«Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Beamte und sonstige Bedienstete der Europäischen Gemeinschaften – Beibehaltung des steuerlichen Wohnsitzes im Herkunftsmitgliedstaat – Einkommensteuer – Abzug von Aufwendungen für eine Haushaltshilfe»
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Leitsätze des Urteils
Freizügigkeit – Arbeitnehmer – Gleichbehandlung – Personen, die ihren Herkunftsstaat verlassen haben, um als Beamte der Europäischen Gemeinschaften in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten – Aufwendungen für eine Haushaltshilfe im letztgenannten Staat – Steuerlicher Wohnsitz im Herkunftsstaat – Abzug dieser Aufwendungen von ihren steuerpflichtigen Einkünften – Versagung – Unzulässigkeit
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
13. November 2003(1)
„Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Beamte und sonstige Bedienstete der Europäischen Gemeinschaften – Beibehaltung des steuerlichen Wohnsitzes im Herkunftsmitgliedstaat – Einkommensteuer – Abzug von Aufwendungen für eine Haushaltshilfe“
In der Rechtssache C-209/01
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Bundesfinanzhof (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit Theodor Schilling, Angelika Fleck-Schillinggegen
Finanzamt Nürnberg-Süd vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) und von Artikel 14 Absatz 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen GemeinschaftenerlässtDER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer),
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
─von Herrn Schilling und Frau Fleck-Schilling, vertreten durch Steuerberater H. Hacker, ─der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.-F. Pasquier und H. Kreppel als Bevollmächtigte,aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. März 2003
folgendes
Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 13 des Protokolls lautet: Von den Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen, welche die Gemeinschaften ihren Beamten und sonstigen Bediensteten zahlen, wird zugunsten der Gemeinschaften eine Steuer gemäß den Bestimmungen und dem Verfahren erhoben, die vom Rat auf Vorschlag der Kommission festgelegt werden.Die Beamten und sonstigen Bediensteten sind von innerstaatlichen Steuern auf die von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit.
4 Artikel 14 Absätze 1 und 2 des Protokolls bestimmt: Die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften, die sich lediglich zur Ausübung einer Amtstätigkeit im Dienst der Gemeinschaften im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates niederlassen, in dem sie zur Zeit des Dienstantritts bei den Gemeinschaften ihren steuerlichen Wohnsitz haben, werden in den beiden genannten Staaten für die Erhebung der Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteuer sowie für die Anwendung der zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaften geschlossenen Abkommen so behandelt, als hätten sie ihren früheren Wohnsitz beibehalten, sofern sich dieser in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaften befindet. Dies gilt auch für den Ehegatten, soweit dieser keine eigene Berufstätigkeit ausübt, sowie für die Kinder, die unter der Aufsicht der in diesem Artikel bezeichneten Personen stehen und von ihnen unterhalten werden.Das im Hoheitsgebiet des Aufenthaltsstaats befindliche bewegliche Vermögen der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist in diesem Staat von der Erbschaftsteuer befreit; für die Veranlagung dieser Steuer wird es vorbehaltlich der Rechte dritter Länder und der etwaigen Anwendung internationaler Abkommen über die Doppelbesteuerung als in dem Staat des steuerlichen Wohnsitzes befindlich betrachtet.
5 Artikel 48 EG-Vertrag lautet:
(1)Spätestens bis zum Ende der Übergangszeit wird innerhalb der Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer hergestellt.
(2)Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
(3)Sie gibt ─ vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen ─ den Arbeitnehmern das Recht,
a)sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;
b)sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;
c)sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;
d)nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission in Durchführungsverordnungen festlegt.
(4)Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.
Nationales Recht
6 § 1 Absätze 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom 7. September 1990 (BGBl. 1990 I S. 1898, berichtigt im BGBl. 1991 I S. 808) bestimmt: Steuerpflicht
(1)Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. ...
...
(4)Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind ... beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben.
7 § 10 Absatz 1 Nummer 8 EStG in der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Fassung lautet: Sonderausgaben
(1)Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind:
...
8. Aufwendungen des Steuerpflichtigen bis zu 12 000 Deutsche Mark im Kalenderjahr für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse, wenn auf Grund der Beschäftigungsverhältnisse Pflichtbeiträge zur inländischen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden. ...
8 § 50 Absatz 1 EStG bestimmt: Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige
(1)... Die ... §§ ... 10 ... sind nicht anzuwenden. ...
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
9 In den Jahren 1991 und 1992 waren die Eheleute Schilling als Beamte der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg tätig, dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz und Lebensmittelpunkt hatten und wo auch ihre drei 1982, 1983 und 1986 geborenen Kinder lebten. In Deutschland, dem Herkunftsmitgliedstaat der Eheleute, erzielte Herr Schilling Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie im Veranlagungszeitraum 1992 in geringem Umfang aus selbständiger Arbeit.
10 Im Ausgangsverfahren geht es um die Frage, ob Aufwendungen für die Beschäftigung einer in Luxemburg tätigen Haushaltshilfe, für die die Eheleute Pflichtbeiträge zur luxemburgischen gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt hatten, in Deutschland abzugsfähig waren. Das Finanzamt Nürnberg-Süd lehnte den Abzug ab, weil nicht gemäß § 10 Absatz 1 Nummer 8 EStG Beiträge zur inländischen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden seien.
11 Der Einspruch und die Klage der Eheleute hatten keinen Erfolg. Mit ihrer Revision an den Bundesfinanzhof machten sie geltend, Artikel 14 des Protokolls bezwecke, das Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Beamten der Europäischen Gemeinschaften und seinem Herkunftsmitgliedstaat so aufrechtzuerhalten, als ob der Beamte niemals weggezogen wäre. Durch diese Regelung werde im vorliegenden Fall fingiert, dass die Pflichtbeiträge zur luxemburgischen Rentenversicherung in Deutschland geleistet worden seien. Im Übrigen widerspreche die vom Finanzamt Nürnberg-Süd vertretene Rechtsauffassung dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz.
12 Der Bundesfinanzhof führt aus, gemäß § 10 Absatz 1 Nummer 8 EStG in der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Fassung seien Aufwendungen bis zu 12 000 DM für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse als Sonderausgaben abziehbar, wenn der Arbeitgeber Pflichtbeiträge zur inländischen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet habe. Dieser Abzug sei nur zulässig, wenn zum Haushalt des Steuerpflichtigen zwei Kinder gehörten, die zu Beginn des Kalenderjahres das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 11/4688, 10, 12) seien für die Beschränkung auf die inländische gesetzliche Rentenversicherung arbeitsmarktpolitische, volkswirtschaftliche und sozialpolitische Erwägungen maßgebend gewesen. In Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen hätten die Belastung und die Nachteile durch Haushalt, Beruf und Betreuung insbesondere für Frauen gemindert werden sollen. Der Gesetzgeber habe durch diese Maßnahme einen zusätzlichen Beschäftigungseffekt erreichen und den schädlichen Auswirkungen der Schwarzarbeitsverhältnisse für die betroffenen Arbeitnehmer und für die inländische gesetzliche Rentenversicherung entgegentreten wollen.
13 Die Reichweite von Artikel 14 Absatz 1 des Protokolls sei fraglich. Es sei möglich, dass sich die durch diese Bestimmung geschaffene Fiktion des steuerlichen Wohnsitzes auf die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht und der Ansässigkeit im Sinne der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung beschränke (vgl. Artikel 4 des Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung von 1977). Würde die Regelung dagegen, wie von den Eheleuten Schilling vorgetragen, in einem weiteren Sinne verstanden, so könnte sich die Fiktion auch auf die sich aus dem Wohnsitz unmittelbar ergebenden tatsächlichen Verhältnisse beziehen. Dann wäre die Zahlung an die luxemburgische Sozialversicherungskasse so zu behandeln, als ob sie an eine deutsche Sozialversicherungskasse erfolgt wäre.
14 Artikel 14 Absatz 1 des Protokolls sei eng auszulegen. Dafür spreche nicht nur die fehlende Zuständigkeit der Gemeinschaft für die direkten Steuern, sondern auch Absatz 2 des Artikels 14. Danach werde das im Aufenthaltsstaat befindliche bewegliche Vermögen für die Erbschaftsteuer als im Herkunftsmitgliedstaat befindlich betrachtet. Fingiert werde also zusätzlich der Belegenheitsort des Vermögens. Hätte Artikel 14 Absatz 1 den von den Eheleuten Schilling behaupteten weiten Inhalt, so wäre Absatz 2 nicht erforderlich. Zu bedenken sei auch, dass es zahlreiche weitere Vorschriften im deutschen Steuerrecht gebe, die nur inländische Sachverhalte begünstigten. Eine enge Auslegung scheine zudem unter dem Aspekt geboten, dass die Beamten der Europäischen Gemeinschaften bereits durch die vergleichsweise niedrige Besteuerung ihrer Dienstbezüge begünstigt seien.
15 Sollte der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass § 10 Absatz 1 Nummer 8 EStG nicht gegen Artikel 14 Absatz 1 des Protokolls verstoße, so stelle sich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser nationalen Bestimmung mit Artikel 48 EG-Vertrag. Zu klären sei dann aber, ob Artikel 48 Absatz 4 EG-Vertrag dahin auszulegen sei, dass sich ein Beamter der Europäischen Gemeinschaften nicht auf diesen Artikel berufen könne.
16 Falls der Gerichtshof die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Bestimmung für unvereinbar mit Artikel 48 EG-Vertrag halte, stelle sich die Frage, ob die im Urteil vom 26. Januar 1993 in der Rechtssache C-112/91 (Werner, Slg. 1993, I-429) entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt werden könnten. In diesem Urteil habe der Gerichtshof festgestellt, dass es nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße, wenn ein Mitgliedstaat seinen im Inland tätigen Staatsangehörigen eine höhere Steuerbelastung auferlege, weil sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnten. Es sei zweifelhaft, ob das Urteil hier einschlägig sei. Im damaligen Fall sei der Wohnsitz der einzige Berührungspunkt mit dem Ausland gewesen. Im vorliegenden Fall hingegen arbeiteten und wohnten die Eheleute Schilling in einem anderen Mitgliedstaat. Der Auslandsbezug sei damit deutlich höher.
17 Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende vier Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Widerspricht es Artikel 14 Absatz 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965, wenn deutsche Staatsangehörige, die in Luxemburg als Beamte der Europäischen Gemeinschaften tätig sind und dort wohnen, im Rahmen der deutschen Einkommensteuerveranlagung die Aufwendungen für eine in Luxemburg beschäftigte Haushaltshilfe nicht gemäß § 10 Absatz 1 Nummer 8 des Einkommensteuergesetzes absetzen dürfen, weil die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Haushaltshilfe nicht an die deutsche Rentenversicherung entrichtet worden sind?
2. Für den Fall, dass Frage 1 verneint wird: Ist Artikel 48 Absatz 4 EG-Vertrag dahin gehend auszulegen, dass ein EG-Bediensteter sich nicht auf Artikel 48 EG-Vertrag berufen kann?
3. Für den Fall, dass Frage 2 verneint wird: Widerspricht es Artikel 48 EG-Vertrag, dass ein in Luxemburg wohnender EG-Bediensteter, der im Inland als ansässig gilt und der für eine Haushaltshilfe Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Luxemburg zahlt, nicht zum Sonderausgabenabzug nach § 10 Absatz 1 Nummer 8 des Einkommensteuergesetzes berechtigt ist?
4. Für den Fall, dass Frage 3 bejaht wird: Können die im Urteil vom 26. Januar 1993, Rs. C-112/91 ─ Werner ─ entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet werden?
Zum Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens
18 Mit am 1. April 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenem Schriftsatz haben die Eheleute Schilling die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder des schriftlichen Verfahrens für den Fall beantragt, dass der Gerichtshof sein Urteil auf die vom Generalanwalt in Nummer 80 seiner Schlussanträge vertretene Auffasung stützen wolle, die zwischen den Parteien nicht erörtert worden sei. Nach dieser Auffassung würde eine Auslegung von Artikel 14 des Protokolls in dem von den Eheleuten vorgeschlagenen Sinne ihnen ohne jede sachliche Rechtfertigung eine wirtschaftliche Besserstellung gewähren.
19 Insoweit ist festzustellen, dass der Gerichtshof nach Artikel 61 seiner Verfahrensordnung die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auch auf Antrag der Parteien anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. u. a. Urteile vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C-299/99, Philips, Slg. 2002, I-5475, Randnr. 20, und vom 7. November 2002 in der Rechtssache C-184/01 P, Hirschfeldt/EUA, Slg. 2002, I-10173, Randnr. 30).
20 Nach Auffassung des Gerichtshofes besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, die Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung oder des schriftlichen Verfahrens anzuordnen. Der dahin gehende Antrag ist folglich zurückzuweisen.
Zu den Vorlagefragen
21 Mit seinen vier Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es gegen das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Artikel 48 EG-Vertrag und Artikel 14 des Protokolls, verstößt, wenn aus Deutschland stammende Beamte der Europäischen Gemeinschaften, die in Luxemburg wohnen und denen in diesem Mitgliedstaat Aufwendungen für eine Haushaltshilfe entstanden sind, diese Aufwendungen nicht von ihren in Deutschland steuerpflichtigen Einkünften absetzen dürfen, weil die Beiträge für die Haushaltshilfe nicht an die deutsche gesetzliche Rentenversicherung, sondern an die luxemburgische Rentenversicherung entrichtet worden sind.
22 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, dass diese ihre Zuständigkeit jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und sich deshalb jeder offensichtlichen oder versteckten Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit enthalten müssen (vgl. u. a. Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-385/00, De Groot, Slg. 2002, I-11819, Randnr. 75).
23 Jeder Gemeinschaftsangehörige, der vom Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, fällt unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich des Artikels 48 EG-Vertrag (Urteil De Groot, Randnr. 76).
24 Nach ständiger Rechtsprechung zielen außerdem sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit darauf ab, den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im Gebiet der Gemeinschaft zu erleichtern, und stehen Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen (Urteile vom 7. Juli 1992 in der Rechtssache C-370/90, Singh, Slg. 1992, I-4265, Randnr. 16, vom 26. Januar 1999 in der Rechtssache C-18/95, Terhoeve, Slg. 1999, I-345, Randnr. 37, vom 27. Januar 2000 in der Rechtssache C-190/98, Graf, Slg. 2000, I-493, Randnr. 21, und vom 15. Juni 2000 in der Rechtssache C-302/98, Sehrer, Slg. 2000, I-4585, Randnr. 32).
25 Vorschriften, die einen Angehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher eine Beschränkung dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden (vgl. u. a. Urteil vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C-232/01, Van Lent, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 16).
26 Auch wenn die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer somit nach ihrem Wortlaut insbesondere die Vergünstigung der Inländerbehandlung im Aufnahmestaat sichern sollen, so verbieten sie es doch auch, dass der Herkunftsstaat die freie Annahme und Ausübung einer Beschäftigung durch einen seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat behindert (vgl. u. a. Urteil De Groot, Randnr. 79).
27 Der Umstand, dass die Eheleute Schilling die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, kann sie folglich nicht daran hindern, sich gegenüber dem Mitgliedstaat, dem sie angehören, auf die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu berufen, soweit sie unter Wahrnehmung ihres Rechts auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt haben (in diesem Sinne auch Urteil De Groot, Randnr. 80).
28 Auch verliert nach ständiger Rechtsprechung ein Gemeinschaftsangehöriger, der in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsstaat arbeitet, die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Artikel 48 Absatz 1 EG-Vertrag nicht deshalb, weil er bei einer internationalen Organisation beschäftigt ist, selbst wenn die Bedingungen seiner Einreise in das Beschäftigungsland und seines Aufenthalts in diesem Land Gegenstand einer speziellen Regelung durch ein internationales Übereinkommen sind (Urteile vom 15. März 1989 in den Rechtssachen 389/87 und 390/87, Echternach und Moritz, Slg. 1989, 723, Randnr. 11, vom 27. Mai 1993 in der Rechtssache C-310/91, Schmid, Slg. 1993, I-3011, Randnr. 20, und vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C-411/98, Ferlini, Slg. 2000, I-8081, Randnr. 42).
29 Die Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften unterliegen jedoch steuerrechtlichen Sonderregeln, die sie von anderen Arbeitnehmern unterscheiden.
30 So haben die Eheleute Schilling zwar ihren Herkunftsmitgliedstaat, nämlich Deutschland, verlassen, um in einem anderen Mitgliedstaat, und zwar in Luxemburg, als Beamte der Europäischen Gemeinschaften tätig zu werden, doch werden ihre Beamtenbezüge in keinem dieser beiden Mitgliedstaaten besteuert, sondern nach Artikel 13 des Protokolls gemäß dem in der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 260/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 56, S. 8) vorgesehenen autonomen Steuersystem der Europäischen Gemeinschaften.
31 Nach Artikel 14 des Protokolls ist der Herkunftsmitgliedstaat, in dem der steuerliche Wohnsitz des Beamten oder sonstigen Bediensteten bestehen bleibt, grundsätzlich weiterhin für die Besteuerung aller übrigen Einkünfte dieser Personen sowie für die Erhebung der Vermögen- und Erbschaftsteuer zuständig. Die in Artikel 14 des Protokolls genannten Beamten und sonstigen Bediensteten haben folglich Anspruch auf Gewährung der Steuerabzüge, die im inländischen Steuersystem des Herkunftsmitgliedstaats vorgesehen sind und nicht an die Bezüge anknüpfen, die sie als Beamter oder sonstiger Bediensteter erhalten.
32 Aus dem Vorlagebeschluss scheint hervorzugehen, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerabzug nicht an die beruflichen Einkünfte der Steuerpflichtigen anknüpft, so dass kein Zusammenhang mit den Bezügen der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften im Sinne von Artikel 13 des Protokolls besteht.
33 Folglich kann ein aus Deutschland stammender Beamter der Europäischen Gemeinschaften, der zwar in einem anderen Mitgliedstaat tätig ist, aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Herkunftsstaat beibehält und in diesem Staat eine Haushaltshilfe beschäftigt, für die er Beiträge zur inländischen gesetzlichen Rentenversicherung abführt, den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerabzug in Anspruch nehmen.
34 Dagegen sind Personen in der Situation der Eheleute Schilling, die ihren Herkunftsstaat verlassen haben, um als Beamte der Europäischen Gemeinschaften in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, normalerweise nicht in der Lage, diese Steuervergünstigung in Anspruch zu nehmen.
35 Diese Personen, die in ihrem neuen Wohnsitzstaat eine Haushaltshilfe einstellen und Sozialversicherungsbeiträge an das System der sozialen Sicherheit dieses Staates entrichten, können nämlich nur ausnahmsweise eine Voraussetzung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende erfüllen, nach der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ihres Herkunftsmitgliedstaats gezahlt worden sein müssen.
36 Personen, die sich in der Lage der Eheleute Schilling befinden, sind daher gegenüber solchen Personen benachteiligt, die sich mit Ausnahme der Tatsache, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem Herkunftsstaat beibehalten haben, in der gleichen Lage befinden.
37 Unter diesen Umständen kann eine Voraussetzung wie die des § 10 Absatz 1 Nummer 8 EStG die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats davon abhalten, diesen Staat zu verlassen, um eine Berufstätigkeit als Beamte der Europäischen Gemeinschaften im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats auszuüben, und stellt daher eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar.
38 Die Möglichkeit einer Rechtfertigung dieser Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist weder vom Bundesfinanzhof noch von den Beteiligten, die beim Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, erwähnt worden.
39 Gleichwohl ist zu prüfen, ob diese Beschränkung nach den Bestimmungen des Vertrages gerechtfertigt werden kann.
40 Dazu ist erstens festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung nach den Angaben des Bundesfinanzhofs darauf abzielt, kinderreichen Familien zu helfen sowie zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen und Schwarzarbeit zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Ziele gefährdet wären, wenn die fragliche Steuervergünstigung auch Personen gewährt würde, die in einem anderen Mitgliedstaat Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Im Übrigen können diese Ziele, so berechtigt ihre Verfolgung auch ist, keine Beeinträchtigung der Rechte rechtfertigen, die der Einzelne aus den Bestimmungen des Vertrages herleitet, in denen seine Grundfreiheiten verankert sind.
41 Zweitens hat der Gerichtshof entschieden, dass die Notwendigkeit, die Kohärenz eines Steuersystems zu gewährleisten, eine Regelung rechtfertigen kann, die dazu angetan ist, die Grundfreiheiten einzuschränken (vgl. Urteile vom 28. Januar 1992 in den Rechtssachen C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-249, Randnr. 28, und C-300/90, Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-305, Randnr. 21, sowie Urteil De Groot, Randnr. 106), sofern bei einem und demselben Steuerpflichtigen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Gewährung einer Steuervergünstigung und dem Ausgleich dieser Vergünstigung durch eine steuerliche Belastung besteht, die im Rahmen einer einzigen Besteuerung erfolgen (vgl. Urteile vom 6. Juni 2000 in der Rechtssache C-35/98, Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 57, und vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C-136/00, Danner, Slg. 2002, I-8147, Randnr. 36).
42 Im Ausgangsverfahren scheint jedoch kein derartiger Zusammenhang zwischen der Steuervergünstigung, d. h. dem Abzugsrecht, und bestimmten steuerpflichtigen Einkünften gegeben zu sein.
43 Unter diesen Umständen kann die Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die sich aus § 10 Absatz 1 Nummer 8 EStG ergibt, nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die steuerliche Kohärenz zu wahren.
44 Auf die vom Bundesfinanzhof vorgelegten Fragen ist daher zu antworten, dass es gegen Artikel 48 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 14 des Protokolls verstößt, wenn aus Deutschland stammende Beamte der Europäischen Gemeinschaften, die in Luxemburg wohnen, wo sie als Beamte tätig sind, und denen in diesem Mitgliedstaat Aufwendungen für eine Haushaltshilfe entstanden sind, diese Aufwendungen nicht von ihren in Deutschland steuerpflichtigen Einkünften absetzen dürfen, weil die Beiträge für die Haushaltshilfe nicht an die deutsche gesetzliche Rentenversicherung, sondern an die luxemburgische Rentenversicherung entrichtet worden sind.
45 Die Auslagen der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 21. Februar 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
Edward |
La Pergola |
von Bahr |
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. November 2003.
Der Kanzler |
Der Präsident |
R. Grass |
V. Skouris |
1 – Verfahrenssprache: Deutsch.