen.

36. Unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache waren die Beschäftigungsstaaten nicht verpflichtet, die persönliche und familiäre Situation des Klägers zu berücksichtigen. Zum einen war eine solche Verpflichtung weder in den anwendbaren bilateralen Abkommen noch in ihren nationalen Regelungen vorgesehen. Zum anderen ergibt sich aus dem Urteil Schumacker, dass ein Beschäftigungsstaat eine entsprechende Verpflichtung nur hat, wenn der Steuerpflichtige sein zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen aus einer in diesem Staat ausgeübten Tätigkeit erzielt und er im Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte hat, so dass dieser Staat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergeben. Der Gerichtshof war der Ansicht, dass in diesem Fall zwischen der Situation eines solchen Gebietsfremden und der eines Gebietsansässigen, der eine vergleichbare nichtselbständige Beschäftigung ausübe, kein objektiver Unterschied bestehe, der eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands des Steuerpflichtigen bei der Besteuerung rechtfertigen könnte.

37. Nach Ansicht des Gerichtshofes hat vielmehr grundsätzlich der Wohnsitzstaat dem Steuerpflichtigen sämtliche an dessen persönliche und familiäre Situation geknüpften steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren. Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass dieser Staat am besten die persönliche Steuerkraft des Steuerpflichtigen beurteilen könne, weil dieser dort den Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen und seiner Vermögensinteressen habe. Diese Lösung sei im internationalen Steuerrecht, u. a. im Muster-Doppelbesteuerungsabkommen der OECD, anerkannt.

38. Diese Analyse ist mehrfach bestätigt worden, so in den Urteilen Asscher vom 27. Juni 1996, Gschwind vom 14. September 1999 und Zurstrassen.

39. Im vorliegenden Fall ist meiner Ansicht nach das Vorbringen der niederländischen Regierung nicht begründet, die niederländischen Steuerbehörden hätten die persönliche und familiäre Situation des Klägers berücksichtigt, wie es nach dem vom Gerichtshof im Urteil Schumacker eingenommenen Standpunkt erforderlich sei. Zwar wurden die vom Kläger geleisteten Unterhaltszahlungen und der Steuerfreibetrag bei der Berechnung des theoretischen Betrages der Steuer auf sämtliche Bezüge des Betroffenen durchaus berücksichtigt, dem Kläger kamen jedoch diese Freibeträge durch den Verhältnismäßigkeitsbruch nur im anteiligen Verhältnis der von ihm in den Niederlanden erzielten Einkünfte zugute.

40. Somit entging dem Kläger dadurch, dass er von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machte, ein Teil der nach niederländischem Recht vorgesehenen Steuerfreibeträge, die er als Gebietsansässiger in den Niederlanden beanspruchen konnte.

41. Der dem Kläger entstandene Nachteil ist daher nicht auf das jeweilige Steuersystem der Beschäftigungsstaaten zurückzuführen, sondern sehr wohl auf die Bedingungen, unter denen das Königreich der Niederlande die an die persönliche und familiäre Situation geknüpften Freibeträge auf den Betroffenen angewandt hat.

42. Daraus schließe ich, dass der vorliegende Sachverhalt nicht mit dem vergleichbar ist, der zum Urteil Gilly führte.

43. In jener Rechtssache wurden die Einkünfte, die Frau Gilly in Deutschland erzielt hatte, dort besteuert; in Frankreich, wo sie ihren Wohnsitz hatte, wurden ihre Gesamteinkünfte besteuert. Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik sah vor, dass ihr aufgrund der in Deutschland entrichteten Steuern ein Anspruch auf eine Steuergutschrift in Höhe der diesen Einkünften entsprechenden französischen Steuer zustand. Wegen der stärkeren Progression der deutschen Steuer und weil die persönliche und familiäre Situation von Frau Gilly zwar nicht in Deutschland, wohl aber in Frankreich berücksichtigt worden war, war die Frau Gilly gewährte Steuergutschrift niedriger als der von ihr in Deutschland tatsächlich gezahlte Betrag. Frau Gilly traf deshalb eine höhere steuerliche Gesamtbelastung als für entsprechende, zur Gänze in Frankreich erzielte Einkünfte.

44. Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, ergaben sich die nachteiligen Auswirkungen, die für Frau Gilly mit dem streitigen Steueranrechnungsverfahren verbunden waren, in erster Linie aus den unterschiedlichen Steuersätzen der betreffenden Mitgliedstaaten, deren Festsetzung in Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung auf diesem Gebiet in die eigene Zuständigkeit jedes dieser Staaten fiel. Zur Auswirkung der Berücksichtigung der persönlichen und familiären Situation des Steuerpflichtigen im Wohnsitzstaat, nicht aber im Beschäftigungsstaat, auf die Steuergutschrift hat der Gerichtshof festgestellt, dass dieser Unterschied eine Folge dessen sei, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde im Hinblick auf die direkten Steuern in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation befänden, da das Einkommen, das ein Gebietsfremder im Hoheitsgebiet eines Staates erziele, meist nur einen Teil seiner Gesamteinkünfte darstelle, deren Schwerpunkt an seinem Wohnort liege.

45. Daraus folgt, dass Frau Gilly im Gegensatz zum Kläger in ihrem Wohnsitzstaat sämtliche steuerlichen Vergünstigungen erhielt, die nach dem Recht dieses Staates zugunsten der Gebietsansässigen vorgesehen waren.

46. Wie außerdem Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Gilly ausgeführt hat, hätte es genügt, dass die deutschen Behörden ihren Steuersatz herabsetzen oder die französischen Behörden den ihren erhöhen, damit das Steueranrechnungsverfahren für Frau Gilly vorteilhaft geworden wäre. Ob sich ein solches System nachteilig auswirkt, ist mithin zu ungewiss, um einen Arbeitnehmer von der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit zwischen den beiden betroffenen Staaten abzuhalten.

47. Einen solchen Unsicherheitsfaktor gibt es in der vorliegenden Rechtssache nicht, weil die Mitgliedstaaten, in denen der Kläger arbeitete, seine persönliche und familiäre Situation gemäß den anwendbaren bilateralen Abkommen, ihren nationalen Regelungen und der Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen hatten.

48. Ich schließe daraus auch, dass es nicht auf das Vorbringen der niederländischen Regierung ankommt, dass die streitige Regelung, soweit sie dem Kläger eine höhere steuerliche Belastung auferlege als in dem Fall, dass er sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hätte, zum gleichen Ergebnis führe wie die Anrechnungsmethode.

49. Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass der dem Kläger entstandene Nachteil davon herrührt, dass ihm von seinem Wohnsitzstaat ein Teil der nach dem Recht dieses Staates vorgesehenen Freibeträge vorenthalten wurde.

50. Hätten die betroffenen Beschäftigungsstaaten die persönliche und familiäre Situation des Klägers berücksichtigt, so hätte diesen ebenfalls eine höhere steuerliche Belastung als in dem Fall treffen können, dass er alle seine Einkünfte in den Niederlanden erzielt hätte. Dies hätte der Fall sein können, wenn die in den Beschäftigungsstaaten gewährten an seine persönliche und familiäre Situation geknüpften Freibeträge niedriger als die nach niederländischem Recht vorgesehenen gewesen wären und wenn diese Staaten bei der Festlegung des Steuersatzes für Gebietsfremde deren Gesamteinkommen berücksichtigt hätten. Ein solcher Nachteil hätte jedoch nicht auf einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit beruht, sondern wäre auf die Unterschiede zwischen den Steuersystemen der Mitgliedstaaten zurückzuführen gewesen.

51. So verhält es sich in der vorliegenden Rechtssache nicht. Dass die Mitgliedstaaten, in denen der Kläger arbeitete, seine persönliche und familiäre Situation bei der Besteuerung der von ihm in diesen Staaten erzielten Einkünfte nicht berücksichtigten, verpflichtete meiner Ansicht nach den Wohnsitzstaat, dem Betroffenen die Freibeträge, auf die ihm seine Situation einen Anspruch eröffnete und in deren Genuss er gekommen wäre, wenn er seine Tätigkeit zur Gänze in den Niederlanden ausgeübt hätte, in vollem Umfang zu gewähren.

52. Dadurch, dass die niederländischen Steuerbehörden einen Teil der persönlichen Freibeträge des Klägers den von ihm in den anderen Mitgliedstaaten erzielten Einkünfte zurechneten, hatte dieser einen Nachteil zu tragen, den er nicht erlitten hätte, wenn er sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hätte.

53. Die streitige Regelung stellt deshalb meiner Ansicht nach eine grundsätzlich gemäß Artikel 48 EG-Vertrag verbotene Beschränkung der Ausübung dieser Freiheit dar.

54. Drittens bin ich der Auffassung, dass die zur Rechtfertigung der streitigen Beschränkung vorgebrachten Gründe nicht durchgreifen.

55. Das vorlegende Gericht stellt sich erstens die Frage nach der Stichhaltigkeit des in der Begründung der niederländischen Regelung dargestellten Arguments in Bezug auf den Verhältnismäßigkeitsbruch. Nach diesem Argument dienen die betreffenden Abzugsposten dazu, die steuerliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu bestimmen, so dass sie nicht nur den im Wohnsitzstaat erzielten Einkünften zuzurechnen seien.

56. Meiner Ansicht nach kann dieses Argument nicht die hier festgestellte Beschränkung rechtfertigen. Denn selbst wenn es aus der Sicht der Mitgliedstaaten billig erscheinen mag, die persönlichen Freibeträge auf sämtliche Einkünfte des Steuerpflichtigen aufzuteilen, impliziert eine solche Umlage, dass diese Freibeträge auch in den Beschäftigungsstaaten angewandt werden. In Ermangelung einer dahin gehenden Harmonisierung oder Koordinierung des Steuerrechts der Mitgliedstaaten ist es im Rahmen des Artikels 220 EG-Vertrag Sache der Mitgliedstaaten, entsprechende Abkommen zu schließen. Geschieht dies nicht, kann der Wohnsitzstaat nicht einen Teil dieser Freibeträge entfallen lassen und damit Rechte beeinträchtigen, die den Einzelnen aus den Vertragsbestimmungen erwachsen, in denen ihre Grundfreiheiten verankert sind.

57. Außerdem denke ich im Gegensatz zur belgischen Regierung nicht, dass diese Analyse zwangsläufig dazu führt, den Wohnsitzstaat unverhältnismäßig zu belasten. Es ist daran zu erinnern, dass im vorliegenden Fall das Königreich der Niederlande bei der Besteuerung der Einkünfte des Klägers durch die Progression seiner Steuertabelle erhöhte Steuern vereinnahmte. Im Übrigen ist wiederholt entschieden worden, dass der Verlust von Steuereinnahmen niemals eine Beschränkung der Ausübung einer Grundfreiheit rechtfertigen kann.

58. Schließlich ist das streitige anteilige Anrechnungssystem meiner Meinung nach nicht im Sinne der Rechtsprechung für die Kohärenz der hier angewandten Methode der Befreiung mit Progressionsvorbehalt erforderlich. Nach meiner Auffassung besteht nämlich kein Zusammenhang zwischen der Methode der Befreiung mit Progressionsvorbehalt, nach der der Wohnsitzstaat darauf verzichtet, die in anderen Mitgliedstaaten erzielten Einkünfte zu besteuern, sie aber gleichwohl bei der Ermittlung des auf die nicht befreiten Bezüge anwendbaren Steuersatzes berücksichtigt, und der Anrechnung der Freibeträge im anteiligen Verhältnis der im Wohnsitzstaat erzielten Einkünfte. Anders ausgedrückt bin ich der Ansicht, dass die Wirksamkeit der Einkommensteuerprogression im Wohnsitzstaat, die mit der Methode der Befreiung mit Progressionsvorbehalt bezweckt wird, nicht davon abhängt, dass in diesem Staat die Berücksichtigung der persönlichen und familiären Situation des Steuerpflichtigen eingeschränkt wird.

59. Zweitens kann meiner Auffassung nach die streitige Beschränkung entgegen dem Vorbringen der niederländischen und der belgischen Regierung nicht damit gerechtfertigt werden, dass die in den Niederlanden Ansässigen, die Einkünfte in anderen Mitgliedstaaten erzielten, aus ihrer Besteuerung in verschiedenen Staaten Vorteile zögen, die den im vorliegenden Fall gerügten Nachteil ausglichen, so dass die streitige Regelung diejenige sei, die am weitestgehenden im Einklang mit dem Ziel der steuerlichen Neutralität grenzüberschreitender Tätigkeiten stehe.

60. Was die Auswirkungen der Besteuerung in verschiedenen Mitgliedstaaten anbelangt, so kann die progressionsfreie Besteuerung der in Deutschland, in Frankreich und im Vereinigten Königreich erzielten Einkünfte in diesen Staaten sicher bewirken, dass der durchschnittliche Steuersatz auf die Gesamtbezüge des Steuerpflichtigen niedriger sein mag, als es der Steuersatz wäre, wenn dieser Steuerpflichtige alle seine Bezüge in den Niederlanden erhalten hätte.

61. Aus der Bewertung des Advocaat-Generaal beim vorlegenden Gericht ergibt sich jedoch, dass die Steuerermäßigung, in deren Genuss der Kläger aufgrund dieses Umstands gekommen ist, den streitigen Nachteil nicht ausgeglichen hat. So hat der Kläger in den vier betroffenen Staaten für das Jahr 1994 einen Gesamtsteuerbetrag gezahlt, der höher ist als der, den er entrichtet hätte, wenn er alle seine Einkünfte in den Niederlanden erzielt hätte.

62. Das Vorbringen, die mit der fehlenden Progression in den Beschäftigungsstaaten zusammenhängende Steuerermäßigung könne theoretisch den durch die streitige Regelung verursachten Nachteil ausgleichen, ändert nichts daran, dass diese Regelung als eine Beschränkung angesehen werden muss, wenn sie sich als nachteilig erweist. Meiner Ansicht nach ist in diesem Punkt die vorliegende Situation mit der der Rechtssache AMID vergleichbar, wo es um eine Regelung ging, die die Niederlassungsfreiheit beschränkte.

63. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof daher vor, auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 48 EG-Vertrag dahin auszulegen ist, dass er der Anwendung einer Regelung entgegensteht, nach der ein Steuerpflichtiger bei der Berechnung seiner Einkommensteuer in seinem Wohnsitzstaat einen Teil des Steuerfreibetrags und seiner persönlichen steuerlichen Vergünstigungen verliert, weil er im Bezugsjahr auch in einem anderen Mitgliedstaat Bezüge erhalten hat, die dort ohne Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation besteuert wurden.

64. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof auch wissen, ob eine solche Regelung mit Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 vereinbar ist.

65. Angesichts der Antwort, die ich auf die erste Frage vorschlage, bin ich der Auffassung, dass es nicht erforderlich ist, auf diesen Punkt einzugehen. Wie nämlich der Gerichtshof schon im Urteil Van Duyn vom 4. Dezember 1974 entschieden hat, erzeugt Artikel 48 EG-Vertrag unmittelbare Wirkungen in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und verleiht den Einzelnen Rechte, die die nationalen Gerichte zu wahren haben. Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung ist jedes nationale Gericht verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es nötigenfalls jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt. Wie wir in Nummer 22 dieser Schlussanträge gesehen haben, muss Gleiches für die Bestimmungen eines bilateralen völkerrechtlichen Abkommens gelten, bei dem sich herausstellt, dass es gegen Artikel 48 EG-Vertrag verstößt.

66. Folglich scheint mir die Frage, ob die streitige Beschränkung unter den zur Durchführung des Artikels 48 EG-Vertrag erlassenen Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 fällt und auch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellt, im vorliegenden Fall nicht von praktischem Interesse zu sein.

Zur zweiten Frage

67. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht besondere Erfordernisse hinsichtlich der Art und Weise enthält, in der der Wohnsitzstaat die persönliche und familiäre Situation eines Arbeitnehmers berücksichtigen muss, der eine Tätigkeit auch in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt hat.

68. Aus den Gründen der Vorlageentscheidung geht hervor, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob das Königreich der Niederlande dem Kläger im vorliegenden Fall einen tatsächlichen Freibetrag in Höhe des Freibetrags gewähren muss, in dessen Genuss er gekommen wäre, wenn er alle seine Einkünfte in seinem Wohnsitzstaat erzielt hätte.

69. Aus den oben, insbesondere in den Nummern 51 und 65 dargestellten Gründen bin ich der Ansicht, dass der Kläger Anspruch auf die gleichen Freibeträge hat wie die, die er erhalten hätte, wenn er alle seine Einkünfte in den Niederlanden erzielt hätte.

70. Da jedoch die zweite Vorlagefrage allgemein formuliert ist und es Sache des nationalen Gerichts ist, aus dem Urteil, das ergehen wird, die Konsequenzen für die Lösung des von ihm zu entscheidenden Rechtsstreits zu ziehen, erscheint mir eine allgemeine Antwort erforderlich.

71. Wie bereits ausgeführt, fällt die direkte Besteuerung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Diese haben ihre verbliebenen Befugnisse aber unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts auszuüben.

72. Deshalb schlage ich dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht kein besonderes Erfordernis hinsichtlich der Art und Weise vorsieht, in der der Wohnsitzstaat die persönliche und familiäre Situation eines Steuerpflichtigen berücksichtigen muss, der im Bezugsjahr Einkünfte in diesem Staat und in einem anderen Mitgliedstaat erzielt hat. Die Bedingungen, unter denen eine solche Berücksichtigung durch den Wohnsitzstaat stattfindet, dürfen jedoch keine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung aufgrund der Staatsangehörigkeit und keine Beschränkung der Ausübung einer durch den EG-Vertrag verbürgten Grundfreiheit darstellen.

VI - Ergebnis

73. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Hoge Raad der Nederlanden vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1. Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung von Bestimmungen entgegensteht, die in bilateralen Abkommen und in einer nationalen Regelung vorgesehen sind und nach denen ein Steuerpflichtiger bei der Berechnung seiner Einkommensteuer in seinem Wohnsitzstaat einen Teil des Steuerfreibetrags und seiner persönlichen steuerlichen Vergünstigungen verliert, weil er im Bezugsjahr auch in einem anderen Mitgliedstaat Bezüge erhalten hat, die dort ohne Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation besteuert wurden.

2. Das Gemeinschaftsrecht sieht kein besonderes Erfordernis hinsichtlich der Art und Weise vor, in der der Wohnsitzstaat die persönliche und familiäre Situation eines Arbeitnehmers berücksichtigen muss, der eine Tätigkeit auch in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt hat. Die Bedingungen, unter denen eine solche Berücksichtigung durch den Wohnsitzstaat stattfindet, dürfen jedoch keine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung aufgrund der Staatsangehörigkeit und keine Beschränkung der Ausübung einer durch den EG-Vertrag verbürgten Grundfreiheit darstellen.