Rechtssache C-66/02
Italienische Republik
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
„Nichtigkeitsklage – Staatliche Beihilfen – Entscheidung 2002/581/EG – Steuervergünstigungen für Banken – Begründung der Entscheidung – Qualifizierung als staatliche Beihilfe – Voraussetzungen – Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Voraussetzungen – Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse – Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige“
Schlussanträge der Generalanwältin C. Stix-Hackl vom 8. September 2005
Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 15. Dezember 2005
Leitsätze des Urteils
1. Nichtigkeitsklage – Gründe – Fehlende oder unzureichende Begründung –Klagegrund, der sich von dem die materielle Rechtmäßigkeit betreffenden Klagegrund unterscheidet
(Artikel 230 EG und 253 EG)
2. Staatliche Beihilfen – Begriff – Steuerliche Maßnahmen der Steuerbefreiung, der Steuersenkung oder des Zahlungsaufschubs für bestimmte Vorgänge der Bankenumstrukturierung – Einbeziehung
(Artikel 87 Absatz 1 EG)
3. Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Prüfung einer Beihilferegelung in ihrer Gesamtheit – Zulässigkeit – Folge
(Artikel 87 Absatz 1 EG)
4. Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektiver Charakter der Maßnahme – Steuerliche Maßnahme, die nur Unternehmen des Bankensektors zugute kommt, die bestimmte Transaktionen durchführen – Einbeziehung
(Artikel 87 Absatz 1 EG)
5. Staatliche Beihilfen – Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien
(Artikel 87 Absatz 1 EG)
6. Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von gemeinsamem Interesse – Beihilfen zur Entwicklung eines Wirtschaftssektors – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen
(Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben b und c EG)
1. Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gehört die Frage der Stichhaltigkeit der Begründung eines Rechtsakts zu dessen materieller Rechtmäßigkeit. Die Verneinung der Stichhaltigkeit der Begründung kann daher nicht im Rahmen der Kontrolle der Beachtung der Verpflichtung aus Artikel 253 EG geprüft werden.
(vgl. Randnrn. 26, 55)
2. Der Begriff der Beihilfe ist weiter als der Begriff der Subvention; er umfasst nicht nur positive Leistungen wie etwa die Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen. Daraus folgt, dass eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine Abgabenbefreiung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Abgabepflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG ist. Genauso kann eine Maßnahme, mit der bestimmten Unternehmen eine Steuersenkung oder ein Zahlungsaufschub für die sonst geschuldete Steuer gewährt wird, eine staatliche Beihilfe sein.
Das ist im Rahmen einer Steuerregelung, die Vorgänge der Bankenumstrukturierung betrifft, bei Maßnahmen der Fall, die entweder in einer Steuersenkung aufgrund der Anwendung eines niedrigeren Satzes oder der Erhebung einer festen Steuer anstatt der sonst geschuldeten Steuern bestehen oder in einer Steuerbefreiung im Fall eines tatsächlichen Wertzuwachses bei der Rückübertragung von für den Gesellschaftszweck einer Bank nicht unerlässlichen Vermögenswerten auf die Bankstiftung, die diese Vermögenswerte zuvor auf die Bank übertragen hatte, oder in dem Fall, in dem eine übernehmende Bank ihre Beteiligungen an der Zentralbank des Mitgliedstaats auf die Bankstiftung überträgt, die zuvor diese Beteiligungen auf die Bank übertragen hatte, insbesondere wenn die Beteiligungen ursprünglich unentgeltlich übernommen wurden und dann gegen Bezahlung übertragen oder neu bewertet werden.
Diese Feststellung wird hinsichtlich der Maßnahmen, die die steuerliche Neutralität von Transaktionen der Rückübertragung vorsehen, nicht durch das Vorbringen entkräftet, dass die Zahlung der sonst geschuldeten Steuern nur auf den Zeitpunkt einer etwaigen späteren Realisierung des Vermögenswerts verschoben wird. Nicht nur kann nämlich der Aufschub für die Begleichung einer Steuerschuld eine staatliche Beihilfe darstellen, sondern vor allem bewirkt eine Rückübertragung wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende eine Übertragung des Eigentums am Vermögenswert von einem Rechtssubjekt auf ein anderes, so dass die Steuerbefreiung der Bankgesellschaft, die die Rückübertragung zugunsten einer Bankstiftung, eines anderen Rechtssubjekts, vornimmt, endgültig ist.
(vgl. Randnrn. 77-82)
3. Im Fall einer Beihilferegelung kann sich die Kommission, um festzustellen, ob diese Regelung Beihilfeelemente enthält, darauf beschränken, die allgemeinen Merkmale der fraglichen Regelung zu untersuchen, ohne dass sie verpflichtet wäre, jeden einzelnen Anwendungsfall zu prüfen. Kommt eine Beihilferegelung unstreitig bestimmten Unternehmen zugute, so entkräftet daher der Umstand, dass sie gegebenenfalls auch Begünstigten zugute kommt, die keine Unternehmen sind, diese Feststellung nicht, die für die Anwendung des Artikels 87 Absatz 1 EG genügt.
(vgl. Randnrn. 91-92)
4. Artikel 87 Absatz 1 EG verbietet Beihilfen zur „Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“, d. h. selektive Beihilfen. Eine Beihilfe kann selbst dann selektiv im Sinne dieser Bestimmung sein, wenn sie einen ganzen Wirtschaftssektor betrifft.
Das ist bei Steuermaßnahmen der Fall, die entweder in einer Steuersenkung oder in einer Steuerbefreiung oder in einem Zahlungsaufschub bestehen, nur für den Bankensektor gelten und im Bankensektor nur diejenigen Unternehmen begünstigen, die bestimmte Transaktionen durchführen. Da die Maßnahmen nicht für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten und tatsächlich vom allgemeinen Steuerrecht abweichen, können sie nicht als allgemeine steuer- oder wirtschaftspolitische Maßnahmen angesehen werden.
Derartige Maßnahmen sind folglich nach Artikel 87 Absatz 1 EG zu verbieten, da sie keine Anpassung an besondere Merkmale der Bankunternehmen darstellen, sondern als Mittel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt der Entwicklung des Sektors entworfen wurden.
(vgl. Randnrn. 94-101)
5. Artikel 87 Absatz 1 EG verbietet Beihilfen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Die Kommission ist im Rahmen ihrer Beurteilung dieser beiden Voraussetzungen nicht zum Nachweis einer tatsächlichen Auswirkung der Beihilfen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung verpflichtet, sondern hat nur zu prüfen, ob die Beihilfen geeignet sind, diesen Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen.
Die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ist somit dann festzustellen, wenn die Beihilfe eine Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel und eine verzerrende Wirkung auf den Wettbewerb im innergemeinschaftlichen Handel entfaltet oder entfalten kann. Insbesondere wird der innergemeinschaftliche Handel von einer von einem Mitgliedstaat gewährten Beihilfe beeinflusst, wenn diese Beihilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern in diesem Handel stärkt. Hierbei ist der Umstand, dass ein Wirtschaftssektor auf Gemeinschaftsebene liberalisiert wurde, geeignet, eine tatsächliche oder potenzielle Auswirkung der Beihilfen auf den Wettbewerb sowie ihre Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu begründen. Das begünstigte Unternehmen braucht zudem nicht selbst am innergemeinschaftlichen Handel teilzunehmen. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat einem Unternehmen eine Beihilfe gewährt, kann die inländische Tätigkeit dadurch beibehalten oder verstärkt werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, den Markt dieses Mitgliedstaats zu durchdringen, verringern. Zudem kann die Stärkung eines Unternehmens, das bis dahin nicht am innergemeinschaftlichen Handel teilgenommen hat, dieses in die Lage versetzen, den Markt eines anderen Mitgliedstaats zu durchdringen.
Daher sind Steuererleichterungen zu verbieten, die die Stellung der begünstigten Unternehmen gegenüber den im innergemeinschaftlichen Handel tätigen Unternehmen stärken, insbesondere im Rahmen eines auf Gemeinschaftsebene im Finanzdienstleistungssektor stattfindenden wichtigen Liberalisierungsprozesses, der den bereits aufgrund des im EG-Vertrag vorgesehenen freien Kapitalverkehrs ermöglichten Wettbewerb verschärft hat.
(vgl. Randnrn. 110-111, 114-119)
6. Bei der Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 EG verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die in einem Gemeinschaftskontext vorzunehmen sind. Der Gemeinschaftsrichter darf bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung durch die zuständige Stelle nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen, sondern muss sich auf die Prüfung beschränken, ob diese Beurteilung offensichtlich irrig oder ermessensmissbräuchlich ist.
Dadurch, dass die Kommission das Vorliegen eines „Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse“ im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG bei bestimmten Steuermaßnahmen verneint, aus denen sich ergibt, dass sie im Wesentlichen der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der in einem Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmer zur Stärkung allein ihrer Wettbewerbsposition im Binnenmarkt dienen sollen, begeht sie keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler. Ihr kann nicht entgegengehalten werden, dass die betreffenden Maßnahmen im Rahmen des Abschlusses eines Privatisierungsprozesses getroffen worden seien, da ein derartiger in einem Mitgliedstaat eingeleiteter Prozess nicht als solcher als Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse angesehen werden kann.
Die Kommission begeht auch nicht dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, dass sie die Auffassung vertritt, dass Maßnahmen, die hauptsächlich die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Empfänger in einem von einem intensiven internationalen Wettbewerb geprägten Sektor bewirken und in Wirklichkeit dazu bestimmt sind, die Position der Empfänger der Beihilfe gegenüber den Wettbewerbern, die keine Beihilfe erhalten, zu stärken, nicht die Voraussetzung erfüllen, dass sie die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändern, eine Voraussetzung, der Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG genügen müssen.
(vgl. Randnrn. 135, 138-140, 142, 144, 147-149)
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
15. Dezember 2005(*)
„Nichtigkeitsklage – Staatliche Beihilfen – Entscheidung 2002/581/EG – Steuervergünstigungen für Banken – Begründung der Entscheidung – Qualifizierung als staatliche Beihilfe – Voraussetzungen – Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Voraussetzungen –Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse – Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige“
In der Rechtssache C-66/02
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, eingereicht am 21. Februar 2002,
Italienische Republik, zunächst vertreten durch U. Leanza, dann durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Di Bucci und R. Lyal als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter C. Gulmann (Berichterstatter), R. Schintgen, G. Arestis und J. Klučka,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2005,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. September 2005
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Italienische Republik die Nichtigerklärung der Entscheidung 2002/581/EG der Kommission vom 11. Dezember 2001 über die staatliche Beihilferegelung, die Italien zugunsten der Banken durchgeführt hat (ABl. 2002, L 184, S. 27, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
Nationales Recht
2 In Italien wurde durch das Gesetz Nr. 218 vom 30. Juli 1990 mit Bestimmungen auf dem Gebiet der Umstrukturierung und der Stärkung des Vermögens der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute (GURI Nr. 182 vom 6. August 1990, S. 8, im Folgenden: Gesetz Nr. 218/90) eine Reform des Bankensystems eingeleitet.
3 Dieses Gesetz ermöglichte die Umwandlung von öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten in Aktiengesellschaften. Zu diesem Zweck wurden die öffentlichen Banken ermächtigt, den Bankbetrieb auf eine Aktiengesellschaft in der Weise zu übertragen, dass die übertragende juristische Person, die in der Praxis als „Bankstiftung“ (im Folgenden: Bankstiftung) bezeichnet wurde und die die Anteile hielt, von der übernehmenden Aktiengesellschaft (im Folgenden: Bankgesellschaft), die das Bankgeschäft führte, getrennt war. Die Bankstiftung verwaltete die Anteile an der Bankgesellschaft und verwendete die Erträge für soziale Zwecke.
4 Bei der Übertragung von Bankbetrieben wurden auch nicht geschäftsrelevante Vermögenswerte, d. h. nicht unmittelbar im Produktionsprozess genutzte Vermögenswerte, auf die Bankgesellschaften übertragen, deren Vermögen sich dadurch vergrößerte. Bei gleichem Betriebsergebnis hatten die Bankgesellschaften daher schlechtere Rentabilitätsergebnisse als konkurrierende Banken.
5 Auch die Beteiligungen der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute am Kapital der Banca d’Italia wurden auf die Bankgesellschaften übertragen. Sie konnten nicht den Bankstiftungen zugewiesen werden, weil diese nicht zur Gruppe der Einrichtungen gehörten, die derartige Beteiligungen halten durften.
6 Durch Artikel 2 des Gesetzes Nr. 489 vom 26. November 1993 betreffend u. a. die Verlängerung der in Artikel 7 Absatz 6 des Gesetzes Nr. 218/90 vorgesehenen Frist (GURI Nr. 284 vom 3. Dezember 1993, S. 4, im Folgenden: Gesetz Nr. 489/93) wurden die öffentlichen Bankinstitute verpflichtet, sich bis spätestens 30. Juni 1994 in Aktiengesellschaften umzuwandeln.
7 Das Gesetz Nr. 461 vom 23. Dezember 1998 zur Ermächtigung der Regierung zur Neuordnung der zivil- und steuerrechtlichen Regelung für die einbringenden Einrichtungen im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 des Decreto legislativo Nr. 356 vom 20. November 1990 sowie der steuerrechtlichen Regelung bezüglich der Vorgänge der Bankenumstrukturierung (GURI Nr. 4 vom 7. Januar 1999, S. 4, im Folgenden: Gesetz Nr. 461/98) ermächtigte die italienische Regierung, die Regelung für den Bankensektor insbesondere im Bereich der Umstrukturierung erneut zu reformieren.
8 Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe m des Gesetzes Nr. 461/98 eröffnete den Bankstiftungen, die die durch diese Reform vorgeschriebenen Statusänderungen vorgenommen hatten, die Möglichkeit einer Beteiligung an der Banca d’Italia.
9 Mit dem Decreto legislativo Nr. 153 vom 17. Mai 1999 betreffend die zivil- und steuerrechtliche Regelung für die einbringenden Einrichtungen im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 des Decreto legislativo Nr. 356 vom 20. November 1990 sowie die steuerrechtliche Regelung bezüglich der Vorgänge der Bankenumstrukturierung gemäß Artikel 1 des Gesetzes Nr. 461 vom 23. Dezember 1998 (GURI Nr. 125 vom 31. Mai 1999, S. 4, im Folgenden: Dekret Nr. 153/99) wurde durch Einführung folgender Steuervergünstigungen von der durch das Gesetz Nr. 461/98 erteilten Ermächtigung Gebrauch gemacht:
– Senkung des Satzes der Körperschaftsteuer (IRPEG) auf 12,5 % für Banken, die Zusammenschlüsse oder ähnliche Umstrukturierungen vornehmen, und zwar in fünf aufeinander folgenden Steuerjahren, sofern die Gewinne in eine Sonderrücklage eingestellt werden, die drei Jahre lang nicht ausgeschüttet wird; die für die Sonderrücklage bestimmten Gewinne dürfen 1,2 % der Differenz zwischen der Gesamtheit der Forderungen und Verbindlichkeiten der an dem Zusammenschluss beteiligten Banken und dem entsprechenden Betrag der größten daran beteiligten Bank nicht überschreiten (Artikel 22 Absatz 1 und 23 Absatz 1);
– steuerliche Neutralität von Transaktionen der Rückübertragung auf den Einbringer von Anlagegütern und sonstigen Vermögenswerten, die für den Gesellschaftszweck nicht unerlässlich sind und die nach dem Gesetz Nr. 218/90 bereits auf die Bankgesellschaften übertragen worden waren (Artikel 16 Absatz 3);
– Einführung einer festen Steuer anstatt der in Verbindung mit den Transaktionen nach den vorstehenden beiden Gedankenstrichen geschuldeten Steuern (Artikel 24 Absatz 1 und 16 Absatz 5);
– steuerliche Neutralität hinsichtlich der Kommunalsteuer auf den Wertzuwachs der Immobilien in Verbindung mit denselben Transaktionen (Artikel 24 Absatz 1 und 16 Absatz 5);
– Steuerbefreiung für die Übertragung der Beteiligungen am Kapital der Banca d'Italia von den Bankgesellschaften auf die Bankstiftungen (Artikel 27 Absatz 2).
Die angefochtene Entscheidung
10 Aufgrund einer parlamentarischen Anfrage bat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften Italien mit einem im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf dem Gebiet staatlicher Beihilfen verfassten Schreiben vom 24. März 1999, ihr Angaben zu übermitteln, damit sie die Tragweite und die Auswirkungen des Gesetzes Nr. 461/98 beurteilen könne.
11 Mit Schreiben vom 24. Juni und 2. Juli 1999 ließ Italien der Kommission Auskünfte über dieses Gesetz und das Dekret Nr. 153/99 zugehen.
12 Mit Schreiben vom 23. März 2000 wies die Kommission Italien darauf hin, dass das Gesetz Nr. 461/98 und das Dekret Nr. 153/99 Beihilfeelemente enthalten könnten, und forderte es auf, die fraglichen Maßnahmen nicht durchzuführen. Mit Schreiben vom 12. April 2000 teilte Italien der Kommission mit, dass es die Anwendung der Maßnahmen ausgesetzt habe; am 14. Juni 2000 übermittelte es weitere Auskünfte.
13 Den theoretischen Höchstbetrag der Steuervergünstigungen, die in Form der gemäß den Artikeln 22 Absatz 1 und 23 Absatz 1 des Dekrets Nr. 153/99 gewährten Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 12,5 % erlangt wurden, errechnete Italien auf 5 358 Mrd. ITL (2 767 Mio. EUR) für die in den Jahren 1998, 1999 und 2000 vollzogenen 76 Transaktionen.
14 Mit Schreiben vom 25. Oktober 2000 unterrichtete die Kommission die italienische Regierung von ihrer Entscheidung, das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten. Diese Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (ABl. 2001, C 44, S. 2).
15 Am Ende des Verfahrens kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Italienische Republik unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 EG rechtswidrig das Gesetz Nr. 461/98 und das Dekret Nr. 153/99 angewandt habe. Mit Ausnahme der in Artikel 27 Absatz 2 des Dekrets Nr. 153/99 vorgesehenen Steuerbefreiung für bestimmte Übertragungen von Beteiligungen am Kapital der Banca d'Italia seien die durchgeführten Steuermaßnahmen eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilferegelung. Diese Maßnahmen verschafften den Banken einen Vorteil, weil sie es ihnen ermöglichten, sich zu vergrößern und Größenvorteile zu niedrigen Kosten zu erzielen.
16 Die Kommission erließ daher die angefochtene Entscheidung, in der sie darauf hinwies, dass mit dem Gesetz Nr. 461/98 und dem Dekret Nr. 153/99 auch für die Bankstiftungen Steuervergünstigungen eingeführt worden seien, die jedoch in der Entscheidung nicht geprüft würden.
17 Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet wie folgt:
„Artikel 1
Vorbehaltlich von Artikel 2 ist die staatliche Beihilferegelung, die Italien zugunsten der Banken aufgrund des Gesetzes Nr. [461/98] und des [Dekrets Nr. 153/99], insbesondere aufgrund von Artikel 16 Absätze 3 und 5, Artikel 22 Absatz 1, Artikel 23 Absatz 1, Artikel 24 Absatz 1 und Artikel 27 Absatz 2 des [Dekrets Nr. 153/99] bewilligt hat, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
Artikel 2
Die Steuererleichterungen nach Artikel 27 Absatz 2 des [Dekrets Nr. 153/99] stellen insofern keine staatlichen Beihilfen dar, als die Doppeltransaktion der Zuweisung der Kapitalbeteiligungen an der Banca d'Italia auf die Empfängergesellschaft und die anschließende Übertragung auf die Stiftung keine Wirkung auf die Bilanz der Empfängergesellschaft zeitigen.
Artikel 3
Italien hebt die in Artikel 1 genannte Beihilferegelung auf.
Artikel 4
(1) Italien trifft alle notwendigen Vorkehrungen, um die auf der Grundlage der Regelung nach Artikel 1 den Empfängern gewährten Beihilfen, die ihnen bereits rechtswidrig zur Verfügung gestellt wurden, von ihnen zurückzufordern.
(2) Die Rückforderung erfolgt unverzüglich nach den Verfahren des innerstaatlichen Rechts, sofern diese die sofortige und effektive Anwendung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst die Zinsen ab dem Zeitpunkt, zu dem die Beihilfe den Empfängern zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückforderung. Die Zinsen werden auf der Grundlage des Bezugssatzes ermittelt, der für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Beihilfen mit regionaler Zielsetzung verwendet wird.
…“
Anträge der Parteien
18 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, weil die Voraussetzungen dafür, dass die Steuermaßnahmen zur Begleitung der Reform des italienischen Bankensystems als „staatliche Beihilfen“ eingestuft werden können, nicht erfüllt sind;
– der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
19 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die übrigen bei den Gemeinschaftsgerichten anhängigen Verfahren
20 Die Associazione bancaria italiana (ABI) (T-36/02), die Banca Sanpaolo IMI SpA (T-37/02), die Banca Intesa Banca Commerciale Italiana SpA (T-39/02), die Banca di Roma SpA (T-40/02), die Mediocredito Centrale SpA (T-41/02), die Banca Monte dei Paschi di Siena SpA (T-42/02) und die Compagnia di San Paolo Srl (T-121/02) haben mit am 21. Februar bzw. am 11. April 2002 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz eingegangenen Klageschriften ebenfalls eine Klage gegen die Kommission auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhoben. Die Kommission hat vor dem Gericht die Einrede der Unzulässigkeit der Klagen erhoben; sie macht geltend, dass die Klägerinnen kein individuelles Interesse hätten, weil die fraglichen Beihilfen keine Einzelbeihilfen seien, sondern Teil einer Beihilferegelung. Mit Beschlüssen vom 9. Juli 2003 hat das Gericht die sieben Verfahren bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofes in der vorliegenden Rechtssache ausgesetzt. In den Rechtssachen T-36/02, T-37/02, T-39/02, T-40/02, T-41/02 und T-42/02 haben die Klägerinnen Rechtsmittel gegen die Aussetzungsbeschlüsse eingelegt. Mit Beschluss des Gerichtshofes vom 26. November 2003 in den Rechtssachen C-366/03 P bis C-368/03 P, C-390/03 P, C-391/03 P und C-394/03 P (ABI u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) sind diese Rechtsmittel als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen worden.
21 Mit Beschluss vom 11. Februar 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 23. März 2004 (Rechtssache C-148/04), hat die Commissione tributaria provinciale Genua (Italien) dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung sowie die Auslegung der Artikel 87 ff. EG, des Artikels 14 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1) und allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts vorgelegt, über das der Gerichtshof heute mit gesondertem Urteil entscheidet.
Zur Klage
22 Die Klägerin bringt fünf Klagegründe vor, mit denen sie Verstöße gegen Artikel 253 EG, den Grundsatz der Wahrung der Verfahrensrechte, Artikel 87 Absatz 1 EG, Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG und Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG beanstandet.
Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 253 EG
Vorbringen der Parteien
23 Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission die Begründungspflicht nach Artikel 253 EG verletzt habe.
24 Der Klagegrund besteht aus drei Teilen:
– Die angefochtene Entscheidung weise bezüglich der Beurteilung der Förderung des Wettbewerbs im Bankensektor einen Begründungsmangel auf;
– sie prüfe das Vorbringen der italienischen Regierung zur Frage der Qualifizierung der streitigen Steuermaßnahmen als staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG und ihr Vorbringen zu der davon unabhängigen Frage einer auf Artikel 87 Absatz 3 EG gestützten Feststellung der Vereinbarkeit nicht getrennt;
– sie enthalte eine unzureichende, fehlerhafte und widersprüchliche Begründung dafür, dass die streitigen Steuermaßnahmen nicht gemäß Artikel 87 Absatz 3 EG als mit dem EG-Vertrag vereinbar angesehen werden könnten.
25 Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerin zurück. Sie ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung die in der Rechtsprechung zur Begründung aufgestellten Voraussetzungen erfülle.
Würdigung durch den Gerichtshof
26 Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die nach Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand von dessen Wortlaut zu beurteilen ist, sondern auch anhand des Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. insbesondere Urteil vom 7. März 2002 in der Rechtssache C 310/99, Italien/Kommission, Slg. 2002, I-2289, Randnr. 84).
– Zum ersten Teil des Klagegrundes
27 Im Rahmen des ersten Teils ihres Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die angefochtene Entscheidung bezüglich der Beurteilung der Förderung des Wettbewerbs im Bankensektor einen Begründungsmangel aufweise.
28 Diesem allgemeinen Vorbringen folgen Ausführungen, die im Wesentlichen nur die Entwicklung der Regelung des italienischen Bankensektors beschreiben, ohne dass genaue Angaben zum Inhalt der erhobenen Rüge gemacht würden.
29 In der detaillierten Beschreibung der Entwicklung des anwendbaren Rechts wird insbesondere auf das Gesetz Nr. 218/90 hingewiesen.
30 Dieses Gesetz habe ursprünglich eine tief greifende Änderung des italienischen Bankensystems eingeleitet, das damals durch einen ausgedehnten öffentlichen Sektor gekennzeichnet gewesen sei, indem es die Rechtsinstrumente vorgesehen habe, die die Umwandlung der öffentlichen Banken in Aktiengesellschaften ermöglicht hätten.
31 Das Gesetz Nr. 461/98 sei der letzte Abschnitt im Prozess der Reform des italienischen Kreditwesens gewesen.
32 Es sei vor allem notwendig geworden, um die Präsenz des öffentlichen Sektors im Bankwesen zu beseitigen oder jedenfalls endgültig zu verringern und um den Prozess der Privatisierung und Umstrukturierung des italienischen Bankensystems, der mit dem Gesetz Nr. 218/90 begonnen worden sei, zu vollenden.
33 Es habe insbesondere dazu gedient,
– Transaktionen zu begünstigen, die auf eine Vergrößerung der Banken oder Bankengruppen abgezielt hätten;
– die steuerlich neutrale Rückübertragung von nicht geschäftsrelevanten Vermögenswerten der Bankgesellschaften, die ihnen im Rahmen der Anwendung des Gesetzes Nr. 218/90 übertragen worden seien, auf die Bankstiftungen zu erlauben.
34 Die Notwendigkeit, den Privatisierungsprozess abzuschließen, sei Hand in Hand mit einem Vorhaben gegangen, mit dem bezweckt worden sei, eine Steuerreform im allgemeineren Kontext einer Verringerung des auf den produktiven Tätigkeiten lastenden Steuerdrucks durchzuführen.
35 Der erste Teil des geprüften Klagegrundes ist angesichts seiner Formulierung und unter Berücksichtigung aller Schriftsätze der Parteien dahin zu verstehen, dass gerügt wird, in der angefochtenen Entscheidung seien nicht die Gründe angegeben, aus denen die Kommission das Gesetz Nr. 461/98 und das Dekret Nr. 153/99 als staatliche Beihilfen eingestuft habe, obwohl sie nur die Weiterführung des Gesetzes Nr. 218/90 dargestellt hätten, das seinerseits von der Kommission nicht im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen beanstandet worden sei.
36 Hierzu ist zu bemerken, dass die Kommission in den Begründungserwägungen 16, 30 und 32 der angefochtenen Entscheidung
– die Beschreibung zusammengefasst hat, die die italienische Regierung im Verfahren von der Entwicklung der Regelung des italienischen Bankensektors gegeben hat;
– auf das Vorbringen der italienischen Regierung hingewiesen hat, dass das Gesetz Nr. 218/90 und das Dekret Nr. 153/99 als Teil desselben Prozesses mit dem Ziel der Modernisierung des Bankensektors zu sehen seien;
– an das Ziel der Klägerin erinnert hat, diesen Sektor zu konsolidieren und umzustrukturieren.
37 In den Begründungserwägungen 51 bis 54 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission dann dargelegt, aus welchen Gründen der Umstand, dass das Gesetz Nr. 218/90 nicht im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen beanstandet worden sei, keine Bedeutung für die Frage habe, wie sie das Gesetz Nr. 461/98 und das Dekret Nr. 153/99 im Hinblick auf dieselben Vorschriften beurteile.
38 Was zunächst den Umstand angehe, dass sie das Gesetz Nr. 218/90 nicht beanstandet habe, so sei dieses Gesetz von der italienischen Regierung nicht angemeldet worden. Die Kommission habe nur einige Aspekte des Gesetzes in Verbindung mit Einzelfällen geprüft, und die Rechtfertigung dieser Aspekte, die sie akzeptiert habe, erfasse die Maßnahmen, um die es im vorliegenden Fall gehe, nicht.
39 Im Übrigen seien die staatlichen Banken bis auf einige Ausnahmen in Aktiengesellschaften bereits Ende 1992 umgewandelt worden, und diese Umwandlung sei mit dem Gesetz Nr. 489/93 obligatorisch geworden.
40 Außerdem bedeute die Tatsache, dass sie damals keine Einwände gegen die anderen Maßnahmen, die vielleicht denen des Dekrets Nr. 153/99 ähnlicher gewesen seien, erhoben habe, nicht, dass sie Letztere positiv beurteilen müsse. So sei eine Steuerbefreiung für die Übertragung von Vermögenswerten von der Bankstiftung auf die Bankgesellschaft nicht zwangsläufig in der gleichen Weise zu beurteilen wie die Befreiung für eine ähnliche Rückübertragung von der Bankgesellschaft auf die Stiftung. Faktisch hätte die Übertragung der Vermögenswerte auf die Bankgesellschaft die Umwandlung der staatlichen Banken in Aktiengesellschaften erleichtern können; die Abtretung dieser Vermögenswerte an die Stiftungen mit etwaiger Neubewertung unter Steuerfreiheit hingegen habe das Ziel und die Wirkung, die Rentabilitätsindizes der Bankgesellschaft zu verbessern.
41 Schließlich bleibe das Gesetz Nr. 218/90 eine Ad-hoc-Maßnahme, die prinzipiell durch die spezifischen Umstände ihres Erlasses gerechtfertigt sein könne. Die Maßnahmen, um die es im vorliegenden Fall gehe, könnten jedoch zu keinem Zeitpunkt als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden.
42 Die Kommission hat demnach entgegen dem Klagevorbringen in der angefochtenen Entscheidung auf das seinerzeitige Vorbringen der Klägerin mit einer Begründung entgegnet.
43 Diese Begründung reichte unabhängig von der Frage ihrer Stichhaltigkeit aus, damit die Betroffenen ihr die Gründe für die angefochtene Entscheidung über dieses Vorbringen entnehmen konnten und damit der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.
44 Der erste Teil des geprüften Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.
– Zum zweiten Teil des Klagegrundes
45 Im Rahmen des zweiten Teils ihres Klagegrundes wirft die Klägerin der Kommission vor, sie habe nicht die Begründung hinsichtlich der Frage der Qualifizierung der streitigen Steuermaßnahmen im Hinblick auf Artikel 87 Absatz 1 EG von der Begründung der davon unabhängigen Frage einer auf Artikel 87 Absatz 3 EG gestützten Feststellung getrennt.
46 Hierzu ist zu bemerken, dass die Beachtung der Begründungspflicht in erster Linie anhand des Inhalts der Begründung und nicht ihrer Darstellung zu beurteilen ist.
47 Zudem hat die Kommission im vorliegenden Fall in den Begründungserwägungen 32 und 43 der angefochtenen Entscheidung die Frage der Qualifizierung der streitigen Steuermaßnahmen im Hinblick auf Artikel 87 Absatz 1 EG und getrennt davon in den Begründungserwägungen 45 bis 48 der Entscheidung die Frage einer Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 EG geprüft.
48 Der zweite Teil des geprüften Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.
– Zum dritten Teil des Klagegrundes
49 Im Rahmen des dritten Teils ihres Klagegrundes wirft die Klägerin der Kommission vor, dass die angefochtene Entscheidung bezüglich der Frage der Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstaben b und c EG unzureichend, fehlerhaft und widersprüchlich begründet sei.
50 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Begründungserwägungen 45 bis 48 der angefochtenen Entscheidung die Überlegungen darstellt, aus denen sie zu dem Schluss gelangt, dass die streitigen Steuermaßnahmen nicht gemäß diesen Bestimmungen für mit dem EG-Vertrag vereinbar erklärt werden können.
51 Sie führt insbesondere aus, dass die Stärkung des italienischen Bankensystems nicht als „wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse“ im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG betrachtet werden könne, da die Wirtschaftsakteure hauptsächlich eines Mitgliedstaats und nicht der gesamten Gemeinschaft begünstigt würden und da nicht die Förderung eines konkreten, genauen und klar definierten Vorhabens sichergestellt werde.
52 Was die Vereinbarkeit der streitigen Steuermaßnahmen im Hinblick auf Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG unter dem Gesichtspunkt der „Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige“ angehe, so seien die Voraussetzungen für die Anwendung der in der Mitteilung 1999/C 288/02 der Kommission enthaltenen Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 1999, C 288, S. 2) nicht erfüllt. Die Regelung sei nicht auf kleine und mittlere Unternehmen begrenzt. Die Beihilfen seien der Kommission nicht einzeln mitgeteilt worden, und es sei auch kein Umstrukturierungsplan vorgelegt worden. Die Banken, denen die Beihilfe zugute komme, befänden sich in der Regel nicht in Schwierigkeiten, und die Beihilfe sei auch nicht dazu bestimmt, die langfristige wirtschaftlich-finanzielle Rentabilität zu verbessern. Die Leitlinien erforderten Maßnahmen mit dem Ziel, so weit wie möglich etwaige negative Auswirkungen der Beihilfe auf die Wettbewerber auszugleichen. Im vorliegenden Fall sei die Beihilfe hingegen dazu bestimmt, die Position der Empfänger gegenüber den Wettbewerbern, die keine Beihilfe erhielten, zu stärken. Die Steuererleichterungen seien nicht als Investitionsbeihilfen oder als Beihilfen für andere Ausgabenarten zu bezeichnen, die sonst als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könnten. Kein weiteres Merkmal der Regelung erlaube es der Kommission, sie aus anderen Gründen als im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen. Außerdem sei die in dieser Bestimmung aufgestellte Voraussetzung, dass die Beihilfen „die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft“, nicht erfüllt. Anders als die früheren Maßnahmen, insbesondere diejenigen des Gesetzes Nr. 218/90, die den staatlichen Banken die Umwandlung in Aktiengesellschaften erleichtert haben könnten und in wettbewerblicher Hinsicht die Ungleichgewichte gegenüber den anderen Bankinstituten verringert hätten, bewirkten die fraglichen Maßnahmen hauptsächlich die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Empfänger in einem Sektor, der von einem intensiven internationalen Wettbewerb geprägt sei.
53 Diese von der Kommission gegebene Begründung reichte unabhängig von der Frage ihrer Stichhaltigkeit aus, damit die Betroffenen ihr die Gründe für die angefochtene Entscheidung über die geprüfte Frage entnehmen konnten und damit der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.
54 Abgesehen davon wird mit der von der Klägerin erhobenen Rüge der Fehlerhaftigkeit und Widersprüchlichkeit der Begründung in Wirklichkeit deren Stichhaltigkeit verneint und zudem geltend gemacht, dass die Änderung eines zuvor von der Kommission eingenommenen Standpunkts unzureichend begründet werde. Die Klägerin trägt nämlich insbesondere vor, dass die Feststellung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung, die fragliche Regelung begünstige die Wirtschaftsakteure hauptsächlich eines Mitgliedstaats und nicht der Gemeinschaft, „völlig vereinfachend und willkürlich erscheint“. Auch die Bemerkung der Kommission, dass die fragliche Regelung nicht die Förderung eines konkreten, genauen und klar definierten Vorhabens sicherstelle, sei „nicht nur widersprüchlich, sondern auch völlig unbegründet“. Schließlich sei die Argumentation der Kommission zur Frage der Vereinbarkeit einer Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige „widersprüchlich“ und weise „keinen inneren Zusammenhang“ mit den Ergebnissen auf, zu denen sie in anderen Fällen gelangt und von denen sie im vorliegenden Fall sehr deutlich abgewichen sei.
55 Wie jedoch in Randnummer 26 des vorliegenden Urteils festgestellt, gehört die Frage der Stichhaltigkeit der Begründung eines Rechtsakts zu dessen materieller Rechtmäßigkeit. Das Vorbringen, die Begründung sei nicht stichhaltig, kann daher nicht im Rahmen der Kontrolle der Beachtung der Verpflichtung aus Artikel 253 EG geprüft werden.
56 Was darüber hinaus die Begründung dafür angeht, dass die Kommission einen anderen Standpunkt als in früheren Fällen eingenommen hat, so werden in den Begründungserwägungen 51 bis 54 der angefochtenen Entscheidung die Gesichtspunkte genannt, die nach Auffassung dieses Organs die verglichenen Fälle unterscheiden und deshalb diesen Standpunkt rechtfertigen.
57 Der dritte Teil des geprüften Klagegrundes ist daher ebenfalls zurückzuweisen.
58 Demnach ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 253 EG in vollem Umfang zurückzuweisen.
Zum Klagegrund einer Verletzung des Grundsatzes der Wahrung der Verfahrensrechte
Vorbringen der Parteien
59 Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission erstmals in der angefochtenen Entscheidung Vorwürfe in Bezug auf die streitigen Steuermaßnahmen im Bereich der indirekten Besteuerung erhoben habe, ohne zuvor der italienischen Regierung und den Begünstigten Gelegenheit zur Erläuterung gegeben zu haben. Die Kommission habe damit den Grundsatz der Wahrung der Verfahrensrechte verletzt.
60 Nach Auffassung der Kommission ist dieses Vorbringen ein neues Angriffsmittel, das nach Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig sei, weil es erstmals im Stadium der Erwiderung vorgebracht worden sei.
Würdigung durch den Gerichtshof
61 Nach Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.
62 In ihrer Klageschrift hat die Klägerin den Klagegrund einer Verletzung der Verfahrensrechte in dem Verfahren, das zum Erlass der angefochtenen Entscheidung geführt hat, nicht vorgebracht.
63 Sie hat diesen Klagegrund erst im Stadium der Erwiderung geltend gemacht, ohne ihn auf rechtliche oder tatsächliche Gründe zu stützen, die erst während des Verfahrens zutage getreten wären.
64 Der fragliche Klagegrund ist daher ein neues Angriffsmittel, das als solches für unzulässig zu erklären ist.
Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 87 Absatz 1 EG
Vorbringen der Parteien
65 Die Klägerin trägt vor, dass die Kommission gegen Artikel 87 Absatz 1 EG verstoßen habe, indem sie die streitigen Steuermaßnahmen als staatliche Beihilfen eingestuft habe.
66 Dieser Klagegrund besteht aus sechs Teilen.
67 Im Rahmen des ersten Teils macht die Klägerin geltend, dass die angefochtene Entscheidung bezüglich der Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 12,5 % für Banken, die Zusammenschlüsse oder ähnliche Umstrukturierungen vornähmen, auf einer unrichtigen Prämisse beruhe. Diese Senkung werde nicht für das Gesamteinkommen der Bank gewährt, die einen Zusammenschluss oder eine vergleichbare Umstrukturierung vornehme, sondern lediglich für den Teil des Einkommens, der in einer Sonderrücklage eingestellt werde. Zudem dürfe die niedrigere Besteuerung nicht die Gesamtgrenze von 1,2 % des in den Artikeln 22 Absatz 1 und 23 Absatz 1 des Dekrets Nr. 153/99 genannten Betrages unterschreiten. Schließlich habe die Kommission nicht berücksichtigt, dass die Sonderrücklage drei Jahre lang nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden dürfe.
68 Im Rahmen der anderen fünf Teile ihres Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die streitigen Maßnahmen
– weder zu einer Übertragung staatlicher Mittel noch zu einem Verzicht des Staates auf bestimmte Steuereinnahmen geführt hätten;
– keine staatliche Beihilfen darstellten, weil sie auch Begünstigten wie Holdinggesellschaften zugute kämen, die keine Unternehmen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG seien;
– entgegen der Auffassung der Kommission nicht selektiven, sondern im Gegenteil allgemeinen Charakter hätten, weil sie mit nicht diskriminierenden Erfordernissen verbunden seien, deren Anwendung keinem Ermessen unterliege;
– nicht den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten oder ihn allenfalls teilweise beeinträchtigten, so dass nur eine Teilrückforderung der Beihilfen hätte angeordnet werden dürfen;
– nicht den Wettbewerb verfälschten.
69 Insbesondere hätten die in Artikel 16 Absatz 3 des Dekrets Nr. 153/99 enthaltenen Maßnahmen, die die steuerliche Neutralität von Transaktionen der Rückübertragung von Anlagegütern und sonstigen Vermögenswerten vorsähen, die für den Gesellschaftszweck nicht unerlässlich seien, nicht zu einem wirtschaftlichen Vorteil geführt, der in einer Steuerbefreiung für die die Rückübertragung vornehmende Gesellschaft bestehe, sondern zu einer bloßen Verlagerung der Steuerlast von dieser Gesellschaft auf den Empfänger der rückübertragenen Vermögenswerte und zu einer Verschiebung des Termins für die Steuerzahlung von der Rückübertragung auf die spätere Realisierung der Vermögenswerte.
70 Die Kommission macht geltend, die Klägerin habe erst im Stadium der Erwiderung vorgebracht, dass Artikel 16 Absatz 3 des Dekrets Nr. 153/99, soweit er die steuerliche Neutralität von Transaktionen der Rückübertragung von Anlagegütern und sonstigen Vermögenswerten vorsehe, die nicht unerlässlich seien, auch Begünstigten zugute komme, die keine Unternehmen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG seien. Dieses Vorbringen stelle ein nach Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung unzulässiges neues Angriffsmittel dar.
71 Die Klägerin habe auch erst im Stadium der Erwiderung vorgebracht, dass eine Beihilfe den Handel zwischen Mitgliedstaaten möglicherweise nur teilweise beeinträchtige und daher nur teilweise zurückzuzahlen sei. Das Begehren, den zurückzufordernden Betrag zu senken, sei ein neuer Antrag, der den Streitgegenstand unter Verstoß gegen Artikel 19 der EG-Satzung des Gerichtshofs (jetzt Artikel 21 der Satzung des Gerichtshofs) und Artikel 38 der Verfahrensordnung ändere.
72 Darüber hinaus sei der Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 87 Absatz 1 EG unbegründet.
Würdigung durch den Gerichtshof
– Zum ersten Teil: Unrichtigkeit einer Prämisse bezüglich der Senkung des Körperschaftsteuersatzes
73 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Kommission nicht von einer Senkung des Steuersatzes für das Gesamteinkommen der Bank ausgegangen. In der Begründungserwägung 5 der angefochtenen Entscheidung hat sie auf die Senkung für die in eine Sonderrücklage eingestellten Gewinne hingewiesen, wobei diese Einstellung eine Voraussetzung für die Senkung bilde. Zudem hätte die Berücksichtigung einer auf das Gesamteinkommen der Bank anwendbaren Senkung die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Prüfung des Umfangs der Beihilfe berührt, nicht jedoch hinsichtlich des Vorliegens der Beihilfe.
74 Abgesehen davon hat die Kommission in derselben Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich die Gesamtgrenze von 1,2 % und die Voraussetzung der Nichtausschüttung für die Dauer von drei Jahren erwähnt, auf die sich die Klägerin berufen hat und die im Dekret Nr. 153/99 vorgesehen sind.
75 Der erste Teil des geprüften Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.
– Zum zweiten Teil: Voraussetzung einer Finanzierung der streitigen Maßnahmen durch den Staat oder mit staatlichen Mitteln
76 Artikel 87 Absatz 1 EG betrifft „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art“.
77 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der Beihilfe weiter als der Begriff der Subvention; er umfasst nicht nur positive Leistungen wie etwa die Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. insbesondere Urteile vom 8. November 2001 in der Rechtssache C-143/99, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, Slg. 2001, I-8365, Randnr. 38, und vom 15. Juli 2004 in der Rechtssache C-501/00, Spanien/Kommission, Slg. 2004, I-6717, Randnr. 90 und die dort zitierte Rechtsprechung).
78 Daraus folgt, dass eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine Abgabenbefreiung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Abgabepflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG ist (vgl. Urteil vom 15. März 1994 in der Rechtssache C-387/92, Banco Exterior de España, Slg. 1994, I-877, Randnr. 14). Genauso kann eine Maßnahme, mit der bestimmten Unternehmen eine Steuersenkung oder ein Zahlungsaufschub für die sonst geschuldete Steuer gewährt wird, eine staatliche Beihilfe sein.
79 Im vorliegenden Fall bestehen die streitigen Maßnahmen in
– einer Senkung der Körperschaftsteuer;
– Steuerbefreiungen aufgrund von Bestimmungen, die die steuerliche Neutralität der erfassten Transaktionen gewährleisten, d. h. die steuerliche Nichtberücksichtigung der Erfüllung des Erhebungstatbestands einer Steuer, indem deren Zahlung auf den Zeitpunkt einer etwaigen späteren Transaktion derselben Art verschoben wird;
– der Einführung einer festen Steuer anstatt der Steuern, die sonst in Verbindung entweder mit Zusammenschlüssen und ähnlichen Umstrukturierungen oder mit einer Transaktion der Rückübertragung von Anlagegütern und sonstigen Vermögenswerten, die für den Gesellschaftszweck nicht unerlässlich sind, geschuldet werden;
– einer Steuerbefreiung für die Übertragung der Beteiligungen am Kapital der Banca d'Italia von den Bankgesellschaften auf die Bankstiftungen.
80 Sie bestehen somit entweder in einer Steuersenkung aufgrund der Anwendung eines niedrigeren Satzes oder der Erhebung einer festen Steuer anstatt der sonst geschuldeten Steuern oder in einer Steuerbefreiung im Fall eines tatsächlichen Wertzuwachses bei der Rückübertragung von für den Gesellschaftszweck nicht unerlässlichen Vermögenswerten oder, wie in der Begründungserwägung 39 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wird, wenn die Bankgesellschaft, die ihre Beteiligungen an der Banca d'Italia auf eine Bankstiftung überträgt, einen Vorteil aus dieser Transaktion zieht, insbesondere wenn die Beteiligungen ursprünglich unentgeltlich übernommen wurden und gegen Bezahlung auf die Stiftung übertragen oder neu bewertet werden.
81 Die betreffenden Steuererleichterungen werden daher im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG aus staatlichen Mitteln gewährt.
82 Diese Feststellung wird hinsichtlich der Maßnahmen, die die steuerliche Neutralität von Transaktionen der Rückübertragung vorsehen, nicht durch das Vorbringen entkräftet, dass die Zahlung der sonst geschuldeten Steuern nur auf den Zeitpunkt einer etwaigen späteren Realisierung des Vermögenswerts verschoben wird. Nicht nur kann nämlich der Aufschub für die Begleichung einer Steuerschuld eine staatliche Beihilfe darstellen, sondern vor allem bewirkt eine Rückübertragung wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende eine Übertragung des Eigentums am Vermögenswert von einem Rechtssubjekt auf ein anderes, so dass die Steuerbefreiung der Bankgesellschaft, die die Rückübertragung zu Gunsten einer Bankstiftung, eines anderen Rechtssubjekts, vornimmt, endgültig ist.
83 Der zweite Teil des geprüften Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.
– Zum dritten Teil: Eigenschaft der Begünstigten der Maßnahmen, die die steuerliche Neutralität von Transaktionen der Rückübertragung der Anlagegüter und sonstigen Vermögenswerte vorsehen, die für den Gesellschaftszweck nicht unerlässlich sind
84 Die Klägerin hat in der Erwiderung geltend gemacht, dass die Maßnahme, die die steuerliche Neutralität von Transaktionen der Rückübertragung der Anlagegüter und sonstigen Vermögenswerte vorsehe, die für den Gesellschaftszweck nicht unerlässlich seien, auch Begünstigten zugute komme, die keine Unternehmen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG seien.
85 Nach Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.
86 Ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines bereits unmittelbar oder mittelbar in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt, ist jedoch zulässig (Urteile vom 19. Mai 1983 in der Rechtssache 306/81, Verros/Parlament, Slg. 1983, 1755, Randnr. 9, und vom 22. November 2001 in der Rechtssache C-301/97, Niederlande/Rat, Slg. 2001, I-8853, Randnr. 169).
87 In ihrer Klageschrift hat die Klägerin den geprüften Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 87 Absatz 1 EG vorgebracht, indem sie geltend gemacht hat, dass mehrere der in dieser Bestimmungen aufgestellten Voraussetzungen von der Kommission nicht beachtet worden seien.
88 Das Vorbringen in der Erwiderung, dass die Maßnahmen auch Begünstigten zugute kämen, die keine Unternehmen seien, stellt eine Erweiterung des ursprünglichen Angriffsmittels dar. Das Vorbringen betrifft eine der kumulativen Voraussetzungen, von denen die Anwendung des Artikels 87 Absatz 1 EG abhängt. Das entsprechende Argument ist implizit im vorgebrachten Angriffsmittel enthalten.
89 Die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.
90 In der Sache ist festzustellen, dass die streitigen Maßnahmen Teil einer Beihilferegelung sind.
91 Die Kommission kann sich im Fall einer Beihilferegelung darauf beschränken, deren allgemeine Merkmale zu untersuchen, ohne dass sie verpflichtet wäre, jeden einzelnen Anwendungsfall zu prüfen (vgl. insbesondere Urteile vom 19. Oktober 2000 in den Rechtssachen C-15/98 und C-105/99, Italien und Sardegna Lines/Kommission, Slg. 2000, I-8855, Randnr. 51, und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-278/00, Griechenland/Kommission, Slg. 2004, I-3997, Randnr. 24), um festzustellen, ob die Regelung Beihilfeelemente enthält.
92 Im vorliegenden Fall kommt die geprüfte Steuerregelung unstreitig den Bankunternehmen zugute. Dass sie gegebenenfalls auch Begünstigten zugute kommt, die keine Unternehmen sind, entkräftet diese Feststellung nicht, die für die Anwendung des Artikels 87 Absatz 1 EG auf eine Beihilferegelung genügt.
93 Der dritte Teil des geprüften Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.
– Zum vierten Teil: Selektivität der streitigen Maßnahmen
94 Artikel 87 Absatz 1 EG verbietet Beihilfen zur „Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“, d. h. selektive Beihilfen.
95 Eine Beihilfe kann selbst dann selektiv im Sinne dieser Bestimmung sein, wenn sie einen ganzen Wirtschaftssektor betrifft (vgl. insbesondere Urteil vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache Belgien/Kommission, C-75/97, Slg. 1999, I-3671, Randnr. 33).
96 Im vorliegenden Fall gelten die streitigen Steuermaßnahmen für den Bankensektor. Unternehmen anderer Wirtschaftssektoren kommen sie nicht zugute. Die Klägerin betont in ihrer Klageschrift selbst, dass an den von den Maßnahmen erfassten Transaktionen auch andere Unternehmen, wie Finanzunternehmen, Dienstleistungsunternehmen und Versicherungsunternehmen, beteiligt sein könnten, dass aber „jedenfalls die vorgesehenen Vorteile ausschließlich den betreffenden Banken zugewiesen werden“.
97 Zudem begünstigen die streitigen Maßnahmen im Bankensektor nur diejenigen Unternehmen, die die erfassten Transaktionen durchführen.
98 Ohne dass geprüft werden müsste, ob die Steuersenkung für Zusammenschlüsse und ähnliche Umstrukturierungen darüber hinaus, wie die Kommission in der Begründungserwägung 33 der angefochtenen Entscheidung geltend macht, große Unternehmen stärker begünstigt, ist somit festzustellen, dass die streitigen Maßnahmen im Verhältnis zu anderen Wirtschaftssektoren und im Bankensektor selbst selektiv sind.
99 Da die Maßnahmen nicht für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, können sie nicht als allgemeine steuer- oder wirtschaftspolitische Maßnahmen angesehen werden.
100 Tatsächlich weichen sie vom allgemeinen Steuerrecht ab. Die begünstigten Unternehmen kommen in den Genuss von Steuererleichterungen, auf die sie im Rahmen dieses Rechts sonst keinen Anspruch hätten und die von Unternehmen anderer Sektoren, die entsprechende Transaktionen durchführen, sowie von Unternehmen des Bankensektors, die keine der erfassten Transaktionen durchführen, nicht beansprucht werden können.
101 Die streitigen Maßnahmen sind nicht durch die Natur und den inneren Aufbau des fraglichen Steuersystems gerechtfertigt (vgl. analog Urteil vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 173/73, Italien/Kommission, Slg. 1974, 709, Randnr. 33). Sie stellen keine Anpassung des allgemeinen Systems an besondere Merkmale der Bankunternehmen dar. Aus den Akten geht hervor, dass sie von den nationalen Behörden ausdrücklich als Mittel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt der Entwicklung des Sektors bezeichnet wurden.
102 Der vierte Teil des geprüften Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.
– Zum fünften und zum sechsten Teil: Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und Wettbewerbsverzerrung
103 In ihrer Klageschrift hat die Klägerin eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten verneint. In ihrer Erwiderung hat sie der Kommission vorgeworfen, sie habe nicht geprüft, ob die streitigen Maßnahmen, statt den Handel zwischen Mitgliedstaaten uneingeschränkt zu beeinträchtigen, ihn lediglich teilweise beeinträchtigten, eine Bewertung, die beim Umfang der Rückforderung der Beihilfen im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hätte Ausdruck finden müssen.
104 Die Kommission hält dieses Vorbringen für einen neuen Antrag, der den Streitgegenstand ändere. Es sei daher nach Artikel 21 der Satzung des Gerichtshofs und Artikel 38 der Verfahrensordnung unzulässig.
105 Die letztgenannten Vorschriften stehen der Einreichung neuer Anträge, die nicht in der Klageschrift enthalten sind, entgegen.
106 Das Vorbringen, dessen Zulässigkeit bestritten wird, soll den Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts stützen, der in der Klageschrift enthalten ist. Es ist weder mit einer Änderung noch mit einer Ergänzung dieses Antrags verbunden.
107 Es kann deshalb nicht als neuer Antrag angesehen werden.
108 Das Vorbringen stellt in Wirklichkeit die Erweiterung eines in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels dar, so dass es ebenfalls nicht als neues Angriffsmittel im Sinne von Artikel 42 der Verfahrensordnung angesehen werden kann (vgl. Urteile Verros/Parlament, Randnr. 9, und Niederlande/Rat, Randnr. 169).
109 Ihm kann daher nicht die Einrede der Unzulässigkeit entgegengehalten werden.
110 In der Sache verbietet Artikel 87 Absatz 1 EG Beihilfen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.
111 Die Kommission ist im Rahmen ihrer Beurteilung dieser beiden Voraussetzungen nicht zum Nachweis einer tatsächlichen Auswirkung der Beihilfen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung verpflichtet, sondern hat nur zu prüfen, ob die Beihilfen geeignet sind, diesen Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen (Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-372/97, Italien/Kommission, Slg. 2004, I-3679, Randnr. 44).
112 Damit schließt der Begriff „Beeinträchtigung“ des Handels zwischen Mitgliedstaaten, der im Sinne einer Auswirkung auf diesen Handel oder auch nur der Möglichkeit einer solchen Auswirkung zu verstehen ist, eine Auslegung aus, die die Rückforderung des Gesamtbetrags einer Beihilfe von einer „uneingeschränkten“ Beeinträchtigung des Handels im Gegensatz zu einer „teilweisen“ Beeinträchtigung abhängig macht, die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lediglich die Rückforderung eines Teils dieser Beihilfe erlaube.
113 Was den letztgenannten Punkt angeht, so ist außerdem die Aufhebung einer rechtswidrigen Beihilfe durch Rückforderung die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit; die Rückforderung zum Zweck der Wiederherstellung der früheren Lage kann grundsätzlich nicht als eine Maßnahme betrachtet werden, die außer Verhältnis zu den Zielen der Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen stünde (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Italien/Kommission, Randnr. 103 und die dort zitierte Rechtsprechung).
114 Die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ist somit dann festzustellen, wenn die Beihilfe eine Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel und eine verzerrende Wirkung auf den Wettbewerb im innergemeinschaftlichen Handel entfaltet oder entfalten kann.
115 Insbesondere wird der innergemeinschaftliche Handel von einer von einem Mitgliedstaat gewährten Beihilfe beeinflusst, wenn diese Beihilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern in diesem Handel stärkt (vgl. insbesondere Urteile vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 11, vom 22. November 2001 in der Rechtssache C-53/00, Ferring, Slg. 2001, I-9067, Randnr. 21, und vom 29. April 2004, Italien/Kommission, Randnr. 52).
116 Hierbei ist der Umstand, dass ein Wirtschaftssektor auf Gemeinschaftsebene liberalisiert wurde, geeignet, eine tatsächliche oder potenzielle Auswirkung der Beihilfen auf den Wettbewerb sowie ihre Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu begründen (vgl. Urteil vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C-409/00, Spanien/Kommission, Slg. 2003, I-1487, Randnr. 75).
117 Das begünstigte Unternehmen braucht zudem nicht selbst am innergemeinschaftlichen Handel teilzunehmen. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat einem Unternehmen eine Beihilfe gewährt, kann die inländische Tätigkeit dadurch beibehalten oder verstärkt werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, den Markt dieses Mitgliedstaats zu durchdringen, verringern (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 7. März 2002, Italien/Kommission, Randnr. 84). Zudem kann die Stärkung eines Unternehmens, das bis dahin nicht am innergemeinschaftlichen Handel teilgenommen hat, dieses in die Lage versetzen, den Markt eines anderen Mitgliedstaats zu durchdringen.
118 Im vorliegenden Fall haben die durch die streitigen Maßnahmen vorgesehenen Steuererleichterungen im Fall des Zusammenschlusses, der Rückübertragung bestimmter Anlagegüter und sonstiger Vermögenswerte sowie in bestimmten Fällen der Übertragung von Beteiligungen am Kapital der Banca d'Italia (siehe Randnr. 80 des vorliegenden Urteils) die Stellung der begünstigten Unternehmen gegenüber den im innergemeinschaftlichen Handel tätigen Unternehmen gestärkt.
119 Weiter hat im Finanzdienstleistungssektor ein wichtiger Liberalisierungsprozess auf Gemeinschaftsebene stattgefunden, der den bereits aufgrund des im EG-Vertrag vorgesehenen freien Kapitalverkehrs ermöglichten Wettbewerb verschärft hat.
120 Aus den Akten geht jedoch hervor, dass die streitigen Maßnahmen bezüglich des Zusammenschlusses und der Umstrukturierung der Banken bei ihrem Erlass in der Begründung des Entwurfs des Gesetzes Nr. 461/98 als Mittel bezeichnet wurden, zu verhindern, dass die Verwirklichung der Währungsunion aufgrund des erheblichen Rückstands des italienischen Bankensystems gegenüber seinen europäischen Konkurrenten in der Praxis zum Zerfall des italienischen Systems zugunsten der stabilsten europäischen Banken führt.
121 Der Wettbewerbsvorteil, der den in Italien ansässigen Wirtschaftsteilnehmern durch die streitigen Maßnahmen gewährt wurde, ist geeignet, Wirtschaftsteilnehmern anderer Mitgliedstaaten die Durchdringung des italienischen Marktes zu erschweren und in Italien ansässigen Wirtschaftsteilnehmern die Durchdringung anderer Märkte zu erleichtern.
122 Der von der Klägerin angeführte Umstand, dass die Beihilferegelung in Italien auch für die Zweigniederlassungen von Banken aus anderen Mitgliedstaaten gelte, steht diesen Wirkungen nicht entgegen.
123 Die fraglichen Beihilfen sind folglich geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen.
124 Der fünfte und der sechste Teil des geprüften Klagegrundes sind somit zurückzuweisen.
125 Demnach ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 87 Absatz 1 EG in vollem Umfang zurückzuweisen.
Zu den Klagegründen von Verstößen gegen Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben b und c EG
Vorbringen der Parteien
126 Die Klägerin macht in Bezug auf ihre beiden auf Artikel 87 Absatz 3 EG gestützten Klagegründe geltend, dass die Kommission aus der fehlenden vorherigen Notifizierung der Beihilferegelung nicht habe schließen dürfen, dass diese Regelung nicht gemäß der genannten Vertragsbestimmung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden könne.
127 Erstens habe die Kommission gegen Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG verstoßen, indem sie die Beihilfen nicht als Beihilfen „zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“ im Sinne dieser Bestimmung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt habe. Das Gesetz Nr. 461/98 und das Dekret Nr. 153/99 hätten zum Ziel gehabt, die Privatisierung der italienischen Bankinstitute dadurch abzuschließen, dass eine Trennung oder Verringerung von öffentlichem Kapital oder von Kapital gefördert worden sei, das nichtprivaten Investoren der italienischen Bankinstitute gehört habe. Diese Aktion habe nicht zu einer Wettbewerbsverfälschung geführt, sondern vielmehr die Ungleichgewichte verringert, die vor Einführung der fraglichen Regelung zwischen tatsächlich privaten Banken und Banken bestanden hätten, die nur formal und nicht unter dem Gesichtspunkt der Kapitalkontrolle privat gewesen seien.
128 Die umfassende und endgültige Privatisierung der italienischen Bankinstitute könne ein „Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“ darstellen, das seinerseits zum Gemeinschaftsvorhaben der Verwirklichung der Eurozone und des Binnenmarkts gehöre. Aufgrund von Artikel 295 EG könne das Privatisierungsvorhaben nur von den Mitgliedstaaten für den jeweiligen Staat durchgeführt werden. Die Privatisierung verstärke den Wettbewerb auf einem wichtigen Finanzmarkt wie dem italienischen Markt, was der gesamten Gemeinschaft zugute komme.
129 Zweitens habe die Kommission gegen Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG verstoßen, indem sie die streitigen Maßnahmen nicht als „Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige“, im vorliegenden Fall der Banktätigkeit, für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt habe.
130 Die Kommission habe die Frage der Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EG nur anhand ihrer Mitteilung 1999/C 288/02 über Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten sowie ihrer in der angefochtenen Entscheidung implizit in Bezug genommenen Mitteilung 96/C 213/04 über den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen (ABl. 1996, C 213, S. 4) geprüft. Die Klägerin habe niemals behauptet, dass die Beihilferegelung so verstanden werden könne, dass sie Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten oder kleine und mittlere Unternehmen enthalte. Die Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt müsse unmittelbar auf der Grundlage des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EG erfolgen, da die geprüfte Regelung von keinem der in den beiden Mitteilungen der Kommission „kodifizierten“ Fälle erfasst werde.
131 Die Klägerin wirft der Kommission vor, dass sie sehr deutlich von dem Standpunkt abgewichen sei, den sie in ihren Entscheidungen 1999/288/EG vom 29. Juli 1998 über die bedingte Genehmigung der von Italien zugunsten der Banco di Napoli gewährten Beihilfe (ABl. 1999, L 116, S. 36) und 2000/600/EG vom 10. November 1999 über die staatlichen Beihilfen, die Italien den sizilianischen öffentlichen Banken Banco di Sicilia und Sicilcassa gewährt hat (ABl. 2000, L 256, S. 21), eingenommen habe.
132 Diese Entscheidungen hätten Beihilfen betroffen, die in vielerlei Hinsicht den streitigen Maßnahmen ähnelten, insbesondere weil sie zum Teil auf das Gesetz Nr. 218/90 gestützt gewesen seien. Diese Beihilfen seien zu keinem Zeitpunkt notifiziert worden. Die Kommission habe sie schließlich unter bestimmten Voraussetzungen gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe EG für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt.
133 Die in den Artikeln 22 und 23 des Dekrets Nr. 153/99 vorgesehene Senkung des Körperschaftsteuersatzes gehe in dieselbe Richtung wie die vergleichbare und sogar günstigere Steuermaßnahme, die Artikel 7 Absatz 3 des Gesetzes Nr. 218/90 vorgesehen habe. Durch die letztgenannte Bestimmung sei den Kreditinstituten, die aus Zusammenschlüssen hervorgegangen seien, sowie den Kreditinstituten, auf die Übertragungen erfolgt seien, sofern diese zu Konzentrationen geführt hätten, die Möglichkeit gewährt worden, fünf Jahre lang im Rahmen einer bestimmten Höchstgrenze die in eine Sonderrücklage erfolgten Einstellungen abzuziehen. Hinsichtlich dieser früheren Maßnahme habe die Kommission aber nicht denselben Standpunkt vertreten.
134 Die Kommission hält die beiden Klagegründe für unbegründet.
Würdigung durch den Gerichtshof
135 Bei der Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 EG verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die in einem Gemeinschaftskontext vorzunehmen sind. Der Gerichtshof darf bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung durch die zuständige Stelle nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen, sondern muss sich auf die Prüfung beschränken, ob diese Beurteilung offensichtlich irrig oder ermessensmissbräuchlich ist (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-456/00, Frankreich/Kommission, Slg. 2002, I-11949, Randnr. 41 und die dort zitierte Rechtsprechung).
136 Außerdem hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung entgegen dem Vorbringen der Klägerin keineswegs aus der fehlenden vorherigen Notifizierung der Beihilferegelung geschlossen, dass diese nicht gemäß Artikel 87 Absatz 3 EG für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden könne.
– Zum Begriff „Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“
137 Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG erlaubt der Kommission, Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären.
138 In der Begründungserwägung 45 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass die streitigen Maßnahmen auf eine Stärkung des italienischen Bankensystems gerichtet seien und die Wirtschaftsakteure hauptsächlich eines Mitgliedstaats und nicht der gesamten Gemeinschaft begünstigten.
139 In der Tat ergibt sich aus der Prüfung des auf Artikel 87 Absatz 1 EG gestützten Klagegrundes und insbesondere der Begründung des Entwurfs des Gesetzes Nr. 461/98, dass die streitigen Maßnahmen im Wesentlichen der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der in Italien ansässigen Wirtschaftsteilnehmer zur Stärkung allein ihrer Wettbewerbsposition im Binnenmarkt dienen sollen.
140 Die Kommission hat deshalb keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie das Vorliegen eines „Vorhabens von gemeinsamem europäischen Interesse“ verneinte.
141 Die Klägerin kann nicht geltend machen, dass die streitigen Maßnahmen im Rahmen eines umfassenden und endgültigen Privatisierungsprozesses getroffen worden seien, der ein Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse darstellen könne.
142 Einige der Steuererleichterungen weisen nämlich nicht den notwendigen Zusammenhang mit einem Privatisierungsprozess auf. Vor allem aber kann ein in einem Mitgliedstaat eingeleiteter Privatisierungsprozess nicht als solcher als Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse angesehen werden.
143 Der Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG ist folglich zurückzuweisen.
– Zum Begriff „Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige“
144 Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG erlaubt der Kommission, Beihilfen zur Förderung der Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären.
145 Anders als die Klägerin geltend macht, hat die Kommission die Frage der Anwendbarkeit dieser Bestimmung nicht ausschließlich anhand ihrer Mitteilungen 1999/C 288/02 und 96/C 213/04 geprüft.
146 In der Begründungserwägung 47 der angefochtenen Entscheidung prüft sie die streitigen Maßnahmen zwar tatsächlich anhand der Kriterien in diesen beiden Mitteilungen, erklärt aber dann, dass kein Merkmal der geprüften Beihilferegelung es erlaube, sie aus anderen Gründen gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen.
147 Auch das in dieser Bestimmung aufgestellte Kriterium, dass die betreffenden Beihilfen die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändern dürften, sei nicht erfüllt.
148 Die Kommission stellt zum letztgenannten Punkt fest, dass die streitigen Maßnahmen hauptsächlich die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Empfänger in einem Sektor bewirkten, der von einem intensiven internationalen Wettbewerb geprägt sei. Zuvor hatte sie unterstrichen, dass die Maßnahmen in Wirklichkeit dazu bestimmt seien, die Position der Empfänger der Beihilfen gegenüber den Wettbewerbern, die keine Beihilfe erhielten, zu stärken. Damit verneint sie stillschweigend, dass die geprüfte Beihilferegelung der „Entwicklung“ der Banktätigkeit im Allgemeinen diene.
149 Unter Berücksichtigung der Gründe, die im Rahmen der Prüfung der vorangehenden Klagegründe bezüglich der Merkmale der streitigen Maßnahmen dargelegt worden sind, beruht diese Ansicht der Kommission nicht auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler.
150 Die Klägerin kann nicht geltend machen, dass die Kommission von dem Standpunkt, den sie zu den im Gesetz Nr. 218/90 vorgesehenen Maßnahmen eingenommen habe, und insbesondere vom Standpunkt in ihren Entscheidungen 1999/288 und 2000/600 abgewichen sei.
151 Die im Gesetz Nr. 218/90 vorgesehenen Maßnahmen wurden der Kommission nämlich unstreitig zu keinem Zeitpunkt notifiziert. Zum Vorbringen der Klägerin, dass eine Maßnahme nach Artikel 7 Absatz 3 des Gesetzes Nr. 218/90 einen engen Zusammenhang mit der in den Artikeln 22 und 23 des Dekrets Nr. 153/99 vorgesehenen Senkung des Körperschaftsteuersatzes aufgewiesen habe, genügt deshalb die Feststellung, dass die angeführte Maßnahme von der Kommission nicht geprüft wurde. Außerdem ist, selbst wenn die zweite Maßnahme als Fortsetzung der ersten anzusehen sein sollte, der Umstand, dass die Kommission nicht gegen die erste Maßnahme vorgegangen ist, unerheblich, da die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Regelung, unabhängig von der früheren Regelung geprüft, bestimmte Unternehmen begünstigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 1988 in der Rechtssache 57/86, Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2855, Randnr. 10).
152 Zu den Entscheidungen 1999/288 und 2000/600 ist zu bemerken, dass sie Beihilfen für namentlich genannte Banken betreffen und sich auf andere Maßnahme als diejenigen beziehen, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, nämlich auf Kapitalerhöhungen, von der Banca d’Italia gewährte Kredite, die Einbringung einer Beteiligung des Schatzamts in eine Bank sowie Steuererleichterungen für Vorgänge, die hauptsächlich die Abtretung von Unternehmen, Unternehmensteilen und Vermögensgegenständen betreffen.
153 Der Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG ist folglich zurückzuweisen.
154 Somit greift keiner der von der Klägerin vorgebrachten Nichtigkeitsgründe durch.
155 Die Klage ist daher abzuweisen.
Kosten
156 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem dahin gehenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Unterschriften.
* Verfahrenssprache: Italienisch.