Arrêt de la Cour
Rechtssache C-315/02Anneliese Lenz
gegen
Finanzlandesdirektion für Tirol(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes [Österreich])
«Kapitalverkehrsfreiheit – Kapitalertragsteuer – Inländische Kapitalerträge: Endbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 % oder Steuersatz in Höhe der Hälfte des auf das gesamte
Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes – Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat: normaler Steuersatz»
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Schlussanträge des Generalanwalts A. Tizzano vom 25. März 2004 |
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Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 15. Juli 2004 |
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Leitsätze des Urteils
Kapitalverkehrsfreiheit – Beschränkungen – Besteuerung der Kapitalerträge – Endbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 % oder normale Einkommensteuer unter Anwendung eines Hälftesteuersatzes – Beschränkung auf inländische Kapitalerträge – Anwendung der normalen Einkommensteuer ohne Ermäßigung auf ausländische Kapitalerträge – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Fehlen
(EG-Vertrag, Artikel 73b und 73d Absätze 1 und 3 [jetzt Artikel 56 EG und Artikel 58 Absätze 1 und 3 EG])
Die Artikel 73b und 73d Absätze 1 und 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG und 58 Absätze 1 und 3 EG) stehen einer Regelung eines
Mitgliedstaats entgegen, die nur den Beziehern inländischer Kapitalerträge erlaubt, zwischen einer Endbesteuerung mit einem
Steuersatz von 25 % und der normalen Einkommensteuer unter Anwendung eines Hälftesteuersatzes zu wählen, während sie vorsieht,
dass Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat zwingend der normalen Einkommensteuer ohne Ermäßigung des Steuersatzes
unterliegen.
Solch eine Steuerregelung stellt insoweit eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar, als sie in dem betreffenden
Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige im Ergebnis davon abhält, Kapital in Gesellschaften anzulegen, die in einem anderen
Mitgliedstaat ansässig sind; sie wirkt sich außerdem gegenüber den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften beschränkend
aus, weil sie sie darin behindert, in dem betreffenden Mitgliedstaat Kapital zu sammeln.
Eine derartige Regelung lässt sich nicht durch eine objektiv unterschiedliche Situation rechtfertigen, die nach Artikel 73d
Absatz 1 Buchstabe a EG-Vertrag eine unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertigen kann. Hinsichtlich einer Steuervorschrift,
die die Auswirkungen einer Doppelbesteuerung – bei der Körperschaft- und sodann bei der Einkommensteuer – von Gewinnen mildern
soll, die die Gesellschaft, in deren Aktien die Kapitalanlage erfolgt ist, ausgeschüttet hat, befinden sich nämlich im betreffenden
Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtige Aktionäre, die Kapitalerträge von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen
Gesellschaft beziehen, in einer Situation, die mit der von Aktionären vergleichbar ist, die ebenfalls in diesem Mitgliedstaat
unbeschränkt steuerpflichtig sind, aber Kapitalerträge von einer in diesem Staat ansässigen Gesellschaft beziehen.
Da es außerdem an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Gewährung der fraglichen Steuervorteile, in deren Genuss im
betreffenden Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige bei inländischen Kapitalerträgen kommen, und der auf Gewinne der Gesellschaften
erhobenen Körperschaftsteuer fehlt, es sich bei der Einkommensteuer natürlicher Personen und der Körperschaftsteuer um unterschiedliche
Steuern handelt, die bei unterschiedlichen Steuerpflichtigen erhoben werden, und zu berücksichtigen ist, dass das verfolgte
Ziel, die Milderung der Doppelbesteuerung, nicht beeinträchtigt würde, wenn auch die Bezieher von Kapitalerträgen aus einem
anderen Mitgliedstaat in den Genuss dieser Steuerregelung kämen, lässt diese sich nicht durch die Notwendigkeit rechtfertigen,
die Kohärenz der fraglichen Steuerregelung zu gewährleisten.
Die Weigerung, den Beziehern von Kapitalerträgen aus einem anderen Mitgliedstaat die genannten Steuervorteile zu gewähren,
lässt sich ferner bei Fehlen eines solchen Zusammenhangs nicht damit rechtfertigen, dass die Einkünfte der in einem anderen
Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften dort einem niedrigen Besteuerungsniveau unterliegen. Eine steuerliche Benachteiligung,
die gegen eine Grundfreiheit verstößt, kann im Übrigen nicht durch allfällige anderweitige Steuervorteile gerechtfertigt werden.
Steuermindereinnahmen sind kein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der zur Rechtfertigung einer grundsätzlich gegen
eine Grundfreiheit verstoßenden Maßnahme angeführt werden könnte.
(vgl. Randnrn. 20-22, 28, 31-32, 34-36, 38, 40, 42-43, 49, Tenor 1-2)
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)
15. Juli 2004(1)
„Kapitalverkehrsfreiheit – Kapitalertragsteuer – Inländische Kapitalerträge: Endbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 % oder Steuersatz in Höhe der Hälfte des auf das gesamte
Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes – Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat: normaler Steuersatz“
In der Rechtssache
C-315/02
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof in dem bei diesem anhängigen
Rechtsstreit
Anneliese Lenz
gegen
Finanzlandesdirektion für Tirol
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG und 58 EG)erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer),
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richter A. Rosas und S. von Bahr, der Richterin R. Silva de Lapuerta und
des Richters K. Lenaerts (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
–
von A. Lenz, Prozessbevollmächtigte: C. Huber und R. Leitner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater,
–
der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
–
der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
–
der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und P. Boussaroque als Bevollmächtigte,
–
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten im Beistand von M. Hoskins, Barrister,
–
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und R. Lyal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von A. Lenz, vertreten durch R. Leitner und G. Toifl, Steuerberater, der österreichischen
Regierung, vertreten durch J. Bauer als Bevollmächtigten, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Hoskins,
und der Kommission, vertreten durch K. Gross und R. Lyal, in der Sitzung vom 29. Januar 2004,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. März 2004,
folgendes
Urteil
1
Mit Beschluss vom 27. August 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 6. September 2002, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß
Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG und 58 EG) zur Vorabentscheidung
vorgelegt.
2
Diese Fragen stellen sich in einer Beschwerdesache der Beschwerdeführerin Lenz vor dem genannten Gericht, in der diese die
Unvereinbarkeit der österreichischen Regelung zur Besteuerung der Kapitalerträge mit dem Gemeinschaftsrecht rügt.
Rechtlicher Rahmen
3
Das österreichische Steuersystem sieht eine Besteuerung der Einkünfte von in Österreich ansässigen Gesellschaften auf zwei
Ebenen vor: Auf der Ebene der Gesellschaft werden die von dieser erzielten Gewinne mit einem pauschalen Steuersatz von 34 %
versteuert; auf der Ebene der Aktionäre werden die Kapitalerträge, d. h. die Dividenden und die sonstigen von der Gesellschaft
ausgeschütteten Gewinne, besteuert.
4
Welche Regelung für die Aktionärsbesteuerung gilt, hängt davon ab, ob es sich um österreichische oder ausländische Einkünfte
handelt.
Die Besteuerung österreichischer Kapitalerträge
5
Nach § 93 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (BGBl. 1988/400, im Folgenden: EStG) liegen „[i]nländische Kapitalerträge
… vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder Zweigstelle im Inland
eines Kreditinstituts ist …“ (so die im BGBl. 1996/201 veröffentlichte Fassung).
6
§ 93 Abs. 1 EStG (in der im BGBl. 1996/201 veröffentlichten Fassung) bestimmt: „Bei inländischen Kapitalerträgen ... wird
die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer)“; nach § 95 Absatz 1 EStG beträgt diese 25 %.
7
§ 97 Abs. 1 EStG (in der im BGBl. 1996/797 veröffentlichten Fassung) sieht vor, dass die Kapitalertragsteuer „durch den Steuerabzug
als abgegolten [gilt]“. Die Kapitalerträge unterliegen somit keiner weiteren Einkommensteuer.
8
Für die Fälle, in denen die Endbesteuerung nicht im Wege der Abzugsbesteuerung (bei den Gesellschaften) erfolgen kann, ist
in § 97 Abs. 2 EStG vorgesehen, dass die Steuer „durch einen der kuponauszahlenden Stelle in Höhe der Kapitalertragsteuer
freiwillig geleisteten Betrag“ erhoben wird (so die im BGBl. 1996/797 veröffentlichte Fassung).
9
Beschließt der Steuerpflichtige, für seine österreichischen Kapitalerträge nicht von der Endbesteuerung in Höhe von 25 % Gebrauch
zu machen, kommt ihm nach § 37 Abs. 1 und 4 EStG (in der im BGBl. 1996/797 veröffentlichten Fassung) das so genannte Halbsatzverfahren
zugute.
10
In diesem Fall werden die Kapitalerträge beim gesamten zu versteuernden Einkommen berücksichtigt, was einen höheren Steuersatz
zur Folge haben kann. Im Gegenzug ermäßigt sich der Steuersatz für diese Kapitalerträge auf die Hälfte des auf das gesamte
Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes.
Die Besteuerung ausländischer Kapitalerträge
11
Ausländische Kapitalerträge, die an einen in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen fließen, unterliegen der normalen Einkommensteuer.
Somit werden sie beim gesamten zu versteuernden Einkommen berücksichtigt und unterliegen regelmäßig der Einkommensteuer, deren
Höchstsatz bei 50 % liegt.
12
Das österreichische Recht wurde durch ein Gesetz geändert, das am 1. April 2002 in Kraft trat. Dieses Gesetz ist jünger als
der Ausgangsrechtsstreit und daher auf diesen nicht anwendbar.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
13
Die Beschwerdeführerin, eine in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige deutsche Staatsangehörige, erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung
für das Jahr 1996 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form von Dividenden, die sie von in Deutschland ansässigen Aktiengesellschaften
bezogen hatte. Die österreichische Steuerverwaltung wandte auf diese Einkünfte den normalen Einkommensteuersatz an. Der Hälftesteuersatz
nach § 37 EStG und die Endbesteuerung nach § 97 in Verbindung mit § 93 EStG (im Folgenden: die fraglichen Steuervorteile)
fänden nämlich nur auf österreichische Kapitalerträge Anwendung.
14
Da die Beschwerdeführerin der Auffassung war, dass die Anwendung des normalen progressiven Steuersatzes auf ihre deutschen
Kapitalerträge gegen die in Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag vorgesehene Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, erhob sie bei der
Finanzlandesdirektion für Tirol Berufung. Diese Berufung wurde mit Bescheid vom 16. April 1999 abgewiesen, gegen den die Beschwerdeführerin
vor dem Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhob.
15
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung
vorzulegen:
1.
Stehen Artikel 73b Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 73d Absatz 1 Buchstaben a und b und Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel
56 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 58 Absatz 1 Buchstaben a und b und Absatz 3 EG) einer Regelung entgegen, wie sie
§ 97 Abs. 1 und 4 EStG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 und 4 EStG vorsieht, nach welcher der Steuerpflichtige bei Dividenden
aus inländischen Aktien wählen kann, ob er sie bei einer pauschalen und endgültigen Besteuerung dem Steuersatz von 25 % unterwirft
oder ob er sie mit einem Steuersatz in Höhe der Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes
versteuert, während Dividenden aus ausländischen Aktien stets mit dem normalen Einkommensteuersatz versteuert werden?
2.
Ist für die Beantwortung der Frage 1 die Höhe der Besteuerung des Einkommens der Kapitalgesellschaft mit Sitz und Ort der
Geschäftsleitung in dem anderen EU-Mitgliedstaat oder dem Drittstaat, an welcher die Beteiligung besteht, von Bedeutung?
3.
Falls Frage 1 bejaht wird: Kann der dem Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 Absatz 1 EG) entsprechende Zustand
dadurch herbeigeführt werden, dass die Körperschaftsteuer, die von Aktiengesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in anderen
EU-Mitgliedstaaten oder in Drittländern in ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat entrichtet wird, anteilig auf die österreichische
Einkommensteuer des Dividendenbeziehers angerechnet wird?
Zu den ersten beiden Vorlagefragen
16
Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 73b Absatz
1 und Artikel 73d Absätze 1 und 3 EG-Vertrag einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Endbesteuerung mit
einem Steuersatz von 25 % oder die Besteuerung mit dem Hälftesteuersatz nicht für ausländische, sondern nur für solche Kapitalerträge
vorsieht, die von einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft ausgeschüttet werden, und ob gegebenenfalls die Vereinbarkeit
einer solchen Regelung mit den zitierten Bestimmungen von der Höhe der in deren Ansässigkeitsstaat auf die Gesellschaftsgewinne
erhobenen Körperschaftsteuer abhängt.
17
Da es im Ausgangsrechtsstreit um die Weigerung der Steuerbehörden eines Mitgliedstaats geht, die fraglichen Steuervorteile
einer Person zukommen zu lassen, die in diesem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtig ist und Dividenden von einer in
einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft bezogen hat, ist auf die Fragen nur insoweit zu antworten, als sie den
freien Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten betreffen.
18
Zunächst ist zu prüfen, ob eine Steuerregelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, wie die Beschwerdeführerin und
die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vortragen, den freien Kapitalverkehr im Sinne von Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag
beschränkt.
19
Nach ständiger Rechtsprechung fallen die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, jedoch müssen diese
ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (Urteile vom 11. August 1995 in der Rechtssache
C-80/94, Wielockx,
Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16, vom 6. Juni 2000 in der Rechtssache
C-35/98, Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 32, und
vom 4. März 2004 in der Rechtssache
C-334/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I-0000, Randnr. 21).
20
Die hier in Rede stehende Steuerregelung hält in Österreich ansässige Steuerpflichtige im Ergebnis davon ab, Kapital in Gesellschaften
anzulegen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Diese Regelung erlaubt in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen
nämlich, für die Besteuerung ihrer österreichischen Kapitalerträge zwischen einer Endbesteuerung mit einem pauschalen Steuersatz
von 25 % und der normalen Einkommensteuer zu einem auf die Hälfte ermäßigten Steuersatz zu wählen, während Kapitalerträge
aus einem anderen Mitgliedstaat der normalen Einkommensteuer unterworfen sind, deren Steuersatz 50 % erreichen kann.
21
Die Regelung wirkt sich außerdem gegenüber den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften beschränkend aus, weil
sie sie darin behindert, in Österreich Kapital zu sammeln. Da Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat nämlich steuerlich
weniger günstig behandelt werden als österreichische, ist der Erwerb von Aktien von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen
Gesellschaften für in Österreich ansässige Anleger weniger attraktiv als derjenige von Aktien von Gesellschaften, die in Österreich
ansässig sind (vgl. in diesem Sinne Urteile Verkooijen, Randnr. 35, und Kommission/Frankreich, Randnr. 24).
22
Nach alledem stellt eine Regelung wie die des Ausgangsverfahrens eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nach
Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag grundsätzlich verboten ist.
23
Jedoch ist zu prüfen, ob diese Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Licht der Bestimmungen des EG-Vertrags gerechtfertigt
werden kann.
24
Nach Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag berührt „Artikel 73b … [weder] das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften
ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem … Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln,“ noch
das Recht der Mitgliedstaaten, „die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts-
und Verwaltungsvorschriften … zu verhindern“.
25
Nach Auffassung der österreichischen, der dänischen, der französischen und der Regierung des Vereinigten Königreichs ergibt
sich aus dieser Bestimmung klar, dass die Mitgliedstaaten die fraglichen Steuervorteile allein den Kapitalerträgen vorbehalten
dürfen, die von Gesellschaften ausgeschüttet werden, die im Inland ansässig sind.
26
Jedoch ist Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag als Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit strikt auszulegen.
Er kann nicht so verstanden werden, dass alle Steuervorschriften, die zwischen den Steuerpflichtigen nach dem Anlageort unterscheiden,
ohne weiteres mit dem EG-Vertrag vereinbar wären. Die Ausnahme des Artikels 73d Absatz 1 wird nämlich ihrerseits durch Artikel
73d Absatz 3 EG-Vertrag eingeschränkt, wonach die in Artikel 73d Absatz 1 genannten Maßnahmen „weder ein Mittel zur willkürlichen
Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 73b darstellen
[dürfen]“.
27
Somit ist zwischen nach Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag erlaubter Ungleichbehandlung und nach Artikel 73d Absatz 3 EG-Vertrag
verbotenen willkürlichen Diskriminierungen zu unterscheiden. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass eine nationale Steuerregelung
wie die hier in Rede stehende, die zwischen Kapitalerträgen, die von in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften
ausgeschüttet werden, und solchen unterscheidet, die aus einem anderen Mitgliedstaat stammen, nur dann mit den Bestimmungen
des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr vereinbar ist, wenn die unterschiedliche Behandlung objektiv nicht vergleichbare
Situationen betrifft oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie die Notwendigkeit, die Kohärenz der Steuerregelung
zu gewährleisten, die Bekämpfung der Steuerhinterziehung und die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen gerechtfertigt ist
(Urteile Verkooijen, Randnr. 43; vom 21. November 2002 in der Rechtssache
C-436/00, X und Y, Slg. 2002, I-10829, Randnrn.
49 und 72, und Kommission/Frankreich, Randnr. 27). Außerdem darf die unterschiedliche Behandlung verschiedener Kategorien
von Kapitalerträgen nicht über das hinausgehen, was zum Erreichen des mit der Regelung verfolgten Zieles erforderlich ist.
28
Die Regierungen, die in der vorliegenden Rechtssache Erklärungen abgegeben haben, machen, erstens, geltend, dass Österreich
die Gewinne, die im Inland ansässige Gesellschaften an ihre Aktionäre ausschütteten, zum Teil bei den Gesellschaften und zum
Teil bei den Aktionären besteuere. Österreich sei aber nicht in der Lage, die Einkünfte von im Ausland anssäsigen Gesellschaften
in gleicher Weise zu besteuern. Die in Rede stehende Steuerregelung sei daher durch eine objektiv unterschiedliche Situation
gerechtfertigt, die nach Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe a EG-Vertrag eine unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertige
(Urteile vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache
C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnrn. 30 bis 34 und 37, sowie
Verkooijen, Randnr. 43).
29
Daher ist zu prüfen, ob eine Regelung, die eine unterschiedliche Behandlung von in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen
Personen nach Maßgabe dessen vorsieht, ob sie Kapitalerträge von in Österreich oder von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen
Gesellschaften beziehen, an objektiv nicht vergleichbare Situationen anknüpft und damit den Tatbestand des Artikels 73d Absatz
1 Buchstabe a EG-Vertrag erfüllt.
30
Nach den Akten soll die österreichische Steuerregelung die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Doppelbesteuerung der Gesellschaftsgewinne
mildern, die sich aus der Erhebung der Körperschaftsteuer auf der Grundlage der erzielten Gewinne bei der Gesellschaft und
der Erhebung der Einkommensteuer auf der Grundlage derselben, als Dividenden ausgeschütteten Gewinne bei den steuerpflichtigen
Aktionären ergeben soll.
31
Sowohl österreichische als auch aus anderen Mitgliedstaaten stammende Kapitalerträge können Gegenstand einer solchen Doppelbesteuerung
sein. In beiden Fällen unterliegen nämlich die Einkünfte zunächst der Körperschaftsteuer und sodann – soweit sie als Dividenden
ausgeschüttet werden – der Einkommensteuer.
32
Hinsichtlich einer Steuervorschrift, die die Auswirkungen einer Doppelbesteuerung von Gewinnen mildern soll, die die Gesellschaft,
in deren Aktien die Kapitalanlage erfolgt ist, ausgeschüttet hat, befinden sich in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige
Aktionäre, die Kapitalerträge von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft beziehen, somit in einer Situation,
die mit der von Aktionären vergleichbar ist, die ebenfalls in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sind, aber Kapitalerträge
von einer in Österreich ansässigen Gesellschaft beziehen.
33
Folglich knüpft die österreichische Steuerregelung, die die Anwendung der Endbesteuerung mit 25 % oder des Hälftesteuersatzes
auf die Kapitalerträge davon abhängig macht, dass diese Erträge österreichischen Ursprungs sind, mit der Unterscheidung zwischen
aus Österreich und aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Kapitalerträgen nicht an unterschiedliche Situationen im Sinne
von Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe a EG-Vertrag an (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Juni 1996 in der Rechtssache
C-107/94,
Asscher, Slg. 1996, I-3089, Randnrn. 41 bis 49, und vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache
C-234/01, Gerritse, Slg. 2003, I-5933,
Randnrn. 47 bis 54).
34
Die Regierungen, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, tragen, zweitens, vor, dass sich die österreichische
Steuerregelung objektiv durch die Notwendigkeit rechtfertigen lasse, die Kohärenz der nationalen Steuerregelung zu sichern
(Urteile vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache
C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-249, und Kommission/Belgien,
C-300/90, I-305).
Sie machen hierzu geltend, dass die fraglichen Steuervorteile darauf abzielten, die Auswirkungen einer Doppelbesteuerung der
Gesellschaftsgewinne zu mildern. Es gebe nämlich einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Besteuerung
der Gesellschaftsgewinne und diesen Steuervorteilen. Da nur in Österreich ansässige Gesellschaften in diesem Mitgliedstaat
der Körperschaftsteuer unterworfen seien, sei es gerechtfertigt, die fraglichen Steuervorteile den Beziehern österreichischer
Kapitalerträge vorzubehalten.
35
In Randnummer 28 des Urteils Bachmann und in Randnummer 21 des Urteils Kommission/Belgien, wo der Gerichtshof angenommen hat,
dass die Notwendigkeit der Wahrung der Kohärenz einer Steuerregelung eine Beschränkung der im EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten
rechtfertigen könne, ging es um einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der für Alters- und Todesfallversicherungen
gezahlten Beiträge und den von den Versicherern im Rahmen dieser Versicherungen geschuldeten Beträgen; dieser Zusammenhang
musste aufrechterhalten werden, um die Kohärenz der fraglichen Steuerregelung zu gewährleisten (vgl. u. a. Urteile vom 28.
Oktober 1999 in der Rechtssache
C-55/98, Vestergaard, Slg. 1999, I-7641, Randnr. 24, sowie X und Y, Randnr. 52).
36
Im Ausgangsverfahren handelt es sich nicht nur bei der Einkommensteuer natürlicher Personen und der Körperschaftsteuer um
unterschiedliche Steuern, die bei unterschiedlichen Steuerpflichtigen erhoben werden (vgl. Urteile vom 13. April 2000 in der
Rechtssache
C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-2787, Randnr. 40, Verkooijen, Randnrn. 57 und 58, und vom 18. September 2003 in
der Rechtssache
C-168/01, Bosal, Slg. 2003, I-0000, Randnr. 30), die österreichische Steuerregelung macht auch die Gewährung
der fraglichen Steuervorteile, in deren Genuss im Inland ansässige Steuerpflichtige bei inländischen Kapitalerträgen kommen,
nicht davon abhängig, dass auf die Gewinne der Gesellschaften Körperschaftsteuer erhoben wird.
37
Außerdem ist das auf die Notwendigkeit der Wahrung der Kohärenz einer Steuerregelung gestützte Vorbringen an dem mit der fraglichen
Steuerregelung verfolgten Ziel zu messen (vgl. Urteil vom 11. März 2004 in der Rechtssache
C-9/02, De Lasteyrie du Saillant,
Slg. 2004, I-0000, Randnr. 67).
38
Das mit der österreichischen Steuerregelung verfolgte Ziel, die Milderung der Doppelbesteuerung, würde nicht beeinträchtigt,
wenn auch die Bezieher von Kapitalerträgen aus einem anderen Mitgliedstaat in den Genuss der österreichischen Steuerregelung
kämen. Dass die Endbesteuerung mit 25 % und der Hälftesteuersatz den Beziehern österreichischer Kapitalerträge vorbehalten
bleiben, hat vielmehr zur Folge, die Kluft zwischen der gesamten steuerlichen Belastung der Gewinne österreichischer und derjenigen
von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften zu vergrößern.
39
Das auf die Notwendigkeit der Wahrung der Kohärenz der österreichischen Steuerregelung gestützte Vorbringen hat somit keinen
Erfolg.
40
Zwar hätte es für den betroffenen Mitgliedstaat Steuermindereinnahmen zur Folge, wenn der fragliche Steuervorteil auch den
Beziehern von Kapitalerträgen aus einem anderen Mitgliedstaat gewährt würde. Jedoch sind nach ständiger Rechtsprechung Steuermindereinnahmen
kein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der zur Rechtfertigung einer grundsätzlich gegen eine Grundfreiheit verstoßenden
Maßnahme angeführt werden könnte (Urteile Verkooijen, Randnr. 59; vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache
C-136/00, Danner,
Slg. 2002, I-8147, Randnr. 56, sowie X und Y, Randnr. 50).
41
Zudem ist entgegen dem Vorbringen der österreichischen und der dänischen Regierung die Höhe der Besteuerung der in einem anderen
Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften nicht relevant, wenn die Vereinbarkeit nationalen Rechts, namentlich der österreichischen
Steuerregelung, mit den Artikeln 73b und 73d Absätze 1 und 3 EG-Vertrag beurteilt werden soll.
42
Zunächst stellt die fragliche Steuerregelung für die österreichischen Kapitalerträge keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen
der Erhebung von Körperschaftsteuer bei den Gesellschaften und den Steuervorteilen auf, in deren Genuss in Österreich ansässige
Steuerpflichtige bei der Einkommensteuer kommen. Daher kann die Höhe der Besteuerung von im Ausland ansässigen Gesellschaften
es nicht rechtfertigen, den Beziehern von Kapitalerträgen, die von diesen Gesellschaften ausgeschüttet werden, die gleichen
Steuervorteile zu verweigern.
43
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die Erstreckung der fraglichen Steuerregelung auf aus einem anderen Mitgliedstaat stammende
Kapitalerträge für in Österreich ansässige Investoren einen Anreiz zum Erwerb von Aktien von Gesellschaften darstellen könnte,
die in anderen Mitgliedstaaten mit geringerem Körperschaftsteuerniveau als Österreich ansässig sind. Jedoch kann dies eine
Regelung wie die hier fragliche nicht rechtfertigen. Dem Vorbringen, Steuerpflichtige, die in ihren Ansässigkeitsstaaten Kapitalerträge
von Gesellschaften bezögen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig seien, könnten daraus einen Steuervorteil ziehen,
steht die ständige Rechtsprechung entgegen, nach der eine steuerliche Benachteiligung, die gegen eine Grundfreiheit verstößt,
nicht durch allfällige anderweitige Steuervorteile gerechtfertigt werden kann (Urteil Verkooijen, Randnr. 61, und die dort
zitierte Rechtsprechung).
44
Die französische Regierung macht ferner geltend, dass die österreichische Steuerregelung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt
sei, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen zu sichern.
45
In der Tat geht u. a. aus Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag hervor, dass die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle
angeführt werden kann, um eine Beschränkung der vom EG-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten zu rechtfertigen (vgl. Urteile
vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache
C-254/97, Baxter u. a., Slg. 1999, I-4809, Randnr. 18, und vom 26. September 2000 in der
Rechtssache
C-478/98, Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-7587, Randnr. 39).
46
Was, erstens, den Steuervorteil betrifft, der sich aus der Besteuerung der österreichischen Kapitalerträge mit ermäßigtem
Steuersatz ergibt, so ist nicht dargetan, dass die Anwendung unterschiedlicher Steuersätze in Abhängigkeit von der Herkunft
der Kapitalerträge geeignet wäre, die steuerlichen Kontrollen wirkungsvoller zu machen.
47
Was, zweitens, die Endbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 % betrifft, so wird diese Steuer zwar von den in Österreich
ansässigen Gesellschaften unmittelbar an der Quelle einbehalten. Wie jedoch der Generalanwalt in den Nummern 33 und 34 seiner
Schlussanträge ausgeführt hat, ist es nicht Voraussetzung einer Endbesteuerung, dass diese im Wege der Abzugssteuer erfolgt.
So sieht § 97 Abs. 2 EStG vor, dass in den Fällen, in denen die Abzugsbesteuerung nicht möglich ist, die Abgeltungssteuer
durch „einen der kuponauszahlenden Stelle in Höhe der Kapitalertragsteuer freiwillig geleisteten Betrag“ entrichtet werden
kann. Für Einkünfte, die von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften stammen, könnte somit ein dem der „freiwilligen
Leistung“ an die Steuerverwaltung ähnliches Verfahren vorgesehen werden.
48
Zwar ist die unmittelbar von den in Österreich ansässigen Gesellschaften vorgenommene Abzugsbesteuerung für die Steuerverwaltung
einfacher als die „freiwillige Leistung“. Jedoch können bloße verwaltungstechnische Nachteile die Behinderung einer Grundfreiheit
des EG-Vertrags wie des freien Kapitalverkehrs nicht rechtfertigen (Urteil Kommission/Frankreich, Randnrn. 29 und 30).
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Nach alledem ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass die Artikel 73b und 73d Absätze 1 und 3 EG-Vertrag einer
Regelung entgegenstehen, die nur den Beziehern österreichischer Kapitalerträge erlaubt, zwischen einer Endbesteuerung mit
einem Steuersatz von 25 % und der normalen Einkommensteuer unter Anwendung eines Hälftesteuersatzes zu wählen, während sie
vorsieht, dass Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat zwingend der normalen Einkommensteuer ohne Ermäßigung des Steuersatzes
unterliegen. Die Weigerung, den Beziehern von Kapitalerträgen aus einem anderen Mitgliedstaat dieselben Steuervorteile wie
den Beziehern österreichischer Kapitalerträge zu gewähren, lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass die Einkünfte der in
einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften dort einem niedrigen Besteuerungsniveau unterliegen.
Zur dritten Vorlagefrage
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Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag einer Steuerregelung entgegensteht,
die es einem in Österreich ansässigen, Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat beziehenden Steuerpflichtigen erlaubt,
die von der Gesellschaft, an der er eine Beteiligung hält, entrichtete Körperschaftsteuer anteilig auf seine Einkommensteuer
anzurechnen.
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Die Beschwerdeführerin und die Kommission äußern Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Frage. Sie sei für das Ergebnis des
Ausgangsrechtsstreits irrelevant, weil sie eine Steuerregelung betreffe, die in Österreich nicht gelte.
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Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof nicht über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte
Frage befinden, wenn die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, um die ersucht wird, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit
der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist (vgl. Urteile
vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache
C-83/91, Meilicke, Slg. 1992, I-4871, Randnr. 25, vom 13. Juli 2000 in der Rechtssache
C-36/99, Idéal tourisme, Slg. 2000, I-6049, Randnr. 20, und vom 5. Februar 2004 in der Rechtssache
C-380/01, Schneider, Slg.
2004, I-0000, Randnr. 22).
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Die im Vorlagebeschluss angesprochenen Vorschriften sehen nicht vor, dass die in einem anderen Mitgliedstaat entrichtete Körperschaftsteuer
in Österreich angerechnet werden könnte. Die österreichische Regierung hat auf Nachfrage des Gerichtshofes bestätigt, dass
das im maßgeblichen Zeitpunkt geltende Steuerrecht selbst bei weiter Auslegung keine Anrechnung wie die vom vorlegenden Gericht
angesprochene erlaubte.
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Unter diesen Umständen ist die dritte Vorlagefrage nicht zu beantworten.
Kosten
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Die Auslagen der österreichischen, der dänischen, der französischen und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der
Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens
ist das Verfahren ein Zwischenverfahren in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Beschwerdeverfahren; die Kostenentscheidung
ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
auf die ihm vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. August 2002 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1.
Die Artikel 73b und 73d Absätze 1 und 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG und 58 Absätze 1 und 3 EG) stehen einer Regelung entgegen,
die nur den Beziehern österreichischer Kapitalerträge erlaubt, zwischen einer Endbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 %
und der normalen Einkommensteuer unter Anwendung eines Hälftesteuersatzes zu wählen, während sie vorsieht, dass Kapitalerträge
aus einem anderen Mitgliedstaat zwingend der normalen Einkommensteuer ohne Ermäßigung des Steuersatzes unterliegen.
2.
Die Weigerung, den Beziehern von Kapitalerträgen aus einem anderen Mitgliedstaat dieselben Steuervorteile wie den Beziehern
österreichischer Kapitalerträge zu gewähren, lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass die Einkünfte der in einem anderen
Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften dort einem niedrigen Besteuerungsniveau unterliegen.
Jann
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Rosas
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von Bahr
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Silva de Lapuerta
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Lenaerts
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Juli 2004.
Der Kanzler
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Der Präsident der Ersten Kammer
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1 –
Verfahrenssprache: Deutsch.