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SCHLUSSANTRÄGE DER FRAU GENERALANWALT

CHRISTINE Stix-Hackl

vom 8. September 2005(1)

Rechtssache C-66/02

Italienische Republik

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Nichtigkeitsklage – Staatliche Beihilfen – Artikel 87 EG – Entscheidung 2002/581/EG der Kommission vom 11. Dezember 2001 – Steuervorteile für Banken“Inhaltsverzeichnis

I – Einleitung

II – Sachverhalt und nationale Regelung

III – Verfahren vor der Kommission und angefochtene Entscheidung

IV – Zur Klage

A – Vorbemerkungen zu den Klagegründen

B – Zum allgemeinen Klagegrund der unzureichenden Berücksichtigung der Ziele und des Charakters der streitigen Maßnahmen (erster Klagegrund)

1. Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

2. Würdigung

C – Zum Vorwurf, die Kommission habe die streitigen Maßnahmen zu Unrecht und unter Verstoß gegen die Begründungspflicht als Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG qualifiziert (zweiter Klagegrund)

1. Zur Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Frage, ob durch die streitigen Maßnahmen ein selektiver Vorteil aus staatlichen Mitteln gewährt wird

a) Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

b) Würdigung

2. Zur Frage der Verfälschung des Wettbewerbs und der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

a) Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

b) Würdigung

3. Zum Begründungsmangel aufgrund einer nicht getrennten Prüfung der streitigen Maßnahmen nach Artikel 87 Absatz 1 EG und Artikel 87 Absatz 3 EG und aufgrund einer zu globalen Prüfung der streitigen Maßnahmen

a) Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

b) Würdigung

D – Zur Verletzung von Artikel 87 Absatz 3 EG und zur Verletzung der Begründungspflicht hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt (dritter Klagegrund)

1. Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

2. Würdigung

V – Kosten

VI – Ergebnis





I –    Einleitung

1.     Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 28. Februar 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 230 Absatz 1 EG beantragt, die Entscheidung 2002/581/EG der Kommission vom 11. Dezember 2001 über die staatliche Beihilferegelung, die Italien zugunsten der Banken eingeführt hat(2), für nichtig zu erklären.

II – Sachverhalt und nationale Regelung

2.     Bis in die 80er Jahre war der italienische Bankensektor zum Teil in Staatsbesitz und allgemein unter starkem staatlichem Einfluss sowie von einer Spezialisierung und Regionalisierung geprägt. Ab Anfang der 80er Jahre leiteten die italienischen Behörden einen Privatisierungsprozess der Banken ein, der außerdem zu einer durchschnittlichen Vergrößerung der Banken führen und die Spezialisierung der Banken aufheben sollte. Mit dem Gesetz Nr. 218/90 vom 30. Juli 1990, dem so genannten „Gesetz Amato“ (im Folgenden: Gesetz Amato), ergriff die italienische Regierung grundlegende Maßnahmen zu einer schrittweisen Privatisierung des Bankensektors.

3.     Die Banken, die sich in Staatsbesitz befanden, konnten dadurch in Aktiengesellschaften umgewandelt werden und wurden im Jahre 1993 dazu verpflichtet. Ihre Aktien wurden auf dem Markt platziert oder gewinnorientierten Einrichtungen, die als „Bankenstiftungen“ bezeichnet wurden, übertragen. Im Rahmen letzterer Vorgänge kam es zu folgender Spaltung: Die neu gegründeten Banken (für diese hier allgemein: die Banken) übernahmen das Bankengeschäft, während die Bankenstiftungen die Anteile der Banken besaßen sowie verwalteten und so diese Banken kontrollierten. Aufgrund bestimmter im Gesetz Amato enthaltener Steuervorschriften konnten die Bankenstiftungen auf die Banken auch bestimmte Anlagegüter und sonstige Vermögenswerte, die für den Gesellschaftszweck der Banken nicht unerlässlich waren, übertragen.

4.     Ende der 90er Jahre ergriff die italienische Regierung neuerliche Maßnahmen, um die Umstrukturierung und Konsolidierung des Bankensektors zu fördern. Das Gesetz Nr. 461/98 vom 23. Dezember 1998 (im Folgenden: Gesetz Ciampi) ermächtigte die Regierung u. a. zur Annahme fiskalischer Regelungen zur Erleichterung der Rückübertragung der Anlagegüter und sonstigen Vermögenswerte der Banken, die für deren Gesellschaftszweck nicht unerlässlich waren, an die Bankenstiftungen sowie zur Erleichterung der Umstrukturierung des Bankensektors durch Zusammenschlüsse zwischen Banken oder ähnlicher Umstrukturierungsmaßnahmen.

5.     Das Gesetz Ciampi wurde durch das Gesetzesdekret Nr. 153/99 vom 17. Mai 1999 (im Folgendem: Dekret Nr. 153/99) umgesetzt, welches steuerliche Sonderregelungen für bestimmte Transaktionen der Umstrukturierung und Rückübertragung vorsieht.

6.     In Randnummer 5 Nummern 1 bis 5 der angefochtenen Entscheidung werden die durch das Gesetz Ciampi und das Dekret Nr. 153/99 (im Folgenden: streitige Beihilferegelung) eingeführten steuerlichen Maßnahmen (im Folgenden dafür: streitige Maßnahmen) zusammenfassend wie folgt beschrieben:

1.      Senkung auf 12,5 % des Anteils der Körperschaftsteuer (IRPEG) für die Banken, die einen Zusammenschluss oder eine ähnliche Umstrukturierungstransaktion vornehmen, und zwar in fünf aufeinander folgenden Steuerjahren, sofern die Gewinne in eine Sonderrücklage eingestellt werden, die drei Jahre lang nicht ausgeschüttet wird. Die für die Sonderrücklage bestimmten Gewinne dürfen 1,2 % des Unterschiedsbetrags zwischen der Gesamtheit der Forderungen und Verbindlichkeiten der an der Fusion beteiligten Banken und dem entsprechenden Betrag der größten teilnehmenden Bank nicht überschreiten (Artikel 22 Absatz 1 und Artikel 23 Absatz 1 des Dekrets Nr. 153/99);

2.      steuerliche Neutralität für Transaktionen der Rückübertragung auf den Einbringer der Anlagegüter und sonstigen Vermögenswerte, die für den Gesellschaftszweck nicht unerlässlich sind und die nach dem Gesetz Nr. 218/90 vom 30. Juli 1990 (Artikel 16 Absatz 3 des Dekrets Nr. 153/99) bereits auf die Banken übertragen worden waren;

3.      Einführung einer festen Steuer anstatt der in Verbindung mit den Transaktionen nach den Punkten 1 und 2 geschuldeten Steuern (Artikel 24 Absatz 1 und Artikel 16 Absatz 5 des Dekrets Nr. 153/99);

4.      steuerliche Neutralität hinsichtlich der Kommunalsteuer auf den Wertzuwachs der Immobilien in Verbindung mit den Transaktionen gemäß den Punkten 1 und 2 (Artikel 24 Absatz 1 und Artikel 16 Absatz 5 des Dekrets Nr. 153/99);

5.      Steuerbefreiung für die Übertragung der Beteiligungen am Kapital der Banca d’Italia von den Empfängergesellschaften auf die Bankenstiftungen (Artikel 27 Absatz 2 des Dekrets Nr. 153/99).

7.     Die streitigen Maßnahmen gelten für Transaktionen in den Jahren 1998 bis einschließlich 2004.

III – Verfahren vor der Kommission und angefochtene Entscheidung

8.     Aufgrund einer einschlägigen parlamentarischen Anfrage begann die Kommission im März 1999 mit Vorerhebungen betreffend das Gesetz Ciampi und das Dekret Nr. 153/99. Im Zuge des beihilferechtlichen Verfahrens teilte die Kommission mit Schreiben vom 23. März 2000 den italienischen Behörden mit, dass das Gesetz Ciampi und das Dekret Nr. 153/99 Beihilfeelemente enthalten könnten und forderte sie auf, die streitigen Maßnahmen vorläufig nicht mehr anzuwenden. Mit Schreiben vom 12. April 2000 teilten die italienischen Behörden der Kommission mit, dass sie die Anwendung der Maßnahmen aussetzen würden, sodass die Steuererleichterungen nur in den Jahren 1998, 1999 und 2000 gewährt worden sein dürften.

9.     Mit Schreiben vom 25. Oktober 2000 teilte die Kommission der italienischen Regierung die Eröffnung eines beihilferechtlichen Verfahrens mit.

10.   Am 11. Dezember 2001 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung, in der sie feststellte, dass die streitigen Maßnahmen zugunsten der Banken – bis auf die in Randnummer 5 unter der Nummer 5 genannte Maßnahme – mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen darstellten (Artikel 1 und 2 der Entscheidung). Die Kommission verpflichtete die italienische Regierung außerdem, die rechtswidrigen Regelungen aufzuheben (Artikel 3 der Entscheidung), die aufgrund der rechtswidrigen Regelungen gewährten Beihilfen zuzüglich Zinsen zurückzufordern (Artikel 4 der Entscheidung) und die Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Übermittlung der Entscheidung von den zur Umsetzung getroffenen Maßnahmen in Kenntnis zu setzen (Artikel 5 der Entscheidung).

IV – Zur Klage

A –    Vorbemerkungen zu den Klagegründen

11.   Die italienische Regierung macht in ihrer Klage Verstöße gegen die Begründungspflicht, gegen Artikel 87 Absatz 1 EG, Artikel 253 EG sowie Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben b und c EG geltend. Die Kommission hat die Begründetheit dieser Klagegründe jeweils bestritten.

12.   Zur Begründung ihrer Klage macht die italienische Regierung zunächst mit einem ersten allgemeineren Klagegrund geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung die Ziele und Charakteristika der streitigen Maßnahmen sowie die Kontinuität zwischen der Ratio legis des Gesetzes Amato und jener des Gesetzes Ciampi nicht hinreichend berücksichtigt bzw. verkannt und damit insbesondere unter dem Blickwinkel der Stärkung des Wettbewerbs gegen die Begründungspflicht verstoßen.

13.   Mit einem zweiten Klagegrund, der aus mehreren Teilen besteht, macht die italienische Regierung geltend, dass die streitigen Maßnahmen zu Unrecht als Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG qualifiziert worden seien.

14.   Mit einem dritten Klagegrund macht die italienische Regierung geltend, die Kommission habe gegen Artikel 87 Absatz 3 EG und Artikel 253 EG verstoßen, indem sie es aufgrund einer rechtsirrigen und widersprüchlichen Begründung unterlassen habe, die streitigen Maßnahmen als „Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“ oder als „Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige“ im Sinne dieser Bestimmungen und folglich als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären.

15.   Darüber hinaus hat die italienische Regierung in ihrer Erwiderung den Vorwurf einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte erhoben. Sie beanstandet darin, dass die Kommission erst in der angefochtenen Entscheidung – und nicht schon im Vorverfahren – einen eigenständigen Vorwurf betreffend die indirekte Besteuerung der privatisierten Banken erhoben hätte und folglich weder die italienische Regierung noch die Empfänger der angeblichen Beihilfen diesbezüglich ihre Verteidigungsrechte ausüben hätten können.

16.   Zu diesem Vorwurf ist festzustellen, dass aus Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes folgt, dass neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zu Tage getreten sind(3).

17.   Da die italienische Regierung tatsächlich den Vorwurf der Verletzung der Verteidigungsrechte erstmals in der Erwiderung vorgebracht hat und dieser nicht auf Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zu Tage getreten sind, folgt daraus, dass dieser Vorwurf, wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, unzulässig ist und daher im Folgenden nicht inhaltlich zu würdigen ist.

B –    Zum allgemeinen Klagegrund der unzureichenden Berücksichtigung der Ziele und des Charakters der streitigen Maßnahmen (erster Klagegrund)

1.      Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

18.   Die italienische Regierung macht geltend, die Kommission habe die wichtige Rolle der streitigen Maßnahmen im Rahmen der Reform des italienischen Bankensektors verkannt und die enge Verbindung zwischen dem Gesetz Amato und dem Gesetz Ciampi missverstanden. Die streitigen Maßnahmen stellten nämlich eine notwendige Etappe zur Vollendung der mit dem Gesetz Amato begonnenen Privatisierung und Restrukturierung des besagten Sektors dar und stünden im Einklang mit den Zielen der Integration und des Wettbewerbs. Die im Gesetz Amato enthaltenen Steuermaßnahmen hätten nicht zur Gänze die erhofften Auswirkungen gehabt, wie z. B. hinsichtlich der Marktsegmentierung, die zum Großteil weiter bestanden habe. Das Gesetz Ciampi und das ausführende Dekret Nr. 153/99, das die streitigen Maßnahmen enthält, seien folglich für die Verwirklichung der Ziele des Gesetzes Amato notwendig gewesen. Die Kommission irre folglich auch in ihrer Annahme, die Privatisierung sei 1992 abgeschlossen worden. Dadurch, dass die Kommission die außerordentliche Natur der Maßnahmen als Teil der Reform des Bankensektors nicht ausreichend gewürdigt habe, habe sie gegen ihre Begründungspflicht verstoßen. So fehle es an einer ausreichenden Würdigung der Frage, ob die streitigen Maßnahmen den Wettbewerb im Bankensektor in der Tat beeinträchtigen, oder, wie die Klägerin argumentiert, diesem zuträglich seien.

2.      Würdigung

19.   Zunächst ist daran zu erinnern, dass Artikel 87 Absatz 1 EG die im EG-Vertrag geregelten staatlichen Beihilfen als staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art definiert, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

20.   Nach ständiger Rechtsprechung ist demnach die Erfüllung der folgenden kumulativen Voraussetzungen für die Einstufung einer Maßnahme als Beihilfe im Sinne dieses Artikels maßgeblich: i) Die Maßnahme muss einigen Unternehmen oder einigen Produktionszweigen einen einseitigen Vorteil gewähren; ii) der Vorteil muss unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden; iii) die Maßnahme muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen; und iv) muss sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können(4).

21.   Die Art der Ziele und die Gründe einer staatlichen Maßnahme sind dagegen als solche nicht ausschlaggebend für deren Qualifizierung als Beihilfe. Nach ständiger Rechtsprechung unterscheidet Artikel 87 EG nämlich „nicht nach den Gründen und Zielen staatlicher Interventionsmaßnahmen, sondern definiert sie nach ihren Wirkungen“(5).

22.   Auch aus dem „Charakter“ einer Maßnahme als solchem lässt sich noch nicht schließen, ob diese Maßnahme die Voraussetzungen einer Beihilfe erfüllt oder nicht. So hat der Gerichtshof beispielsweise im Hinblick auf Regelungen im Bereich der Sozialversicherung in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass staatliche Maßnahmen „nicht schon wegen ihres sozialen Charakters“ von der Einordnung als Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG ausgenommen sind(6).

23.   Die genaue Finalität von Steuerregelungen ist im Übrigen auch schwerlich eindeutig und allgemein festzustellen. Wie auch die Vorbringen der italienischen Regierung in der Klageschrift zeigen, lassen sich vielmehr je nach dem Blickwinkel, unter dem man eine solche Regelung betrachtet, verschiedene Ziele und Zwecke ausmachen. So mögen die streitigen Maßnahmen zwar in einem mehr oder minder engen Zusammenhang mit dem Projekt der Privatisierung stehen, darüber hinaus hat die italienische Regierung aber auch ausgeführt, dass diese Maßnahmen einen Anreiz zu Zusammenschlüssen bzw. Rückübertragungen geben sollen und dass dadurch die Rentabilität bzw. Kapitalisierung der betroffenen Banken und die Wettbewerbsfähigkeit des Bankensektors erhöht werden soll. An anderer Stelle hat sie ausgeführt, dass mit den streitigen Maßnahmen der erhöhte Steuerdruck ausgeglichen werden solle, dem der Bankensektor im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen unterliege.

24.   Das Vorbringen der italienischen Regierung, wonach die streitigen Maßnahmen aus Erwägungen wie Privatisierung und Belebung des Wettbewerbs bzw. im Einklang mit dem Interesse der Europäischen Einigung erfolgt seien, ist jedenfalls nach der von mir oben in den Nummern 21 und 22 angeführten Rechtsprechung als solches nicht geeignet, die streitigen Maßnahmen einer Qualifizierung als Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG gemäß den oben in Nummer 20 aufgezählten Kriterien zu entziehen. Eine darüber hinausgehende Abwägung mit politischen und wirtschaftlichen Interessen, wie sie die italienische Regierung aufgezählt hat und eine entsprechende Beurteilung der Rechtfertigung einer Beihilfe hat allenfalls die Kommission im Rahmen ihres Genehmigungsermessens nach Artikel 87 Absatz 3 EG vorzunehmen(7).

25.   Andererseits ist Aussagen über Ziel und Zweck einer Maßnahme insofern nicht jede Relevanz oder Indizwirkung auch für Zwecke einer Beurteilung nach Artikel 87 Absatz 1 EG abzusprechen, als sie Aufschlüsse über die Wirkungsweise einer Maßnahme geben können und somit bei der Prüfung des Vorliegens der verschiedenen oben in Nummer 20 aufgezählten „wirkungsbezogenen“ Merkmale des Beihilfenbegriffes eine Rolle spielen können(8).

26.   Aber auch so verstanden spricht das mehrfach vorgetragene Argument, wonach die streitigen Maßnahmen durch die Restrukturierung und Stärkung der Banken letztlich den Wettbewerb beleben würden bzw. die Banken wettbewerbsfähig machen sollen, nicht dagegen, dass es sich bei diesen Maßnahmen um Beihilfen handelt.

27.   Das Beihilfenrecht bildet nämlich ein Instrument im Rahmen des in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG vorgesehenen Systems, „das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt“. Eine solche Verfälschung wäre u. a. gerade darin zu erblicken, dass ein Mitgliedstaat Unternehmen oder Wirtschaftszweige für den Wettbewerb stärkt und es damit zu einer „Belebung“ des Wettbewerbs etwa im Vergleich zu entsprechenden anderen Unternehmen oder Wirtschaftszweigen im Binnenmarkt kommt. „Belebung“ des oder ein „Mehr“ an Wettbewerb stellt nämlich keinen Gegensatz zur „Wettbewerbsverfälschung“ dar, auf welche sich das gemeinschaftliche Beihilfenrecht bezieht. Auf dieser Linie hat der Gerichtshof auch in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Bestreben eines Mitgliedstaats, die Wettbewerbsbedingungen eines bestimmten Wirtschaftssektors denen in anderen Mitgliedstaaten durch einseitige Maßnahmen anzunähern, diesen Maßnahmen nicht den Charakter von Beihilfen nehmen kann(9).

28.   Was sodann die Argumentation der italienischen Regierung bezüglich der Kontinuität in den Zielsetzungen der Gesetze Amato und Ciampi betrifft, so liegt dieser offenbar die Auffassung zugrunde, dass die streitige Regelung deshalb nicht als Beihilfe zu qualifizieren sei, weil die Kommission bereits die Maßnahmen auf der Grundlage des Gesetzes Amato nicht beanstandet habe.

29.   Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Einstufung einer staatlichen Maßnahme als Beihilfe im Sinne von Artikel 87 EG entsprechend den Tatbestandsmerkmalen dieser Bestimmung von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängt und eine genaue Analyse von Fall zu Fall der technischen und rechtlichen Eigenschaften der jeweiligen staatlichen Maßnahme und ihres wirtschaftlichen Kontextes verlangt(10). Gerade weil sich das Beihilfenrecht, wie die italienische Regierung insofern richtig ausgeführt hat, in die wirtschaftlichen Realitäten einfügen muss, handelt es sich bei der Beihilfenkontrolle im Sinne des Vertrages nicht um ein statisches Konzept. Dies hat der Rat etwa im vierten Erwägungsgrund zur Verordnung (EG) Nr. 659/1999(11) wie folgt zum Ausdruck gebracht:

„Die Vollendung und Vertiefung des Binnenmarkts ist ein schrittweiser Prozess, der sich in der ständigen Entwicklung der Politik im Bereich der staatlichen Beihilfe widerspiegelt. In der Folge dieser Entwicklungen können bestimmte Maßnahmen, die zum Zeitpunkt ihrer Einführung keine staatlichen Beihilfen darstellten, zu Beihilfen geworden sein.“

30.   Im Lichte dieser Erwägungen erscheint klar, dass aus dem Umstand, dass die Kommission zu einem früheren Zeitpunkt keine Einwände gegen eine Regelung wie das Gesetz Amato erhoben hat – welches die Kommission, wie die italienische Regierung nicht bestreitet, zudem nur im Hinblick auf einige Aspekte geprüft hat – nicht geschlossen werden kann, dass eine weitere Regelung, selbst wenn diese in einer „Kontinuität“ zur erstgenannten Regelung steht oder denselben Zielen dient, nicht als staatliche Beihilfe einzustufen wäre. Mit anderen Worten ist die Kommission keineswegs gewissermaßen „präkludiert“, eine Regelung als staatliche Beihilfe einzustufen, weil sie keine Einwände gegen die vorherige Regelung erhoben hat.

31.   Soweit die italienische Regierung schließlich eine Verletzung der Begründungspflicht gemäß Artikel 253 EG geltend macht, so ist diesbezüglich zunächst an einige Grundsätze zu erinnern, wie sie sich aus ständiger Rechtsprechung ergeben.

32.   Erstens ist zu beachten, dass es sich bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Frage der Stichhaltigkeit bzw. inhaltlichen Richtigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört(12).

33.   Was zweitens die Anforderungen an die Begründung betrifft, so muss nach ständiger Rechtsprechung die Begründung der Natur des Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts und nach dem Interesse zu beurteilen, welches die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen jedoch nicht alle tatsächlich oder rechtlich relevanten Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 253 EG-Vertrag genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts, sondern auch seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist(13).

34.   Im Hinblick auf den Vorwurf der mangelnden Berücksichtigung der außerordentlichen Natur der Maßnahmen als Teil einer Reform des Bankensektors ist in diesem Lichte festzustellen, dass die Kommission in Randnummer 16 der angefochtenen Entscheidung die Bemerkungen Italiens bezüglich der Vorgeschichte und der Ziele der streitigen Maßnahmen zusammengefasst hat. Auf die Zielsetzung der Beihilfen, insbesondere die Konsolidierung des Bankensektors, wird des Weiteren im Rahmen der beihilferechtlichen Würdigung in den Randnummern 30 und 32 der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

35.   Insbesondere in Anbetracht der Rolle der Zielsetzungen der streitigen Maßnahme für ihre Einstufung als Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG, wie ich diese Rolle oben in den Nummern 21 bis 25 umrissen habe, ist daher in Bezug auf die Berücksichtigung des Charakters und der Zielsetzungen der streitigen Maßnahmen kein Begründungsmangel festzustellen.

36.   Was das Vorbringen bezüglich der Kontinuität zwischen den streitigen Maßnahmen und dem Gesetz Amato betrifft, so wird dieses Argument in Randnummer 53 der angefochtenen Entscheidung behandelt.

37.   Soweit die italienische Regierung im Rahmen des ersten, allgemeinen Klagegrundes einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Artikel 253 EG geltend macht, ist dieser Vorwurf daher unbegründet.

38.   Die Prüfung des ersten Klagegrundes hat nach alledem nichts ergeben, das die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellt.

C –    Zum Vorwurf, die Kommission habe die streitigen Maßnahmen zu Unrecht und unter Verstoß gegen die Begründungspflicht als Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG qualifiziert (zweiter Klagegrund)

39.   Dieser Klagegrund besteht aus mehreren, nicht sehr klar strukturierten Teilen, mit denen die italienische Regierung zusammengefasst folgende Aspekte im Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung geltend macht:

–       Begründungsmangel aufgrund einer nicht getrennten Prüfung der streitigen Maßnahmen nach Artikel 87 Absatz 1 EG und Artikel 87 Absatz 3 EG und einer zu globalen Prüfung der streitigen Maßnahmen;

–       irrtümliche Prämisse und fehlerhafte Beurteilung der Vorteilsgewährung und Selektivität hinsichtlich der in Randnummer 5 in der Nummer 1 angeführten Steuermaßnahme;

–       keine Belastung des staatlichen Haushalts oder Verwendung staatlicher Mittel durch die streitigen Maßnahmen und steuerliche Neutralität der Maßnahmen bezüglich der Transaktionen der Rückübertragung;

–       kein selektiver Charakter der streitigen Maßnahmen;

–       keine Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den in Italien tätigen Banken oder zwischen in- und ausländischen Banken;

–       fehlerhafte Beurteilung und Begründungsmangel hinsichtlich der Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten.

1.      Zur Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Frage, ob durch die streitigen Maßnahmen ein selektiver Vorteil aus staatlichen Mitteln gewährt wird

a)      Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

40.   Mit dem zweiten Teil des zweiten Klagegrundes macht die italienische Regierung geltend, dass, was die in Randnummer 5 unter der Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung angeführte Maßnahme betrifft, die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Vorteilsgewährung auf einer irrtümlichen Prämisse beruhe. Die Reduktion des Steuersatzes der Körperschaftssteuer (IRPEG) auf 12,5 % bezöge sich nur auf die der Sonderrücklage gewidmeten Gewinne und nicht generell auf die gesamten Gewinne der an einer Fusion oder ähnlichen Restrukturierung beteiligten Banken. Dieser fiskalische Vorteil sei an vier Bedingungen geknüpft, die von der Kommission außer Acht gelassen worden seien. Aus diesen Bedingungen gehe hervor, dass die Finalität dieser steuerlichen Maßnahme nicht in einer Begünstigung der Aktionäre, sondern in der Kapitalisierung der aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Bank liege. Dadurch werde die Wettbewerbsfähigkeit des Bankensektors verstärkt.

41.   Es handle sich auch, anders als die Kommission in Randnummer 33 der angefochtenen Entscheidung feststelle, nicht um eine selektive Maßnahme. Die italienische Regierung macht insbesondere die Fehlerhaftigkeit der Feststellung geltend, wonach durch diese Maßnahme kleinere gegenüber größeren Banken benachteiligt würden. Diese Maßnahme beschränke sich außerdem nicht nur auf italienische Banken, sondern auch auf Filialen von Banken anderer Mitgliedstaaten in Italien.

42.   Mit dem dritten Teil des zweiten Klagegrundes macht die italienische Regierung geltend, dass der Begriff der staatlichen Beihilfe einen Vorteil für das Unternehmen sowie einen direkten Einfluss auf das staatliche Budget – durch Verwendung von Finanzmitteln oder Verzicht auf dieselben – voraussetze. Das staatliche Budget werde aber durch die streitigen Maßnahmen – global gerechnet und auf längere Sicht – nicht belastet. Der italienische Gesetzgeber sei immer bestrebt gewesen, Instrumente zu gebrauchen, die sowohl im Hinblick auf den Wettbewerb als auch auf die Gesamtheit der fiskalischen Mittel im Bankensektor neutral seien.

43.   Die italienische Regierung betont außerdem, dass Maßnahmen betreffend die Rückübertragung der Anlagegüter und sonstigen Vermögenswerte, die für den Gesellschaftszweck der Banken nicht unerlässlich sind, auf die Bankenstiftungen nicht als Steuerbefreiung, sondern als bloße steuerliche Neutralität anzusehen seien. Diese Rückübertragungen erzeugten keinen Mehr- oder Minderwert und die Bankenstiftungen hätten dafür grundsätzlich, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt als zum ursprünglichen Fälligkeitsdatum, die von den Banken nicht gezahlten Steuern zu zahlen, sodass man nur von einer zeitlich begrenzten Suspendierung der Steuerschuld sprechen könne. Es liege daher kein Verzicht auf Steuereinnahmen vor. Außerdem kämen diese Maßnahmen auch Einheiten wie Holdings zugute, die nicht als Unternehmen im Sinne des Beihilfenbegriffes zu qualifizieren seien.

44.   Mit dem vierten Teil des zweiten Klagegrundes macht die italienische Regierung allgemein geltend, dass es den streitigen Maßnahmen auch an der Voraussetzung der Selektivität fehle. Es handle sich vielmehr um allgemeine Maßnahmen, die sich ohne jede Diskriminierung an alle Banken richten würden, die an der Reform teilnehmen.

45.   Bei der Prüfung der Selektivität einer Steuererleichterung müsse erst bestimmt werden, ob Letztere eine Ausnahme von der Anwendung des allgemein geltenden Steuersystems zugunsten bestimmter Unternehmen eines Mitgliedstaats darstelle. Ist dies der Fall, müsse anschließend festgestellt werden, ob die Ausnahme oder die systeminterne Differenzierung durch die Natur oder den inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt sei.

46.   Im vorliegenden Fall seien die streitigen Maßnahmen, obwohl sie sich nur auf den Bankensektor bezögen, nicht als spezifische, sondern als allgemeine Maßnahmen anzusehen, weil sie auf dem im italienischen Rechtssystem bestehenden Grundprinzip der unterschiedlichen Besteuerung von Banken im Vergleich zu Industrieunternehmen beruhen würden. Die italienische Regierung führt aus, dass der Bankensektor speziellen gesetzlichen Auflagen und Kontrollen unterliege. Der Bankensektor weise auch Besonderheiten hinsichtlich der Dynamik des Wettbewerbs auf. Es bestünden objektive Unterschiede zwischen den Steuerpflichtigen im Bankensektor und anderen Sektoren. Eine besondere Besteuerung dieses Sektors sei daher objektiv gerechtfertigt, was auch aus der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung(14) hervorgehe. Die streitigen Maßnahmen seien daher nicht als „Ausnahme“ vom allgemeinen System anzusehen. Es handle sich um außergewöhnliche und zeitlich begrenzte Maßnahmen, mit denen ein Anreiz für notwendige strukturelle Anpassungen gegeben werden soll. Außerdem sei eine Verbesserung des Wettbewerbs im Bankensektor auch für die anderen Wirtschaftsbereiche von unmittelbarem Vorteil.

b)      Würdigung

47.   Der Begriff der Beihilfe gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG setzt zunächst eine Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige voraus. Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung der Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne dieser Bestimmung weiter als derjenige der Subvention ist, da er nicht nur positive Leistungen wie etwa Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen umfasst, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat(15).

48.   Die Beihilfe wird hier also als begünstigende Abweichung von einem Regelsteuertatbestand bzw. einer Normalbelastung beschrieben. Damit wird der für eine „Begünstigung“ notwendige Bezugspunkt hergestellt(16).

49.   Damit ist als Erstes ganz grundsätzlich festzustellen, ob die streitigen Maßnahmen in Relation zum sonst für die entsprechenden Transaktionen geltenden Steuersystem zu beurteilen sind oder ob sie, wie die italienische Regierung vorgebracht hat, ein eigenständiges allgemeines Steuersystem bzw. ein „Sondersteuersystem“ darstellen.

50.   Im vorliegenden Fall spricht der Gesamtkontext der streitigen Maßnahmen meines Erachtens allerdings weit mehr dafür, diese am Maßstab des allgemeinen Steuersystems zu messen, als sie selbst als neues, allgemeines System oder „rechtliche Normalität“ zu betrachten. Es handelt sich um ein Paket einzelner Abweichungen von vorher geltenden allgemeinen Steuerregelungen, welche bestimmte Transaktionen im Zusammenhang mit Bankenzusammenschlüssen erleichtern sollen(17). Der vorliegende Fall ist diesbezüglich nicht maßgeblich anders gelagert als etwa jener in den Rechtssachen Steenkolenmijnen(18) oder Maribel(19), in denen es um fiskalische Sonderregelungen im Verhältnis zu einem allgemeinen System – in diesen Fällen dem allgemeinen Sozialversicherungssystem – ging. Der Gerichtshof hat dort diese Sonderregelungen auch als Ausnahmen zum jeweiligen allgemeinen Steuersystem geprüft, nicht als eigenständige Maßnahmen. So ist der Gerichtshof auch des Weiteren im Urteil Adria-Wien Pipeline der Auffassung von Generalanwalt Mischo nicht gefolgt, wonach die dort fragliche Vergütungsregelung selbst eine ex novo geschaffene allgemeine Maßnahme darstelle(20).

51.   Was nun zunächst die Frage der Erfüllung der Voraussetzung der Vorteilsgewährung durch die streitigen Maßnahmen betrifft, so ist diese wohl darin zu erblicken, dass aufgrund der streitigen Maßnahmen die betreffenden Banken bestimmte Abgaben, die nach dem allgemeinen Steuersystem normalerweise zu tätigen wären – also die Körperschaftssteuer und Abgaben, die bei der Durchführung von Transaktionen der Rückübertragung anfallen –, nicht oder in einem geringeren Maße leisten müssen, mit einem Wort, in einer Belastungsminderung für die betreffenden Unternehmen. In diesem Sinne hat die Kommission die streitigen Maßnahmen in der angefochtenen Entscheidung zu Recht als „steuerliche Vergünstigungen“ bezeichnet und auch in Randnummer 42 dieser Entscheidung u. a. festgestellt, dass die Vergünstigungen durch den Verzicht auf bestimmte Steuereinnahmen gewährt werden.

52.   Was im Besonderen Zusammenschlüsse oder ähnliche Umstrukturierungstransaktionen betrifft – also Transaktionen, auf die sich Nummer 1 der Randnummer 5 der angefochtenen Entscheidung bezieht –, so besteht die Vorteilsgewährung in einer Senkung der Körperschaftssteuer auf 12,5 % unter bestimmten Bedingungen, die auch an der genannten Stelle der angefochtenen Entscheidung beschrieben sind.

53.   Die italienische Regierung hat meines Erachtens nichts vorgebracht, was eine Vorteilsgewährung durch diese Maßnahme in Frage stellen würde.

54.   Erstens ist festzustellen, dass die Kommission die Merkmale dieser Steuermaßnahme in Nummer 1 der Randnummer 5 der angefochtenen Entscheidung offensichtlich in dem von der italienischen Regierung beschriebenen Sinn wiedergegeben bzw. zusammengefasst hat. Insbesondere wird dort ausdrücklich festgehalten, dass die Senkung u. a. gilt, „sofern die Gewinne in eine Sonderrücklage eingestellt werden …“.

55.   Zweitens ändern die (technischen) Merkmale dieser Steuermaßnahme im Einzelnen nichts daran, dass den betreffenden Banken jedenfalls eine Körperschaftssteuersenkung gewährt wird.

56.   Drittens soll mit dieser Maßnahme nach den Angaben der italienischen Regierung ausdrücklich ein steuerlicher Anreiz für Zusammenschlüsse gewährt werden.

57.   Viertens ist darauf hinzuweisen, dass aus Randnummer 8 der angefochtenen Entscheidung, welche die italienische Regierung nicht in Zweifel gezogen hat, hervorgeht, dass die italienischen Behörden selbst den theoretischen Höchstbetrag der Steuererleichterungen, der den Begünstigten dieser Maßnahme möglicherweise im relevanten Zeitraum zugute gekommen ist, auf 2 767 Mio. Euro berechnet hat.

58.   Was sodann konkret die streitigen Maßnahmen betrifft, soweit diese Maßnahmen „steuerliche Neutralität“ von Transaktionen im Rahmen der Umstrukturierung der Banken – darunter namentlich für Transaktionen der Rückübertragung auf den Einbringer von Anlagegütern und sonstigen Vermögenswerten, die für den Gesellschaftszweck nicht unerlässlich sind – vorsehen, so besteht die Wirkungsweise dieser „steuerlichen Neutralität“ nach den vorliegenden Angaben darin, dass verhindert wird, dass Steuern anfallen, die für die Banken nach dem allgemeinen Steuersystem normalerweise bei der Durchführung der betreffenden Transaktionen anfallen würden, insbesondere Steuern auf den Wertzuwachs.

59.   Dies stellt meines Erachtens eindeutig eine steuerliche Vergünstigung dar. Darauf, dass, wie die italienische Regierung vorgebracht hat, diese Maßnahmen für bestimmte Operationen keine Steuererleichterung bedeuten – weil für diese Operationen im konkreten Fall schon aufgrund anderer Regelungen keine Steuer anfällt, oder weil etwa in bestimmten Einzelfällen durch die Transaktion schon deshalb keine Steuer auf den Wertzuwachs anfällt, insofern durch die Transaktion kein entsprechender Wertzuwachs stattfindet – kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind nämlich, wie die Kommission auch in Randnummer 29 derselben festgestellt hat, die streitigen Maßnahmen als solche und nicht individuelle Beihilfen oder Anwendungsfälle. Nach der Rechtsprechung darf sich die Kommission nämlich darauf beschränken, eine Beihilferegelung nach deren allgemeinen Merkmalen zu untersuchen um festzustellen, ob sie nach diesen Merkmalen Beihilfeelemente enthält(21). Auf einen Vorteil in jedem Einzelfall kommt es demnach nicht an. Auch das Vorbringen, wonach die streitigen Maßnahmen insoweit auch Einheiten wie Holdings zugute kommen könnten, die nicht als Unternehmen im Sinne des Beihilfenbegriffes zu qualifizieren seien, ist hier aus denselben Gründen unerheblich. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall, dass durch diese Maßnahme, wie ich bereits ausgeführt habe, soweit aufgrund der Durchführung der entsprechenden Transaktionen normalerweise eine Steuer angefallen wäre, diese prinzipiell für die Banken „neutralisiert“ wird.

60.   Abgesehen davon ist zum Einwand der italienischen Regierung, wonach durch die streitigen Maßnahmen, soweit sie die genannten Transaktionen der Rückübertragung betreffen, lediglich eine Verschiebung bzw. zeitliche Suspendierung der Steuerschuld stattgefunden habe, mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass bereits in einer bloßen Steuerstundung ein finanzieller Vorteil zu sehen ist(22).

61.   Schließlich hat die italienische Regierung selbst ausgeführt, dass mit den Maßnahmen betreffend Transaktionen der Rückübertragung fiskalische Hindernisse beseitigt werden sollen.

62.   Nach alledem hat die italienische Regierung nichts vorgebracht, was der Feststellung entgegenstünde, dass mit den streitigen Maßnahmen, soweit sie „steuerliche Neutralität“ für bestimmte Transaktionen vorsehen, ein Vorteil im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG gewährt wird.

63.   Was sodann die staatliche Mittelgewährung betrifft, so besteht diese in Fällen „negativer“ Beihilfen wie jener, um die es vorliegend geht, in dem mit der Begünstigung verbundenen Verzicht auf Steuereinnahmen(23).

64.   Das Argument der italienischen Regierung, wonach die streitigen Maßnahmen im Ergebnis bzw. auf Dauer gesehen den staatlichen Haushalt nicht belasten würden, ist zurückzuweisen. Artikel 87 EG soll verhindern, dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten durch von staatlichen Stellen gewährte Vergünstigungen beeinträchtigt wird, die in verschiedenartiger Weise durch die Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen(24). Das Merkmal der Verwendung staatlicher Mittel dient der Abgrenzung staatlicher Beihilfen von privaten Interventionen, welche vom Beihilfenrecht nicht erfasst sind(25). Dieses Merkmal ist somit von der Frage, ob sich diese Verwendung letztlich tatsächlich in einer Budgetbelastung niederschlägt oder im Ergebnis sogar günstige Auswirkungen auf den Staatshaushalt hat, zu unterscheiden. Demnach ist es nicht erheblich, ob es im Ergebnis zu einer Haushaltsbelastung für den betreffenden Staat kommt oder nicht(26).

65.   Die italienische Regierung hat schließlich speziell die Selektivität der streitigen Maßnahmen bestritten.

66.   Nach dem Wortlaut des Artikels 87 Absatz 1 EG hat ein von einem Mitgliedstaat gewährter wirtschaftlicher Vorteil nur dann Beihilfecharakter, wenn er geeignet ist, lediglich „bestimmte … Unternehmen oder Produktionszweige“ zu begünstigen.

67.   Das Merkmal der Selektivität betrifft die Abgrenzung staatlicher Maßnahmen, bei denen es sich um Beihilfen im Sinne von Artikel 87 EG handeln kann, von solchen allgemeinen Maßnahmen, die Ausdruck der allgemeinen Steuer- und Abgabenpolitik eines Mitgliedstaats sind und den Mitgliedstaaten vorbehalten sind.

68.   Als allgemeine, nicht selektive staatliche Maßnahmen sind grundsätzlich etwa Maßnahmen anzusehen, die allen Wirtschaftsteilnehmern im Gebiet eines Mitgliedstaats gleichermaßen zugute kommen(27).

69.   Unterhalb dieser Ebene der Allgemeinheit kann es sich jedoch als sehr schwierig erweisen, zwischen allgemeinen und selektiven Maßnahmen zu unterscheiden. Jedenfalls kann es sich nach der Rechtsprechung selbst dann um eine (selektive) Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG handeln, wenn diese einen ganzen oder sogar mehrere Wirtschaftszweige betrifft(28).

70.   Im vorliegenden Fall ist jedenfalls unstreitig festzustellen, dass die streitigen Maßnahmen nur für den Bankensektor gelten.

71.   Ich habe bereits ausgeführt, dass die streitigen Maßnahmen meines Erachtens, insofern sie sich als Befreiungen des Begünstigten von normalerweise von ihm zu tragenden finanziellen Lasten darstellen, im Rahmen der bzw. im Verhältnis zur allgemeinen Lastenregelung, auf die sich diese Freistellungen beziehen, zu betrachten sind.

72.   So ist nach einem Begriff, der zuerst von Generalanwalt Darmon in seinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen Sloman Neptun geprägt worden ist, für eine selektive Maßnahme im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG der „Ausnahmecharakter“ kennzeichnend, den die Maßnahme ihrem Wesen nach gegenüber der Struktur des allgemeinen Systems, zu dem sie gehört, hat(29).

73.   Ob eine durch eine Maßnahme vorgenommene Differenzierung – durch die einem Begünstigten innerhalb des allgemeinen Systems, zu dem diese Maßnahme gehört, ein Vorteil eingeräumt wird – selektiv ist oder nicht, hängt demnach davon ab, ob sich diese Differenzierung aus dem Wesen oder der Struktur des allgemeinen Systems – mit einem Wort aus der inneren Besteuerungslogik dieses Systems – ergibt.

74.   Die Kommission hat sich in Randnummer 32 der angefochtenen Entscheidung auf die entsprechende Feststellung des Gerichtshofes im Urteil Maribel bezogen, wonach „eine Maßnahme, die die Unternehmen eines bestimmten Wirtschaftszweiges teilweise von den finanziellen Lasten freistellen soll, die sich aus der normalen Anwendung des allgemeinen Sozialversicherungssystems ergeben, ohne dass diese Befreiung durch das Wesen und die Struktur dieses Systems gerechtfertigt ist, als Beihilfe anzusehen“ ist(30).

75.   Eine Differenzierung kann also nur dann nicht selektiv sein, wenn sie im Hinblick auf die Lastenregelung, innerhalb der sie vorgenommen wird, sachlich gerechtfertigt ist. Die Nähe dieser Überprüfung zu einer Gleichheitsprüfung liegt hier übrigens auf der Hand, was auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofes hinsichtlich der Selektivität insoweit zum Ausdruck kommt, als demnach festzustellen ist, ob bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige „gegenüber anderen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden“ begünstigt werden könnten(31).

76.   Mit den streitigen Maßnahmen sind beschränkt auf den Bankensektor eine Reihe von Änderungen am normalerweise geltenden Steuersystem vorgenommen worden (Senkung der Körperschaftssteuer, steuerliche Neutralität im Hinblick auf den Wertzuwachs usw.). Nachdem Differenzierungen innerhalb eines Steuersystems nur dann keinen „Ausnahmecharakter“ aufweisen und damit als nicht selektiv zu betrachten sind, wenn sich diese Differenzierung sozusagen aus der „inneren Besteuerungslogik“ dieses Steuersystems ergibt, wäre die mit den streitigen Maßnahmen eingeführte Differenzierung nur dann nicht selektiv, wenn damit der Besteuerungslogik des allgemeinen Steuersystems gefolgt worden wäre, oder, wie es die italienische Regierung ausgedrückt hat, eine Anpassung des allgemeinen Systems an die besonderen Merkmale der Bankentätigkeit vorgenommen worden wäre.

77.   Ich teile jedoch die Auffassung der Kommission, dass dies hier nicht der Fall ist; dass die streitigen Maßnahmen mit anderen Worten also nicht eine sachliche Differenzierung zwischen dem Bankensektor und anderen Sektoren und Unternehmen hergestellt haben. Bei den streitigen Maßnahmen handelt es sich um punktuelle Maßnahmen, mit denen die Konsolidierung des italienischen Bankensektors bzw., wie die italienische Regierung ausgeführt hat, eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des italienischen Bankensektors erreicht werden soll. Ich halte daher die Feststellung der Kommission in Randnummer 32 der angefochtenen Entscheidung in dem Sinne für zutreffend, dass es sich dabei um ein externes Element handelt, das keine inhärente Verbindung zur Struktur des normalerweise – im Hinblick auf Zusammenschlüsse oder andere Transaktionen, auf die sich die streitigen Maßnahmen beziehen – geltenden Steuersystems aufweist. Das Ziel der Umstrukturierung bzw. Privatisierung des Bankensektors eines Mitgliedstaats mag für sich genommen durchaus ein legitimes Ziel sein, jedoch bedeutet dies nicht, dass die alleinige Begünstigung des Bankensektors im Wesen und den allgemeinen Zwecken des normalerweise geltenden nationalen Steuersystems seine Deckung findet. Die systemfremden Zwecke der streitigen Maßnahmen indizieren meiner Ansicht nach also, dass es sich nicht um eine Anpassung des allgemeinen Systems handelt.

78.   Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer hat überdies darauf hingewiesen, dass der Nachweis, dass eine Maßnahme der inneren Logik des Systems dient, nur gelingen kann, soweit jede Absicht ausgeschlossen ist, „die Konditionen für einen Sektor gegenüber seinen ausländischen Konkurrenten zu verbessern“(32). Die italienische Regierung hat jedoch selbst mehrfach ausgeführt, dass es bei den streitigen Maßnahmen auch um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit – durch Zusammenschlüsse bzw. die Sicherstellung einer höheren Rentabilität – geht.

79.   Nach alledem halte ich die streitigen Maßnahmen, da sie jedenfalls nur für entsprechende Transaktionen im Bankensektor gelten, jedenfalls für sektoriell selektiv, wie die Kommission in Randnummer 35 der angefochtenen Entscheidung auch zutreffend festgestellt hat.

80.   Gegen diese Selektivität spricht übrigens auch nicht, dass Unternehmen in anderen Wirtschaftssektoren – die, wenn sie entsprechende Transaktionen der Umstrukturierung vornehmen würden, wie sie im Bankensektor aufgrund der streitigen Maßnahmen steuerlich erleichtert sind, die entsprechenden Abgaben zahlen müssten – nicht in einem Wettbewerb mit den Banken stehen. Dies wird sogar häufig der Fall sein, wenn es um Beihilfen für ganze „Produktionszweige“ geht, welche aber ausdrücklich in Artikel 87 Absatz 1 EG genannt sind.

81.   Im Vordergrund dieser Bestimmung steht der Einfluss auf den Wettbewerb in der Gemeinschaft, d. h., es geht hier beispielsweise auch um den Wettbewerb mit den Bankensektoren anderer Mitgliedstaaten(33). So hat der Gerichtshof auch in der von der Kommission zitierten Rechtssache Adria-Wien Pipeline eine selektive Begünstigung angenommen, obwohl sich der Anwendungsbereich der fraglichen nationalen Beihilfen sehr weiträumig auf „Unternehmen, die körperliche Güter herstellen“, bezog(34).

82.   Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung auch noch (Eventual-)(35)Feststellungen bezüglich der Selektivität der streitigen Maßnahmen, insbesondere der in Randnummer 5 unter der Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung genannten Maßnahme, innerhalb des Bankensektors, also im Hinblick auf die Selektivität der Differenzierung zwischen verschiedenen Banken, getroffen.

83.   Da die Feststellung der Kommission, wie dargelegt, bezüglich der sektoriellen Selektivität zutrifft und es für die Qualifizierung einer Maßnahme als Beihilfe ausreicht festzustellen, dass sie jedenfalls in einer Hinsicht selektiv ist, erübrigt sich die Prüfung, ob die streitigen Maßnahmen tatsächlich darüber hinaus auch noch innerhalb des Sektors selektiv sind(36).

84.   Somit ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht zur Beurteilung gelangen konnte, dass die streitigen Maßnahmen die Voraussetzungen der einseitigen Vorteilsgewährung aus staatlichen Mitteln erfüllen.

2.      Zur Frage der Verfälschung des Wettbewerbs und der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

a)      Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

85.   Mit dem fünften Teil des zweiten Klagegrundes macht die italienische Regierung geltend, dass weder im Verhältnis zwischen den in Italien tätigen Banken noch zwischen in- und ausländischen Banken der Wettbewerb verfälscht werde.

86.   Sie führt aus, dass die fraglichen Steuererleichterungen von allen Banken, die bestimmte objektive Kriterien erfüllen, in Anspruch genommen werden könnten. Die Steuererleichterungen im Hinblick auf bestimmte Vorgänge seien lediglich an die Bedingung gebunden, dass diese Vorgänge in Italien stattfinden. Was die in Randnummer 5 unter der Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung genannte Maßnahme betrifft, so gelte sie auch für Zweigstellen ausländischer Banken. Der Zugang ausländischer Banken zum nationalen Markt werde daher nicht erschwert.

87.   Außerdem müsse bei der Prüfung der Auswirkungen der streitigen Maßnahmen auf den Wettbewerb beachtet werden, dass die Steuerlast für die in Italien tätigen Banken im Vergleich zum europäischen Durchschnitt spürbar höher sei. Eine solche Situation könne Maßnahmen zur Verringerung der Steuerlast rechtfertigen. Die Kommission habe es zu Unrecht unterlassen, die Verfälschung des Wettbewerbs auf der Grundlage des relevanten Marktes zu prüfen.

88.   Mit dem sechsten Teil des zweiten Klagegrundes macht die italienische Regierung eine fehlerhafte Beurteilung und Begründungsmängel hinsichtlich der Beeinträchtigungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten geltend. Sie wendet sich insbesondere gegen die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, wonach die streitigen Maßnahmen die Expansion italienischer Banken im Ausland erleichtere und den Zugang ausländischer Banken erschwere. Diese Begründung sei weder ausreichend noch relevant. Sie führt abermals aus, dass die streitigen Maßnahmen auch auf ausländische Banken anwendbar seien und dass italienische Banken einem erhöhten Steuerdruck unterliegen würden, weshalb diese nicht „potenziell aggressiver“ expandieren würden.

b)      Würdigung

89.   Zunächst ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung nicht die tatsächliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des innergemeinschaftlichen Handels nachgewiesen sein muss, sondern dass es auf die bloße Eignung der fraglichen Maßnahme ankommt, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen(37).

90.   Außerdem kann sich bereits aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergeben, dass sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht(38).

91.   Was nun das Vorbringen betrifft, wonach keine Wettbewerbsverfälschung vorliege, so habe ich bereits ausgeführt, dass es sich beim gemeinschaftlichen Beihilfenrecht um ein Instrument zur Verhinderung von Verzerrungen des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt handelt(39). Es genügt daher zur Begründung einer Anwendbarkeit des Artikels 87 Absatz 1 EG, wenn die streitigen Maßnahmen geeignet sind, den Wettbewerb im Verhältnis zu auf dem Gemeinsamen Markt tätigen Konkurrenten zu beeinflussen(40). Dass die streitigen Maßnahmen nach objektiven Kriterien anwendbar seien und sowohl in- als auch ausländischen Banken offen stünden, ist, wie die Kommission ausgeführt hat, nicht geeignet darzulegen, dass eine solche Eignung nicht bestünde. Ausschlaggebend ist, dass durch die streitigen Maßnahmen bestimmte in Italien tätige Banken hinsichtlich ihrer Größe – durch Zusammenschlüsse – oder ihrer Finanzkraft und Rentabilität – etwa mit Rückübertragungen – gestärkt werden. Auch wenn ausländische Zweigstellen grundsätzlich, soweit sie die Voraussetzungen der streitigen Maßnahmen erfüllen, von den streitigen Maßnahmen profitieren können, so ändert dies nichts daran, dass diese Maßnahmen den Wettbewerb von in Italien tätigen Banken im Verhältnis zu in anderen Mitgliedstaaten tätigen Banken beeinflussen können. Angesichts der in den letzten Jahren erfolgten Liberalisierung der Finanzmärkte ist sodann meines Erachtens nicht ernsthaft in Abrede zu stellen, dass zumindest ein gewisser innergemeinschaftlicher Wettbewerb im Bankenbereich besteht.

92.   Zum Vorbringen, wonach die Steuerlast für die in Italien tätigen Banken spürbar höher sei als im europäischen Durchschnitt, ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung der Versuch, die Wettbewerbsbedingungen eines bestimmten Wirtschaftssektors denen in anderen Mitgliedstaaten durch einseitige Maßnahmen anzunähern, diesen Maßnahmen nicht den Charakter von Beihilfen nehmen kann(41). Dieser „kompensatorische“ Ansatz in der Argumentation der italienischen Regierung ist somit zurückzuweisen.

93.   Demnach hat die italienische Regierung nicht dargelegt, dass die Kommission zu Unrecht von der Eignung der streitigen Maßnahmen, den Wettbewerb zu verfälschen, ausgegangen ist.

94.   Was sodann die Beurteilung und Begründung hinsichtlich der Eignung der streitigen Maßnahmen zur Beeinflussung des innergemeinschaftlichen Handels betrifft, so ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes im Hinblick auf die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als auch im Hinblick auf die Feststellung der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten kein strenger Maßstab(42).

95.   Nach der Rechtsprechung, auf die die Kommission in Randnummer 41 der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen hat, ist, wenn ein gewährter Vorteil die Stellung einer Gruppe von Unternehmen gegenüber anderen, mit ihnen im innergemeinschaftlichen Handel im Wettbewerb stehenden Unternehmen stärkt, dieser Handel als von diesem Vorteil beeinflusst zu betrachten(43).

96.   Nach den Angaben der italienischen Regierung sollen die streitigen Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit des italienischen Bankensektors stärken. Sie sollen die Rentabilität der betreffenden Banken erhöhen und Zusammenschlüsse erleichtern.

97.   Des Weiteren genügt es festzustellen, dass – angesichts der Entwicklung der Liberalisierung der Finanzdienstleistungen und der der Integration der Finanzmärkte, auf die die Kommission in Randnummer 41 der angefochtenen Entscheidung hingewiesen hat und die die italienische Regierung als solche auch nicht geleugnet hat – jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass die begünstigten Unternehmen mit Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten im Wettbewerb stehen(44).

98.   Demnach konnte die Kommission auch zu Recht von einer Beeinflussung des Handels ausgehen. Die Kommission hat zudem in Randnummer 41 der angefochtenen Entscheidung ausführlich begründet, warum sie eine Auswirkung auf den Handel annimmt.

99.   Somit sind auch die Vorbringen bezüglich der fehlerhaften Beurteilung der Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des Handels zwischen Mitgliedstaaten unbegründet.

3.      Zum Begründungsmangel aufgrund einer nicht getrennten Prüfung der streitigen Maßnahmen nach Artikel 87 Absatz 1 EG und Artikel 87 Absatz 3 EG und aufgrund einer zu globalen Prüfung der streitigen Maßnahmen

a)      Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

100. Die italienische Regierung macht zunächst geltend, dass die angefochtene Entscheidung zwei unterschiedliche Fragen, nämlich die der Qualifizierung der streitigen Maßnahmen als Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG und die der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmungen des Artikels 87 Absatz 3 EG, nicht getrennt würdige. Die Begründung der Qualifizierung der streitigen Maßnahmen als staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG sei zudem zu global.

b)      Würdigung

101. Dazu ist im Lichte der Grundsätze hinsichtlich der Begründungspflicht, wie ich sie in den Nummern 32 und 33 angeführt habe, festzustellen, dass die Fragen der Qualifizierung der streitigen Maßnahmen als Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG und jene der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmungen des Artikels 87 Absatz 3 EG in der angefochtenen Entscheidung getrennt begründet wurden, und zwar einerseits in den Randnummern 32 bis 43 und andererseits in den Randnummern 45 bis 48 der angefochtenen Entscheidung.

102. Dem Argument der Klägerin, diese beiden Fragen seien nicht getrennt behandelt worden, kann daher nicht gefolgt werden.

103. Ebenso wenig ist im Lichte der vorangehenden Ausführungen zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des Beihilfenbegriffs, in denen ich auf die entsprechenden Feststellungen der Kommission eingegangen bin, der allgemeine Vorwurf der zu globalen Begründung bzw. des Fehlens einer ausreichenden Begründung der Qualifizierung der streitigen Maßnahmen als staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG gerechtfertigt.

104. Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist damit ebenfalls unbegründet.

105. Nach alledem ist der zweite Klagegrund, wonach die Kommission die streitigen Maßnahmen zu Unrecht und unter Verstoß gegen die Begründungspflicht als Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG qualifiziert habe, als unbegründet zurückzuweisen.

D –    Zur Verletzung von Artikel 87 Absatz 3 EG und zur Verletzung der Begründungspflicht hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt (dritter Klagegrund)

1.      Wesentliche Vorbringen der italienischen Regierung

106. Die italienische Regierung wirft der Kommission vor, gegen Artikel 87 Absatz 3 EG und Artikel 253 EG verstoßen zu haben, indem sie es aufgrund einer rechtsirrigen und widersprüchlichen Begründung unterlassen habe, die streitigen Maßnahmen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären.

107. Dazu führt sie in Bezug auf Randnummer 48 der angefochtenen Entscheidung zunächst aus, dass die Kommission daraus, dass die streitigen Maßnahmen nicht gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG gemeldet worden seien, nicht schließen durfte, dass diese Maßnahmen nicht gemäß Artikel 87 Absatz 3 EG als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären wären oder sie deshalb eine bloß oberflächliche Würdigung der relevanten Umstände vornehmen durfte. Auch in anderen Fällen, in denen es um nicht gemeldete Maßnahmen gegangen sei, habe sich die Kommission vorurteilsfrei mit der italienischen Regierung auseinander gesetzt und schließlich die Ausnahmen gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG angewendet. Die Kommission habe sich vorliegend aber lediglich inkohärenter Standardformeln bedient.

108. Die italienische Regierung macht sodann geltend, dass die streitigen Maßnahmen als „Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“ im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden hätten können.

109. Sie führt dazu aus, dass der italienische Gesetzgeber mit dem Gesetz Ciampi eine bedeutende Wirkung auf dem italienischen Bankenmarkt erzielen wollte, nämlich die vollständige und definitive Privatisierung der italienischen Banken. Ein solches Vorhaben, welches zudem mit dem europäischen Vorhaben der Verwirklichung der Eurozone und des Binnenmarktes korrespondiere, stelle ein „Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“ dar. Ein solches Vorhaben könne von den Mitgliedstaaten nur in Bezug auf die jeweiligen dort ansässigen Banken verwirklicht werden. Die ganze Gemeinschaft würde aber von dieser Privatisierung, die den Wettbewerb auf einem so wichtigen Finanzmarkt wie dem Italiens stärken würde, profitieren. Insofern greife die Feststellung der Kommission in Randnummer 45 der angefochtenen Entscheidung, wonach die streitigen Maßnahmen „hauptsächlich die Wirtschaftstreibenden eines Mitgliedstaats, und nicht der gesamten Gemeinschaft“ begünstigen würden, zu kurz. Auch müsse nur das „Vorhaben“ und nicht die Beihilfe „von gemeinsamem europäischem Interesse“ sein und folglich einen Vorteil für die gesamte Gemeinschaft darstellen. Außerdem bestreitet die italienische Regierung angesichts der Ziele, die sie ausführlich genannt habe, dass es sich nicht um ein „konkretes, genaues und klar definiertes Vorhaben“ handle (ebenfalls Randnummer 45 der angefochtenen Entscheidung).

110. Mit denselben Argumenten hinsichtlich der Zielsetzungen der streitigen Maßnahmen macht die italienische Regierung sodann geltend, dass die streitigen Maßnahmen auch als „Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige“ im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden hätte können.

111. Sie führt außerdem aus, dass die Kommission die Möglichkeit einer Vereinbarkeit der streitigen Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt nach diesem Artikel nicht nur anhand von Leitlinien wie jenen für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung(45) ausschließen hätte dürfen. Insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem es um „atypische“ Maßnahmen gehe, müsse auch geprüft werden, ob diese Maßnahmen unabhängig von den in den Leitlinien erfassten Kategorien unter den Begriff der Beihilfe nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG fallen.

112. Die italienische Regierung kritisiert schließlich vor allem die Feststellung der Kommission in Randnummer 47 der angefochtenen Entscheidung, wonach die streitigen Maßnahmen im Vergleich zu früheren Maßnahmen, insbesondere jenen im Rahmen des Gesetzes Amato, hauptsächlich die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Empfänger der Beihilfen bewirken würden.

2.      Würdigung

113. Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Kommission bei der Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 EG über ein weites Ermessen verfügt, das sie nach Maßgabe komplexer wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind(46).

114. Aufgrund dieser weitgehenden Entscheidungsfreiheit darf der Gerichtshof bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Freiheit die Beurteilung der Vereinbarkeit, zu der die zuständige Behörde gelangt ist, nicht durch seine eigene ersetzen(47).

115. Daher ist es auch nicht Aufgabe des Gerichtshofes festzustellen, ob eine staatliche Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären ist oder erklärt werden hätte können(48).

116. Vielmehr hat sich die gerichtliche Nachprüfung der Ausübung des Ermessens der Kommission auf die Überprüfung der Beachtung der Verfahrens- und Begründungsvorschriften sowie auf die Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der festgestellten Tatsachen und des Fehlens von Rechtsfehlern, von offensichtlichen Fehlern bei der Bewertung der Tatsachen und von Ermessensmissbrauch zu beschränken(49).

117. Was das Vorbringen der italienischen Regierung in Bezug auf Randnummer 48 der angefochtenen Entscheidung betrifft, so ist festzustellen, dass die Kommission aus der Tatsache, dass ihr die streitigen Maßnahmen nicht gemeldet worden seien, nicht geschlossen hat, dass diese Maßnahmen nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind.

118. Vielmehr stützt sich diese Beurteilung der Kommission auf die in den Randnummern 45 bis 48 der angefochtenen Entscheidung ausgeführten Erwägungen.

119. Die Kommission hat in diesen Randnummern u. a. auch die in Artikel 87 Absatz 3 EG vorgesehenen Ausnahmehypothesen erörtert und jeweils begründet, warum sie diese angesichts der im Anlassfall vorliegenden Umstände für nicht anwendbar hält.

120. Im Lichte der von mir oben in den Nummern 32 und 33 genannten Grundsätze bezüglich der Begründungspflicht ist daher festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Frage einer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt eine ausreichende Begründung enthält(50). Soweit die italienische Regierung geltend gemacht hat, dass die angefochtene Entscheidung im Widerspruch zu früheren Entscheidungen stehe, so belegt dies nicht, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung als solche widersprüchlich wäre.

121. Zu den Ausführungen der italienischen Regierung in Bezug auf eine fehlende Prüfung der streitigen Maßnahmen unabhängig von Leitlinien der Kommission ist zudem festzustellen, dass aus den Randnummern 47 und 48 hervorgeht, dass die Kommission die Frage der Vereinbarkeit der streitigen Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt nicht nur im Hinblick auf Leitlinien beurteilt hat, wenngleich sie auch zum Schluss gekommen ist, dass die vorliegenden Umstände es nicht zuließen, die streitigen Maßnahmen als für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären.

122. Im Übrigen setzt, wie ich bereits ausgeführt habe, die Entscheidung darüber, ob die streitigen Maßnahmen ein „Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“ oder eine „Beihilfe zur Förderung gewisser Wirtschaftszweige“ darstellen, eine Bewertung komplexer wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhänge durch die Kommission voraus, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen ist. Selbst wenn daher angenommen würde, dass die streitigen Maßnahmen der vollständigen und definitiven Privatisierung der italienischen Banken dienen und dies mit der Verwirklichung des Binnenmarktes und der Eurozone im Einklang stehe – was an sich schon einem Beurteilungsermessen unterliegt –, so ist daraus allein noch nicht zu schließen, dass die Kommission die streitigen Maßnahmen rechtsfehlerhaft nicht unter Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b oder c EG subsumiert hat.

123. Angesichts der bereits erörterten Vielschichtigkeit der Ziele der streitigen Maßnahmen und deren Wirkungsweise bin ich des Weiteren der Auffassung, dass die italienische Regierung nicht dargelegt hat, dass die Kommission mit der Feststellung in Randnummer 45 der angefochtenen Entscheidung, wonach mit diesen Maßnahmen „hauptsächlich die Wirtschaftsakteure eines Mitgliedstaats und nicht der gesamten Gemeinschaft begünstigt ?werden? und … kein konkretes und genau definiertes Vorhaben gefördert wird“, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte.

124. Was schließlich die Feststellung in Randnummer 45 der angefochtenen Entscheidung betrifft, wonach die streitigen Maßnahmen anders als die früheren Maßnahmen (im Rahmen des Gesetzes Amato) hauptsächlich die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bewirken, so ist die Vergleichbarkeit der streitigen Maßnahmen mit früheren Maßnahmen hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt ohnedies nicht entscheidend(51). Angesichts der offenbar wettbewerbsstärkenden Wirkungsweise der streitigen Maßnahmen, wie sie die italienische Regierung zudem selbst angeführt hat, handelt es sich aber auch bei der von der Kommission getroffenen Feststellung, wonach diese Maßnahmen hauptsächlich die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Beihilfenempfänger bewirken, für sich genommen jedenfalls um keine offenkundig unrichtige Beurteilung.

125. Nach alledem ist auch der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

V –    Kosten

126. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, ist sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

VI – Ergebnis

127. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.         die Klage abzuweisen;

2.         die Italienische Republik zur Tragung der Kosten zu verurteilen.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – ABl. L 184, S. 27 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).


3 – Vgl. u. a. die Urteile vom 6. April 2000 in der Rechtssache C-256/98 (Kommission/Frankreich, Slg. 2000, I-2487, Randnr. 31) und vom 7. Mai 1986 in der Rechtssache 191/84 (Barcella u. a./Kommission, Slg. 1986, 1541, Randnr. 5).


4 – Vgl. u. a. die Urteile vom 24. Juli 2003 in der Rechtssache C-280/00 (Altmark Trans, Slg. 2003, I-7747, Randnr. 75) und vom 3. März 2005 in der Rechtssache C-172/03 (Heiser, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 27).


5 – Unter anderem die Urteile vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-241/94 (Frankreich/Kommission, Slg. 1996, I-4551, Randnr. 21), vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-342/96 (Spanien/Kommission, Slg. 1999, I-2459, Randnr. 23), vom 13. Juni 2002 in der Rechtssache C-382/99 (Niederlande/Kommission, Slg. 2002, I-5163, Randnr. 61) und vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C-409/00 (Spanien/Kommission, Slg. 2003, I-1487, Randnr. 46).


6 – Unter anderem die Urteile in der Rechtssache C-241/94 (zitiert in Fußnote 5), Randnr. 21, und in der Rechtssache C-342/96 (zitiert in Fußnote 5), Randnr. 23.


7 – Die Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 EG im vorliegenden Fall wird im Rahmen des dritten Klagegrundes behandelt. Siehe dazu insbesondere meine Ausführungen unten in den Nrn. 113 ff.


8 – Siehe dazu Sutter, Das EG-Beihilfenverbot und sein Durchführungsverbot in Steuersachen, 2005, S. 44 f.


9 – Vgl. in diesem Sinne die Urteile vom 10. Dezember 1969 in den Rechtssachen 6/69 und 11/69 (Kommission/Frankreich, Slg. 1969, 523, Randnr. 21) sowie vom 19. Mai 1999 in der Rechtssache C-6/97 (Italien/Kommission, Slg. 1999, I-2981, Randnr. 21).


10 – Vgl. dazu bezüglich der Frage der einseitigen Vorteilsgewährung die Ausführungen von Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen vom 8. Mai 2001 in der Rechtssache C-53/00 (Ferring, Urteil vom 22. November 2001, Slg. 2001, I-9067, Nr. 39).


11 – Verordnung des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1).


12 – Vgl. u. a. das Urteil vom 7. März 2002 in der Rechtssache C-310/99 (Italien/Kommission, Slg. 2002, I-2289, Randnr. 48).


13 – Vgl. u. a. die Urteile vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P (Kommission/Sytraval und Brink’s France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63), vom 30. März 2000 in der Rechtssache C-265/97 P (VBA/Florimex u. a., Slg. 2000, I-2061, Randnr. 93), vom 22. März 2001 in der Rechtssache C-17/99 (Frankreich/Kommission, Slg. 2001, I-2481, Randnrn. 35 und 36) und in der Rechtssache C-310/99 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 48.


14 – Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung (ABl. 1998, C 2, S. 1; ABl. 1998, C 384/3, S. 3).


15 – Vgl. u. a. die Urteile vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59 (De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, 3, 43), vom 15. März 1994 in der Rechtssache C-387/92 (Banco Exterior de España, Slg. 1994, I-877, Randnr. 13), vom 29. Juni 1999 in der Rechtssache C-256/97 (DM Transport, Slg. 1999, I-3913, Randnr. 19) und vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-5/01 (Belgien/Kommission, Slg. 2002, I-11991, Randnr. 32).


16 – So beispielsweise Ross, „State aid and national courts: definition and other problems – a case of premature anticipation?“ CMLR 2000, 407: „No advantage can be identified without a comparator first being found as a benchmark for treatment.“ Die Identifizierung eines Bezugspunktes ist meines Erachtens nicht erst im Hinblick auf die Frage der Einseitigkeit bzw. Selektivität eines Vorteils, sondern auch im Zusammenhang mit der Vorteilsgewährung vonnöten, da auch die Frage, ob einem Unternehmen durch eine bestimmte Maßnahme ein Vorteil gewährt wird, nicht allein aus der Sicht des Unternehmens zu beantworten ist. So kommt es auch nach ständiger Rechtsprechung nicht darauf an, ob sich die Situation des durch eine Maßnahme angeblich Begünstigten im Vergleich zur vorherigen Rechtslage verbessert oder verschlechtert hat oder ob sie im Gegenteil unverändert geblieben ist. Siehe u. a. das Urteil vom 7. Juni 1988 in der Rechtssache 57/86 (Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2855, Randnr. 10).


17 – Vgl. z. B. Generalanwalt La Pergola in seinen Schlussanträgen vom 12. November 1998 in der Rechtssache C-75/97 (Belgien/Kommission, Urteil vom 17. Juni 1999, Slg. 1999, I-3671, Nr. 11).


18 – Urteil in der Rechtssache 30/59 (zitiert in Fußnote 15).


19 – Urteil in der Rechtssache C-75/97 (zitiert in Fußnote 17).


20 – Vgl. Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen vom 8. Mai 2001 in der Rechtssache C-143/99 (Adria-Wien Pipeline, Urteil vom 8. November 2001, Slg. 2001, I-8365), Nrn. 40 ff. Siehe auch das Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-308/01 (GIL Insurance, Slg. 2004, I-4777, Randnrn. 70 ff.).


21 – Vgl. u. a. die Urteile vom 14. Oktober 1987 in der Rechtssache 248/84 (Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013, Randnr. 18) und in der Rechtssache C-75/97 (zitiert in Fußnote 17), Randnr. 48.


22 – Vgl. das Urteil in der Rechtssache C-256/97 (zitiert in Fußnote 15), Randnr. 19.


23 – Vgl. u. a. das Urteil vom 19. September 2000 in der Rechtssache C-156/98 (Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-6857, Randnr. 26).


24 – Urteile vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 173/73 (Italien/Kommission, Slg. 1974, 709, Randnr. 26) und in der Rechtssache C-387/92 (zitiert in Fußnote 15), Randnr. 12.


25 – Dass es primär um die Zurechenbarkeit an den Staat geht, ergibt sich beispielsweise auch aus dem Urteil vom 20. November 2003 in der Rechtssache C-126/01 (GEMO, Slg. 2003, I-13769, Randnr. 26).


26 – Vgl. Heidenhain, Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, 2003, S. 155, Randnr. 5.


27 – Unter anderem das Urteil in der Rechtssache C-156/98 (zitiert in Fußnote 23), Randnr. 26.


28 – Vgl. das Urteil in der Rechtssache C-75/97 (zitiert in Fußnote 17), insbesondere Randnrn. 32 und 33.


29 – Schlussanträge von Generalanwalt Darmon vom 17. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-72/91 und C-73/91 (Sloman Neptun, Urteil vom 17. März 1993, Slg. 1993, I-887, Nr. 50). Siehe für eine ausdrückliche Bezugnahme auf diesen Begriff das Urteil in der Rechtssache C-75/97 (zitiert in Fußnote 17), Überschrift vor Randnr. 32.


30 – Urteil in der Rechtssache C-75/97 (zitiert in Fußnote 17), Randnr. 33, mit Verweis auf das Urteil in der Rechtssache 173/73 (zitiert in Fußnote 24), Randnr. 33.


31 – Vgl. u. a. das Urteil in der Rechtssache C-308/01 (zitiert in Fußnote 20), Randnr. 68.


32 – Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer vom 17. September 1998 in der Rechtssache C-6/97 (Urteil zitiert in Fußnote 9), Nr. 27.


33 – Vgl. dazu auch meine Ausführungen oben, Nr. 27.


34 – Urteil in der Rechtssache C-143/99 (zitiert in Fußnote 20). Vgl. dagegen die Feststellung in Nr. 78 der Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in dieser Rechtssache, wonach kein Wettbewerb zwischen den betreffenden Sektoren bestehe.


35 – Siehe Randnr. 35, in der die Selektivität wie folgt festgestellt wird (Hervorhebung von mir): „Sollte die Beihilfe unterschiedslos Banken gewährt werden, so stellen die Maßnahmen jedoch eine Beihilfe an den Wirtschaftszweig dar.“


36 – Vgl. das Urteil vom 6. November 1990 in der Rechtssache C-86/89 (Italien/Kommission, Slg. 1990, I-3891, Randnr. 20).


37 – Vgl. u. a. das Urteil in der Rechtssache C-409/00 (zitiert in Fußnote 5), Randnr. 75.


38 – Vgl. u. a. das Urteil vom 19. Oktober 2000 in den verbundenen Rechtssachen C-15/98 und C-105/99 (Italien und Sardegna Lines/Kommission, Slg. 2000, I-8855, Randnr. 66) und die dort zitierte Rechtsprechung.


39 – Siehe oben, Nr. 27.


40 – Vgl. dazu auch Sutter (zitiert in Fußnote 8), S. 132.


41 – Vgl. in diesem Sinne die Urteile in den Rechtssachen 6/69 und 11/69 (zitiert in Fußnote 9), Randnr. 21, sowie in der Rechtssache C-6/97 (zitiert in Fußnote 9), Randnr. 21.


42 – Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs vom 23. März 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-278/92 bis C-280/92 (Spanien/Kommission, Urteil vom 14. September 1994, Slg. 1994, I-4103, Nr. 33); vgl. auch Keppenne, Guide des aides d`Etat en droit communautaire, 1999, S. 120 und 132 f.


43 – Vgl. insbesondere die Urteile vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79 (Philip Morris/Kommission. Slg. 1980, 2671, Randnr. 11) und in der Rechtssache C-53/00 (zitiert in Fußnote 10), Randnr. 21.


44 – Vgl. das Urteil in der Rechtssache C-172/03 (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 35.


45 – Siehe Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. C 74, S. 9), von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Fußnote 17 zitiert.


46 – Unter anderem die Urteile vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 310/85 (Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901, Randnr. 18), vom 8. März 1988 in den Rechtssachen 62/87 und 72/87 (Exécutif regional wallon und SA Glaverbel/Kommission, Slg. 1988, 1573) und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-372/97 (Italien/Kommission, Slg. 2004, I-3679, Randnr. 83).


47 – Unter anderem das Urteil vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-169/95 (Spanien/Kommission, Slg. 1997, I-135, Randnr. 34).


48 – Vgl. auch den Beschluss vom 24. Juli 2003 in der Rechtssache C-297/01 (Sicilcassa und Graci, Slg. 2003, I-7849, Randnr. 47).


49 – Unter anderem das Urteil in der Rechtssache C-372/97 (zitiert in Fußnote 46), Randnr. 83.


50 – Vgl. auch etwa das Urteil in der Rechtssache C-372/97 (zitiert in Fußnote 46), Randnr. 87.


51 – Vgl. dazu auch meine Ausführungen oben, Nrn. 29 und 30.