Rechtssache C-240/05
Administration de l’enregistrement et des domaines
gegen
Eurodental Sàrl
(Vorabentscheidungsersuchen der Cour d’appel [Luxemburg])
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Befreiungen – Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e, 17 Absatz 3 Buchstabe b und 28c Teil A Buchstabe a – Recht auf Vorsteuerabzug – Anfertigung und Reparatur von Zahnersatz – Innergemeinschaftliche Umsätze, die in einem Mitgliedstaat von der Steuer befreite Umsätze betreffen – Auswirkung der in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a in Verbindung mit Anhang E Nummer 2 vorgesehenen Ausnahme- und Übergangsregelung – Grundsatz der steuerlichen Neutralität – Teilweise Harmonisierung der Mehrwertsteuer“
Leitsätze des Urteils
Steuerrecht – Harmonisierung – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e und 17 Absatz 3 Buchstabe b)
Umsätze wie die Anfertigung und Reparatur von Zahnersatz, die nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinien 91/680 und 92/111 geänderten Fassung innerhalb eines Mitgliedstaats von der Mehrwertsteuer befreit sind, eröffnen ungeachtet der im Bestimmungsmitgliedstaat anwendbaren Mehrwertsteuerregelung kein Recht auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b dieser Richtlinie, selbst wenn es sich um innergemeinschaftliche Umsätze handelt.
Diese Auslegung, die sich schon aus dem Wortlaut der Sechsten Richtlinie ergibt, wird sowohl durch das von ihr verfolgte Ziel als auch durch ihre Systematik und den Grundsatz der steuerlichen Neutralität bestätigt.
Erstens kann nämlich nach der Zielsetzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und der durch die Richtlinie 91/680 eingeführten Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten ein Steuerpflichtiger, dem eine Steuerbefreiung zugutekommt und der folglich nicht zum Abzug der innerhalb eines Mitgliedstaats gezahlten Vorsteuer berechtigt ist, dieses Recht auch dann nicht haben, wenn der betreffende Umsatz innergemeinschaftlichen Charakter hat.
Zweitens sind die in Artikel 13 Teil A der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen dadurch, dass sie nur für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten gelten, die dort einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind, von spezifischer Natur, während die Steuerbefreiung zugunsten innergemeinschaftlicher Umsätze allgemeiner Natur ist, da sie sich in unbestimmter Weise auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten bezieht. Unter diesen Umständen entspricht es der Systematik der Sechsten Richtlinie, dass der Regelung, die auf die spezifischen Steuerbefreiungen des Artikels 13 Teil A dieser Richtlinie anwendbar ist, Vorrang vor derjenigen zuerkannt wird, die auf die von der Richtlinie vorgesehenen allgemeinen Steuerbefreiungen betreffend innergemeinschaftliche Umsätze anwendbar ist.
Drittens verbietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Würden aber die nach Artikel 13 Teil A Buchstabe e der Sechsten Richtlinie befreiten Umsätze, wenn sie innergemeinschaftlichen Charakter haben, das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, wäre dieser Grundsatz nicht beachtet, da dieselben Umsätze, wenn sie im Inland eines Mitgliedstaats ausgeführt werden, nicht zu einem Abzug führen.
Es hat in dieser Hinsicht keine Auswirkung, dass der Bestimmungsmitgliedstaat die in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit Nummer 2 des Anhangs E dieser Richtlinie vorgesehene Übergangsregelung anwendet, eine Regelung, die ihm erlaubt, die in Rede stehenden Umsätze weiterhin zu besteuern. Bei der durch diese Vorschrift erlaubten Besteuerung handelt es sich nämlich nicht um eine harmonisierte Besteuerung, die Bestandteil der Mehrwertsteuerregelung ist, wie sie die Sechste Richtlinie für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten vorsieht, sondern um eine nur für einen vorübergehenden Zeitraum zugelassene Besteuerung. Diese Ausnahmeregelung muss eng ausgelegt werden, und ihre Reichweite kann folglich nicht auf die Mitgliedstaaten erstreckt werden, die dem in der Sechsten Richtlinie enthaltenen Grundsatz entsprochen haben, indem sie bestimmte in deren Artikel 13 aufgezählte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Steuer befreien.
(vgl. Randnrn. 38, 41, 43-44, 46-48, 52, 54, 58 und Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)
7. Dezember 2006(*)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Steuerbefreiungen – Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e, 17 Absatz 3 Buchstabe b und 28c Teil A Buchstabe a – Recht auf Vorsteuerabzug – Anfertigung und Reparatur von Zahnersatz – Innergemeinschaftliche Umsätze, die in einem Mitgliedstaat von der Steuer befreite Umsätze betreffen – Auswirkung der in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a in Verbindung mit Anhang E Nummer 2 vorgesehenen Ausnahme- und Übergangsregelung – Grundsatz der steuerlichen Neutralität – Teilweise Harmonisierung der Mehrwertsteuer“
In der Rechtssache C-240/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Cour d’appel (Luxemburg) mit Entscheidung vom 1. Juni 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juni 2005, in dem Verfahren
Administration de l’enregistrement et des domaines
gegen
Eurodental Sàrl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet, J. Malenovský, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
aufgrund des Beschlusses vom 4. Mai 2006 über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Administration de l’enregistrement et des domaines, vertreten durch A. Kronshagen, avocat,
– der Eurodental Sàrl, vertreten durch M. Molitor, P. Lopes Da Silva, N. Cambonie und R. Muller, avocats,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Juni 2006
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e, 15 Absätze 1 bis 3, 17 Absatz 3 Buchstabe b und 28c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinien 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen (ABl. L 376, S. 1) und 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 zur Einführung von Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer (ABl. L 384, S. 47) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Eurodental Sàrl (im Folgenden: Eurodental) gegen die luxemburgische Administration de l’enregistrement et des domaines (im Folgenden: zuständige Steuerbehörde), nachdem diese es abgelehnt hatte, der Eurodental für die Besteuerungszeiträume 1992 und 1993 den Abzug der auf Umsätze der Anfertigung und Reparatur von Zahnersatz entrichteten Vorsteuer zu gestatten, wenn diese für in Deutschland niedergelassene Empfänger ausgeführt worden waren.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Steuerbefreiungen im Inland
A. Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten (1) Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
…
e) die Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen, sowie die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker“.
4 Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a dieser Richtlinie lautet jedoch:
„(3) Während der in Absatz 4 genannten Übergangszeit können die Mitgliedstaaten
a) die in Anhang E aufgeführten nach Artikel 13 … befreiten Umsätze weiterhin besteuern“.
5 Nummer 2 dieses Anhangs nennt die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e dieser Richtlinie bezeichneten Umsätze.
6 Artikel 17 dieser Richtlinie mit der Überschrift „Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug“ sah in der vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 91/680 geltenden Fassung in den Absätzen 2 Buchstabe a und 3 Folgendes vor:
„(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,
…
(3) Die Mitgliedstaaten gewähren jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke:
a) seiner Umsätze, die sich aus den im Ausland ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 ergeben, für die das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn diese Umsätze im Inland bewirkt worden wären;
b) seiner nach … Artikel 15 … befreiten Umsätze;
c) seiner nach Artikel 13 Teil B Buchstaben a) und d) Nummern 1 bis 5 befreiten Umsätze, wenn der Leistungsempfänger außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit zur Ausfuhr in ein Land außerhalb der Gemeinschaft bestimmten Gegenständen zusammenhängen.“
7 Mit Artikel 1 Nummer 22 der Richtlinie 91/680 wurde in die ursprüngliche Fassung der Sechsten Richtlinie der Abschnitt XVIa eingefügt, der die Überschrift „Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten“ trägt und insbesondere die Artikel 28a bis 28f umfasst. Die Richtlinie 91/680 musste am 1. Januar 1993 in das nationale Recht umgesetzt sein.
8 Artikel 28a der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen auch
a) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der gegen Entgelt im Inland durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder aber durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist und als solcher handelt und für ihn die Steuerbefreiung gemäß Artikel 24 nicht gilt …
…“
9 Artikel 28b Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie erläutert:
„Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden.“
10 Artikel 28c Teil A Buchstabe a Absatz 1 und Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„A. Befreiung der Lieferung von Gegenständen
„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen:
a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5 … die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt.
…
B. Befreiung des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen
Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festsetzen:
a) den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen, deren Lieferung durch Steuerpflichtige im Inland auf jeden Fall steuerfrei wäre“.
11 Artikel 28f Nummer 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„1. Artikel 17 Absätze 2, 3 und 4 erhalten folgende Fassung:
…
(3) Die Mitgliedstaaten gewähren jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke:
…
b) seiner nach … Artikel 28c Teil A und Teil C befreiten Umsätze“.
12 Vor dem 1. Januar 1993 fielen die innergemeinschaftlichen Umsätze unter Artikel 15 der Sechsten Richtlinie mit der Überschrift „Steuerbefreiungen bei Ausfuhrumsätzen, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen“. Die Absätze 1 bis 3 und 13 dieses Artikels sahen in der vor Inkrafttreten der Richtlinien 91/680 und 92/111 geltenden Fassung vor:
„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
1. Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes versandt oder befördert werden;
2. Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht im Inland ansässigen Abnehmer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes versandt oder befördert werden …;
3. Dienstleistungen in Form von Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen, die - zur Ausführung dieser Arbeiten in dem in Artikel 3 bezeichneten Gebiet - erworben oder eingeführt worden sind und die vom Dienstleistungserbringer oder dem nicht im Inland ansässigen Leistungsempfänger oder für deren Rechnung nach Orten außerhalb dieses Gebietes versandt oder befördert werden;
…
13. andere als nach Artikel 13 befreite Dienstleistungen, einschließlich der Beförderungsleistungen und der dazugehörigen Leistungen, wenn sie unmittelbar mit der Durchfuhr oder Ausfuhr von Gegenständen oder mit der Einfuhr von Gegenständen zusammenhängen, auf die Artikel 14 Absatz 1 Buchstaben b) und c) und Artikel 16 Absatz 1 anwendbar sind“.
Nationales Recht
Luxemburgisches Recht
13 Artikel 43 Absatz 1 Buchstaben a und c des Gesetzes vom 12. Februar 1979 zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes vom 5. August 1969 über die Mehrwertsteuer (Memorial A 1979, S. 186, im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) bestimmte in der bis zum 1. Januar 1993 geltenden Fassung:
„In den Grenzen und unter den Voraussetzungen, die durch Großherzogliche Verordnung bestimmt werden, sind von der Mehrwertsteuer befreit:
a) Lieferungen von Gegenständen, die durch den Lieferanten oder durch einen Dritten für seine Rechnung ins Ausland versandt oder befördert werden;
…
c) Dienstleistungen, die im Rahmen einer aktiven Veredelung an Gegenständen erbracht werden, die für diesen Vorgang erworben oder eingeführt wurden und die vom Leistungserbringer oder von einem Dritten, der für seine Rechnung handelt, ins Ausland versandt oder befördert werden.“
14 In der nach diesem Zeitpunkt geltenden Fassung sieht Absatz 1 Buchstabe d dieses Artikels in der Fassung des Artikels II des Gesetzes vom 18. Dezember 1992 zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes vom 12. Februar 1979 über die Mehrwertsteuer (Memorial A 1992, S. 3032) vor:
„In den Grenzen und unter den Voraussetzungen, die durch Großherzogliche Verordnung bestimmt werden, sind von der Mehrwertsteuer befreit:
…
d) die an einen anderen Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit oder an eine in einem anderen Mitgliedstaat nicht steuerpflichtige juristische Person durchgeführten Lieferungen von Gegenständen im Sinne der Artikel 9 und 12 Buchstaben a bis e, die vom Lieferanten oder von einer dritten Person, die für seine Rechnung handelt, oder vom Erwerber oder einer dritten Person, die für seine Rechnung handelt, ins Ausland aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden …“
15 Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe l zweiter und dritter Gedankenstrich des Mehrwertsteuergesetzes lautet:
„In den Grenzen und unter den Voraussetzungen, die durch Großherzogliche Verordnung bestimmt werden, sind von der Mehrwertsteuer befreit:
…
l) die folgenden Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen:
…
– Dienstleistungen, die im Rahmen der gesetzlichen Berufsausübung der Zahntechniker erbracht werden;
– die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker im Rahmen ihrer gesetzmäßigen Berufsausübung.“
16 Artikel 49 Absätze 1 und Absatz 2 Buchstabe a des Mehrwertsteuergesetzes bestimmt:
„1. Nicht abgezogen werden kann die Mehrwertsteuer, die auf Gegenstände und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für befreite oder nicht in den Anwendungsbereich der Steuer fallende Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen verwendet werden.
…
2. Abweichend von den Bestimmungen des Absatzes 1 ist der Steuerpflichtige jedoch befugt, den Steuerabzug vorzunehmen, wenn die Gegenstände und Dienstleistungen benutzt werden für:
a) seine nach den Bestimmungen des Artikels 43 oder der dazu ergangenen Durchführungsverordnungen steuerbefreiten Umsätze.“
Deutsches Recht
17 Nach § 4 Nummer 14 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes (im Folgenden: UStG) gilt die Steuerbefreiung u. a. für Umsätze aus der Tätigkeit als Zahnarzt nicht für die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten, soweit sie der Unternehmer in seinem Unternehmen hergestellt oder wiederhergestellt hat.
18 Gemäß § 12 Absatz 2 Nummer 6 UStG werden diese Umsätze zu einem ermäßigten Satz besteuert.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
19 Eurodental ist eine Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg, deren Tätigkeit im Wesentlichen darin besteht, für in Deutschland niedergelassene Kunden Zahnersatz anzufertigen und zu reparieren.
20 Mit Bescheid vom 26. März 1997 lehnte die zuständige Steuerbehörde gegenüber Eurodental für die Besteuerungszeiträume 1992 und 1993 den Vorsteuerabzug für Gegenstände, die sie für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen für in Deutschland niedergelassene Kunden verwendet hatte, mit der Begründung ab, dass Artikel 44 des Mehrwertsteuergesetzes Vorrang vor Artikel 43 dieses Gesetzes in der vor und nach dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung habe, so dass Artikel 49 Absatz 2 Buchstabe a dieses Gesetzes, der den Vorsteuerabzug zulasse, nicht anwendbar sei.
21 Das Tribunal d’arrondissement (Luxemburg), bei dem Eurodental die Aufhebung und Abänderung dieses Bescheides beantragt hatte, entschied mit Urteil vom 16. Dezember 2002, dass der Vorsteuerabzug zu Unrecht abgelehnt worden sei. Das Gericht hatte zunächst festgestellt, dass die Artikel 43 und 44 jeweils unterschiedliche Umsätze beträfen, wobei Artikel 43 sich auf Umsätze erstrecke, die nicht für das Inland bestimmt seien, während Artikel 44 im Inland erbrachte Umsätze beträfe, und führte dann aus, dass Artikel 49 des Mehrwertsteuergesetzes den Vorsteuerabzug für die in Artikel 43 dieses Gesetzes – in seiner vor und nach dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung – genannten Umsätze ungeachtet der im Inland geltenden Regelung für die Mehrwertsteuerbefreiung erlaube. Aus keiner Vorschrift des innerstaatlichen Rechts könne auf einen Vorrang des Artikels 44 des Mehrwertsteuergesetzes vor dieser letztgenannten Vorschrift geschlossen werden.
22 Die zuständige Finanzbehörde legte beim vorlegenden Gericht Berufung ein. Die Cour d’appel stellte fest, dass die Frage des Vorrangs des Artikels 13 der Sechsten Richtlinie vor deren Artikel 28c durch den Gesetzestext nicht geregelt sei, und hat deshalb beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Fällt eine Lieferung von Gegenständen, die, wenn sie im Inland ausgeführt wird, nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreit ist und kein Recht auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 dieser Richtlinie eröffnet, in den Anwendungsbereich des Artikels 15 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie in seiner bis zum 1. Januar 1993 geltenden Fassung bzw. des ab dem 1. Januar 1993 geltenden Artikels 28c Teil A Buchstabe a und damit also in den Anwendungsbereich des Artikels 17 Absatz 3 Buchstabe b dieser Richtlinie, der ein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet, wenn die Lieferung von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft an einen Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erfolgt und der Tatbestand des Artikels 15 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie in seiner bis zum 1. Januar 1993 geltenden Fassung bzw. des ab dem 1. Januar 1993 geltenden Artikels 28c Teil A Buchstabe a erfüllt ist?
2. Fällt eine Dienstleistung, die, wenn sie im Inland ausgeführt wird, nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreit ist und kein Recht auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 dieser Richtlinie eröffnet, in den Anwendungsbereich des Artikels 15 Absatz 3 in seiner bis zum 1. Januar 1993 geltenden Fassung (wobei bis 1993 keine Befreiungsbestimmung vorgesehen war) und damit also in den Anwendungsbereich des Artikels 17 Absatz 3 Buchstabe b dieser Richtlinie, der ein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet, wenn die Dienstleistung von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft an einen Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbracht wird und der Tatbestand des Artikels 15 Absatz 3 in seiner bis zum 1. Januar 1993 geltenden Fassung erfüllt ist?
Zu den Vorlagefragen
23 Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu untersuchen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Umsätze wie die Anfertigung und Reparatur von Zahnersatz, die, wenn sie im Inland ausgeführt werden, als dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit von der Mehrwertsteuer befreit sind, zu einem Vorsteuerabzug führen können, wenn sie den Charakter von innergemeinschaftlichen Umsätzen haben.
24 Aus dem Wortlaut dieser Fragen ergibt sich, dass das Ersuchen zum einen vor dem 1. Januar 1993 durchgeführte Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen betrifft und zum anderen nach diesem Zeitpunkt durchgeführte Lieferungen von Gegenständen. Es bezieht sich dagegen nicht auf nach dem 1. Januar 1993 durchgeführte Dienstleistungen.
25 Artikel 13 Teil A der Sechsten Richtlinie sieht die Mehrwertsteuerbefreiung für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten vor, darunter, nach Absatz 1 Buchstabe e dieser Vorschrift, die von Zahntechnikern im Rahmen ihrer Berufsausübung erbrachten Dienstleistungen und die von diesen durchgeführte Lieferung von Zahnersatz.
26 Liefert ein Steuerpflichtiger einem anderen Steuerpflichtigen Gegenstände oder Dienstleistungen, die dieser für einen nach Artikel 13 Teil A dieser Richtlinie steuerbefreiten Umsatz verwendet, so ist Letzterer gemäß Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a dieser Richtlinie grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da in einem solchen Fall die betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen nicht für besteuerte Umsätze verwendet werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81, Becker, Slg. 1982, 53, Randnr. 44, und vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-302/93, Debouche, Slg. 1996, I-4495, Randnr. 16).
27 Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, ist im Ausgangsverfahren nicht streitig, dass die von Eurodental erbrachten Umsätze unter diese Vorschriften fallen, wenn sie im Inland des Mitgliedstaats durchgeführt werden, in dem diese Gesellschaft ihren Sitz hat. Mit seinem Ersuchen möchte das vorlegende Gericht folglich nur ermitteln, ob diese Umsätze weiterhin unter diese Vorschriften fallen, wenn sie für Kunden durchgeführt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall in Deutschland, niedergelassen sind.
28 Hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Umsätze sah Artikel 15 Absätze 1 bis 3 der Sechsten Richtlinie in der bis zum 1. Januar 1993 geltenden Fassung die Steuerbefreiung für Lieferungen und Dienstleistungen von Gegenständen vor, die nach Orten außerhalb des Mitgliedstaats versandt oder befördert werden. Seit diesem Zeitpunkt ist die Steuerbefreiung für solche Lieferungen in einen anderen Mitgliedstaat in Artikel 28c Teil A Buchstabe a Absatz 1 der Richtlinie vorgesehen. Nach Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie in der Fassung ihres Artikels 28f Nummer 1 erlauben solche Umsätze den Abzug der Vorsteuer im Mitgliedstaat des Beginns der innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung der Gegenstände (vgl. Urteil vom 6. April 2006 in der Rechtssache C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, Randnr. 30).
29 Die zuständige Steuerbehörde ist jedoch der Ansicht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden innergemeinschaftlichen Umsätze kein solches Recht auf Vorsteuerabzug eröffneten, da Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie, der eine besondere Steuerbefreiung vorsehe, Vorrang habe vor den in den Artikeln 15 und 28c Teil A Buchstabe a der Richtlinie vorgesehenen allgemeineren Bestimmungen.
30 Eurodental macht dagegen geltend, dass Artikel 13 der Sechsten Richtlinie einerseits und deren Artikel 15 und 28c andererseits unterschiedliche Anwendungsbereiche hätten, weshalb Artikel 13 keinen Vorrang vor diesen haben könne. Aus dem Wortlaut der Überschriften jeder dieser Vorschriften ergebe sich nämlich, dass Artikel 13 der Richtlinie nur auf Umsätze anwendbar sei, die im Inland des Mitgliedstaats erbracht worden seien, während Umsätze zwischen den Mitgliedstaaten unter die Artikel 15 und 28c der Richtlinie fielen.
31 In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass, wie Eurodental ausführt, Artikel 13 der Sechsten Richtlinie sich nach dem Wortlaut seiner Überschrift auf Steuerbefreiungen „im Inland“ bezieht, während sich ihr Artikel 15 in der bis zum 1. Januar 1993 geltenden Fassung und ihr Artikel 28c in der seit diesem Zeitpunkt geltenden Fassung nach dem Wortlaut ihrer jeweiligen Überschriften auf „Ausfuhrumsätze“ bzw. den „Handel… zwischen Mitgliedstaaten“ beziehen.
32 Entgegen dem Vorbringen der Eurodental ergibt sich daraus jedoch nicht, dass ein in Artikel 13 der Sechsten Richtlinie genannter Umsatz, der innergemeinschaftlichen Charakter hat, zwangsläufig und nur aus diesem Grund unter die Artikel 15 und 28c fällt, mit der Folge, dass dieser Umsatz unter Berücksichtigung der Verweisung in Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie auf diese Vorschriften zum Vorsteuerabzug führen könnte.
33 Die Sechste Richtlinie sieht nämlich nur in Ausnahmefällen, namentlich in Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer für Gegenstände oder Dienstleistungen vor, die für steuerfreie Umsätze verwendet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-4/94, BLP Group, Slg. 1995, I-983, Randnr. 23). Deshalb sind die in der Richtlinie in dieser Hinsicht verwendeten Begriffe eng auszulegen.
34 Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie verweist zwar allgemein auf deren Vorschriften, die die Steuerbefreiung für innergemeinschaftlichen Umsätze vorsehen, d. h. Artikel 15 für den Zeitraum bis zum 1. Januar 1993 und auf Artikel 28c für den Zeitraum danach, doch ist festzustellen, dass diese Vorschrift sich in keiner Weise auf die in Artikel 13 der Richtlinie zugunsten bestimmter Tätigkeiten vorgesehenen Steuerbefreiungen bezieht.
35 Vielmehr schloss vor dem 1. Januar 1993 Artikel 15 der Sechsten Richtlinie, auf den ihr Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b verwies, in seinem Absatz 13 ausdrücklich die gemäß Artikel 13 der Richtlinie steuerbefreiten Dienstleistungen aus, wenn sie unmittelbar mit bestimmten grenzüberschreitenden Leistungen zusammenhingen.
36 Darüber hinaus gewährt Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie in spezifischer Weise das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf bestimmte nach Artikel 13 Teil B dieser Richtlinie steuerbefreite Umsätze. Wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu Recht ausführt, wäre diese Vorschrift gegenstandslos, wenn die in Artikel 13 dieser Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen bereits von Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b erfasst würden.
37 Ungeachtet des oben wiedergegebenen Wortlauts der Überschriften der einschlägigen Vorschriften der Sechsten Richtlinie ergibt sich folglich aus der Prüfung ihres Inhalts, dass die gemäß Artikel 13 der Richtlinie befreiten Umsätze kein Recht auf Vorsteuerabzug begründen, selbst wenn diese Umsätze innergemeinschaftlichen Charakter haben.
38 Diese Auslegung, die sich schon aus dem Wortlaut der Sechsten Richtlinie ergibt, wird sowohl durch das von ihr verfolgte Ziel als auch durch ihre Systematik und den Grundsatz der steuerlichen Neutralität bestätigt.
39 Was erstens das von der Sechsten Richtlinie verfolgte Ziel betrifft, ist daran zu erinnern, dass nach Artikel 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, 71, S. 1301) das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf dem Grundsatz beruht, dass in der Gemeinschaft auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchssteuer anzuwenden ist (Beschluss vom 3. März 2004 in der Rechtssache C-395/02, Transport Service, Slg. 2004, I-1991, Randnr. 20).
40 Wenn aber, wie die zuständige Steuerbehörde und die Kommission zu Recht geltend machen, innergemeinschaftliche Umsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ein Recht auf Vorsteuerabzug im Abgangsmitgliedstaat eröffnen würden, könnten sie in der Gemeinschaft unter vollständiger Befreiung von der Mehrwertsteuer geliefert werden. Sind nämlich diese Umsätze in jedem Fall innerhalb des Bestimmungsmitgliedstaats nach Artikel 13 der Sechsten Richtlinie steuerbefreit, so müssten sie zum einen in diesem Mitgliedstaat als innergemeinschaftlicher Erwerb gemäß Artikel 28c Teil B Buchstabe a der Richtlinie steuerbefreit sein und dürften zum anderen nicht zur Erhebung von Mehrwertsteuer im Ursprungsstaat führen, da die Vorsteuer abgezogen würde und nach Artikel 28c Teil A Buchstabe a Absatz 1 der Richtlinie keine Besteuerung auf der folgenden Stufe erfolgen würde.
41 Nach der Zielsetzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und der durch die Richtlinie eingeführten Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten kann somit ein Steuerpflichtiger, dem eine Steuerbefreiung zugute kommt und der folglich nicht zum Abzug der innerhalb eines Mitgliedstaats gezahlten Vorsteuer berechtigt ist, dieses Recht auch dann nicht haben, wenn der betreffende Umsatz innergemeinschaftlichen Charakter hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Debouche, Randnr. 15).
42 Dieser Grundsatz ist in Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie festgelegt, da nach dieser Vorschrift das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer in Bezug auf einen im Ausland durchgeführten Umsatz ausgeschlossen ist, wenn dieser Umsatz nicht zu einem Abzug im Inland führt.
43 Zur Systematik der Sechsten Richtlinie ist, zweitens, zu bemerken, dass die in deren Artikel 13 Teil A vorgesehenen Steuerbefreiungen dadurch, dass sie nur für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten gelten, die dort einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind, von spezifischer Natur sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. November 2003 in der Rechtssache C-307/01, D’Ambrumenil und Dispute Resolution Services, Slg. 2003, I-13989, Randnr. 54). Dagegen ist die Steuerbefreiung zugunsten innergemeinschaftlicher Umsätze, die sich bis zum 1. Januar 1993 aus Artikel 15 dieser Richtlinie ergab und ab diesem Zeitpunkt in ihrem Artikel 28c vorgesehen ist, allgemeiner Natur, da sie sich in unbestimmter Weise auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten bezieht.
44 Unter diesen Umständen entspricht es der Systematik der Sechsten Richtlinie, dass der Regelung, die auf die spezifischen Steuerbefreiungen des Artikels 13 Teil A dieser Richtlinie anwendbar ist, Vorrang vor derjenigen zuerkannt wird, die auf die von der Richtlinie vorgesehenen allgemeinen Steuerbefreiungen betreffend innergemeinschaftliche Umsätze anwendbar ist.
45 Entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung steht Artikel 26b Teil G Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dieser Feststellung keineswegs entgegen. Auch wenn nämlich, wie die deutsche Regierung geltend macht, aus den Bestimmungen dieses Artikels, der eine Sonderregelung für die Besteuerung von Anlagegold enthält, gefolgert werden könnte, dass die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen betreffend dieses Produkt nicht zur Disposition eines Mitgliedstaats steht, während er unter bestimmten Umständen grundsätzlich davon absehen kann, die durch diese Regelung vorgesehene Steuerbefreiung auf spezifische Umsätze anzuwenden, die in diesem Mitgliedstaat bewirkt werden, so würde dieser Umstand in keiner Weise den Vorrang der ersten Steuerbefreiung vor der zweiten beweisen, sondern würde allenfalls bestätigen, dass jede dieser Steuerbefreiungen eigenen Regeln unterliegt, deren Inhalt und Zielsetzung unterschiedlich sind.
46 Was schließlich, drittens, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität anbelangt, so verbietet dieser insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Mai 2005 in der Rechtssache C-498/03, Kingscrest Associates und Montecello, Slg. 2005, I-4427, Randnr. 54).
47 Würden aber die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsätze, wenn sie innergemeinschaftlichen Charakter haben, das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, wäre dieser Grundsatz nicht beachtet, da dieselben Umsätze, wenn sie im Inland eines Mitgliedstaats ausgeführt werden, nicht zu einem Abzug führen. Damit wären Steuerpflichtige, die einen innergemeinschaftlichen Umsatz bewirken, besser gestellt als Steuerpflichtige, die inländische Umsätze bewirken (vgl. in diesem Sinne Urteil Debouche, Randnr. 19).
48 Nach dem Vorbringen der deutschen Regierung wendet die Bundesrepublik Deutschland die in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit Nummer 2 des Anhangs E dieser Richtlinie vorgesehene Übergangsregelung an, eine Regelung, die ihr erlaube, die in Rede stehenden Umsätze weiterhin zu besteuern, so dass diese einer Doppelbesteuerung unterliegen könnten, da sie in diesem Mitgliedstaat erneut gemäß dieser Vorschrift in Verbindung mit den Artikeln 28a Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz 1 und 28 b Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie besteuert werden könnten, obwohl die in Luxemburg entrichtete Vorsteuer nicht abgezogen werden könnte. Dagegen würden dieselben Umsätze, obwohl sie der Steuer unterlägen, wenn sie innerhalb dieses Mitgliedstaats bewirkt würden, zu einem Abzug führen. Daraus ergebe sich, dass in Deutschland niedergelassene Steuerpflichtige im Verhältnis zu ihren in Luxemburg niedergelassenen Wettbewerbern einen Vorteil hätten.
49 Diesem Vorbringen, dem die Kommission und die zuständige Steuerbehörde entgegentreten, kann nicht gefolgt werden.
50 Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist das Ergebnis einer schrittweisen Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften im Rahmen der Artikel 93 EG und 94 EG. Wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, ist diese Harmonisierung, wie sie durch aufeinander folgende Richtlinien und insbesondere durch die Sechste Richtlinie verwirklicht worden ist, erst eine teilweise Harmonisierung (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1989 in der Rechtssache C-165/88, ORO Amsterdam Beheer und Concerto, Slg. 1989, I-4081, Randnr. 21).
51 Somit steht die angestrebte Harmonisierung noch aus, soweit die Mitgliedstaaten nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie befugt sind, bestimmte vor dieser Richtlinie erlassene nationale Rechtsvorschriften beizubehalten, die ohne diese Befugnis mit der Richtlinie unvereinbar wären (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2000 in der Rechtssache C-36/99, Idéal tourisme, Slg. 2000, I-6049, Randnr. 38).
52 Zwar verstößt ein Mitgliedstaat, der, wie die Bundesrepublik Deutschland, solche Vorschriften in seinem nationalen Recht beibehält, nicht gegen die Sechste Richtlinie (vgl. in diesem Sinne, Urteil Idéal tourisme, Randnr. 38), doch handelt es sich bei der durch Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a dieser Richtlinie erlaubten Besteuerung nicht um eine harmonisierte Besteuerung, die Bestandteil der Mehrwertsteuerregelung ist, wie sie die Sechste Richtlinie für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten vorsieht, sondern um eine nur für einen vorübergehenden Zeitraum zugelassene Besteuerung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. März 2002 in der Rechtssache C-169/00, Kommission/Finnland, Slg. 2002, I-2433, Randnr. 34). Ziel des Artikels 28 Absatz 4 der Sechsten Richtlinie ist die Abschaffung einer solchen Ausnahme- und Übergangsregelung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-136/97, Norbury Developments, Slg. 1999, I-2491, Randnr. 19, und Idéal tourisme, Randnr. 32).
53 Es ist deshalb festzustellen, dass die besondere Situation, auf die sich die deutsche Regierung im vorliegenden Fall beruft, um den Abzug der Vorsteuer in Luxemburg zu rechtfertigen, eine Situation, die im Übrigen das vorlegende Gericht nicht veranlasst hat, in seinen Fragen nach der im jeweiligen Bestimmungsmitgliedstaat geltenden Mehrwertsteuerregelung zu differenzieren, sich sowohl daraus ergibt, dass die von der Übergangsregelung eingeräumte Möglichkeit, die in Rede stehenden Umsätze weiterhin zu besteuern, noch nicht abgeschafft wurde, als auch aus der Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland, für eine solche vorübergehende Ausnahmeregelung zu optieren; diese Situation ergibt sich demnach zwangsläufig daraus, dass die Mehrwertsteuer beim derzeitigen Stand vom Gemeinschaftsgesetzgeber noch nicht vollständig harmonisiert worden ist.
54 Die in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie vorgesehene Ausnahmeregelung muss eng ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Finnland, Randnr. 34), und ihre Reichweite kann folglich nicht auf die Mitgliedstaaten erstreckt werden, die dem in der Sechsten Richtlinie enthaltenen Grundsatz entsprochen haben, indem sie bestimmte in deren Artikel 13 aufgezählte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Steuer befreien. Es kann nämlich nicht zugelassen werden, dass die Verpflichtung dieser Mitgliedstaaten, nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a dieser Richtlinie, keinen Abzug der für diese befreiten Tätigkeiten entrichteten Vorsteuer zu gewähren, durch die Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats, für eine Ausnahme- und Übergangsregelung zu optieren, beeinträchtigt wird, zumal die Abschaffung dieser Regelung das von Artikel 28 Absatz 4 der Sechsten Richtlinie verfolgte Ziel darstellt.
55 Eine solche Erstreckung würde im Übrigen Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie widersprechen, da diese Vorschrift einem Mitgliedstaat, der, wie das Großherzogtum Luxemburg, den in Rede stehenden Umsatz in Anwendung des harmonisierten Systems, wie es in Artikel 13 dieser Richtlinie vorgesehen ist, von der Steuer befreit, nicht erlaubt, für diesen Umsatz eine Besteuerungsregelung einzuführen oder wiedereinzuführen und somit ein Recht auf Vorsteuerabzug zu eröffnen, und sei es auch, um eine eventuelle Wettbewerbsverzerrung, die gegen den gemeinschaftlichen Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt, dessen Ausprägung im Bereich der Mehrwertsteuer der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist, zu beseitigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Oktober 1991 in der Rechtssache C-35/90, Kommission/Spanien, Slg. 1991, I-5073, Randnrn. 8 und 9, und Idéal tourisme, Randnr. 33). Demgegenüber ist die Bundesrepublik Deutschland angesichts des Übergangscharakters der von ihr gewählten abweichenden Besteuerungsregelung durch nichts daran gehindert, sich entsprechend dem von Artikel 28 Absatz 4 der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziel dafür zu entscheiden, den in Rede stehenden Umsatz zur Beseitigung einer solchen Wettbewerbsverzerrung ebenfalls von der Steuer zu befreien, wie es diese Richtlinie grundsätzlich fordert (vgl. in diesem Sinne Urteil Idéal tourisme, Randnr. 33).
56 In dieser Hinsicht ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass das Beibehalten der in Rede stehende Ausnahme- und Übergangsregelung in einigen Mitgliedstaaten gegebenenfalls zu Wettbewerbsverzerrungen in Deutschland führen könnte, diesen Mitgliedstaat keinesfalls ermächtigen kann, seinerseits Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der Staaten zu schaffen, die die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie umgesetzt haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-74/91, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-5437, Randnr. 25). Dies wäre hier aber der Fall, wenn es Eurodental gestattet würde, die Mehrwertsteuer in Luxemburg abzuziehen, da in einem solchen Fall die inländischen Umsätze in diesem Mitgliedstaat, die kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, im Verhältnis zu den von dort aus bewirkten innergemeinschaftlichen Umsätzen benachteiligt wären.
57 Was die besondere Situation betrifft, auf die sich die deutsche Regierung beruft, ist es Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers, alles zu tun, um die endgültige Gemeinschaftsregelung der Mehrwertsteuerbefreiungen zu erlassen und so die schrittweise Harmonisierung des nationalen Rechts im Bereich der Mehrwertsteuer zu verwirklichen, die allein geeignet ist, die Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen, die sich aus den von der Sechsten Richtlinie zugelassenen Ausnahme- und Übergangsregelungen ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 1999 in der Rechtssache C-305/97, Royscot u. a., Slg. 1999, I-6671, Randnr. 31, und Idéal tourisme, Randnr. 39).
58 Folglich ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass ein Umsatz, der nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie innerhalb eines Mitgliedstaats von der Mehrwertsteuer befreit ist, ungeachtet der im Bestimmungsmitgliedstaat anwendbaren Mehrwertsteuerregelung kein Recht auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b dieser Richtlinie eröffnet, selbst wenn es sich um einen innergemeinschaftlichen Umsatz handelt.
Kosten
59 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Ein Umsatz, der nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinien 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen und 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 zur Einführung von Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer geänderten Fassung innerhalb eines Mitgliedstaats von der Mehrwertsteuer befreit ist, eröffnet ungeachtet der im Bestimmungsmitgliedstaat anwendbaren Mehrwertsteuerregelung kein Recht auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b dieser Richtlinie, selbst wenn es sich um einen innergemeinschaftlichen Umsatz handelt.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Französisch.