Rechtssache C-290/04
FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH
gegen
Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel
(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs)
„Artikel 59 EWG-Vertrag (später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) und Artikel 60 EWG-Vertrag (später Artikel 60 EG-Vertrag und jetzt Artikel 50 EG) – Steuerrecht – Einkommensteuer – Dienstleistungen eines Gebietsfremden im Rahmen von künstlerischen Darbietungen – Grundsatz des Steuerabzugs – Dienstleister, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt“
Schlussanträge des Generalanwalts P. Léger vom 16. Mai 2006
Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 3. Oktober 2006
Leitsätze des Urteils
1. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht
(EWG-Vertrag, Artikel 59 [später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG] und Artikel 60 [später Artikel 60 EG-Vertrag und jetzt Artikel 50 EG])
2. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht
(EWG-Vertrag, Artikel 59 [später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG] und Artikel 60 [später Artikel 60 EG-Vertrag und jetzt Artikel 50 EG])
3. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht
(EWG-Vertrag, Artikel 59 [später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG] und Artikel 60 [später Artikel 60 EG-Vertrag und jetzt Artikel 50 EG])
4. Freier Dienstleistungsverkehr – Bestimmungen des Vertrages – Persönlicher Anwendungsbereich
(EWG-Vertrag, Artikel 59 [später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG])
1. Die Artikel 59 EWG-Vertrag (später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) und Artikel 60 EWG-Vertrag (später Artikel 60 EG-Vertrag und jetzt Artikel 50 EG) sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen auf die Vergütung eines Dienstleisters, der im Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht ansässig ist, ein Steuerabzugsverfahren Anwendung findet, während die Vergütung eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters diesem Verfahren nicht unterliegt, und die vorsehen, dass der Dienstleistungsempfänger in Haftung genommen wird, wenn er den Steuerabzug, zu dem er verpflichtet war, unterlassen hat.
Zwar können solche Rechtsvorschriften Dienstleistungsempfänger davon abhalten, in anderen Mitgliedstaaten ansässige Dienstleister in Anspruch zu nehmen, und somit eine nach den Artikeln 59 und 60 EWG-Vertrag grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen.
Sie sind jedoch durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Effizienz der Beitreibung der Einkommensteuer zu gewährleisten. Das Steuerabzugsverfahren und die seiner Durchsetzung dienende Haftungsregelung stellen nämlich, wenn es keine Gemeinschaftsrichtlinie oder andere Regelung über die gegenseitige Amtshilfe zur Beitreibung steuerlicher Forderung gibt, ein legitimes und geeignetes Mittel dar, um die steuerliche Erfassung der Einkünfte einer außerhalb des Besteuerungsstaats ansässigen Person sicherzustellen und um zu verhindern, dass die betreffenden Einkünfte sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Staat der Leistungserbringung unversteuert bleiben. Im Übrigen stellen der Steuerabzug und die unmittelbar aus dieser Art der Einkommensteuererhebung folgende eventuelle Haftung des zu einem solchen Abzug verpflichteten Dienstleistungsempfängers, die es erlaubt, das Unterlassen eines solchen Abzugs gegebenenfalls zu sanktionieren, verhältnismäßige Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des Besteuerungsstaats dar.
(vgl. Randnrn. 33-39, Tenor 1)
2. Die Artikel 59 EWG-Vertrag (später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) und Artikel 60 EWG-Vertrag (später Artikel 60 EG-Vertrag und jetzt Artikel 50 EG) sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Dienstleister ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte, d. h. die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleibenden Einkünfte, der Steuer unterliegen.
Insoweit ist es ohne Bedeutung, dass es ein Verfahren gibt, in dem Betriebsausgaben eines gebietsfremden Dienstleisters nachträglich berücksichtigt werden können. Da ein solches Verfahren nämlich zusätzliche administrative und wirtschaftliche Belastungen verursacht und für den Dienstleister zwingend vorgeschrieben ist, stellen die streitigen Steuervorschriften eine nach den Artikeln 59 und 60 EWG-Vertrag grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.
Dagegen stehen die genannten Artikel einer nationalen Regelung nicht entgegen, die vorsieht, dass im Steuerabzugsverfahren nur diejenigen Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit solchen Tätigkeiten stehen, aus denen die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, die in dem Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung ausgeführt worden sind und die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Dienstleister dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, und dass Betriebsausgaben, die nicht unmittelbar mit dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren berücksichtigt werden können.
(vgl. Randnr. 46-47, 49, 52, Tenor 2)
3. Die Artikel 59 EWG-Vertrag (später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) und Artikel 60 EWG-Vertrag (später Artikel 60 EG-Vertrag und jetzt Artikel 50 EG) verbieten es nicht, dass die Steuerbefreiung, die einem gebietsfremden Dienstleister, der in Deutschland tätig geworden ist, nach dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande geschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zusteht, vom Vergütungsschuldner im Rahmen eines Steuerabzugsverfahrens oder in einem späteren Freistellungs- oder Erstattungsverfahren oder in einem gegen den Vergütungsschuldner eingeleiteten Haftungsverfahren nur dann Berücksichtigung finden kann, wenn von der zuständigen Steuerbehörde eine Freistellungsbescheinigung erteilt worden ist, der zufolge die Voraussetzungen hierfür nach diesem Besteuerungsabkommen erfüllt sind.
Zwar stellt eine solche Maßnahme eine Beschränkung des durch die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs dar. Diese ist jedoch im Hinblick auf die Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Steuerabzugsverfahrens gerechtfertigt. Wichtig ist nämlich, dass der Vergütungsschuldner nur dann von der Einbehaltung der Steuer entbunden wird, wenn er die Sicherheit hat, dass der Dienstleister die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung erfüllt. Dem Vergütungsschuldner kann aber nicht zugemutet werden, selbst die Frage zu klären, ob in jedem Einzelfall die betreffenden Einkünfte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei sind oder nicht. Würde dem Vergütungsschuldner gestattet, sich einseitig vom Steuerabzug zu befreien, könnte dies schließlich, wenn er sich irrt, die Erhebung der Steuer beim Vergütungsgläubiger gefährden.
(vgl. Randnrn. 58-61, Tenor 2)
4. Artikel 59 EWG-Vertrag (später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) ist dahin auszulegen, dass er nicht zugunsten eines Dienstleisters anwendbar ist, der die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt.
Nach dem EWG-Vertrag finden – da der Rat von der Möglichkeit des Artikels 59 Absatz 2 EWG-Vertrag keinen Gebrauch gemacht hat – die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr Anwendung, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss die Dienstleistung innerhalb der Gemeinschaft erbracht werden, und zum anderen muss der Dienstleister die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und in einem Land der Gemeinschaft ansässig sein. Daraus folgt, dass der EWG-Vertrag die Anwendung dieser Vorschriften nicht auf Dienstleister erstreckt, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, selbst wenn sie innerhalb der Gemeinschaft ansässig sind und es sich um eine innergemeinschaftliche Dienstleistung handelt.
(vgl. Randnrn. 67-69, Tenor 3)
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)
3. Oktober 2006(*)
„Artikel 59 EWG-Vertrag (später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) und Artikel 60 EWG-Vertrag (später Artikel 60 EG-Vertrag und jetzt Artikel 50 EG) – Steuerrecht – Einkommensteuer – Dienstleistungen eines Gebietsfremden im Rahmen von künstlerischen Darbietungen – Grundsatz des Steuerabzugs – Dienstleister, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt“
In der Rechtssache C-290/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2004, in dem Verfahren
FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH
gegen
Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und J. Makarczyk sowie der Richter J.-P. Puissochet, R. Schintgen, P. Kūris, U. Lõhmus, E. Levits (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte A. Cordewener und H. Grams sowie durch D. Molenaar, belastingadviseur,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, U. Forsthoff und A. Tiemann als Bevollmächtigte,
– der belgischen Regierung, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigten,
– der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
– der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. de Bellis, avvocato dello Stato,
– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von G. Barling, QC, und J. Stratford, Barrister,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und B. Eggers als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Mai 2006
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 59 EWG-Vertrag (dann Artikel 59 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) und Artikel 60 EWG-Vertrag (dann Artikel 60 EG-Vertrag, jetzt Artikel 50 EG).
2 Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH (im Folgenden: Scorpio) und dem Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel wegen der Einkommensteuer, die 1993 von dem Unternehmen in Deutschland erhoben wurde.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 58 EWG-Vertrag (später Artikel 58 EG-Vertrag, jetzt Artikel 48 EG) bestimmt:
„Für die Anwendung dieses Kapitels stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind.
…“
4 Artikel 59 dieses Vertrages lautet:
„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, werden während der Übergangszeit nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen schrittweise aufgehoben.
Der Rat kann [mit qualifizierter Mehrheit] auf Vorschlag der Kommission beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Gemeinschaft ansässig sind.“
5 Artikel 60 dieses Vertrages sieht vor:
„Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrags sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.
Als Dienstleistungen gelten insbesondere:
a) gewerbliche Tätigkeiten,
b) kaufmännische Tätigkeiten,
c) handwerkliche Tätigkeiten,
d) freiberufliche Tätigkeiten.
Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt.“
6 Artikel 66 EWG-Vertrag (später Artikel 66 EG-Vertrag, jetzt Artikel 55 EG) lautet:
„Die Bestimmungen der Artikel 55 bis 58 finden auf das in diesem Kapitel geregelte Sachgebiet Anwendung.“
A – Nationales Recht
7 Nach § 1 Absatz 4 des deutschen Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Steueränderungsgesetzes vom 25. Februar 1992 (BGBl. I S. 297), das in dem für das Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraum galt, sind natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben – von im Ausgangsfall nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen –, beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG haben. Zu diesen Einkünften gehören nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe d EStG Einkünfte, die durch künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen im Inland erzielt werden, unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen.
8 Nach § 50a Absatz 4 Nummer 1 EStG wird bei beschränkt Steuerpflichtigen, die auf diese Art von Einkünften anwendbare Steuer im Wege des Steuerabzugs erhoben. Der Steuerabzug beträgt 15 % des vollen Betrages der Einnahmen. Abzüge für Betriebsausgaben sind gemäß § 50a Absatz 4 Sätze 3, 5 und 6 EStG nicht zulässig. Zu den Einnahmen gehört auch die Mehrwertsteuer für die von den beschränkt einkommensteuerpflichtigen Unternehmen im Inland erbrachten Leistungen.
9 Die Einkommensteuer ist in dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem die Vergütung dem Gläubiger zufließt. In diesem Zeitpunkt hat der Schuldner der Vergütung gemäß § 50a Absatz 5 Sätze 1 und 2 EStG den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers, der die Steuer schuldet (Steuerschuldner), vorzunehmen.
10 Der Schuldner der Vergütung hat die innerhalb eines Kalendervierteljahres einbehaltene Steuer jeweils bis zum 10. des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen. Nach § 50a Absatz 5 Sätze 3 und 5 EStG haftet der Schuldner der Vergütung für die Einbehaltung und Abführung der Steuer. Von im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen gilt die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger durch den Steuerabzug aufgrund seiner befreienden Wirkung nach § 50 Absatz 5 EStG als abgegolten.
11 Außerdem enthält § 50d EStG Sondervorschriften für den Fall, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung findet.
12 So sind nach § 50d Absatz 1 Satz 1 EStG, wenn Einkünfte, die dem Steuerabzug aufgrund des § 50a EStG unterliegen, nach einem solchen Doppelbesteuerungsabkommen nicht besteuert werden können, die Vorschriften über die Einbehaltung der Steuer durch den Schuldner der Vergütungen ungeachtet dieses Abkommens anzuwenden. Nur wenn das Bundesamt für Finanzen auf Antrag bescheinigt hat, dass die Voraussetzungen des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erfüllt sind, kann der Schuldner aufgrund dieses Freistellungsverfahrens nach § 50d Absatz 3 Satz 1 EStG den Steuerabzug unterlassen. Fehlt eine Freistellungsbescheinigung des Bundesamts für Finanzen, ist der Schuldner der Vergütung zum Steuerabzug verpflichtet.
13 Durch die Regelung des § 50d Absatz 1 Satz 1 EStG verliert der Vergütungsgläubiger jedoch nicht seine Rechte auf Steuerfreistellung nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Ihm ist vielmehr nach § 50d Absatz 1 Satz 2 EStG auf Antrag die einbehaltene und abgeführte Steuer in dem sich aus diesem Abkommen ergebenden Umfang zu erstatten.
14 Aufgrund von § 50d Absatz 1 letzter Satz EStG kann sich der Schuldner der Vergütung, wenn gegen ihn wegen des unterlassenen Steuerabzugs ein Haftungsverfahren eingeleitet wird, im Rahmen dieses Verfahrens nicht auf die Rechte des Gläubigers der Vergütung aus einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung berufen.
15 Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts waren die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einkünfte aus künstlerischen Darbietungen nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiet vom 16. Juni 1959 (BGBl. 1960 II S. 1782, im Folgenden: deutsch-niederländisches Besteuerungsabkommen) nicht in Deutschland, sondern nur in den Niederlanden zu versteuern.
16 Schließlich ist zum Vergleich die Situation eines Dienstleisters darzustellen, der in Deutschland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und daher in diesem Mitgliedstaat unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.
17 Dieser Dienstleister unterliegt der allgemeinen Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer. Da der Schuldner der an diesen Dienstleister gezahlten Vergütung nicht zum Steuerabzug verpflichtet ist, kann er nicht wegen unterlassenen Abzugs in Haftung genommen werden. Der Vergütungsschuldner haftet auch nicht für die Einkommensteuer, die der Vergütungsgläubiger schuldet.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
18 Scorpio, die ihren Sitz in Deutschland hat, ist ein Konzertveranstalter. Sie schloss 1993 einen Vertrag mit einer als Europop firmierenden natürlichen Person, die ihr eine Musikergruppe zur Verfügung stellte. Europop war zu diesem Zeitpunkt in den Niederlanden ansässig und hatte in Deutschland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt und unterhielt dort auch keine Betriebsstätte. Dem vorlegenden Gericht ist seinen Angaben zufolge die Staatsangehörigkeit von Europop nicht bekannt.
19 Im ersten und im dritten Quartal 1993 zahlte Scorpio an Europop für die von Letzterer erbrachten Leistungen insgesamt 438 600 DM. Sie behielt von diesem Betrag keine Steuer gemäß § 50a Absatz 4 Nummer 1 EStG ein, obwohl Europop ihr keine Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d Absatz 3 EStG vorgelegt hatte.
20 Nachdem die zuständige Finanzbehörde von diesem Sachverhalt erfahren hatte, nahm sie Scorpio in Haftung und forderte mit Haftungsbescheid vom 21. März 1997 Zahlung von 70 395,30 DM, was der Steuer, die Scorpio von der an Europop gezahlten Vergütung hätte einbehalten müssen, d. h. 15 % der Bruttovergütung, entspricht.
21 Der hiergegen von Scorpio beim Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel eingelegte Einspruch wurde zurückgewiesen. Das Finanzgericht Hamburg, an das die Klägerin des Ausgangsverfahrens sich als Nächstes wandte, gab ihrer Klage ebenfalls nicht statt, da Scorpio nicht die nach § 50d Absatz 3 EStG erforderliche Freistellungsbescheinigung vorgelegt hatte.
22 Scorpio legte hiergegen Revision beim Bundesfinanzhof ein und beantragte die Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts und des angefochtenen Haftungsbescheids.
23 Zur Begründung ihrer Revision trug Scorpio zum einen vor, dass § 50a Absatz 4 Satz 6 EStG gegen die Artikel 59 und 60 EG-Vertrag verstoße, da er den Abzug von Betriebsausgaben von dem Betrag, der dem Steuerabzug unterliege, ausschließe. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache C-234/01 (Gerritse, Slg. 2003, I-5933).
24 Zum anderen machte Scorpio geltend, es sei ihr nach § 50d Absatz 1 Satz 4 EStG als Beteiligte, die nach § 50a Absatz 5 Satz 5 EStG in Haftung genommen werden könne, verwehrt, sich auf die dem Gläubiger der Vergütung – im Streitfall Europop – nach dem deutsch-niederländischen Besteuerungsabkommen zustehende Steuerbefreiung zu berufen, und verstoße auch dadurch gegen den EG-Vertrag.
25 Der Bundesfinanzhof fragt nach der Auslegung der Artikel 59 und 60 EG-Vertrag im Hinblick auf den Grundsatz des Steuerabzugs und die Tragweite der diesen flankierenden Haftungsklage des Finanzamts. Der Ausgang des Rechtsstreits hängt nach Ansicht des vorlegenden Gerichts u. a. davon ab, ob die genannten Artikel in der gleichen Weise auszulegen seien, wenn Europop zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats gehabt habe.
26 Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind die Artikel 59 und 60 EG-Vertrag dahin gehend auszulegen, dass gegen sie verstoßen wird, wenn ein in Deutschland (Inland) ansässiger Vergütungsschuldner eines im EU-Ausland (konkret: den Niederlanden) ansässigen Vergütungsgläubigers, der die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats besitzt, gemäß § 50a Absatz 5 Satz 5 [EStG] in Haftung genommen werden kann, weil er den Steuerabzug nach § 50a Absatz 4 EStG unterlassen hat, während Vergütungen an einen im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Vergütungsgläubiger (Inländer) keinem Steuerabzug gemäß § 50a Absatz 4 EStG unterliegen und daher auch keine Haftung des Vergütungsschuldners wegen eines unterlassenen oder zu geringen Steuerabzugs in Betracht kommt?
2. Ist die Frage zu 1 anders zu beantworten, wenn der im EU-Ausland ansässige Vergütungsgläubiger bei Erbringung seiner Dienstleistung nicht Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats ist?
3. Falls die Frage zu 1 verneint wird:
a) Sind die Artikel 59 und 60 EG-Vertrag dahin gehend auszulegen, dass Betriebsausgaben, die einem im EU-Ausland ansässigen Vergütungsgläubiger im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner zu den Vergütungen führenden Tätigkeiten im Inland entstanden sind, vom Vergütungsschuldner bereits im Steuerabzugverfahren gemäß § 50a Absatz 4 EStG steuermindernd berücksichtigt werden müssen, weil auch bei Inländern nur die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleibenden Nettoeinkünfte der Einkommensteuer unterliegen?
b) Reicht es zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Artikel 59 und 60 EG-Vertrag aus, wenn im Steuerabzugverfahren gemäß § 50a Absatz 4 EStG nur die mit der zum Vergütungsanspruch führenden Tätigkeit im Inland wirtschaftlich zusammenhängenden Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die der im EU-Ausland ansässige Vergütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner nachgewiesen hat, und etwaige weitere Betriebsausgaben in einem anschließenden Erstattungsverfahren berücksichtigt werden können?
c) Sind die Artikel 59 und 60 EG-Vertrag dahin gehend auszulegen, dass gegen sie verstoßen wird, wenn die einem in den Niederlanden ansässigen Vergütungsgläubiger nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande in Deutschland zustehende Steuerbefreiung im Steuerabzugverfahren gemäß § 50a Absatz 4 in Verbindung mit § 50d Absatz 1 EStG zunächst unberücksichtigt bleibt und erst in einem nachfolgenden Freistellungs- oder Erstattungsverfahren berücksichtigt wird und auch der Vergütungsschuldner sich im Haftungsverfahren nicht auf die Steuerbefreiung berufen darf, während steuerfreie Einkünfte von Inländern keinem Steuerabzug unterliegen und daher auch keine Haftung wegen eines unterlassenen oder zu geringen Steuerabzugs in Betracht kommt?
d) Sind die Fragen zu 3 a bis c anders zu beantworten, wenn der im EU-Ausland ansässige Vergütungsgläubiger im Zeitpunkt der Erbringung seiner Dienstleistung nicht Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats ist?
Die Vorlagefragen
27 Vorab ist festzustellen, dass sich die dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Vorgänge vor dem 1. November 1993 ereignet haben, d. h. vor dem Inkrafttreten des am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrages über die Europäische Union. Die Auslegung, um die das vorlegende Gericht ersucht, betrifft daher die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag.
Zur ersten Frage
28 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen auf die Vergütung von Dienstleistern, die in dem Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht ansässig sind, ein Steuerabzugsverfahren Anwendung findet, während die Vergütung von Dienstleistern, die in diesem Mitgliedstaat ansässig sind, einem solchen Verfahren nicht unterliegt. Das Gericht ersucht den Gerichtshof ferner, sich zu der aus dieser Regelung ergebenden Folge zu äußern, d. h. zu der Haftung des Dienstleistungsempfängers, der den Steuerabzug unterlassen hat, zu dem er verpflichtet gewesen wäre.
29 Mit den im Ausgangsverfahren streitigen Rechtsvorschriften ist eine Steuerregelung eingeführt worden, die je nachdem, ob der Dienstleister in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, unterschiedlich ist.
30 Dazu ist zunächst festzustellen, dass der Bereich der direkten Steuern als solcher zwar nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, die Mitgliedstaaten jedoch die ihnen verbliebenen Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen (vgl. u. a. Urteil vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21).
31 Artikel 59 EWG-Vertrag verlangt sodann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Aufhebung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, die darauf beruhen, dass der Dienstleister in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niedergelassen ist, in dem die Leistung erbracht wird (Urteile vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755, Randnr. 25, und vom 26. Februar 1991 in der Rechtssache C-180/89, Kommission/Italien, Slg. 1991, I-709, Randnr. 15).
32 Schließlich verleiht Artikel 59 EWG-Vertrag nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dem Erbringer von Dienstleistungen selbst, sondern auch dem Empfänger dieser Dienstleistungen Rechte (vgl. u. a. Urteile vom 31. Januar 1984 in den Rechtssachen 286/82 und 26/83, Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377, vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-249, vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-158/96, Kohll, Slg. 1998, I-1931, vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-224/97, Ciola, Slg. 1999, I-2517, und vom 26. Oktober 1999 in der Rechtssache C-294/97, Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I-7447).
33 Im vorliegenden Fall können, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, die Verpflichtung des Dienstleistungsempfängers, von der Vergütung eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters die Steuer einzubehalten, sowie die eventuelle Haftung des Dienstleistungsempfängers Unternehmen wie Scorpio davon abhalten, in anderen Mitgliedstaaten ansässige Dienstleister in Anspruch zu nehmen.
34 Somit stellen Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren streitigen eine nach den Artikeln 59 und 60 EWG-Vertrag grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.
35 Wie die Regierungen, die Erklärungen eingereicht haben, die Kommission und der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zu Recht festgestellt haben, sind solche Rechtsvorschriften jedoch durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Effizienz der Beitreibung der Einkommensteuer zu gewährleisten.
36 Das Steuerabzugsverfahren und die seiner Durchsetzung dienende Haftungsregelung stellen nämlich ein legitimes und geeignetes Mittel dar, um die steuerliche Erfassung der Einkünfte einer außerhalb des Besteuerungsstaats ansässigen Person sicherzustellen und um zu verhindern, dass die betreffenden Einkünfte sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Staat der Leistungserbringung unversteuert bleiben. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass im entscheidungserheblichen Zeitraum, d. h. 1993, eine Gemeinschaftsrichtlinie oder andere in den Akten genannte Regelungen zwischen dem Königreich der Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Amtshilfe zur Beitreibung steuerlicher Forderungen fehlten.
37 Im Übrigen stellt der Steuerabzug ein verhältnismäßiges Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des Besteuerungsstaats dar.
38 Gleiches gilt für die eventuelle Haftung des zu einem solchen Abzug verpflichteten Dienstleistungsempfängers, die es erlaubt, das Unterlassen eines solchen Abzugs gegebenenfalls zu sanktionieren. Da diese Haftung unmittelbar aus dieser Art der Einkommensteuererhebung folgt, trägt sie ebenfalls in angemessener Weise dazu bei, die Effizienz dieser Erhebung zu gewährleisten.
39 Aufgrund dieser Erwägungen sind die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen,
– nach denen auf die Vergütung eines Dienstleisters, der im Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht ansässig ist, ein Steuerabzugsverfahren Anwendung findet, während die Vergütung eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters diesem Verfahren nicht unterliegt;
– nach denen der Dienstleistungsempfänger in Haftung genommen wird, wenn er den Steuerabzug, zu dem er verpflichtet war, unterlassen hat.
Zur zweiten Frage
40 Da diese Frage von derselben Voraussetzung ausgeht wie die Frage 3 d, dass nämlich der Vergütungsgläubiger Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, ist sie zusammen mit dieser letzten Frage zu untersuchen.
Zur Frage 3 a
41 Der Bundesfinanzhof legt dem Gerichtshof die Frage vor, ob die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Tätigkeiten des Dienstleisters im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte, d. h. die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleibenden Einkünfte, der Steuer unterliegen.
42 Der Gerichtshof wurde bereits zur Entscheidung der Frage angerufen, ob die Artikel 59 und 60 EG-Vertrag nationalen Steuervorschriften entgegenstehen, nach denen in der Regel bei Gebietsfremden die Bruttoeinkünfte, ohne Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden, während bei Gebietsansässigen die Nettoeinkünfte, nach Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden (Urteil Gerritse, Randnr. 55).
43 Im Urteil Gerritse hat der Gerichtshof zunächst festgestellt, dass die seinerzeit in Rede stehenden Betriebsausgaben unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhingen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt wurden, so dass Gebietsansässige und Gebietsfremde sich insoweit in einer vergleichbaren Lage befanden. Er hat dann die ihm zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage bejaht und entschieden, dass nationale Rechtsvorschriften, die Gebietsfremden bei der Besteuerung den Abzug von Betriebsausgaben verweigern, der Gebietsansässigen hingegen gewährt wird, zu einer grundsätzlich gegen die Artikel 59 und 60 EG-Vertrag verstoßenden mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit führen. Er hat jedoch nicht zu der Frage Stellung genommen, in welchem Abschnitt des Besteuerungsverfahrens die einem Dienstleister entstandenen Betriebsausgaben abgezogen werden sollen, wenn verschiedene Verfahrensabschnitte in Betracht kommen können.
44 Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort geben zu können, ist der Begriff der im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben so zu verstehen, dass damit Betriebsausgaben gemeint sind, die im Sinne der durch das Urteil Gerritse begründeten Rechtsprechung unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind.
45 Der Bundesfinanzhof möchte somit wissen, ob die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag nationalen Steuervorschriften entgegenstehen, nach denen im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben vom Vergütungsschuldner nicht von den steuerpflichtigen Einkünften abgezogen werden können, dem Gebietsfremden aber die Möglichkeit eröffnet wird, in einem sich an das Steuerabzugsverfahren auf Antrag anschließenden Verfahren nach seinen inländischen Nettoeinkünften besteuert zu werden und den etwaigen Differenzbetrag zum Steuerabzugsbetrag erstattet zu bekommen.
46 Ausgehend von der vom Bundesfinanzhof zugrunde gelegten Feststellung, dass im entscheidungserheblichen Zeitraum die Betriebsausgaben eines gebietsfremden Dienstleisters in einem Erstattungsverfahren nachträglich berücksichtigt werden konnten, ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung nationale Regelungen des Aufnahmemitgliedstaats für Dienstleistende Dienstleistungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Personen oder Unternehmen unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen können, sofern sie zusätzliche administrative und wirtschaftliche Kosten und Belastungen verursachen (vgl. Urteile vom 15. März 2001 in der Rechtssache C-165/98, Mazzoleni und ISA, Slg. 2001, I-2189, Randnr. 24, und vom 25. Oktober 2001 in den verbundenen Rechtssachen C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-68/98 bis C-71/98, Finalarte u. a., Slg. 2001, I-7831, Randnr. 30).
47 Im Ausgangsrechtsstreit kann die Notwendigkeit, ein Verfahren zur nachträglichen Erstattung der Betriebsausgaben anzustrengen, auch wenn der gebietsfremde Dienstleister dem Vergütungsschuldner die Höhe dieser unmittelbar mit seinen Tätigkeiten zusammenhängenden Ausgaben mitgeteilt hat, die Erbringung von Dienstleistungen behindern. Da ein solches Verfahren zusätzliche administrative und wirtschaftliche Belastungen verursacht und für den Dienstleister zwingend vorgeschrieben ist, stellen die streitigen Steuervorschriften eine nach den Artikeln 59 und 60 EWG-Vertrag grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.
48 Es ist nichts vorgetragen worden, was die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften rechtfertigen könnte, soweit diese die Möglichkeit ausschließen, dass der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Tätigkeiten des Dienstleisters im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stehen, steuermindernd geltend macht, falls der Dienstleister ihm diese Ausgaben mitgeteilt hat.
49 Somit ist auf die Frage 3 a zu antworten, dass die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Dienstleister ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte, d. h. die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleibenden Einkünfte, der Steuer unterliegen.
Zur Frage 3 b
50 Mit dieser Frage, die mit der vorhergehenden zusammenhängt, möchte der Bundesfinanzhof im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der im Steuerabzugsverfahren nur die Betriebsausgaben, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stehen und die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Dienstleister dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, steuermindernd berücksichtigt werden, und etwaige weitere Betriebsausgaben in einem anschließenden Erstattungsverfahren berücksichtigt werden können.
51 Diese Frage ist im Lichte der Erwägungen im Rahmen der vorhergehenden Frage und unter Berücksichtigung der Tatsache zu beantworten, dass der Gerichtshof über keine Angaben verfügt, die einen Vergleich der Lage der gebietsansässigen und der gebietsfremden Dienstleister zulassen. Wenn die Betriebsausgaben, die der Dienstleister seinem Schuldner mitgeteilt hat, im Steuerabzugsverfahren steuermindernd berücksichtigt werden müssen, stehen die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag einer etwaigen Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben, die nicht unmittelbar im Sinne des Urteils Gerritse mit der wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, in einem anschließenden Erstattungsverfahren nicht entgegen.
52 Somit ist auf die Frage 3 b zu antworten, dass die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass im Steuerabzugsverfahren nur diejenigen Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit solchen Tätigkeiten stehen, aus denen die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, die in dem Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung ausgeführt worden sind und die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Dienstleister dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, und dass Betriebsausgaben, die nicht unmittelbar mit dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren berücksichtigt werden können.
Zur Frage 3 c
53 Mit dieser Frage möchte der Bundesfinanzhof wissen, ob die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, dass sie verbieten, dass die Steuerbefreiung, die einem gebietsfremden Dienstleister, der in Deutschland tätig geworden ist, nach dem deutsch-niederländischen Besteuerungsabkommen zusteht, entweder vom Vergütungsschuldner im Rahmen eines Steuerabzugsverfahrens oder in einem späteren Freistellungs- oder Erstattungsverfahren oder aber unter den in Randnummer 21 dieses Urteils angeführten Umständen dieses Falles in einem gegen den Vergütungsschuldner eingeleiteten Haftungsverfahren nur dann berücksichtigt werden kann, wenn von der zuständigen Steuerbehörde eine Freistellungsbescheinigung erteilt worden ist, der zufolge die Voraussetzungen hierfür nach diesem Abkommen erfüllt sind.
54 Vorab ist daran zu erinnern, dass in Ermangelung gemeinschaftlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen die Mitgliedstaaten dafür zuständig bleiben, die Kriterien für die Besteuerung des Einkommens und des Vermögens festzulegen, um die Doppelbesteuerung gegebenenfalls im Vertragswege zu beseitigen (vgl. Urteil vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-307/97, Saint-Gobain ZN, Slg. 1999, I-6161, Randnr. 57).
55 Bei der Ausübung der in dieser Weise aufgeteilten Steuerhoheit sind die Mitgliedstaaten jedoch verpflichtet, den Gemeinschaftsvorschriften nachzukommen (in diesem Sinne Urteile Saint-Gobain ZN, Randnr. 58, vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-385/00, De Groot, Slg. 2002, I-11819, Randnr. 94, und vom 19. Januar 2006 in der Rechtssache C-265/04, Bouanich, Slg. 2006, I-923, Randnr. 50).
56 Wenn feststeht, dass die im Ausgangsverfahren streitigen Einkünfte aus künstlerischen Darbietungen, wie in Randnummer 15 dieses Urteils erwähnt, aufgrund des deutsch-niederländischen Doppelbesteuerungsabkommens nicht in Deutschland, sondern nur in den Niederlanden zu versteuern waren, so stellt, wie der Generalanwalt in Nummer 88 seiner Schlussanträge vorgetragen hat, die Verpflichtung eines in den Niederlanden ansässigen Dienstleisters, bei der zuständigen deutschen Steuerbehörde eine Freistellungsbescheinigung zu beantragen, um eine Besteuerung seiner Einkünfte in Deutschland zu vermeiden, gemäß den Ausführungen in Randnummer 49 dieses Urteils aufgrund der von diesem Dienstleister verlangten administrativen Schritte eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.
57 Ebenso kann die Verpflichtung des Dienstleistungsempfängers, diese Freistellungsbescheinigung in einem gegen ihn eingeleiteten Haftungsverfahren vorzulegen, diesen davon abhalten, einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister in Anspruch zu nehmen. Wie Scorpio ausgeführt hat, muss der Vergütungsschuldner sich nämlich sicher sein, dass sein Vertragspartner entweder selbst das Freistellungs- oder Erstattungsverfahren betreibt (und ihm gegebenenfalls den Erstattungsbetrag zurückzahlt) oder ihm eine Vollmacht erteilt, dieses Verfahren zu seinen Gunsten durchzuführen. Es steht zu befürchten, dass der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Dienstleister wenig Interesse hat, diese Schritte zu unternehmen, oder nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zu erreichen ist.
58 Infolgedessen stellt es eine Beschränkung des durch die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs dar, wenn die in Rede stehende Steuerbefreiung in den vom Bundesfinanzhof angeführten verschiedenen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens nur auf Vorlage einer von der zuständigen Steuerbehörde erteilten Bescheinigung, dass die Voraussetzungen hierfür nach dem deutsch-niederländischen Besteuerungsabkommen erfüllt sind, Berücksichtigung finden kann.
59 Diese Beschränkung ist jedoch im Hinblick auf die Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Steuerabzugsverfahrens gerechtfertigt.
60 Wie u. a. die belgische Regierung und der Generalanwalt in Nummer 90 seiner Schlussanträge ausgeführt haben, erscheint es nämlich wichtig, dass der Vergütungsschuldner nur dann von der Einbehaltung der Steuer entbunden wird, wenn er die Sicherheit hat, dass der Dienstleister die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung erfüllt. Dem Vergütungsschuldner kann aber nicht zugemutet werden, selbst die Frage zu klären, ob in jedem Einzelfall die betreffenden Einkünfte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei sind oder nicht. Würde dem Vergütungsschuldner gestattet, sich einseitig vom Steuerabzug zu befreien, könnte dies schließlich, wenn er sich irrt, die Erhebung der Steuer beim Vergütungsgläubiger gefährden.
61 Nach alledem ist auf die Frage 3c zu antworten, dass die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, dass sie nicht verbieten, dass die Steuerbefreiung, die einem gebietsfremden Dienstleister, der in Deutschland tätig geworden ist, nach dem deutsch-niederländischen Besteuerungsabkommen zusteht, vom Vergütungsschuldner im Rahmen eines Steuerabzugsverfahrens oder in einem späteren Freistellungs- oder Erstattungsverfahren oder in einem gegen den Vergütungsschuldner eingeleiteten Haftungsverfahren nur dann Berücksichtigung finden kann, wenn von der zuständigen Steuerbehörde eine Freistellungsbescheinigung erteilt worden ist, der zufolge die Voraussetzungen hierfür nach diesem Besteuerungsabkommen erfüllt sind.
Zur zweiten Frage und zur Frage 3 d
62 Mit diesen Fragen möchte der Bundesfinanzhof im Wesentlichen wissen, ob Artikel 59 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, dass er auch anwendbar ist, wenn der Dienstleistungsempfänger, der sich auf diese Bestimmungen beruft, um in den Genuss der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der Gemeinschaft zu kommen, Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats und in der Gemeinschaft ansässig ist und sein Vertragspartner, der Dienstleister, in einem anderen Land der Gemeinschaft ansässig ist, aber die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt.
63 Einleitend ist daran zu erinnern, dass Artikel 59 EWG-Vertrag nach den Ausführungen in Randnummer 32 dieses Urteils und der ständigen Rechtsprechung nicht nur dem Erbringer der Dienstleistungen, sondern auch dem Empfänger dieser Dienstleistungen Rechte verleiht.
64 Diese Rechte umfassen nicht nur die Freiheit des Dienstleistungsempfängers, sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch irgendwelche Beschränkungen daran gehindert zu werden (Urteile Ciola, Randnr. 11, und vom 28. Oktober 1999 in der Rechtssache C-55/98, Vestergaard, Slg. 1999, I-7641, Randnr. 20), sondern nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes auch das Recht des Dienstleistungsempfängers, sich auf diese Rechte selbst dann zu berufen, wenn weder er noch der Dienstleister sich an einen anderen Ort innerhalb der Gemeinschaft begeben haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Eurowings Luftverkehr, Randnr. 34, vom 6. November 2003 in der Rechtssache C-243/01, Gambelli u. a., Slg. 2003, I-13031, Randnrn. 55 und 57, und vom 14. Oktober 2004 in der Rechtssache C-36/02, Omega, Slg. 2004, I-9609, Randnr. 25).
65 So verhält es sich im Ausgangsverfahren. Das Vorbringen des Vereinigten Königreichs, dass Scorpio als Dienstleistungsempfänger die in Artikel 59 EWG-Vertrag gewährleisteten Rechte nicht in Anspruch nehmen könne, da sie sich nicht in einen anderen Mitgliedstaat begeben habe, um die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienstleistung zu empfangen, und auch keinen entsprechenden Versuch unternommen habe, ist daher zurückzuweisen.
66 Wenn hieraus folgt, dass Scorpio, die als Gesellschaft nach Artikel 58 Absatz 1 EWG-Vertrag einer natürlichen Person, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats ist, gleichgestellt ist, nach Artikel 66 EWG-Vertrag grundsätzlich die ihr durch Artikel 59 EWG-Vertrag eingeräumten Rechte in Anspruch nehmen können müsste, so ist zu prüfen, ob der Umstand, dass Europop als Dienstleister, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt, Scorpio daran hindert, sich auf diese Rechte zu berufen.
67 Dazu ist festzustellen, dass nach dem EWG-Vertrag – da der Rat von der Möglichkeit des Artikels 59 Absatz 2 EWG-Vertrag keinen Gebrauch gemacht hat – die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr Anwendung finden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
– Die Dienstleistung muss innerhalb der Gemeinschaft erbracht werden;
– der Dienstleister muss die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und in einem Land der Gemeinschaft ansässig sein.
68 Daraus folgt, dass der EWG-Vertrag die Anwendung dieser Vorschriften nicht auf Dienstleister erstreckt, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, selbst wenn sie innerhalb der Gemeinschaft ansässig sind und es sich um eine innergemeinschaftliche Dienstleistung handelt.
69 Somit ist auf die zweite Frage und die Frage 3 d zu antworten, dass Artikel 59 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, dass er nicht zugunsten eines Dienstleisters anwendbar ist, der die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt.
Kosten
70 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen,
– nach denen auf die Vergütung eines Dienstleisters, der im Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht ansässig ist, ein Steuerabzugsverfahren Anwendung findet, während die Vergütung eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters diesem Verfahren nicht unterliegt;
– nach denen der Dienstleistungsempfänger in Haftung genommen wird, wenn er den Steuerabzug, zu dem er verpflichtet war, unterlassen hat.
2. Die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen,
– dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Dienstleister ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte, d. h. die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleibenden Einkünfte, der Steuer unterliegen;
– dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass im Steuerabzugsverfahren nur diejenigen Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Tätigkeiten stehen, aus denen die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, die im Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung ausgeführt worden sind und die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Dienstleister dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, und dass etwaige weitere Betriebsausgaben, die nicht unmittelbar mit dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren berücksichtigt werden können;
– dass sie nicht verbieten, dass die Steuerbefreiung, die einem gebietsfremden Dienstleister, der in Deutschland tätig geworden ist, nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiet vom 16. Juni 1959 zusteht, entweder vom Vergütungsschuldner im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens oder in einem späteren Freistellungs- oder Erstattungsverfahren oder aber in einem gegen den Vergütungsschuldner eingeleiteten Haftungsverfahren nur dann berücksichtigt werden kann, wenn von der zuständigen Steuerbehörde eine Freistellungsbescheinigung erteilt worden ist, der zufolge die Voraussetzungen hierfür nach diesem Abkommen erfüllt sind.
3. Artikel 59 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, dass er nicht zugunsten eines Dienstleisters anwendbar ist, der die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.