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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

FRANCIS G. JACOBS

vom 9. Dezember 2004(1)

Rechtssache C-39/04

Laboratoires Fournier SA

gegen

Direction des vérifications nationales et internationales






1.     In der vorliegenden Rechtssache stellt sich die Frage, ob Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die eine Körperschaftsteuervergünstigung für Forschung nur dann vorsehen, wenn die Forschungstätigkeiten in diesem Mitgliedstaat ausgeführt werden, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.

 Nationale Regelung

2.     Artikel 244quater B des französischen Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch) lautet:

„Industrie- und Handelsbetrieben sowie landwirtschaftlichen Betrieben, die nach dem tatsächlich realisierten Gewinn besteuert werden, kann eine Steuervergünstigung in Höhe von 50 % des Betrages gewährt werden, um den die in einem Jahr getätigten Forschungsausgaben den Durchschnitt der inflationsbereinigten Ausgaben gleicher Art der letzten zwei Jahre übersteigen …“

3.     Artikel 49septies H des Anhangs III dieses Code lautet:

„Der Anspruch auf die in Artikel 244quater B des Allgemeinen Steuergesetzbuches bestimmten Steuervergünstigungen wird durch Aufwendungen begründet, die durch in Frankreich ausgeführte Forschungstätigkeiten entstanden sind.“

 Sachverhalt und Vorlagefragen

4.      Die SA Laboratoires Fournier (im Folgenden: Fournier), ein in Frankreich niedergelassenes Unternehmen, das Arzneispezialitäten herstellt und vertreibt, vergab an in verschiedenen Ländern der Europäischen Union niedergelassene Forschungszentren zahlreiche Forschungsaufträge und bezog die jeweiligen Kosten in die Berechnung der Steuervergünstigung für Forschung für die Jahre 1995 und 1996 mit ein. Der Steuerprüfungsdienst lehnte diese Ausgaben mit der Begründung ab, dass die Forschungstätigkeiten nicht in Frankreich ausgeführt worden seien. Fournier erhob Einspruch mit der Begründung, die betreffenden Vorschriften verstießen gegen Artikel 49 EG. Der Einspruch wurde zurückgewiesen.

5.     Fournier erhob daher Klage beim Tribunal administratif (Verwaltungsgericht) Dijon, das dem Gerichtshof die Fragen vorgelegt hat, (i) ob die fraglichen Vorschriften dadurch, dass sie die Steuervergünstigung für Forschung den in Frankreich ausgeführten Forschungstätigkeiten vorbehalten, gegen Artikel 49 EG verstoßen und (ii) ob, falls dies zu bejahen ist, die Bedingung, dass die Forschungsprojekte in Frankreich durchgeführt werden, durch den Grundsatz der Kohärenz der Körperschaftsteuer gerechtfertigt ist.

6.     Fournier und die Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben; beide sowie die französische Regierung haben an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

7.     Ich werde zunächst untersuchen, ob die fraglichen Vorschriften, soweit sie die Steuervergünstigung für Forschung in Frankreich ausgeführten Forschungstätigkeiten vorbehalten, in den Anwendungsbereich des Artikels 49 EG fallen. Zweitens werde ich der Frage nachgehen, ob eine solche Beschränkung gerechtfertigt werden kann.

 Der Anwendungsbereich des Artikels 49 EG

8.     Die französische Regierung räumt ein, dass die Vorschriften Steuerpflichtige unterschiedlich behandelten, je nachdem, wo die Dienstleistung erbracht worden sei; diese könne sich für Dienstleistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten nachteilig auswirken. Sie trägt jedoch vor, dass sich die unterschiedliche Behandlung direkt aus dem steuerlichen Territorialitätsprinzip ergebe, das der Gerichtshof im Urteil Futura(2) ausdrücklich anerkannt habe, und daher aus dem Anwendungsbereich des Artikels 49 EG herausfalle.

9.     Im Urteil Futura hat der Gerichtshof entschieden, dass es nicht gegen Artikel 43 EG verstoße, wenn ein Mitgliedstaat den Verlustvortrag durch einen Steuerpflichtigen, der in diesem Staat eine Zweigniederlassung, nicht aber seinen Sitz hat, davon abhängig mache, dass die Verluste in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einkünften stünden, die der Steuerpflichtige in diesem Staat erzielt habe, vorausgesetzt, dass Steuerinländer keine günstigere Behandlung erführen. Insbesondere hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Voraussetzung, wonach die Verluste in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den inländischen Einkünften stehen müssten, ein Ausdruck des Territorialitätsprinzips im Steuerrecht sei und daher weder eine offene noch eine verdeckte Diskriminierung enthalte, wie sie der EG-Vertrag verbiete.

10.   Die französische Regierung ist der Ansicht, die Erwägungen des Gerichtshofes zur Niederlassungsfreiheit im Urteil Futura ließen sich auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen. Der Umstand, dass die streitige Steuervergünstigung nur für Forschungstätigkeiten gewährt werde, die in Frankreich ausgeführt würden, ergebe sich aus dem steuerlichen Territorialitätsprinzip. Das Steuersystem erfordere einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Forschungsausgaben und der wirtschaftlichen Tätigkeit, die der Körperschaftsteuer unterliege. Seine Kohärenz würde beeinträchtigt, wenn im Ausland ausgeführte Forschungstätigkeiten zu einem Anspruch auf eine Steuervergünstigung in Frankreich führten, obwohl sie dort nicht besteuert würden.

11.   Meines Erachtens ist es von Bedeutung, dass der Gerichtshof im Urteil Futura die Vereinbarkeit nationaler Steuervorschriften, die auf im Inland und im Ausland niedergelassene Unternehmen anwendbar sind, mit den Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit beurteilt hat. Ich denke nicht, dass die Anwendung des Territorialitätsprinzips durch den Gerichtshof in jenem Fall so einfach auf einen Fall wie den vorliegenden übertragen werden kann, der die Auswirkungen nationaler Steuervorschriften auf Dienstleistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten betrifft. Diese Vorschriften begünstigen inländische Unternehmen, die innerhalb des Mitgliedstaats erbrachte Dienstleistungen empfangen haben, gegenüber inländischen Unternehmen, die Dienstleistungen aus einem anderen Mitgliedstaat empfangen haben. Sie unterscheiden daher, wenn auch indirekt, nach dem Ort der Niederlassung des Dienstleistungserbringers und sind folglich geeignet, dessen grenzüberschreitende Aktivitäten zu beschränken; daraus folgt, dass sie in offenem Widerspruch zu Artikel 49 EG stehen.

12.   Auf der Grundlage identischer Überlegungen kam Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache Safir(3) zu dem Schluss, dass nationale Vorschriften, die Prämien, die aufgrund von Lebensversicherungsverträgen mit nicht im Inland niedergelassenen Gesellschaften gezahlt wurden, einer Steuer unterwarfen, während Prämien aufgrund von Verträgen mit im Inland niedergelassenen Gesellschaften nicht besteuert wurden, gegen Artikel 49 EG verstießen, ungeachtet des Vorbringens des betroffenen Mitgliedstaats und der beiden Streithelfer, dass die fraglichen Vorschriften das steuerliche Territorialitätsprinzip umsetzten. Der Generalanwalt stellte insbesondere fest, dass „die Auffassung, die in Rede stehende Regelung sei kraft des Grundsatzes der steuerlichen Territorialität nicht vom Verbot des Artikels [49] erfasst, völlig unbegründet“ sei. Obwohl der Gerichtshof sich nicht ausdrücklich mit diesem Argument auseinandersetzte, entschied er, dass Artikel 49 solchen Vorschriften entgegenstehe.

13.   Daher bin ich nicht der Ansicht, dass die Erwägungen des Gerichtshofes im Urteil Futura auf den vorliegenden Fall übertragen werden können.

14.   Es ist auch festzuhalten, dass eine wesentliche Prämisse der Ausführungen des Gerichtshofes im Urteil Futura – und eine ausdrückliche Voraussetzung der These, auf die sich Frankreich im vorliegenden Fall stützt – der Umstand war, dass Steuerinländer keine günstigere Behandlung erfuhren als Steuerausländer. Im vorliegenden Fall hingegen liegt der Kern der fraglichen Vorschriften darin, dass Steuerpflichtige, die sich nationaler Forschungszentren bedienen, eine günstigere Behandlung erfahren als solche, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Forschungszentren in Anspruch nehmen.

15.   Im Licht der vorstehenden Ausführungen bin ich daher nicht der Ansicht, dass diese Rechtsvorschriften aufgrund des steuerlichen Territorialitätsprinzips aus dem Anwendungsbereich des Artikels 49 EG herausfallen.

16.   Fournier und die Kommission tragen außerdem vor, dass die Vorschriften in Übertragung des Urteils Baxter(4) gegen Artikel 49 EG verstießen, da sie ein „steuerliches Hindernis“ errichteten, das die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen behindere, indem es in Frankreich niedergelassene Unternehmen davon abbringe, Forschungszentren in anderen Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen.

17.   Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass die Rechtssache Baxter eine sehr große Nähe zum vorliegenden Fall aufweist. Jener Fall betraf die Vereinbarkeit von französischen Vorschriften, die pharmazeutische Unternehmen mit einer Steuer belegten, aber den Abzug von Ausgaben für ausschließlich in Frankreich durchgeführte Forschungstätigkeiten erlaubten, mit der in Artikel 43 EG verankerten Niederlassungsfreiheit. Die Klägerinnen im damaligen Fall, französische Tochtergesellschaften von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Muttergesellschaften, machten geltend, die Vorschriften unterschieden in diskriminierender Weise zwischen französischen Laboratorien, die ihre Forschung im Wesentlichen in Frankreich durchführten, einerseits und ausländischen Laboratorien, deren wichtigste Forschungsabteilungen sich außerhalb dieses Mitgliedstaats befänden, andererseits.

18.   Der Gerichtshof stellte fest, dass sich der in Rede stehende steuerliche Abzug besonders zum Nachteil der Unternehmen auswirken könne, die ihren Hauptsitz in anderen Mitgliedstaaten hätten und in Frankreich über Zweigniederlassungen tätig würden. Denn in den meisten Fällen entfalteten typischerweise diese Unternehmen ihre Forschungstätigkeit außerhalb dieses Staates. Mit der Begründung, dass die in Artikel 43 EG verankerten Vorschriften über die Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit (oder bei Gesellschaften aufgrund des Sitzes), sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung verböten, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führten, entschied der Gerichtshof, dass die Vorschriften gegen die Niederlassungsfreiheit verstießen(5).

19.   Im vorliegenden Fall ist ebenso klar, dass die streitigen Vorschriften in Frankreich niedergelassene Unternehmen begünstigen, die Forschungstätigkeiten in Frankreich ausführen, und dass sie diese Unternehmen davon abbringen, Forschungszentren in anderen Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen. Eine solche unterschiedliche steuerliche Behandlung wird zwangsläufig eine Beschränkung der Erbringung von Dienstleistungen an solche Unternehmen durch in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Forschungseinrichtungen zur unmittelbaren Folge haben; dies wird außerdem offenbar auch von Frankreich eingeräumt. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt Artikel 49 EG nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistungserbringer aus Gründen ihrer Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen, die geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistungserbringers, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, weniger attraktiv zu machen(6).

20.   Wie oben bereits erläutert, hat der Gerichtshof vergleichbare Vorschriften im Urteil Safir(7) für unvereinbar mit Artikel 49 erklärt. Insbesondere hat der Gerichtshof im Urteil Vestergaard(8) entschieden, dass eine Regelung, die den steuerlichen Abzug von Ausgaben für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen im Ausland schwieriger mache als den von Ausgaben für solche Veranstaltungen in dem betreffenden Mitgliedstaat, eine nach Artikel 49 EG verbotene Ungleichbehandlung je nach dem Ort der Erbringung der Dienstleistung enthalte.

21.   Folglich komme ich zu dem Ergebnis, dass die fraglichen Bestimmungen, soweit sie die Steuervergünstigung für Forschung auf Forschungstätigkeiten beschränken, die in Frankreich ausgeführt werden, in den Anwendungsbereich des Artikels 49 EG fallen und vorbehaltlich der nachstehend zu erörternden Rechtfertigungsmöglichkeiten gegen diesen Artikel verstoßen.

 Rechtfertigungsmöglichkeiten

22.   Nach gefestigter Rechtsprechung darf der freie Dienstleistungsverkehr als fundamentaler Grundsatz des Vertrages nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, die geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und die nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist(9).

23.   Drei Rechtfertigungsmöglichkeiten sind im vorliegenden Fall vorgetragen worden.

24.   Erstens fragt das nationale Gericht, ob die Vorschriften nach den in den Urteilen Bachmann(10) und Kommission/Belgien(11) niedergelegten Grundsätzen durch die Notwendigkeit gerechtfertigt seien, die Kohärenz des Körperschaftsteuersystems in Frankreich zu gewährleisten.

25.   Die Urteile Bachmann und Kommission/Belgien, die einzigen, in denen ein derartiger Rechtfertigungsgrund anerkannt wurde, betrafen die Frage, ob eine nationale Regelung, die die steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Alters- und Lebensversicherung davon abhängig macht, dass diese Beiträge in dem betroffenen Mitgliedstaat gezahlt wurden, mit Artikel 39 EG vereinbar ist, der die Arbeitnehmerfreizügigkeit verankert. Der Gerichtshof hat offensichtlich dem Zusammenhang oder der unmittelbaren Verbindung zwischen der Abzugsfähigkeit der Beiträge und der Besteuerung der vom Versicherer in Erfüllung der Alters- und Lebensversicherungsverträge geschuldeten Beträge große Bedeutung beigemessen, wobei der Einnahmeverlust, der sich aus dem Abzug der Beiträge zur Lebensversicherung vom Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Einkünfte ergebe, durch die Besteuerung der vom Versicherer zu zahlenden Pensionen, Renten und Kapitalabfindungen ausgeglichen werde, und er hat entschieden, dass solche Vorschriften gerechtfertigt seien, um die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, zu dem sie gehörten.

26.    Seit diesen Urteilen gab es zahlreiche Versuche von Mitgliedstaaten, spezielle Steuervorschriften mit dem Erfordernis der Steuerkohärenz zu rechtfertigen. Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass ein auf eine solche Rechtfertigung gestütztes Vorbringen nur dann Erfolg haben könne, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der betreffenden Steuervergünstigung und dem Ausgleich dieser Vergünstigung durch eine bestimmte Abgabe dargetan sei(12). Außer in zwei dieser Fälle hat der Gerichtshof dieses Argument in Ermangelung eines derartigen unmittelbaren Zusammenhangs zurückgewiesen; in den beiden genannten Fällen hat der Gerichtshof entschieden, dass die Regelung jedenfalls rechtswidrig gewesen sei, weil sie nicht als für die Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuersystems erforderlich erschien(13).

27.   Im vorliegenden Fall haben Arzneimittelhersteller, die der französischen Körperschaftsteuer unterliegen, das Recht, Aufwendungen für in Frankreich ausgeführte Forschungstätigkeiten in Abzug zu bringen. Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang im oben beschriebenen Sinne zwischen dem Abzug und der Körperschaftsteuer.

28.   Ich bin daher nicht der Ansicht, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften mit einem Hinweis auf den Grundsatz der Kohärenz der Körperschaftsteuer gerechtfertigt werden können.

29.   Zweitens hat die französische Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Vorschriften dadurch gerechtfertigt seien, dass sie Forschung und Entwicklung förderten.

30.   Der Gerichtshof hat eine Einzelfallrechtsprechung zum Thema der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses entwickelt, die Einschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs durch innerstaatliche Vorschriften rechtfertigen können. Die Tatsache, dass die Förderung von Forschung und Entwicklung bislang nicht als Rechtfertigungsmöglichkeit genannt wurde, ist daher nicht zwangsläufig von Bedeutung(14).

31.   Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung festgestellt hat, kann die Begründung für die Förderung der Forschung nur darin liegen, dass die Förderung zu hervorragenden Leistungen anspornen soll; hervorragende Leistungen aber sind nicht zwangsläufig auf französische Forschungszentren beschränkt. Ich kann daher nicht erkennen, inwiefern die fraglichen Vorschriften geeignet sein könnten, das angeblich verfolgte Ziel zu verwirklichen. Es liegt nahe, aus der Existenz solcher Vorschriften den Schluss auf ein Bestreben zu ziehen, den Bereich der Arzneimittelforschung in Frankreich zu schützen; rein wirtschaftliche Gründe jedoch, wie der Schutz eines bestimmten Wirtschaftszweigs in einem Mitgliedstaat, können eine Beschränkung des elementaren Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs nicht rechtfertigen(15).

32.   Rechtsvorschriften wie die vorliegenden stehen auch in direktem Gegensatz zu den im Dritten Teil, Titel XVIII des EG-Vertrags („Forschung und technologische Entwicklung“) aufgestellten Zielen, die von der französischen Regierung ausdrücklich zur Untermauerung ihrer Argumente bezüglich der Forschungsförderung genannt wurden. Dieser Titel erwähnt u. a. das Bedürfnis der Unternehmen, „die Möglichkeiten des Binnenmarkts voll nutzen zu können, und zwar insbesondere durch … Beseitigung der [der] Zusammenarbeit [zwischen Unternehmen und Forschungszentren] entgegenstehenden … steuerlichen Hindernisse“(16).

33.   Schließlich hat die französische Regierung argumentiert, dass die Rechtsvorschriften durch das Erfordernis einer wirksamen steuerlichen Kontrolle gerechtfertigt seien.

34.   Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle ein zwingender Grund des Allgemeininteresses sei, der eine Beschränkung der vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten rechtfertigen könne(17), und dass ein Mitgliedstaat somit zur Anwendung von Maßnahmen befugt sei, die die klare und eindeutige Feststellung der Höhe der in diesem Staat als Forschungsausgaben abziehbaren Beträge erlaubten(18). Er hat jedoch in einem Fall, der eine große Nähe zu dem vorliegenden aufweist, auch entschieden, dass eine nationale Regelung, die es den Steuerpflichtigen völlig unmöglich mache, den Nachweis zu erbringen, dass die Ausgaben für in anderen Mitgliedstaaten durchgeführte Forschungstätigkeiten tatsächlich getätigt worden seien, nicht mit der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle gerechtfertigt werden könne. Es lasse sich nämlich nicht von vornherein ausschließen, dass der Steuerpflichtige Belege vorlegen könne, anhand deren die Steuerbehörden des Mitgliedstaats eindeutig und genau prüfen könnten, welche Forschungsausgaben in anderen Mitgliedstaaten tatsächlich getätigt worden seien(19).

35.   Die in Frage stehenden Rechtsvorschriften können daher nicht als im Interesse der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle gerechtfertigt angesehen werden.

 Ergebnis

36.   In Beantwortung der vom Tribunal administratif Dijon vorgelegten Fragen komme ich daher zu dem Ergebnis, dass Artikel 49 EG Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach eine Steuervergünstigung für Forschung nur gewährt wird, wenn die Forschungstätigkeiten in diesem Mitgliedstaat ausgeführt werden.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Urteil vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-250/95 (Futura Participations SA und Singer, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 22).


3 – Schlussanträge vom 23. September 1997 in der Rechtssache C-118/96 (Slg. 1998, I-1897, Nrn. 20 bis 25).


4 – Urteil vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-254/97 (Slg. 1999, I-4809).


5 – Randnrn. 10, 13 und 21 des Urteils Baxter, unter Bezugnahme auf das Urteil vom 13. Juli 1993 in der Rechtssache C-330/91 (Commerzbank, Slg. 1993, I-4017, Randnr. 14).


6 – Urteil vom 9. Juli 1997 in der Rechtssache C-222/95 (Parodi, Slg. 1997, I-3899, Randnr. 18).


7 – Oben zitiert in Fußnote 3.


8 – Urteil vom 28. Oktober 1999 in der Rechtssache C-55/98 (Slg. 1999, I-7641).


9 – Vgl. z. B. das Urteil vom 23. November 1999 in den verbundenen Rechtssachen C-369/96 und C-376/96 (Arblade u. a., Slg. 1999, I-8453, Randnrn. 34 und 35, und die dort zitierten Entscheidungen).


10 – Urteil vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90 (Slg. 1992, I-249).


11 – Urteil vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-300/90 (Slg. 1992, I-305).


12 – Vgl. zuletzt das Urteil vom 7. September 2004 in der Rechtssache C-319/02 (Manninen, Randnr. 42, und die dort zitierten Entscheidungen). Für eine aufschlussreiche Erörterung des Grundsatzes der steuerlichen Kohärenz, vgl. Nrn. 51 bis 80 der Schlussanträge von Generalanwältin Kokott.


13 – Urteil vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93 (Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 42, und Urteil Manninen, oben zitiert in Fußnote 12, Randnr. 45).


14 – Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo in den verbundenen Rechtssachen C-369/96 und C-376/96, oben zitiert in Fußnote 9, Nr. 59, mit Beispielen für Rechtfertigungsmöglichkeiten, die vom Gerichtshof in diesem Zusammenhang anerkannt worden sind.


15 – Vgl. Urteil vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C-398/95 (Ypourgos Ergasias, Slg. 1997, I-3091, Randnr. 23) und Urteil vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-158/96 (Kohll, Slg. 1998, I-1931, Randnr. 41).


16 – Artikel 163 Absatz 2 EG.


17 – Vgl. z. B. das Urteil Futura, oben zitiert in Fußnote 2, Randnr. 31.


18 – Urteil Baxter, oben zitiert in Fußnote 4, Randnr. 18.


19 – Urteil Baxter, Randnrn. 19 f.