Rechtssache C-111/05
Aktiebolaget NN
gegen
Skatteverket
(Vorabentscheidungsersuchen des Regeringsrätt)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Lieferung von Gegenständen – Art. 8 Abs. 1 Buchst. a – Glasfaserkabel, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt – Auf die Länge des in seinem Hoheitsgebiet verlegten Kabels beschränkte Steuerhoheit jedes Mitgliedstaats – Keine Besteuerung des in der ausschließlichen Wirtschaftszone, auf dem Festlandssockel und auf hoher See befindlichen Teils“
Schlussanträge des Generalanwalts P. Léger vom 14. September 2006
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 29. März 2007
Leitsätze des Urteils
1. Steuerrecht – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Lieferungen von Gegenständen
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 5 Abs. 1)
2. Steuerrecht – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Lieferungen von Gegenständen
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a)
3. Steuerrecht – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Sechste Richtlinie – Räumlicher Anwendungsbereich
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 2 Nr. 1, Art. 3 und Art. 8 Abs. 1 Buchst. a)
1. Eine Leistung, die in der Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels besteht, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt, ist als eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2002/93 geänderten Fassung anzusehen, wenn das Kabel im Anschluss an vom Lieferer durchgeführte Funktionsprüfungen auf den Kunden übertragen wird, der dann als Eigentümer darüber verfügen kann, wenn der Preis des Kabels den eindeutig überwiegenden Teil der Gesamtkosten dieser Leistung ausmacht und wenn die Dienstleistungen des Lieferers sich auf die Verlegung des Kabels beschränken, ohne dieses der Art nach zu verändern oder den besonderen Bedürfnissen des Kunden anzupassen.
Der Umstand, dass die Lieferung dieses Kabels mit dessen Installation einhergeht, schließt grundsätzlich nicht aus, dass der Umsatz in den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie fällt. Erstens ergibt sich nämlich aus Art. 8 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie, dass ein körperlicher Gegenstand mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung installiert oder montiert werden kann, ohne dass dies zwangsläufig dazu führt, dass der Umsatz nicht mehr als „Lieferung eines Gegenstands“ anzusehen ist. Zweitens trifft diese Bestimmung keine Unterscheidung zwischen den Installationsarten, so dass der Einbau eines beweglichen Gegenstands in den Boden nicht zwangsläufig unter den Begriff „Bauleistungen“ im Sinne des Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie fallen muss.
(vgl. Randnrn. 34-35, 40, Tenor 1)
2. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, dass die Befugnis zur Besteuerung der Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt, dem einzelnen Mitgliedstaat sowohl in Bezug auf den Preis für das Kabel und das übrige Material als auch in Bezug auf die Kosten der mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen anteilig nach der Länge des sich auf seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kabels zusteht.
Wenn eine Kollisionsnorm praktikabel sein soll, muss sie es ermöglichen, die Steuerhoheit für die Erhebung der Mehrwertsteuer auf einen Umsatz nur einem der betroffenen Mitgliedstaaten zuzuordnen. Daher gilt bei der Installation eines Gegenstands der Ort der Lieferung grundsätzlich nur als im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats gelegen; besteht die Installation des Gegenstands in dessen Einbau in den Boden, bestimmt der Ort dieses Einbaus den für die Besteuerung der Lieferung zuständigen Staat. Das bedeutet allerdings nicht, dass Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Sechsten Richtlinie keine Anwendung findet, wenn sich die Installation eines Gegenstands im Gebiet eines Mitgliedstaats auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats fortsetzt. Wird dieser Gegenstand auf dem Gebiet eines ersten Mitgliedstaats und weiter auf dem eines zweiten installiert, liegt nämlich der Ort der Lieferung nacheinander auf dem Gebiet eines jeden dieser Staaten. Folglich ist in einem solchen Fall die Zuständigkeit für die Besteuerung des Umsatzes jedem Mitgliedstaat für den auf seinem Hoheitsgebiet installierten Teil des Kabels zuzuerkennen.
(vgl. Randnrn. 45-47, 50, Tenor 2)
3. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Umsatz betreffend die Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels, das zwei Mitgliedstaaten verbindet, bezüglich des Teils der Leistung, der in der ausschließlichen Wirtschaftszone, auf dem Festlandssockel und auf hoher See erbracht wird, nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.
Die Vorschriften der Sechsten Richtlinie gelten mit unbedingter Verbindlichkeit für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 299 EG, das in Anwendung von Art. 2 des am 10. Dezember 1982 in Montego Bay unterzeichneten Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen auch das Küstenmeer, den Meeresboden und den Meeresuntergrund umfasst.
Demgegenüber ist die staatliche Hoheitsgewalt des Küstenstaats über die ausschließliche Wirtschaftszone und den Festlandssockel nur funktioneller Art und als solche auf das Recht beschränkt, die in den Art. 56 und 77 des Seerechtsübereinkommens vorgesehenen Tätigkeiten der Erforschung und Ausbeutung auszuüben. Da die Lieferung und Verlegung eines unterseeischen Kabels nicht zu den in diesen Artikeln aufgeführten Tätigkeiten zählen, unterliegt der Teil des in diesen beiden Gebieten bewirkten Umsatzes nicht der staatlichen Hoheitsgewalt des Küstenstaats. Diese Feststellung findet ihre Bestätigung in den Art. 58 Abs. 1 und 79 Abs. 1 dieses Übereinkommens, die unter bestimmten Voraussetzungen allen Staaten das Recht einräumen, in diesen Bereichen unterseeische Kabel zu verlegen. Folglich kann dieser Teil des Umsatzes nicht als im Inland im Sinne des Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie bewirkt angesehen werden. Gleiches gilt erst recht für den Teil der Leistung, der auf hoher See erbracht wird, einem Gebiet, das nach Art. 89 des Seerechtsübereinkommens der Souveränität der Staaten entzogen ist.
(vgl. Randnrn. 55-57, 59-61, Tenor 3)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
29. März 2007(*)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Lieferung von Gegenständen – Art. 8 Abs. 1 Buchst. a – Glasfaserkabel, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt – Auf die Länge des in seinem Hoheitsgebiet verlegten Kabels beschränkte Steuerhoheit jedes Mitgliedstaats – Keine Besteuerung des in der ausschließlichen Wirtschaftszone, auf dem Festlandssockel und auf hoher See befindlichen Teils“
In der Rechtssache C-111/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Regeringsrätt (Schweden) mit Entscheidung vom 24. Februar 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 4. März 2005, in dem Verfahren
Aktiebolaget NN
gegen
Skatteverket
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet, J. Malenovský, U. Lõhmus (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Aktiebolag NN, vertreten durch U. Grefberg Nyberg, processansvarig,
– des Skatteverk, vertreten durch B. Persson als Bevollmächtigten,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Ström van Lier und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. September 2006
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 1, Art. 3 Abs. 1, der Art. 5 und 6, von Art. 8 Abs. 1 Buchst. a sowie von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2002/93/EG des Rates vom 3. Dezember 2002 (ABl. L 331, S. 27) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2 Die Fragen des vorlegenden Gerichts stellen sich im Rahmen einer Klage der in Schweden ansässigen Aktiebolag NN (im Folgenden: Gesellschaft NN) gegen einen vom Skatterättsnämnd (Ausschuss für steuerrechtliche Fragen) erlassenen Vorbescheid über die Anwendung mehrwertsteuerrechtlicher Bestimmungen auf eine Leistung, die in der Installation eines Glasfaserkabels zwischen Schweden und einem anderen Mitgliedstaat besteht, wobei ein Teil des Kabels im Meeresboden in internationalen Gewässern verlegt werden muss.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 2 der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
…“
4 Art. 3 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie ist zu verstehen unter
– ‚Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats‘ das Inland, wie es für jeden Mitgliedstaat in den Absätzen 2 und 3 definiert ist;
– ‚Gemeinschaft‘ und ‚Gebiet der Gemeinschaft‘ das Inland der Mitgliedstaaten, wie es für jeden Mitgliedstaat in den Absätzen 2 und 3 definiert ist;
– …
(2) Für die Anwendung dieser Richtlinie ist unter ‚Inland‘ der Anwendungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen [Gemeinschaft] zu verstehen, wie er in Artikel [299 EG] für jeden Mitgliedstaat definiert ist.
…“
5 Art. 5 dieser Richtlinie lautet:
„(1) Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
…“
6 Art. 6 der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„(1) Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist.
…“
7 In Art. 8 dieser Richtlinie heißt es:
„(1) Als Ort der Lieferung gilt
a) für den Fall, dass der Gegenstand vom Lieferer, vom Erwerber oder von einer dritten Person versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet. Falls der Gegenstand mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung installiert oder montiert wird, gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem die Installation oder Montage vorgenommen wird. Wird der Gegenstand in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Lieferers installiert oder montiert, so trifft der Mitgliedstaat, in dem die Installation oder Montage vorgenommen wird, die zur Vermeidung einer Doppelbelastung in diesem Staat erforderlichen Maßnahmen;
…“
8 Art. 9 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.
(2) Es gilt jedoch
a) als Ort einer Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück, einschließlich der Dienstleistung von Grundstücksmaklern und -sachverständigen, und als Ort einer Dienstleistung zur Vorbereitung oder zur Koordinierung von Bauleistungen, wie z.B. die Leistungen von Architekten und Bauaufsichtsbüros, der Ort, an dem das Grundstück gelegen ist;
…“
Nationales Recht
9 Nach Kapitel 1 § 1 Mervärdesskattelag (Mehrwertsteuergesetz) (SFS 1994, Nr. 200, im Folgenden: ML) ist Mehrwertsteuer zu entrichten, wenn ein Umsatz als im Inland bewirkt anzusehen ist.
10 „Gegenstände“ sind gemäß Kapitel 1 § 6 ML „körperliche Gegenstände“, u. a. Grundstücke und Gas, sowie Wärme, Kälte und elektrische Energie. Nach Kapitel 5 § 2 dieses Gesetzes liegt bei einem Gegenstand, der nach der Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer zum Käufer befördert werden soll, ein Inlandsumsatz vor, wenn der Gegenstand sich zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verkäufer, der Käufer oder ein Dritter mit der Beförderung zum Käufer beginnt, im Inland befindet (Nr. 1) oder wenn der Gegenstand sich bei Beginn der Beförderung nicht im Inland befindet, dort aber vom Verkäufer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert wird (Nr. 2).
11 Als „Dienstleistung“ gilt nach Kapitel 1 § 6 ML alles, was nicht als Gegenstand anzusehen ist und was im Rahmen beruflicher oder gewerblicher Tätigkeit erbracht werden kann. Nach Kapitel 5 § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes liegt bei Dienstleistungen, die sich auf ein Grundstück beziehen, ein Inlandsumsatz vor, wenn das Grundstück im Inland belegen ist. Nach Kapitel 5 § 6 Nr. 4 dieses Gesetzes liegt bei Dienstleistungen ein Inlandsumsatz vor, wenn sie in Schweden erbracht werden und Arbeiten an Gegenständen betreffen, die bewegliche Sachen sind, einschließlich der Kontrolle oder Untersuchung dieser Gegenstände. Kapitel 5 § 8 Abs. 1 ML schreibt u. a. vor, dass andere Dienstleistungen als die in den §§ 4 bis 6a oder 7a genannten (mit bestimmten Ausnahmen wie z. B. Telekommunikationsdienstleistungen) als Inlandsumsätze gelten, wenn der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung in Schweden hat, von der aus die Dienstleistungen erbracht werden. Im gleichen Absatz heißt es weiter, dass bei Dienstleistungen, falls sie nicht von einem solchen Sitz oder einer solchen Niederlassung in Schweden oder im Ausland aus erbracht werden, ein Inlandsumsatz vorliegt, wenn der Dienstleistende in Schweden wohnt oder seinen ständigen Aufenthalt hat.
Ausgangsrechtsstreit und Vorabentscheidungsfragen
12 Die Gesellschaft NN, die auf dem Gebiet der Telekommunikation tätig ist, verlegt, wartet und repariert u. a. Glasfaserkabel. Sie beabsichtigt den Abschluss eines Vertrags über die Lieferung und Verlegung eines unterseeischen Glasfaserkabels zwischen Schweden und einem anderen Mitgliedstaat, das vom Erwerber dazu verwendet werden soll, Übertragungsdienstleistungen an verschiedene Telekommunikationsbetreiber zu erbringen. Die Gesellschaft NN wird das Kabel und anderes erforderliches Material von verschiedenen Herstellern erwerben, ein Schiff einschließlich Besatzung anmieten und Fachkräfte für die Verlegung von Kabeln einstellen.
13 Das Kabel wird auf dem schwedischen Festland befestigt und eingegraben, des weiteren auf dem Meeresboden in schwedischen Binnen- und Küstengewässern, auf dem Festlandssockel Schwedens und des anderen Mitgliedstaats als Küstenstaaten sowie in den Küsten- und Binnengewässern des anderen Mitgliedstaats verlegt und gegebenenfalls eingegraben und schließlich auf dem Festland dieses letztgenannten Staates eingegraben und befestigt. Je nach Abstand zwischen den Befestigungspunkten kann es in bestimmten Fällen erforderlich sein, Kabelstücke zu verlängern, was einen technisch relativ komplizierten Vorgang darstellt. Unter normalen Umständen können die Materialkosten 80 % bis 85 % der Gesamtkosten erreichen. Unter widrigen Verhältnissen, z. B. bei Aufkommen von Stürmen, verringert sich der Materialkostenanteil an den Gesamtkosten.
14 Nach der Verlegung und bestimmten Vorprüfungen wird das Eigentum am Kabel auf den Erwerber übertragen. Danach werden etwa 30 Tage lang noch weitere Prüfungen durchgeführt und eventuelle Mängel von der Gesellschaft NN beseitigt.
15 Die Gesellschaft NN ersuchte den Skatterättsnämnd um einen Vorbescheid darüber, ob das Vorhaben als eine grundstücksbezogene Dienstleistung gemäß Kapitel 5 § 4 ML oder eine Arbeit an beweglichen Sachen gemäß Kapitel 5 § 6 ML oder aber als andere Dienstleistung anzusehen ist und ob es sich dabei um einen Inlandsumsatz in Schweden handelt.
16 Der Skatterättsnämnd erließ seinen Bescheid am 13. Juni 2003. Er vertrat die Auffassung, dass das Vorhaben als eine gemäß Kapitel 5 § 8 Abs. 1 ML in Schweden erbrachte Dienstleistung anzusehen sei, denn es sei so beschaffen, dass die besonderen Anknüpfungsbestimmungen des Kapitels 5 §§ 4 bis 6a und 7a ML nicht anwendbar seien.
17 Die Gesellschaft NN erhob gegen diesen Vorbescheid Klage beim Regeringsrätt. Sie ist der Meinung dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verlegung eine grundstücksbezogene Dienstleistung nach Kapitel 5 § 4 ML sei und daher Mehrwertsteuer nur für die auf dem schwedischen Festland und in den schwedischen Binnen- und Küstengewässern erbrachten Leistungen zu entrichten sei.
18 Das Regeringsrätt ist der Auffassung, dass für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts erforderlich sei. Daher hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist eine steuerpflichtige Leistung, die in der Lieferung und Installation eines Kabels besteht, das auf dem Gebiet zweier Mitgliedstaaten und auch außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft verlegt wird und den eindeutig überwiegenden Teil der Gesamtkosten ausmacht, bei Anwendung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie über den Ort steuerpflichtiger Leistungen als Lieferung eines Gegenstands zu qualifizieren?
2. Ist, falls eine solche Leistung stattdessen als Dienstleistung zu qualifizieren ist, davon auszugehen, dass diese Dienstleistung in einer Weise mit einem Grundstück zusammenhängt, dass der Ort der Dienstleistung nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie zu bestimmen ist?
3. Ist, falls die erste oder die zweite Frage bejaht wird, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a oder Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass die Leistung entsprechend den Gebieten, in denen das Kabel verlegt wird, aufzuteilen ist?
4. Sind, falls die dritte Frage bejaht wird, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a oder Art. 9 Abs. 2 Buchst. a sowie Art. 2 Nr. 1 und 3 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie so zu verstehen, dass für den Teil der Lieferung oder der Dienstleistung, der ein Gebiet außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft betrifft, keine Mehrwertsteuer zu entrichten ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
19 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für die Zwecke der Mehrwertsteuererhebung eine Leistung, die in der Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels besteht, das zwei Mitgliedstaaten verbindet, teilweise aber außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt und dessen Preis den eindeutig überwiegenden Teil der Gesamtkosten ausmacht, als Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie einzustufen ist.
20 Vorab ist zu bestimmen, ob die Lieferung und Verlegung eines Kabels unter den vom vorlegenden Gericht beschriebenen Umständen mehrwertsteuerrechtlich als zwei getrennte steuerbare Umsätze oder als ein komplexer, aus mehreren Einzelleistungen zusammengesetzter Umsatz zu behandeln ist, der eine Einheit bildet.
21 Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung und ob im letztgenannten Fall diese einheitliche Leistung als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung einzustufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Mai 1996, Faaborg-Gelting Linien, C-231/94, Slg. 1996, I-2395, Randnrn. 12 bis 14, vom 25. Februar 1999, CPP, C-349/96, Slg. 1999, I-973, Randnr. 28, sowie vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank, C-41/04, Slg. 2005, I-9433, Randnr. 19).
22 Da sich zum einen aus Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie ergibt, dass jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist, und da zum anderen ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf, sind zunächst die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Kunden mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt (vgl. in diesem Sinne Urteile CPP, Randnr. 29, und Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 20).
23 Dazu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine einheitliche Leistung dann vorliegt, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 22).
24 Im vorliegenden Fall betrifft der von der Gesellschaft NN ins Auge gefasste Vertrag die Veräußerung eines verlegten und funktionstüchtigen Kabels, die nach Abschluss der Installation und der probeweisen Inbetriebnahme stattfinden soll.
25 Daraus folgt, dass alle Einzelleistungen, die der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz umfasst, zum einen zu seiner Verwirklichung erforderlich und zum anderen eng miteinander verbunden sind. Unter diesen Voraussetzungen wäre es wirklichkeitsfremd, anzunehmen, dass der Kunde zunächst das Glasfaserkabel erwirbt und dann bei demselben Lieferanten die mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen (vgl. entsprechend Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 24).
26 Daher ist die Lieferung und Verlegung eines Kabels unter den vom vorlegenden Gericht beschriebenen Umständen mehrwertsteuerrechtlich als ein einheitlicher Umsatz anzusehen.
27 Um sodann festzustellen, ob ein eine Einheit bildender komplexer Umsatz wie derjenige im Ausgangsverfahren als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung einzustufen ist, sind dessen wesentliche Bestandteile zu bestimmen (vgl. insbesondere Urteile Faaborg-Gelting Linien, Randnrn. 12 und 14, und Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 27).
28 Im Fall eines eine Einheit bildenden komplexen Umsatzes ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter den bestmöglichen Bedingungen zu erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 1998, Madgett und Baldwin, C-308/96 und C-94/97, Slg. 1998, I-6229, Randnr. 24, und CPP, Randnr. 30).
29 Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verlegung des Kabels die Anwendung komplexer technischer Verfahren erfordert, den Einsatz von Spezialausrüstung notwendig macht, spezifische Sachkunde verlangt und bei einer Leistung solchen Ausmaßes mit der Lieferung des Gegenstands nicht nur untrennbar verbunden, sondern auch für den weiteren Einsatz und die weitere Nutzung des Gegenstands unerlässlich ist. Folglich ist die Verlegung dieses Kabels keine einfache Nebenleistung zur Lieferung.
30 Es bleibt jedoch zu bestimmen, ob in Anbetracht der Einzelleistungen, die den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsatz ausmachen, die Lieferung des Kabels oder aber dessen Verlegung für die Einstufung der Leistung – entweder als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung – ausschlaggebend ist.
31 Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie „[a]ls Lieferung eines Gegenstands … die Übertragung der Befähigung [gilt], wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“.
32 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht aus dem Wortlaut dieser Bestimmung hervor, dass der Begriff „Lieferung eines Gegenstands“ sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen bezieht, sondern dass sie jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei umfasst, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Der Zweck der Sechsten Richtlinie wäre möglicherweise gefährdet, wenn die Feststellung, dass eine Lieferung von Gegenständen – einer der drei steuerbaren Umsätze – vorliegt, von der Erfüllung von je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen zivilrechtlichen Voraussetzungen abhinge (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Februar 1990, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, C-320/88, Slg. 1990, I-285, Randnrn. 7 und 8, vom 4. Oktober 1995, Armbrecht, C-291/92, Slg. 1995, I-2775, Randnrn. 13 und 14, vom 6. Februar 2003, Auto Lease Holland, C-185/01, Slg. 2003, I-1317, Randnrn. 32 und 33, sowie vom 21. April 2005, HE, C-25/03, Slg. 2005, I-3123, Randnr. 64).
33 Den Angaben des vorlegenden Gerichts ist zu entnehmen, dass der ins Auge gefasste Vertrag einen körperlichen Gegenstand, nämlich ein Glasfaserkabel, betrifft, das der Lieferer erwirbt und verlegt und im Anschluss an von ihm durchgeführte Funktionsprüfungen auf den Kunden übertragen soll, der dann als Eigentümer über dieses Kabel verfügen kann.
34 Der Umstand, dass die Lieferung dieses Kabels mit dessen Installation einhergeht, schließt grundsätzlich nicht aus, dass der Umsatz in den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie fällt.
35 Erstens ergibt sich nämlich aus Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie, dass ein körperlicher Gegenstand mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung installiert oder montiert werden kann, ohne dass dies zwangsläufig dazu führt, dass der Umsatz nicht mehr als „Lieferung eines Gegenstands“ anzusehen ist. Zweitens trifft diese Bestimmung, wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, keine Unterscheidung zwischen den Installationsarten, so dass der Einbau eines beweglichen Gegenstands in den Boden nicht zwangsläufig unter den Begriff „Bauleistungen“ im Sinne des Art. 5 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie fallen muss.
36 Der Vorlageentscheidung ist weiter zu entnehmen, dass sich bei einer Verlegung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kabels unter gewöhnlichen Umständen der Umsatz, den der Lieferer mit der Leistung erzielen wird, zum größten Teil aus den Kosten für das Kabel und das übrige Material zusammensetzt, die 80 % bis 85 % des Gesamtbetrags der Leistung ausmachen, während sich unter widrigen Bedingungen, beispielsweise wegen schwierigen Geländes, der Beschaffenheit des Meeresbodens, der Notwendigkeit, das Kabel zu verlängern, oder des Aufkommens von Stürmen, der Materialkostenanteil an den Gesamtkosten verringert.
37 Das Verhältnis zwischen dem Preis des Gegenstands und dem der Dienstleistungen ist insoweit zwar eine objektive Gegebenheit, die einen Anhaltspunkt darstellt, dem bei der Einstufung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsatzes Rechnung getragen werden kann, jedoch darf, wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihrer Stellungnahme ausführt, den Kosten für Material und Arbeitsleistungen allein keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen.
38 Für die Einstufung des Vorhabens ist daher auch zu prüfen, welche Bedeutung der Dienstleistung gegenüber der Lieferung des Kabels zukommt.
39 Auch wenn für eine Nutzung des Kabels dessen Installation unerlässlich ist und auch wenn insbesondere auf Grund der Entfernung und der schwierigen Bodenverhältnisse die Verlegung des Kabels im Boden, wie sich aus Randnr. 29 des vorliegenden Urteils ergibt, sehr kompliziert ist und erhebliche Mittel erfordert, ergibt sich daraus gleichwohl nicht, dass die Dienstleistung gegenüber der Lieferung des Gegenstands im Vordergrund steht. Der Beschreibung der Vertragsklauseln in der Vorlageentscheidung ist nämlich zu entnehmen, dass die vom Lieferer auszuführenden Arbeiten sich auf das Verlegen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kabels beschränken und weder dazu dienen, dieses Kabel der Art nach zu verändern oder es den besonderen Bedürfnissen des Kunden anzupassen, noch zu einem solchen Ergebnis führen (vgl. entsprechend Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnrn. 28 und 29).
40 Unter Berücksichtigung all dessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass eine Leistung, die in der Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels besteht, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt, als eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie anzusehen ist, wenn das Kabel im Anschluss an vom Lieferer durchgeführte Funktionsprüfungen auf den Kunden übertragen wird, der dann als Eigentümer darüber verfügen kann, wenn der Preis des Kabels den eindeutig überwiegenden Teil der Gesamtkosten dieser Leistung ausmacht und wenn die Dienstleistungen des Lieferers sich auf die Verlegung des Kabels beschränken, ohne dieses der Art nach zu verändern oder den besonderen Bedürfnissen des Kunden anzupassen.
Zur zweiten Frage
41 Die zweite Frage wurde nur für den Fall gestellt, dass der steuerbare Umsatz eine Dienstleistung darstellt. In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage braucht diese Frage nicht geprüft zu werden.
Zur dritten Frage
42 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für die Bestimmung des Ortes eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes, der die Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels umfasst, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Steuerhoheit des einzelnen Mitgliedstaats auf den Teil des Kabels beschränkt ist, der sich auf seinem Hoheitsgebiet befindet.
43 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Titel VI der Sechsten Richtlinie Vorschriften über die Bestimmung des Ortes der steuerbaren Umsätze enthält, nämlich Art. 8 für die Lieferungen von Gegenständen und Art. 9 für die Erbringung von Dienstleistungen. Wie sich dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie entnehmen lässt, sollen diese Bestimmungen im Rahmen des allgemeinen Systems dieser Richtlinie durch die einheitliche Festlegung des steuerlichen Anknüpfungspunkts bei Lieferungen von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen eine angemessene Abgrenzung des jeweiligen Geltungsbereichs des nationalen Mehrwertsteuerrechts herbeiführen. Durch diese Bestimmungen sollen auch Kompetenzkonflikte verhindert werden, die sowohl zu einer Doppelbesteuerung als auch zur Nichtbesteuerung von Einnahmen führen könnten (vgl. entsprechend Urteile vom 4. Juli 1985, Berkholz, 168/84, Slg. 1985, 2251, Randnr. 14, vom 12. Mai 2005, RAL [Channel Islands] u. a., C-452/03, Slg. 2005, I-3947, Randnr. 23, und vom 15. September 2005, Köhler, C-58/04, Slg. 2005, I-8219, Randnr. 22).
44 In Bezug auf die Bestimmung des Ortes, der als Ort einer Lieferung von Gegenständen gilt, legt Art. 8 der Sechsten Richtlinie mehrere spezielle Anknüpfungspunkte fest, je nachdem, ob es um Lieferungen von Gegenständen mit oder ohne Beförderung, um Lieferungen von Gegenständen an Bord eines Schiffs, eines Flugzeugs oder in einer Eisenbahn, um Lieferungen von Gas oder Elektrizität durch Versorgungssysteme oder auch um die Lieferung eines Gegenstands geht, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung installiert oder montiert wird. In diesem letztgenannten Fall gilt nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 dieser Richtlinie als Ort der Lieferung der Ort, an dem die Installation oder Montage vorgenommen wird.
45 Wenn eine Kollisionsnorm praktikabel sein soll, muss sie es ermöglichen, die Steuerhoheit für die Erhebung der Mehrwertsteuer auf einen Umsatz nur einem der betroffenen Mitgliedstaaten zuzuordnen. Daher gilt bei der Installation eines Gegenstands der Ort der Lieferung grundsätzlich nur als im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats gelegen; besteht die Installation des Gegenstands in dessen Einbau in den Boden, bestimmt der Ort dieses Einbaus den für die Besteuerung der Lieferung zuständigen Staat.
46 Das bedeutet allerdings nicht, dass Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Sechsten Richtlinie keine Anwendung findet, wenn sich die Installation eines Gegenstands im Gebiet eines Mitgliedstaats auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats fortsetzt. Wird dieser Gegenstand, d. h. im Ausgangsverfahren ein Glasfaserkabel, auf dem Gebiet eines ersten Mitgliedstaats und weiter auf dem eines zweiten installiert, liegt nämlich der Ort der Lieferung nacheinander auf dem Gebiet eines jeden dieser Staaten.
47 Folglich ist, wie der Generalanwalt in Nr. 88 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, in einem solchen Fall die Zuständigkeit für die Besteuerung des Umsatzes jedem Mitgliedstaat für den auf seinem Hoheitsgebiet installierten Teil des Kabels zuzuerkennen.
48 Diese jeweilige Steuerhoheit des einzelnen Mitgliedstaats umfasst, soweit es um den Umsatz als Ganzes geht, nicht nur den Anspruch auf die für den Preis des Kabels geschuldete Steuer, sondern schließt auch die Befugnis ein, die mit der Installation zusammenhängenden Dienstleistungen zu besteuern.
49 Im Ausgangsverfahren umfassen die mit der Installation des Glasfaserkabels zusammenhängenden Dienstleistungen nämlich nicht nur das eigentliche Verlegen und die eventuelle Verlängerung dieses Kabels, sondern auch die beim Verlegen durchgeführten regelmäßigen Prüfungen und bestimmte nach erfolgter Verlegung durchgeführte Vorprüfungen der Funktionstüchtigkeit sowie die Durchführung zusätzlicher Prüfungen über einen Zeitraum von 30 Tagen nach der Inbetriebnahme dieses Kabels, in dem der Lieferer eventuelle Mängel behebt. Diese Dienstleistungen, von denen einige nicht an einen konkreten geografischen Ort anknüpfen, werden alle für das gesamte Kabel erbracht und sind daher wie der Preis für das Kabel und das übrige Material von dem einzelnen Mitgliedstaat anteilig nach der Länge des sich auf seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kabels zu besteuern.
50 Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Befugnis zur Besteuerung der Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt, dem einzelnen Mitgliedstaat sowohl in Bezug auf den Preis für das Kabel und das übrige Material als auch in Bezug auf die Kosten der mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen anteilig nach der Länge des sich auf seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kabels zusteht.
Zur vierten Frage
51 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels, das zwei Mitgliedstaaten verbindet, für den Teil der Leistung, der ein nicht zum Hoheitsgebiet der Gemeinschaft gehörendes Gebiet betrifft, nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.
52 Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer zu unterwerfen.
53 Der räumliche Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie wird in deren Art. 3 festgelegt. Danach ist unter „Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats“ das Inland, wie es für jeden Mitgliedstaat in den Abs. 2 und 3 definiert ist, und unter „Gebiet der Gemeinschaft“ das Inland der Mitgliedstaaten zu verstehen, wie es für jeden Mitgliedstaat in diesen Absätzen definiert ist. Abgesehen von einigen nationalen Hoheitsgebieten, die in Art. 3 Abs. 3 ausdrücklich ausgenommen sind, entspricht nach Art. 3 Abs. 2 das „Inland“ dem Anwendungsbereich des Vertrags wie er für jeden Mitgliedstaat in Art. 299 EG definiert ist.
54 Da der Vertrag keine genauere Definition des der Hoheit der einzelnen Mitgliedstaaten unterstehenden Gebiets gibt, ist es Sache jedes Mitgliedstaates, im Einklang mit den Regeln des Völkerrechts die Ausdehnung und Grenzen dieses Gebiets festzulegen.
55 Zum Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Vorschriften der Richtlinie mit unbedingter Verbindlichkeit für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Januar 1986, Trans Tirreno Express, 283/84, Slg. 1986, 231, Randnr. 20).
56 Nach Art. 2 des am 10. Dezember 1982 in Montego Bay unterzeichneten, am 16. November 1994 in Kraft getretenen und durch den Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23. März 1998 (ABl. L 179, S. 1) genehmigten Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (im Folgenden: Seerechtsübereinkommen) erstreckt sich die Souveränität des Küstenstaats auf das Küstenmeer, auf den Meeresboden und den Meeresuntergrund des Küstenmeers.
57 Das nationale Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 299 EG umfasst somit auch das Küstenmeer, den Meeresboden und den Meeresuntergrund des Küstenmeers, wobei es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten ist, im Einklang mit Art. 3 des Seerechtsübereinkommens die Breite dieses Küstenmeers bis zur Grenze von 12 Seemeilen festzulegen.
58 Folglich ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, eine Lieferung von Gegenständen, die in seinem Küstenmeer, auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund des Küstenmeers erfolgt, der Mehrwertsteuer zu unterwerfen (vgl. auch in Bezug auf Beförderungsdienstleistungen Urteil vom 23. Mai 1996, Kommission/Griechenland, C-331/94, Slg. 1996, I-2675, Randnr. 10).
59 Demgegenüber ist die staatliche Hoheitsgewalt des Küstenstaats über die ausschließliche Wirtschaftszone und den Festlandssockel nur funktioneller Art und als solche auf das Recht beschränkt, die in den Art. 56 und 77 des Seerechtsübereinkommens vorgesehenen Tätigkeiten der Erforschung und Ausbeutung auszuüben. Da die Lieferung und Verlegung eines unterseeischen Kabels nicht zu den in diesen Artikeln aufgeführten Tätigkeiten zählen, unterliegt der Teil des in diesen beiden Gebieten bewirkten Umsatzes nicht der staatlichen Hoheitsgewalt des Küstenstaats. Diese Feststellung findet ihre Bestätigung in den Art. 58 Abs. 1 und 79 Abs. 1 dieses Übereinkommens, die unter bestimmten Voraussetzungen allen Staaten das Recht einräumen, in diesen Bereichen unterseeische Kabel zu verlegen.
60 Folglich kann dieser Teil des Umsatzes nicht als im Inland im Sinne des Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie bewirkt angesehen werden. Gleiches gilt erst recht für den Teil der Leistung, der auf hoher See erbracht wird, einem Gebiet, das nach Art. 89 des Seerechtsübereinkommens der Souveränität der Staaten entzogen ist (vgl. auch im Bereich der Beförderungsdienstleistungen Urteil vom 13. März 1990, Kommission/Frankreich, C-30/89, Slg. 1990, I-691, Randnr. 17).
61 Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels, das zwei Mitgliedstaaten verbindet, bezüglich des Teils der Leistung, der in der ausschließlichen Wirtschaftszone, auf dem Festlandssockel und auf hoher See erbracht wird, nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.
Kosten
62 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Eine Leistung, die in der Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels besteht, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt, ist als eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2002/93/EG des Rates vom 3. Dezember 2002 geänderten Fassung anzusehen, wenn das Kabel im Anschluss an vom Lieferer durchgeführte Funktionsprüfungen auf den Kunden übertragen wird, der dann als Eigentümer darüber verfügen kann, wenn der Preis des Kabels den eindeutig überwiegenden Teil der Gesamtkosten dieser Leistung ausmacht und wenn die Dienstleistungen des Lieferers sich auf die Verlegung des Kabels beschränken, ohne dieses der Art nach zu verändern oder den besonderen Bedürfnissen des Kunden anzupassen.
2. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass die Befugnis zur Besteuerung der Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt, dem einzelnen Mitgliedstaat sowohl in Bezug auf den Preis für das Kabel und das übrige Material als auch in Bezug auf die Kosten der mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen anteilig nach der Länge des sich auf seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kabels zusteht.
3. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass die Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels, das zwei Mitgliedstaaten verbindet, bezüglich des Teils der Leistung, der in der ausschließlichen Wirtschaftszone, auf dem Festlandssockel und auf hoher See erbracht wird, nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Schwedisch.