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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 18. Oktober 20071(1)

Rechtssache C-103/06

Philippe Derouin

gegen

Union pour le recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d’allocations familiales de Paris – Région parisienne (Urssaf)

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal des affaires de sécurité sociale de Paris [Frankreich])

„Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer – Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Art. 8, Art. 14a Abs. 2 und Art. 14d Abs. 1 – Selbständige – Allgemeiner Sozialbeitrag – Beitrag zur Begleichung der Sozialschuld – Berücksichtigung von Einkünften, die in einem anderen Mitgliedstaat erzielt und dort aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerbar sind“





I –    Einleitung

1.        In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof zur Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996(2) geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998(3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71)(4) sowie zu den Beziehungen befragt, die zwischen dieser Verordnung und den Vorschriften eines Steuerabkommens bestehen, das im vorliegenden Fall zwischen der Französischen Republik und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Verhinderung der Doppelbesteuerung von Einkünften abgeschlossen wurde, die ein Selbständiger erzielt, der in Frankreich wohnhaft und in diesem Mitgliedstaat sozialversichert ist sowie in diesen beiden Mitgliedstaaten nebeneinander selbständige Erwerbstätigkeiten ausübt.

2.        Genauer gesagt handelt es sich darum, ob die Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen sind, dass sie einen Mitgliedstaat, hier Frankreich, daran hindern, aufgrund der Vorschriften des betreffenden Doppelbesteuerungsabkommens darauf zu verzichten, für einen Teil der Einkünfte aus Tätigkeiten dieses Selbständigen Beiträge zu erheben, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

3.        Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gilt diese „für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene“.

4.        Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt: „Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.“

5.        Gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1408/71 unterliegt, soweit nicht die Art. 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.

6.        Art. 14a der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt, dass „[v]om Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe b) … folgende Ausnahmen und Besonderheiten [gelten]:

2.      Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt.

…“

7.        Gemäß Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 wird „[e]ine Person, für die … Artikel 14a Absätze 2, 3 und 4 … gilt, … für die Anwendung der nach diesen Bestimmungen bestimmten Rechtsvorschriften so behandelt, als ob sie ihre gesamte Erwerbstätigkeit oder ihre gesamten Erwerbstätigkeiten im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats ausübte“.

B –    Die nationalen Rechtsvorschriften und das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen der Französischen Republik und dem Vereinigten Königreich

8.        Der allgemeine Sozialbeitrag (contribution sociale généralisée, im Folgenden: CSG) wurde durch das Finanzgesetz Nr. 90-1168 vom 29. Dezember 1990(5) eingeführt, dessen Bestimmungen in den Art. L. 136-1 ff. des Code de la sécurité sociale (im Folgenden: CSS) kodifiziert worden sind.

9.        Gemäß Art. L. 136-1 CSS wird der CSG auf die Einkünfte aus Erwerbstätigkeiten und auf die Ersatzeinkünfte von natürlichen Personen erhoben, die ihren Wohnsitz für die Veranlagung zur Einkommensteuer in Frankreich haben und, aus welchem Grund auch immer, einem französischen Pflichtkrankenversicherungssystem angeschlossen sind. Auch die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit Selbständiger sind dem CSG unterworfen. Gemäß Art. L. 136-5 CSS wird der CSG auf Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit von den für die Erhebung der Beiträge zum allgemeinen System der sozialen Sicherheit zuständigen Einrichtungen nach den Regeln und mit den Garantien und Sanktionen, die für die Erhebung der Beiträge zum allgemeinen System für die gleiche Gruppe von Einkünften gelten, eingezogen. Gemäß Art. L. 136-8 CSS beträgt der Satz des auf die Einkünfte im Sinne von Art. L. 136-1 dieses Code erhobenen CSG 7,5 % ihres Bruttobetrags(6). Das Aufkommen aus dem CSG auf Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit und Ersatzeinkünfte wird nach dem in Art. L. 136-8 IV CSS festgelegten Verteilungsmodus an die Caisse nationale des allocations familiales (Nationalkasse für Familienbeihilfen), den Fonds de solidarité vieillesse (Solidaritätsfonds für das Alter)(7), die Pflichtkrankenversicherungen sowie seit dem 1. Juli 2004 an die Caisse nationale de solidarité pour l’autonomie (Nationale Solidaritätskasse für die Eigenständigkeit) überwiesen(8).

10.      Der Beitrag für die Begleichung der Sozialschuld (contribution pour le remboursement de la dette sociale, im Folgenden: CRDS) wurde durch Art. 14-1 der Ordonnance Nr. 96-50 vom 24. Januar 1996 über die Begleichung der Sozialschuld(9) (im Folgenden: Beschluss Nr. 96-50) eingeführt. Der CRDS wird auf die in den Art. L. 136-2 bis L. 136-4 und Art. 136-8 III CSS genannten Einkünfte unter den dort festgelegten Voraussetzungen erhoben. Der Satz ist auf 0,5 % der zu versteuernden Einkünfte festgesetzt und wird auf die vom 1. Februar 1996 bis 31. Januar 2009 bezogenen Einkünfte erhoben. Gemäß Art. 15 III Nr. 1 des Beschlusses Nr. 96-50 wird der CRDS auch auf ausländische Einkünfte aus Erwerbstätigkeit oder Ersatzeinkünfte, die in Frankreich der Einkommensteuer unterliegen, unter Beachtung der Steuerabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erhoben. Nach dem Beschluss Nr. 96-50 wird das Aufkommen des CRDS der Caisse d’amortissement de la dette sociale (Amortisationskasse für die Sozialschuld, CADES) überwiesen.

11.      Am 22. Mai 1968 unterzeichneten die Französische Republik und das Vereinigte Königreich ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerflucht bei der Einkommensteuer (im Folgenden: Doppelbesteuerungsabkommen), das am 29. Oktober 1969 in Kraft getreten ist(10).

12.      Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens gehören, was Frankreich betrifft, zu den Steuern, die in seinen Anwendungsbereich fallen, die Einkommensteuer natürlicher Personen, die Körperschaftsteuer sowie sämtliche Quellensteuern, Abzugsbeträge und Vorauszahlungen auf diese Steuern. Abs. 2 dieses Artikels bestimmt, dass das Doppelbesteuerungsabkommen auch gilt für „alle Steuern gleicher oder entsprechender Art, die einer der Vertragsstaaten oder die Regierung eines der Territorien, auf die das Abkommen erstreckt wird, den gegenwärtigen Steuern hinzufügt oder an deren Stelle setzt. Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten werden sich die Änderungen ihrer jeweiligen Steuervorschriften mitteilen.“

13.      Gemäß Art. 14 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens können Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus selbständigen Tätigkeiten erzielt, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, diese Person verfügt im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich über eine feste Einrichtung. Verfügt sie über eine solche Basis, so können die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugeordnet werden können. Abs. 2 dieser Vorschrift definiert als „selbständige Tätigkeiten“ alle Tätigkeiten mit Ausnahme gewerblicher oder landwirtschaftlicher Tätigkeiten, die von einer Person ausgeübt werden, die aus dieser Tätigkeit die Erträge bezieht oder die Verluste trägt.

14.      Den Akten ist zu entnehmen, dass das Doppelbesteuerungsabkommen ersetzt werden wird, sobald das am 28. Januar 2004 von der Französischen Republik und dem Vereinigten Königreich unterzeichnete Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerflucht bei Steuern auf das Einkommen und auf Kapitalerträge ratifiziert ist. In diesem Abkommen heißt es ausdrücklich, dass CSG und CRDS in seinen Anwendungsbereich fallen.

III – Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15.      Herr Derouin wohnt in Frankreich, wo er den Beruf eines selbständigen Rechtsanwalts ausübt; er ist zugleich Mitglied der Partnership englischen Rechts Linklaters. Linklaters hat ihren Hauptsitz im Vereinigten Königreich, unterhält jedoch Büros auch in anderen Ländern der Welt, darunter in Frankreich.

16.      Herr Derouin ist als avocat (Rechtsanwalt) bei der Cour d’appel de Paris (Frankreich) und zugleich als registered foreign lawyer beim Supreme Court of England and Wales (Vereinigtes Königreich) zugelassen. Er erbringt seine Leistungen als Rechtsanwalt im Rahmen der Tätigkeiten des Pariser Büros von Linklaters und wird mit einem Anteil an den Erträgen von Linklaters vergütet.

17.      Herr Derouin, der seinen steuerlichen Wohnsitz in Frankreich hat, wird in diesem Mitgliedstaat und in jedem anderen Staat, in dem Linklaters niedergelassen ist, aufgrund seines Anteils an den Erträgen jeder Niederlassung besteuert.

18.      Herr Derouin gehört einem französischen Pflichtkrankenversicherungssystem an und ist gleichzeitig bei der Union pour le recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d’allocations familiales de Paris – Région parisienne (Verband für die Erhebung der Beiträge der sozialen Sicherheit und der Familienbeihilfen Paris; im Folgenden: Urssaf) als Selbständiger eingetragen.

19.      Ab dem Jahr 2000 hat die Urssaf die Beiträge zur Familienbeihilfekasse sowie den CSG und den CRDS anhand der Erwerbseinkünfte berechnet, die Herr Derouin aus seiner Tätigkeit beim Büro Linklaters in Frankreich und aus seiner Beteiligung an den im Vereinigten Königreich von Linklaters erzielten Erträgen bezieht.

20.      Herr Derouin entrichtete seine Beiträge für die Familienbeihilfe, die aufgrund seiner gesamten Erwerbseinkünfte (einschließlich der aus dem Vereinigten Königreich stammenden) berechnet waren. Er wendet sich jedoch gegen die Entrichtung der als CSG und CRDS verlangten Beiträge aufgrund seiner britischen Einkünfte, weil diese Beiträge keine Beiträge zum System der sozialen Sicherheit seien, sondern als Steuern betrachtet werden müssten. Da die Einkünfte aus britischer Quelle nach dem Doppelbesteuerungsabkommen im Vereinigten Königreich besteuert würden, könnten dem CSG und dem CRDS nur die Einkünfte unterworfen werden, die in Frankreich besteuert werden könnten.

21.      Die Urssaf ist hingegen der Auffassung, dass die letztgenannten Beiträge ihrer Natur nach Beiträge zum System der sozialen Sicherheit seien, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fielen und daher auf der Grundlage der gesamten Einkünfte von Herrn Derouin sowohl französischen wie britischen Ursprungs zu berechnen seien.

22.      Das Tribunal des affaires de sécurité sociale de Paris hat zur Klärung dieser Frage mit Entscheidung vom 12. April 2005 die Cour de cassation um Stellungnahme dazu ersucht, ob der CSG und der CRDS als Steuern im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens zu betrachten seien.

23.      Nach Auffassung der Cour de cassation ist „[d]ie Frage, ob die Verordnung Nr. 1408/71 … dahin auszulegen ist, dass sie einer Regelung in einem Abkommen wie dem französisch-britischen Abkommen vom 22. Mai 1968 entgegensteht, wonach Einkünfte, die im Vereinigten Königreich von Arbeitnehmern oder Selbständigen erzielt werden, die in Frankreich wohnen und dort sozialversichert sind, nicht in die Bemessungsgrundlage für den [CSG] und den [CRDS], die in Frankreich erhoben werden, eingehen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorzulegen“.

24.      In der Erwägung, dass die Frage der Rechtsnatur des CSG und des CRDS für die Lösung des ihm vorliegenden Problems entscheidend und die Entscheidung des Ausgangsverfahrens davon abhängig ist, ob die Anwendung der Vorschriften des Doppelbesteuerungsabkommens auf den CSG und den CRDS gegen Gemeinschaftsvorschriften verstößt, hat das Tribunal des affaires de sécurité sociale de Paris das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Vorabentscheidungsfrage vorgelegt:

Ist die Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass sie einer Regelung in einem Abkommen wie dem französisch-britischen Abkommen vom 22. Mai 1968 entgegensteht, wonach Einkünfte, die im Vereinigten Königreich von Arbeitnehmern oder Selbständigen erzielt werden, die in Frankreich wohnen und dort sozialversichert sind, nicht in die Bemessungsgrundlage für den allgemeinen Sozialbeitrag (CSG) und den Beitrag zur Begleichung der Sozialschuld (CRDS), die in Frankreich erhoben werden, eingehen?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

25.      Herr Derouin, die Urssaf, die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs schriftliche Erklärungen abgegeben. Diese Beteiligten haben sich in der Sitzung vom 7. März 2007 auch mündlich geäußert.

V –    Untersuchung

A –    Vorbemerkungen

26.      Die Verordnung Nr. 1408/71 führt ein System zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten ein und enthält eine Reihe von Vorschriften, die für jeden Einzelfall die anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit festlegen. Diese Vorschriften sollen sicherstellen, dass eine Person, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, grundsätzlich nur den Vorschriften eines einzigen Mitgliedstaats unterworfen ist (sogenannter Grundsatz der „Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften“(11)) und folglich Beiträge zum System der sozialen Sicherheit nur in dem Mitgliedstaat zu entrichten hat, dessen Rechtsvorschriften anwendbar sind. Das mit der Verordnung Nr. 1408/71 eingeführte System zur Lösung von Kollisionen der Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit soll ergänzend insbesondere verbieten, dass ein Erwerbstätiger, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, für das gleiche Einkommen zweimal Beiträge zu entrichten hat(12).

27.      Die Ziele, die für die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen kennzeichnend sind, sind nicht weit entfernt von denen, die von der Verordnung Nr. 1408/71 bezüglich der Beiträge zum System der sozialen Sicherheit verfolgt werden. Während die Erstgenannten nämlich die Vertragsstaaten in die Lage versetzen sollen, mangels einschlägiger Maßnahmen zur Vereinheitlichung oder Harmonisierung im Rahmen der Gemeinschaft die Besteuerungszuständigkeit in der Weise unter sich aufzuteilen, dass die Doppelbesteuerung derselben in dem einen oder dem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünfte vermieden oder abgemildert wird(13), verbietet die Verordnung grundsätzlich bei Personen, die in ihren Anwendungsbereich fallen, die doppelte Beitragserhebung auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit, die sich für das gleiche Einkommen bei gleichzeitiger Anwendung zweier einzelstaatlicher Regelungen der sozialen Sicherheit ergeben würde(14).

28.      Man könnte daher die Auffassung vertreten, dass die Rechtsnormen zur Lösung der Rechtskollision, die im Rahmen dieser beiden – internationalen bzw. gemeinschaftlichen – Typen von Rechtsinstrumenten festgelegt sind, jede für sich für die Materie gelten, die sie betreffen, ohne dass a priori zwischen ihnen eine Beziehung oder gar eine kollisionsrechtliche Beziehung bestünde.

29.      Die Lage wird indessen durch etwas kompliziert, das manche „die schrittweise Fiskalisierung der sozialen Sicherheit“(15) nennen, eine Praktik oder ein Phänomen, das im Kern darin besteht, die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit durch die Erhebung von Geldbeträgen zu finanzieren, die zumindest nach dem nationalen Recht die Merkmale von Steuern aufweisen, vom Standpunkt des Gemeinschaftsrechts aus aber möglicherweise in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen. Bei dieser Fallgestaltung, die genau der hier zur Prüfung anstehenden Rechtssache entspricht, stellt sich, wie ich in meinen Schlussanträgen näher darlegen werde, die Frage des Verhältnisses zwischen der Verordnung Nr. 1408/71 und den Doppelbesteuerungsabkommen.

30.      Nicht zum ersten Mal wird der Gerichtshof in einem Rechtsstreit angerufen, der sich um die Frage dreht, ob der CSG und/oder der CRDS seiner Natur nach eine Steuer oder ein Beitrag zum System der sozialen Sicherheit ist.

31.      Ganz wie in den Rechtssachen, in denen die Urteile Kommission/Frankreich ergangen sind, in denen der Gerichtshof davon ausgegangen ist, dass die Qualifizierung einer Abgabe nach nationalem Recht als Steuer nicht bedeute, dass die beiden fraglichen Beiträge nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen könnten, weil diese speziell und unmittelbar der Finanzierung der sozialen Sicherheit in Frankreich dienten und daher in einem unmittelbaren und hinreichend relevanten Zusammenhang mit den Vorschriften für die einzelnen in Art. 4 dieser Verordnung aufgeführten Zweige der sozialen Sicherheit stünden(16), bin ich, anders als es die Gründe des Vorlagebeschlusses nahelegen, nicht der Meinung, dass die vorliegende Rechtssache Anlass für den Gerichtshof sein sollte, die Frage der Rechtsnatur dieser Beiträge zu entscheiden.

32.      Im vorliegenden Fall genügt nämlich der Hinweis, dass keiner der Beteiligten, die beim Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache Erklärungen eingereicht haben, wie die französische Regierung im Übrigen in der Sitzung eingeräumt hat, vor dem Hintergrund der vorgenannten Urteile und, was den CSG betrifft, des jüngeren und nicht ganz eindeutigen Urteils Perez Naranjo(17), ernsthaft bestreitet, dass der CSG und der CRDS in den materiellen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen. Jedenfalls wäre es, falls der CRDS, wie Herr Derouin vor dem Gerichtshof darzulegen versucht hat, seit dem Jahr 2002 nicht mehr den in den Urteilen Kommission/Frankreich genannten Kriterien entsprechen sollte, Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die etwaigen durch die französische Regelung erfolgten Änderungen in Bezug auf diesen Beitrag dazu führen könnten, dass der CRDS nicht mehr speziell und unmittelbar für die Finanzierung des Systems der sozialen Sicherheit dieses Staates verwendet würde, sondern im Gegenteil dazu bestimmt wäre, zur Deckung der allgemeinen Lasten der öffentlichen Hand beizutragen, was ihn den Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 entzöge. Freilich verlöre, wenn dem so sein sollte und wenn der CRDS in den Anwendungsbereich des Doppelbesteuerungsabkommens fiele, die Vorabentscheidungsfrage einen Teil ihrer Erheblichkeit. Gleichwohl ist die Prämisse der Vorabentscheidungsfrage, dass der CRDS ebenso wie der CSG in den materiellen Anwendungsbereich der Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 fällt. Von dieser Prämisse ist daher im Folgenden auszugehen.

33.      Im Übrigen ist klarzustellen, dass der Gerichtshof – zu Recht – nicht zur Auslegung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der französischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs und insbesondere zu dem Problem befragt wird, ob der CSG und der CRDS in den Anwendungsbereich dieses Abkommens fallen. Der Gerichtshof ist nämlich ausschließlich für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zuständig, selbst wenn er gegebenenfalls, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Auslegung dieses Rechts zu geben, die Vorschriften eines Doppelbesteuerungsabkommens berücksichtigen kann, wenn das vorlegende Gericht dieses als Teil des auf das Ausgangsverfahren anwendbaren rechtlichen Rahmens anführt(18). Im vorliegenden Fall ist, um der Vorabentscheidungsfrage des vorlegenden Gerichts praktische Wirksamkeit zu geben, von dem Postulat auszugehen, dass der CSG und der CRDS gemäß Art. 1 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens von dessen Vorschriften erfasst werden.

34.      Außerdem weist die vorliegende Rechtssache anders als die Rechtssachen, in denen die Urteile Kommission/Frankreich ergangen sind, nicht die Problematik der kumulativen, nach den Art. 13 ff. der Verordnung Nr. 1408/71 untersagten Anwendung der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats des Wohnsitzes der Erwerbstätigen und des Mitgliedstaats ihrer Beschäftigung auf, weil nämlich im vorliegenden Fall feststeht, dass, wie das vorlegende Gericht deutlich gemacht hat, Herr Derouin als Selbständiger mit Wohnsitz in Frankreich, der dort sozialversichert ist, den französischen Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit unterliegt und das Vereinigte Königreich, wie dessen Regierung in der Sitzung bestätigt hat, keinerlei Beitrag zum System der sozialen Sicherheit auf die Einkünfte von Herrn Derouin erhebt, die dieser aus seiner Tätigkeit im Vereinigten Königreich bezieht.

35.      Das vorlegende Gericht hat, worauf die französische und die Regierung des Vereinigten Königreichs treffend hingewiesen haben, nicht eindeutig angegeben, nach welcher Vorschrift der Verordnung Nr. 1408/71 Herr Derouin in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen soll. Es hat insoweit einerseits auf Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1408/71 abgestellt, der im Sinne des Grundsatzes der Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines einzigen Mitgliedstaats bestimmt, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Staates auch dann unterliegt, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt, und zum anderen auf Art. 14a Abs. 2 dieser Verordnung, der abweichend von Art. 13 Abs. 2 Buchst. b festlegt, dass eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt.

36.      Die Unschlüssigkeit des vorlegenden Gerichts lässt sich, wie es scheint, dadurch erklären, dass Herr Derouin im Vereinigten Königreich Einkünfte als Mitglied von Linklaters bezieht, zugleich aber seine Erwerbstätigkeit als Selbständiger konkret in Frankreich ausübt, wo er wohnt. Diese Unschlüssigkeit scheint auch durch die Argumentation von Herrn Derouin hervorgerufen worden zu sein, der die Auffassung vertritt, dass er seiner Erwerbstätigkeit ausschließlich in Frankreich nachgehe, und damit anscheinend zugleich die Anwendbarkeit der Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 leugnet, weil er sich nicht auf das Freizügigkeitsrecht, hier die Niederlassungsfreiheit, berufen hat. In der Sitzung hat auch die französische Regierung die Frage der Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1408/71 für den Fall aufgeworfen, dass das vorlegende Gericht davon ausgehen sollte, dass Herr Derouin seiner Erwerbstätigkeit nur in Frankreich nachgeht und aus dem Vereinigten Königreich lediglich Einkünfte bezieht, was ihm die Rechtsstellung als Wanderselbständiger nehmen würde. Nach Ansicht dieser Regierung wäre, wenn dies der Fall sein sollte, das Problem der Vereinbarkeit des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Verordnung Nr. 1408/71 hinfällig.

37.      Naturgemäß ist es im Rahmen des Verfahrens nach Art. 234 EG nicht Sache des Gerichtshofs, die Tatsachen zu ermitteln oder die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts auf einen gegebenen Fall anzuwenden oder gar die Vereinbarkeit des staatlichen Rechts oder eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Gemeinschaftsrecht zu prüfen. Sollte indessen das vorlegende Gericht die von Herrn Derouin und der französischen Regierung in Aussicht genommene faktische Fallgestaltung bestätigen, würde sie damit der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof in Beantwortung der gestellten Vorabentscheidungsfrage vornehmen wird, die praktische Wirksamkeit nehmen.

38.      Diese Gefahr scheint mir indessen aus zwei Gründen gering zu sein. Zum einen hat das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluss bereits erwogen, dass Herr Derouin sehr wohl in den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fällt, ohne dass der Gerichtshof diese Einschätzung in Frage zu stellen hätte. Zum anderen ergibt sich aus den Akten, dass Herr Derouin die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens für sich in Anspruch nehmen möchte, der im Kern die Anwendung der Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs vorsieht, wenn ein in Frankreich Wohnhafter gewöhnlich im erstgenannten Vertragsstaat über eine feste Basis für die Ausübung seiner selbständigen Erwerbstätigkeit verfügt. Es ist daher kaum vorstellbar, dass Herr Derouin nicht auch im Vereinigten Königreich einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen sollte, wo er ja auch bekanntlich beim Supreme Court of England and Wales als registered foreign lawyer zugelassen ist. Für mich hat es daher den Anschein, dass die Anwendbarkeit des Art. 14a Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 auf einen Fall wie den von Herrn Derouin keineswegs ausgeschlossen ist, so dass auch dieses Postulat bei der Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts zu berücksichtigen ist.

39.      Die am vorliegenden Verfahren Beteiligten streiten letztlich über etwas ganz anderes. Es geht im Kern um die Frage, ob die Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 so auszulegen sind, dass sie einen Mitgliedstaat, der aufgrund dieser Verordnung befugt wäre, Beiträge wie den CSG und den CRDS auf der Bemessungsgrundlage der von einem selbständigen und in diesem Mitgliedstaat sozialversicherten Erwerbstätigen erzielten Einkünfte einschließlich des Anteils der in diesem Mitgliedstaat zu versteuernden Einkünfte dieses Erwerbstätigen aus einem anderen Mitgliedstaat zu erheben(19), daran hindern, auf die Beitragserhebung auf die letztgenannten Einkünfte deshalb zu verzichten, weil diese Beiträge unter das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen diesen beiden Mitgliedstaaten fallen.

40.      Anders formuliert geht die Frage dahin, ob die Verordnung Nr. 1408/71 dem zuständigen Mitgliedstaat vorschreibt, in die Bemessungsgrundlage für Beiträge wie CSG und CRDS die Einkünfte aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit eines Selbständigen in einem anderen Mitgliedstaat einzubeziehen, der im erstgenannten Mitgliedstaat sozialversichert ist.

B –    Pflicht zur Einbeziehung sämtlicher Einkünfte aus selbständigen Tätigkeiten des Selbständigen in die Bemessungsgrundlage für Beiträge wie den CSG und den CRDS (Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71)

41.      Zur Beantwortung der in der vorstehenden Nummer formulierten Frage ist vor allem darauf hinzuweisen, dass die mit der Verordnung Nr. 1408/71 getroffene Regelung lediglich eine Koordinierungsregelung ist, die sich u. a. in ihrem Titel II (zu dem die Art. 13 und 14 gehören) mit der Festlegung der Rechtsvorschriften befasst, die auf Arbeitnehmer und Selbständige anzuwenden sind, die unter verschiedenen Umständen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen(20). In Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene ist es, wie der Gerichtshof festgestellt hat, Sache des Rechts des jeweils betroffenen Mitgliedstaats, die Voraussetzungen des Rechts oder der Pflicht, sich bei einem System der sozialen Sicherheit zu versichern, sowie die Höhe der von den Versicherten zu zahlenden Beiträge und die bei der Berechnung dieser Beiträge zu berücksichtigenden Einkünfte festzulegen(21).

42.      Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof im Urteil Nikula die Auffassung zurückgewiesen, dass ein Mitgliedstaat die Sozialbeiträge nicht nach den von einem anderen Mitgliedstaat gezahlten Renten bemessen dürfe(22). In einem Fall nämlich, in dem ein Träger des Wohnmitgliedstaats eine Rente gewährt und ein Träger dieses Staates für die Deckung der Krankenversicherungskosten sorgt, ist dieser Staat nach Meinung des Gerichtshofs durch keine Bestimmung der Verordnung Nr. 1408/71 daran gehindert, die Höhe der Sozialbeiträge eines dort Ansässigen anhand des Gesamtbetrags seiner Einkünfte zu berechnen, gleichviel, ob sie von Renten aus dem Wohnmitgliedstaat stammen oder von Renten aus anderen Mitgliedstaaten(23). Der Gerichtshof hat indessen allgemein darauf hingewiesen, dass der betreffende Mitgliedstaat bei der Ausübung seiner Zuständigkeit das Gemeinschaftsrecht zu beachten habe(24), was in jener Rechtssache bedeutete, dass das vom Wohnmitgliedstaat geschaffene System die Krankenversicherungsbeiträge berücksichtigen musste, die die Rentenberechtigten während der Jahre ihrer Tätigkeit in einem anderen als dem Wohnmitgliedstaat bereits entrichtet hatten(25).

43.      Schreiben nun die Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 das, was sie im eben dargelegten Beispielsfall nicht verbieten, dem Wohnmitgliedstaat bei der Berechnung von Beiträgen wie dem CSG und dem CRDS anhand sämtlicher Einkünfte eines Selbständigen wie Herrn Derouin verbindlich vor?

44.      Herr Derouin und die französische Regierung schlagen vor, diese Frage zu verneinen. Sie sind im Kern der Meinung, dass die Befreiung von der Zahlung des CSG und des CRDS, die Herrn Derouin aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens zugutekommen soll, die Grundsätze der Verordnung Nr. 1408/71, darunter den Grundsatz der Einheitlichkeit der anzuwendenden Rechtsvorschriften, nicht in Frage stelle, da Herr Derouin den französischen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit unterworfen bleibe und weiterhin in den Genuss sämtlicher Leistungen komme, die diese vorsähen.

45.      Demgegenüber sind die Urssaf und die Kommission insbesondere im Hinblick auf das Urteil Allard(26) der Auffassung, dass die Verordnung Nr. 1408/71 einen Mitgliedstaat daran hindere, auf die Erhebung von Beiträgen zu verzichten, die in ihren Anwendungsbereich fielen. Während die Regierung des Vereinigten Königreichs in ihren schriftlichen Erklärungen einen Standpunkt vertreten hatte, der dem von Herrn Derouin und der französischen Regierung vertretenen entsprach, hat sie sich in der Sitzung der Argumentation der Kommission angeschlossen, die insbesondere die Auffassung vertreten hat, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Abgabenzuständigkeit das Gemeinschaftsrecht zu beachten hätten.

46.      Es ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 „[e]ine Person, für die Artikel … 14a Abs[atz] 2 … gilt, … für die Anwendung der nach diesen Bestimmungen bestimmten Rechtsvorschriften so behandelt [wird], als ob sie ihre gesamte Erwerbstätigkeit oder ihre gesamten Erwerbstätigkeiten im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats ausübte“(27).

47.      Wie die Generalanwälte Jacobs und Ruiz-Jarabo Colomer zu Recht klargestellt haben, regelt Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 die Zusammensetzung der Berechnungsgrundlage für die Beiträge zu den innerstaatlichen Systemen der sozialen Sicherheit von Personen, für die er gilt, so dass die Beiträge, die in dem Mitgliedstaat geleistet werden, dessen Rechtsvorschriften maßgebend sind, auf der Grundlage der Gesamteinkünfte der Person aus allen betroffenen Mitgliedstaaten berechnet werden(28).

48.      Der Gerichtshof hat diese Einschätzung im Urteil Allard bestätigt. Herr Allard, der in Belgien wohnte und Einkünfte aus selbständigen Erwerbstätigkeiten in diesem Mitgliedstaat und in Frankreich bezog, bestritt dem Königreich Belgien das Recht, die Bemessungsgrundlage für einen sogenannten „Dämpfungsbeitrag“, der dem System der Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Selbständigen zugeführt wurde, aber kein Recht auf Gegenleistungen aus dem System der sozialen Sicherheit begründete, an der Gesamtheit dieser Einkünfte auszurichten(29).

49.      Der Gerichtshof wurde von einem belgischen Gericht in erster Linie zu dem Problem befragt, ob die Art. 13 ff. der Verordnung Nr. 1408/71 der Erhebung einer Abgabe wie des Dämpfungsbeitrags auf den Gesamtbetrag der Einkünfte eines Selbständigen in einem Mitgliedstaat entgegenstehen, der im Gebiet dieses Staates wohnt, aber selbständige Erwerbstätigkeiten sowohl im Wohnstaat als auch in einem anderen Mitgliedstaat ausübt.

50.      Ausgehend davon, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in der Tat in den materiellen und persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 falle und für Herrn Allard gemäß Art. 14a Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 die belgischen Rechtsvorschriften gälten(30), hat der Gerichtshof unter Hinweis auf Art. 14d Abs. 1 dieser Verordnung entschieden, dass „eine Person, die sich in der in der Vorlageentscheidung beschriebenen Lage befindet und gleichzeitig selbständige Erwerbstätigkeiten in Belgien und in Frankreich ausübt, aufgrund dieser letztgenannten Tätigkeit den entsprechenden belgischen Rechtsvorschriften unter den gleichen Voraussetzungen unterliegen muss, als wenn sie diese selbständige Erwerbstätigkeit in Belgien ausübte“(31). Daraus ergibt sich für den Gerichtshof, dass ein Sozialbeitrag wie der von Herrn Allard in Belgien geschuldete Dämpfungsbeitrag „unter Berücksichtigung der in Frankreich erzielten Einkünfte zu berechnen ist“(32). Der Gerichtshof hat daher abschließend festgestellt, dass „die Artikel 13 ff. der Verordnung Nr. 1408/71 es erfordern, dass ein Beitrag wie der Dämpfungsbeitrag so festgesetzt wird, dass die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, dessen Sozialvorschriften anwendbar sind, erzielten Einkünfte in die Erwerbseinkünfte einbezogen werden“, obwohl die Zahlung dieses Beitrags keinen Leistungsanspruch eröffnet(33).

51.      Es ist etwas seltsam, dass der Gerichtshof in der Begründung dieses Urteils nicht den meines Erachtens entscheidenden Satzteil des Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 angesprochen hat, wonach „für die Anwendung der nach diesen Bestimmungen bestimmten Rechtsvorschriften“ die gesamten in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeiten denen im nach der Verordnung zuständigen Mitgliedstaat ausgeübten für die Erhebung der Beiträge zum System der sozialen Sicherheit gleichgestellt werden(34). Die Erwähnung dieses Satzteils hätte eine bessere Verbindung der Randnrn. 21 bis 23 der Gründe des Urteils hergestellt, indem deutlich gemacht worden wäre, dass Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dem selbständig Erwerbstätigen insbesondere garantiert, dass die Berechnung der Beiträge zum System der sozialen Sicherheit entsprechend den in Art. 14a Abs. 2 dieser Verordnung bestimmten Vorschriften durchgeführt wird.

52.      Gleichwohl ergibt sich, wie die Kommission dargelegt hat, insbesondere aus der im Urteil Allard vertretenen Auslegung des Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71, dass der Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften in Art. 14a Abs. 2 als anwendbar bestimmt werden, die Beiträge, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, auf sämtliche Einkünfte des Selbständigen erheben muss, die dieser aus selbständigen Tätigkeiten in diesem Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften anwendbar sind, und einem anderen Mitgliedstaat erzielt(35).

53.      Ergänzt sei übrigens, dass in der vorliegenden Rechtssache weder Herr Derouin noch die französische Regierung bezweifeln, dass anders als der CSG und der CRDS die Familienbeiträge, die von Herrn Derouin entrichtet werden, zu Recht anhand der gesamten Einkünfte bemessen werden, die dieser bei der Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten in Frankreich und im Vereinigten Königreich erzielt. Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts – und daher unabhängig von der Einstufung im nationalen französischen Recht – muss die Bemessungsgrundlage für den CSG und den CRDS, weil beide in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, gemäß Art. 14d Abs. 1 dieser Verordnung an der Gesamtheit der Einkünfte von Herrn Derouin ausgerichtet werden.

54.      Die Verpflichtung, die sich aus Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ergibt, ist wohl mit dem Bestreben zu erklären, auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit die Gleichbehandlung der Wandererwerbstätigen auf der einen und aller Erwerbstätigen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats tätig sind, auf der anderen Seite so gut wie möglich sicherzustellen.

55.      Zunächst hat der Gerichtshof, was die Gleichbehandlung der Wanderarbeitnehmer betrifft, im Urteil Hervein u. a. klargestellt, dass Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71, der auch für einen Erwerbstätigen gilt, der im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine unselbständige und eine selbständige Tätigkeit ausübt, gemäß Art. 14c Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 verhindern soll, dass er „für einen Teil seiner Tätigkeiten überhaupt nicht von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit erfasst wird“(36).

56.      Gewiss unterscheidet sich der Kontext, in dem diese Klarstellung erfolgt ist, von dem der vorliegenden Rechtssache. Im Urteil Hervein u. a. ist der Gerichtshof nämlich zur Gültigkeit der in Art. 14c Buchst. b der Verordnung Nr. 1408/71 und in deren Anhang VII vorgesehenen Ausnahme vom Grundsatz der Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats befragt worden, die für die in diesem Anhang genannten Mitgliedstaaten die gleichzeitige Anwendung der Rechtsvorschriften der beiden Mitgliedstaaten zulässt, in deren Gebiet der Erwerbstätige sowohl eine unselbständige als auch eine selbständige Tätigkeit ausübt. Nach Bestätigung der Gültigkeit der genannten Vorschriften hat der Gerichtshof das in Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 zum Ausdruck gekommene Bestreben des Gemeinschaftsgesetzgebers herausgestellt, die Gleichbehandlung der in Art. 14c Buchst. a und b angeführten Erwerbstätigen sicherzustellen, um zu vermeiden, dass im Gegensatz zu denen, die der gleichzeitigen Anwendung der Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten nach Buchst. b dieses Artikels für jede ihrer Tätigkeiten unterliegen(37), diejenigen, die gemäß Art. 14c Buchst. a den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen, für einen Teil ihrer Tätigkeiten überhaupt nicht von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit erfasst werden.

57.      Ich meine jedoch, dass die Auslegung des Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in seinem Verhältnis zu Art. 14a Abs. 2 dieser Verordnung nicht grundlegend von der im Urteil Hervein u. a. gegebenen abweichen kann. Genauer gesagt ist die Fassung des Art. 14d Abs. 1 dieser Verordnung hinreichend klar, um die Annahme zu rechtfertigen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit lassen wollte, sich bilateral darauf zu einigen, dass ein Erwerbstätiger, der in ihrem jeweiligen Gebiet selbständigen Erwerbstätigkeiten nachgeht, für einen Teil seiner Tätigkeiten überhaupt nicht von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit erfasst wird.

58.      Gleichwohl wird man sagen können, dass dies im Ausgangsverfahren nicht der Fall ist. Der Verzicht Frankreichs auf die Erhebung des CSG und des CRDS auf die Einkünfte von Herrn Derouin als Selbständigem im Vereinigten Königreich führt nämlich nicht zu einem vollständigen Wegfall der in Frankreich geschuldeten Sozialabgaben für diese Tätigkeiten und damit zur Nichtanwendung jeglicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit auf diese Tätigkeiten, da Herr Derouin, wie vorstehend in Nr. 53 ausgeführt, weiterhin nach den französischen Rechtsvorschriften auf sämtliche Einkünfte aus seinen Erwerbstätigkeiten als Selbständiger in den beiden Mitgliedstaaten u. a. Familienbeiträge entrichtet.

59.      Schließlich soll Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in Verbindung mit Art. 14a Abs. 2 dieser Verordnung, wenn er Selbständige, die einer selbständigen Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten nachgehen, für ihre sämtlichen Einkünfte den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterstellt, auch die Gleichbehandlung aller im Gebiet nur eines Mitgliedstaats beschäftigten Erwerbstätigen sicherstellen, ohne diejenigen zu bestrafen, die ihr Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen(38).

60.      Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Pflicht, Beiträge, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, auf der Grundlage sämtlicher Einkünfte aus selbständigen Erwerbstätigkeiten zu berechnen, die ein Erwerbstätiger im Sinne von Art. 14a Abs. 2 dieser Verordnung erzielt, nach der Rechtsprechung mit Art. 43 EG vereinbar ist(39).

61.      Herr Derouin und die französische Regierung sind indessen im Wesentlichen der Ansicht, dass die Verordnung Nr. 1408/71 einen Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften aufgrund der Verordnung maßgebend sind, nicht daran hindert, aufgrund seiner in nationales Recht umgesetzten Verpflichtungen aus steuerrechtlichen Abkommen den Erwerbstätigen, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, im Vergleich zu demjenigen besserzustellen, der seine sämtlichen selbständigen Tätigkeiten in diesem Mitgliedstaat ausübt.

62.      Auf den ersten Blick und ohne damit der Behauptung entgegentreten zu wollen, dass Herr Derouin aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens (zumindest unter dem Blickwinkel der Verfügbarkeit der Nettoeinkünfte aus der Ausübung seiner selbständigen Erwerbstätigkeiten) eine günstigere Behandlung erfährt als ein Selbständiger, der vergleichbare Tätigkeiten ausschließlich in Frankreich ausübt, erscheint diese Analyse überzeugend. Sie begegnet indessen mehreren Hindernissen, wie im Folgenden zu erläutern sein wird.

C –    Zu den Hindernissen der Anwendung einer durch Abkommen begründeten Ausnahme von der Verpflichtung nach Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71

63.      Wie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission zu Recht unterstrichen haben, müssen die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung die ihnen verbliebenen Befugnisse, insbesondere im Bereich der direkten Steuern, unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben(40). Wie oben in Nr. 27 dargelegt, bleiben die Mitgliedstaaten, soweit es um die Verhinderung oder die Beseitigung von Doppelbesteuerungen geht, mangels einschlägiger Maßnahmen zur Vereinheitlichung oder Harmonisierung im Rahmen der Gemeinschaft dafür zuständig, die Kriterien für die Besteuerung der Einkünfte festzulegen, um – gegebenenfalls durch Abkommen – Doppelbesteuerungen zu beseitigen. Die aktuelle Rechtsprechung des Gerichtshofs unterscheidet, wie ich bereits ausgeführt habe(41), zwischen der Aufteilung der Besteuerungszuständigkeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Ausübung der Besteuerungsbefugnis durch die Mitgliedstaaten – einschließlich des Falls, dass sich dies aus einer früheren bi- oder multilateralen Aufteilung ihrer Besteuerungsbefugnis ergibt –, bei der sich die Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsvorschriften zu halten haben(42).

64.      Es ist daher nicht zu bestreiten, dass sich die Französische Republik bei der Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnis oder im vorliegenden Fall bei der Entscheidung der französischen Regierung, den CSG und den CRDS nicht nach den Einkünften von Herrn Derouin aus Tätigkeiten im Vereinigten Königreich zu bemessen, an das Gemeinschaftsrecht zu halten hat.

65.      Insoweit sind Herr Derouin und die französische Regierung der Meinung, dass der Ausdruck „nach diesen Bestimmungen bestimmten Rechtsvorschriften“ in Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 auf die gesamten Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats einschließlich, wie hier, des als nationales französisches Recht geltenden Doppelbesteuerungsabkommens verweise. Infolgedessen wende die Französische Republik entsprechend den kollisionsrechtlichen Lösungsmechanismen, die die maßgeblichen Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 vorsähen, nur die eigenen Rechtsvorschriften an.

66.      Diese Auffassung überzeugt nicht, weil sie außer Acht lässt, dass die Verordnung Nr. 1408/71 lediglich die Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit bezeichnet, die für abhängige oder selbständige Erwerbstätige innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, die sich in einer grenzübergreifenden Lage befinden, und daher nicht für sämtliche nationalen Rechtsvorschriften gelten, zu denen u. a. die des nationalen Arbeitsrechts und des Steuerrechts gehören. Gemäß Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 müssen aber, wie die Urssaf meint, die als anwendbar festgelegten Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit, die diese Vorschrift durchführen, die Bemessungsgrundlage für Beiträge, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, an sämtlichen Einkünften ausrichten, die aus selbständigen Erwerbstätigkeiten eines selbständig Erwerbstätigen im Sinne des Art. 14a Abs. 2 dieser Verordnung stammen.

67.      Selbst wenn man der – übrigens von der Kommission zu Recht verteidigten – These folgt, dass die betreffenden Vorschriften des Doppelbesteuerungsabkommens in den materiellen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, würde sich daraus noch nicht ergeben, dass diese Vorschriften zum Begriff der „bestimmten Rechtsvorschriften“ im Sinne des Art. 14d Abs. 1 dieser Verordnung gehörten.

68.      Gemäß Art. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 1408/71, der den Begriff der „Rechtsvorschriften“ für deren Anwendung definiert, bezeichnet dieser Ausdruck „in jedem Mitgliedstaat die bestehenden und künftigen Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 4 Absätze 1 und 2 genannten Zweige und Systeme der sozialen Sicherheit oder die in Artikel 4 Absatz 2a erfassten beitragsunabhängigen Sonderleistungen“. Diese Definition erfasst daher nicht die internationalen Abkommen im Bereich der sozialen Sicherheit(43) und schon gar nicht die Vorschriften anderer internationaler Übereinkommen, soweit sie gegebenenfalls in den materiellen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen.

69.      Demgegenüber sind, wie die Kommission und die Urssaf treffend bemerkt haben, die Abkommen über die soziale Sicherheit zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten und die Vorschriften von Abkommen, die, obwohl sie nicht förmlich den Bereich der sozialen Sicherheit regeln, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, Gegenstand besonderer Vorschriften der Verordnung, nämlich der Art. 6 bis 8.

70.      Bekanntlich verankert Art. 6 der Verordnung Nr. 1408/71 den Grundsatz, dass dieses Abkommen solche Abkommen über die soziale Sicherheit ersetzt, die lediglich zwischen zwei Mitgliedstaaten in Kraft sind. Dieser Grundsatz müsste meines Erachtens auch für Vorschriften anderer bilateraler Abkommen gelten, die zum Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 gehören. Eine andere Auslegung würde es den Mitgliedstaaten ermöglichen, den Grundsatz des Art. 6 der Verordnung Nr. 1408/71 zu umgehen, weil man ihnen damit gestattete, durch einfachen Rückgriff auf ein taxonomisches Verfahren dem Anwendungsbereich dieser Verordnung die in ihn fallenden Abkommensvorschriften zu entziehen.

71.      Die grundsätzliche Ersetzung der bilateralen Abkommen zwischen Mitgliedstaaten durch die Verordnung Nr. 1408/71 kennt indessen mehrere Ausnahmen, von denen ich nur diejenigen erwähnen möchte, die augenscheinlich einen Bezug zur vorliegenden Rechtssache aufweisen.

72.      Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof auf der Grundlage der Vorschriften des EG-Vertrags die Strenge der in Art. 6 der Verordnung Nr. 1408/71 festgelegten Regel auf die Sachverhalte beschränkt hat, in denen die betreffenden Erwerbstätigen keine wohlerworbenen Rechte auf Weitergeltung der günstigeren Vorschriften geltend machen können, die in einem Abkommen zwischen zwei Mitgliedstaaten enthalten waren, das vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1408/71 oder vor dem Beitritt eines der betreffenden Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft abgeschlossen worden war, oder in denen der betreffende Erwerbstätige sein Recht auf Freizügigkeit zu dem einen oder dem anderen dieser Zeitpunkte ausgeübt hat(44).

73.      Demgegenüber bleibt der Grundsatz des Art. 6 der Verordnung Nr. 1408/71 unberührt und steht weiter im Einklang mit den Vorschriften des EG-Vertrags, wenn der Erwerbstätige sein Recht auf Freizügigkeit nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung ausgeübt hat, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das bilaterale Abkommen über die soziale Sicherheit bereits durch diese Verordnung ersetzt war, und auch dann, wenn die Anwendung dieses Abkommens für den Versicherten günstiger gewesen wäre(45).

74.      Bei Zugrundelegung dieser Dichotomie, die meines Erachtens nicht in Frage gestellt werden sollte, könnte sich Herr Derouin nicht auf die Vorschriften des Doppelbesteuerungsabkommens berufen, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, weil feststeht, dass er sein Recht auf Freizügigkeit nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung ausgeübt hat, was dadurch bestätigt wird, dass die Beiträge, deren Begleichung die Urssaf im Ausgangsverfahren von ihm fordert, verschiedene Zeiträume in den Jahren 2000 bis 2005 betreffen, wie bereits in der Sitzung deutlich geworden ist.

75.      Schließlich könnte die vorliegende Rechtssache, wie der Vertreter der Kommission in der Sitzung bemerkt hat, die Anwendung des Art. 8 der Verordnung Nr. 1408/71 in Frage stellen, der bekanntlich in seinem Abs. 1 in Abweichung von Art. 6 zulässt, dass zwei oder mehr Mitgliedstaaten „nach den Grundsätzen und im Geist dieser Verordnung miteinander Abkommen schließen können“(46).

76.      Es scheint mir nämlich, auch wenn Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 nur „neue“, d. h. nach dem Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossene Abkommen betrifft(47), nicht sachwidrig zu sein, wenn man diese den Mitgliedstaaten zugestandene Befugnis auf internationale Übereinkommen erstreckt, die, obwohl sie für einen anderen Bereich als den der sozialen Sicherheit und vor dem Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossen wurden, Vorschriften enthalten, die wegen ihrer Neuheit und/oder der Änderungen, die sie im Rahmen der vertraglichen Beziehungen der Mitgliedstaaten erfahren, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen. Diese Vorschriften müssten gleichwohl immer, wie die Kommission in der Sitzung herausgestellt hat, auf den Grundsätzen und dem Geist der Verordnung Nr. 1408/71 aufbauen. Sie müssten auch die in Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung festgelegten Anforderungen an die Verfahrensformen beachten, wonach die Mitgliedstaaten alle aufgrund von Abs. 1 geschlossenen Abkommen gemäß Art. 97 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 zu notifizieren haben(48).

77.      Es ist indessen nicht zu bezweifeln, dass die Vorschriften des Doppelbesteuerungsabkommens, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, nicht in dieser Form notifiziert worden sind, auch nicht nach Verkündung der Urteile Kommission/Frankreich, in denen der Gerichtshof bekanntlich festgestellt hat, dass der CSG und der CRDS trotz ihrer Einstufung als Steuer durch das nationale französische Recht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen.

78.      Die Verordnung Nr. 1408/71 scheint es daher nicht zuzulassen, dass die Französische Republik aufgrund der Vorschriften des Doppelbesteuerungsabkommens, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, darauf verzichtet, die Bemessungsgrundlage für den CSG und den CRDS abweichend von Art. 14d Abs. 1 dieser Verordnung an dem Teil der Einkünfte auszurichten, die Herr Derouin aus seinen selbständigen Erwerbstätigkeiten im Vereinigten Königreich bezieht.

79.      Eine solche Lösung setzt für meine Begriffe den Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften nach der Verordnung Nr. 1408/71 für anwendbar erklärt werden, nicht der Gefahr aus, gegen die Vorschriften des EG-Vertrags zu verstoßen, weil die nationalen Maßnahmen zur Durchführung der Verpflichtung nach Art. 14d Abs. 1 dieser Verordnung die Ausübung eines der im Vertrag geregelten Freizügigkeitsrechte beeinträchtigten.

80.      Der Vertrag garantiert nämlich, wie der Gerichtshof festgestellt hat, einem Erwerbstätigen nicht, dass die Ausweitung seiner Tätigkeiten auf mehr als einen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit neutral ist. Aufgrund der Unterschiede der Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit der Mitgliedstaaten kann eine solche Ausweitung oder Verlagerung für den Erwerbstätigen je nach Einzelfall in Bezug auf den sozialen Schutz mehr oder weniger vorteilhaft oder nachteilig sein. Folglich sind nationale Rechtsvorschriften selbst für den Fall, dass ihre Anwendung weniger vorteilhaft sein sollte, mit den Bestimmungen der Art. 39 EG und 43 EG vereinbar, sofern sie a) den betreffenden Erwerbstätigen im Vergleich zu den Personen, die alle ihre Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem die genannten Vorschriften Anwendung finden, oder zu den Personen, die ihnen bereits zuvor unterlagen, nicht benachteiligen und b) nicht nur dazu führen, dass Beitragsleistungen entrichtet werden, denen kein Anspruch auf Gegenleistungen gegenübersteht(49).

81.      Im vorliegenden Fall nun würden die zuständigen französischen Behörden, wenn sie der Pflicht nach Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bezüglich sämtlicher Einkünfte von Herrn Derouin nachkommen, diesen im Vergleich zu Erwerbstätigen nicht benachteiligen, die alle ihre Erwerbstätigkeiten im französischen Hoheitsgebiet ausüben und Beiträge, soweit diese in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, entrichten müssen, die sämtliche Erwerbseinkünfte aus diesen Tätigkeiten erfassen. Im Übrigen würde die Unterwerfung von Herrn Derouin unter den CSG und den CRDS bezüglich des Teils seiner Einkünfte, die aus britischer Quelle stammen, ebenfalls nicht schlicht und einfach dazu führen, dass er Beiträge ohne Gegenleistung entrichten müsste. Auch wenn die Entrichtung dieser beiden Beiträge nicht zu unmittelbaren und als Sozialleistungen zu kennzeichnenden Gegenleistungen(50) berechtigt, decken doch der CSG und der CRDS entsprechend dem Grundsatz der Solidarität, auf dem diese Beiträge beruhen, beide den Finanzbedarf und die Verbindlichkeiten des französischen Systems der sozialen Sicherheit, die andernfalls wahrscheinlich entweder durch Beitragserhöhung oder durch eine Verringerung oder Begrenzung der Erbringung von Leistungen der sozialen Sicherheit hätten ausgeglichen werden müssen(51).

82.      Ließe man eine andere als die vorstehend in Nr. 78 dargelegte Lösung zu, würde dies meines Erachtens bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens die Gefahr heraufbeschwören, eine Bresche in die Gleichbehandlung nach Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 „für die Anwendung der nach … bestimmten Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit“ aller selbständig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats Erwerbstätigen zu schlagen. Abgesehen von den in der Verordnung ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen dürfte eine solche Bresche vom Gemeinschaftsgesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein. Sie dürfte, wie oben in den Nrn. 79 bis 81 ausgeführt, auch nicht von Art. 43 EG gefordert sein.

83.      Außerdem würde die Tolerierung einer solchen Ausnahme die Auslegung des Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 von der Besonderheit der beim Gerichtshof anhängigen Einzelfälle abhängig machen und diesen verpflichten, die Voraussetzungen zu ermitteln, unter denen diese Ausnahme zulässig wäre, und gegebenenfalls diese Voraussetzungen im Zuge der bei ihm vorgelegten Rechtssachen herauszuarbeiten.

84.      Von den rechtlichen Hindernissen abgesehen, die bereits dargestellt wurden, scheint es mir nicht sinnvoll zu sein, eine solche Richtung einzuschlagen.

85.      Sollte sich der Gerichtshof aber entschließen, der in meinen Schlussanträgen entwickelten Analyse nicht zu folgen, müsste meines Erachtens der Anwendungsbereich einer auf ein Abkommen zurückgehenden Ausnahme von der Verpflichtung des Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 auf Sachverhalte beschränkt werden, bei denen die Grundsätze und der Geist dieser Verordnung unberührt bleiben. Eine solche Ausnahme müsste insbesondere erstens dann zugelassen werden, wenn der Grundsatz der Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats gewahrt bleibt, zweitens, wenn diese Ausnahme nicht die Personen von der Anwendung der bestimmten Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit ausschließt, die für sie gelten(52), und drittens, wenn diese Ausnahme dem betreffenden Erwerbstätigen nicht den Schutz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit nimmt(53) oder den Schutz mindert, der ihm üblicherweise aufgrund der bestimmten Rechtsvorschriften zustünde. Meines Erachtens wäre es aus Gründen der Rechtssicherheit und der Transparenz ebenfalls wichtig, dass eine auf ein Abkommen zurückgehende Ausnahme den Formerfordernissen der Notifikation gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 entspräche.

86.      Demgemäß bin ich der Auffassung, dass Art. 14d Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass er vorschreibt, die Bemessungsgrundlage für Beiträge wie den CSG und den CRDS, die auf Erwerbstätigkeiten und Ersatzeinkünfte erhoben werden, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, so zu ermitteln, dass in die Erwerbseinkünfte aus selbständigen Tätigkeiten diejenigen einzubeziehen sind, die im Hoheitsgebiet eines anderen als des Mitgliedstaats erzielt werden, dessen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit anwendbar sind, und zwar auch dann, wenn die betreffenden Mitgliedstaaten, hier die Französische Republik und das Vereinigte Königreich, durch Vorschriften eines Doppelbesteuerungsabkommens gebunden sind, ohne dass die Voraussetzungen des Art. 8 der Verordnung Nr. 1408/71 erfüllt sind.

VI – Ergebnis

87.      Demgemäß schlage ich dem Gerichtshof vor, die ihm vom Tribunal des affaires de sécurité sociale de Paris zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 14d Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er vorschreibt, die Bemessungsgrundlage für den allgemeinen Sozialbeitrag und den Beitrag für die Begleichung der Sozialschuld Frankreichs, die auf Erwerbstätigkeiten und Ersatzeinkünfte erhoben werden, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, so zu ermitteln, dass in die Erwerbseinkünfte aus selbständigen Tätigkeiten diejenigen einzubeziehen sind, die im Hoheitsgebiet eines anderen als des Mitgliedstaats erzielt werden, dessen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit anwendbar sind, und zwar auch dann, wenn die betreffenden Mitgliedstaaten durch Vorschriften eines Doppelbesteuerungsabkommens wie des von der Französischen Republik und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland am 22. Mai 1968 abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerflucht bei Steuern auf das Einkommen gebunden sind, ohne dass die Voraussetzungen des Art. 8 der Verordnung Nr. 1408/71 erfüllt sind.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. 1997, L 28, S. 1.


3 – ABl. L 209, S. 1.


4 – Bemerkt sei, dass die Verordnung Nr. 1408/71 durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1, Berichtigung ABl. L 200, S. 1) (förmlich) ersetzt wurde, die am 20. Mai 2004 in Kraft getreten ist. Sie ist indessen gemäß ihrem Art. 91 erst mit dem Inkrafttreten ihrer Durchführungsverordnung anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Vortrags dieser Schlussanträge immer noch Gegenstand des interinstitutionellen Gesetzgebungsverfahrens auf der Grundlage des Vorschlags einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist, der von der Kommission am 31. Januar 2006 verabschiedet wurde ([KOM] 2006, 16 endg.). Die Verordnung Nr. 1408/71 ist daher auf den Sachverhalt, der der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegt, ausschließlich anzuwenden.


5 – JORF vom 30. Dezember 1990, S. 16367.


6 – Für das Arbeitslosengeld gilt indessen gegenwärtig ein Satz von 6,2 % und für die Alters- und Invaliditätsrenten ein Satz von 6,6 %.


7 – Gemäß Art. L. 135-1 CSS ist dieser Fonds, der als nationale öffentliche Einrichtung mit Verwaltungsaufgaben geschaffen wurde, damit betraut, die Lasten der Leistungen der Altersversicherung ohne Beitragspflicht zu übernehmen, die Teil der nationalen Solidarität ist.


8 – Gemäß den Vorschriften des Gesetzes Nr. 2004-626 vom 30. Juni 2004 über die Solidarität für die Autonomie der alten und behinderten Personen (JORF vom 1. Juli 2004, S. 11944). Die Caisse nationale de solidarité pour l’autonomie, eine nationale öffentliche Einrichtung mit Verwaltungsaufgaben, ist damit betraut, Beiträge zur Finanzierung der Übernahme des Autonomieverlustes alter und behinderter Personen zu leisten.


9 – JORF vom 25. Januar 1996, S. 1226.


10 – JORF vom 25. November 1969. Der Wortlaut dieses Abkommens ist unter der folgenden Internetadresse abzurufen: http://www2.impots.gouv.fr/conventions_fiscales/ru68.htm.


11 – Vgl. auch Urteil vom 9. März 2006, Piatkowski (C-493/04, Slg. 2006, I-2369, Randnr. 21).


12 – Vgl. auch Urteile vom 5. Mai 1977, Perenboom (102/76, Slg. 1977, 815, Randnr. 13), vom 29. Juni 1994, Aldewereld (C-60/93, Slg. 1994, I-2991, Randnr. 26), und vom 8. März 2001, Kommission/Deutschland (C-68/99, Slg. 2001, I-1865, Randnr. 25).


13 – Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten, von einigen hier nicht erheblichen Gemeinschaftsakten abgesehen (Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. L 225, S. 6; Abkommen 90/436/EWG vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, ABl. L 225, S. 10, und Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ABl. L 157, S. 38), für den Bereich der direkten Steuern, insbesondere für die Beseitigung oder Verhinderung der Doppelbesteuerung im Wege von Abkommen, zuständig bleiben (vgl. insbesondere Urteile vom 12. Mai 1998, Gilly, C-336/96, Slg. 1998, I-2793, Randnrn. 24 und 30, und vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, C-374/04, Slg. 2006, I-11673, Randnr. 52).


14 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Piatkowski (Randnrn. 24, 27 und 28).


15 – Nach der Ausdrucksweise der französischen Regierung, wie sie in den Gründen der Urteile vom 15. Februar 2000, Kommission/Frankreich (C-34/98, Slg. 2000, I-995, Randnr. 25) (CRDS) und Kommission/Frankreich (C-169/98, Slg. 2000, I-1049, Randnr. 23) (CSG), wiedergegeben ist.


16 – Urteile Kommission/Frankreich (C-34/98, Randnrn. 34 bis 36) und Kommission/Frankreich (C-169/98, Randnrn. 32 bis 34).


17 – Urteil vom 16. Januar 2007 (C-265/05, Slg. 2007, I-347). In diesem Urteil ist der Gerichtshof zu dem Problem befragt worden, ob eine Zusatzleistung zur Ergänzung der Altersrente als der Hauptleistung, die nur an in Frankreich Wohnhafte ab einem Mindestalter gezahlt wurde und in Anhang IIa der Verordnung Nr. 1408/71 angeführt war, als beitragsfreie Sonderleistung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dieser Verordnung einzustufen ist, so dass ein nicht dort wohnhafter Antragsteller sie nicht beanspruchen kann, oder aber anders einzustufen ist, so dass sie (nach der sogenannten Regel der „Exportierbarkeit“ der Leistungen) den Personen zugutekomme, die die Altersvoraussetzungen gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 erfüllten, gleichgültig, welches immer der Wohnmitgliedstaat sei. Bei der Prüfung, ob diese Leistung beitragsabhängig war oder nicht, hat der Gerichtshof unter Heranziehung seiner Rechtsprechung die tatsächliche Finanzierungsart dieser Leistung geprüft, ob also diese Finanzierung unmittelbar oder mittelbar durch Beiträge zum System der sozialen Sicherheit oder durch öffentliche Mittel sichergestellt werde. Da die betreffende Leistung durch den Fonds de solidarité vieillesse finanziert wurde, der, wie wir bereits gesehen haben, das Aufkommen aus dem CSG erhielt, der auf die Erwerbs- und Ersatzeinkünfte erhoben wurde, war, wie der Gerichtshof in Randnr. 40 erklärt hat, zu „entscheiden“, ob ein Beitrag wie der CSG als Beitrag zum System der sozialen Sicherheit anzusehen ist oder als öffentliche Einnahme, die nicht die Merkmale eines solchen Beitrags aufweist. Nach dem Hinweis auf die wesentliche Begründung der Urteile Kommission/Frankreich hat der Gerichtshof aufgrund einer Reihe von Erwägungen, die sich insbesondere darauf bezogen, dass die Finanzierung der Alterszulage nicht ausschließlich aus dem CSG stammte, sondern aus Erhebungen, deren Steuercharakter unstreitig war, in Randnr. 52 des Urteils entschieden, dass, „selbst wenn der Teil des allgemeinen Sozialbeitrags, der auf die Erwerbs- und Ersatzeinkünfte erhoben wird, eher als ein Beitrag denn als Mittel einer öffentlichen Finanzierung angesehen werden muss, ein Zusammenhang zwischen diesem Beitrag und der Zusatzbeihilfe offensichtlich nicht ausreichend erkennbar [ist], um diese Beihilfe als beitragsabhängig qualifizieren zu können“ (Hervorhebung nur hier). Im Lichte dieser Randnummer des Urteils kann man nur schwer zu einer endgültigen Entscheidung über die Einstufung des CSG als Beitrag zum System der sozialen Sicherheit gelangen. Indessen bestätigt das Urteil, dass der CSG durchaus in den materiellen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 gehört.


18 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Januar 2006, Bouanich (C-265/04, Slg. 2006, I-923, Randnr. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 14. Dezember 2006, Denkavit Internationaal und Denkavit France (C-170/05, Slg. 2006, I-11949, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Nrn. 46 und 47 meiner Schlussanträge vom 29. März 2007 in der Rechtssache Columbus Container Services (C-298/05, noch anhängig).


19 – Die französische Regierung streitet nämlich nicht ab, dass sie befugt wäre, solche Beiträge und alle Beiträge zum System der sozialen Sicherheit auf die Einkünfte von Herrn Derouin aus dem Vereinigten Königreich auf der Grundlage objektiver Kriterien zu erheben. Dieser Standpunkt scheint unter den Umständen des Ausgangsverfahrens zuzutreffen. Vgl. zum Fall eines Mitgliedstaats, der die Beiträge auf die gesamten Einkünfte eines in diesem Mitgliedstaat wohnhaften Sozialversicherten erhebt, die aus Renten stammen, die sowohl in diesem als auch in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt werden, auch Urteil vom 18. Juli 2006, Nikula (C-50/05, Slg. 2006, I-7029, Randnr. 31).


20 – Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 19. März 2002, Hervein u. a. (C-393/99 und C-394/99, Slg. 2002, I-2829, Randnr. 52) und Piatkowski (Randnr. 20).


21 – Urteil Piatkowski (Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22 – Urteil Nikula (Randnr. 26).


23 – Ebd. (Randnr. 31).


24 – Ebd. (Randnr. 24). Vgl. auch Urteil Piatkowski (Randnr. 33).


25 – Urteil Nikula (Randnr. 33). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Juni 2000, Sehrer (C-302/98, Slg. 2000, I-4585, Randnr. 36).


26 – Urteil vom 26. Mai 2005 (C-249/04, Slg. 2005, I-4535).


27 – Hervorhebung nur hier.


28 – Vgl. Nr. 68 der Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer vom 30. April 1998 in der Rechtssache Terhoeve (C-18/95, Urteil vom 26. Januar 1999, Slg. 1999, I-345), Nr. 41 seiner Schlussanträge vom 8. Februar 2000 in der Rechtssache Sehrer, Nr. 24 seiner Schlussanträge vom 24. Oktober 2000 in der Rechtssache Kommission/Deutschland sowie Nr. 55 der Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs vom 5. April 2001 in den verbundenen Rechtssachen Hervein u. a. Vgl. auch Nr. 20 der Schlussanträge von Generalanwalt Gulmann vom 2. Februar 1994 in der Rechtssache Van Poucke (C-71/93, Urteil vom 24. März 1994, Slg. 1994, I-1101).


29 – Wie sich aus Randnr. 15 des Urteils Allard ergibt, schien die Rechtsnatur dieses Beitrags – ähnlich wie bei CSG und CRDS in der vorliegenden Rechtssache – streitig zu sein, weil das vorlegende Gericht der Auffassung war, dass ein solcher Beitrag eher „eine Art von Krisensteuer“ als ein Beitrag sei, der in den materiellen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 falle.


30 – Urteil Allard (Randnrn. 18 und 20).


31 – Ebd. (Randnrn. 21 und 22).


32 – Randnr. 23 (Hervorhebung nur hier).


33 – Randnr. 24 (Hervorhebung nur hier).


34 – Allerdings verweist Randnr. 24 des Urteils Van Poucke, auf das Randnr. 21 des Urteils Allard Bezug nimmt, auf den Satzteil, dessen Nichterwähnung hier beanstandet wird.


35 – Ich möchte für alle Fälle darauf hinweisen, dass diese Auslegung in Art. 13 Abs. 5 der Verordnung Nr. 883/2004 übernommen worden ist, wonach Erwerbstätige mit Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten so behandelt werden, als ob sie in dem Mitgliedstaat, dessen Vorschriften gemäß Art. 13 Abs. 1 bis 4 bestimmt wurden, ihre gesamten abhängigen oder selbständigen Tätigkeiten ausübten und ihre gesamten Einkünfte erzielten.


36 – Randnr. 60, Hervorhebung nur hier.


37 – Diese Klarstellung ergibt sich aus dem Urteil Piatkowski (Randnrn. 27 bis 29). Da die Verordnung Nr. 1408/71 für die in Anhang VII angeführten Fälle die Erhebung doppelter Beiträge auf das gleiche Einkommen verbietet, unterliegt der Versicherte den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er eine unselbständige Tätigkeit verrichtet, bezüglich dieser Tätigkeit, und den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er eine selbständige Tätigkeit ausübt, bezüglich der selbständigen Tätigkeit.


38 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Allard (Randnr. 31).


39 – Ebd. (Randnrn. 28 bis 32 und Nr. 2 des Tenors).


40 – Vgl. auch Urteil vom 14. Februar 1995, Schumacker (C-279/93, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21), vom 16. Juli 1998, ICI (C-264/96, Slg. 1998, I-4695, Randnr. 19), vom 6. Juni 2000, Verkooijen (C-35/98, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 32), und vom 15. Januar 2002, Gottardo (C-55/00, Slg. 2002, I-413, Randnr. 32).


41 – Nr. 84 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Columbus Container Services.


42 – Vgl. auch Urteile vom 12. Dezember 2002, De Groot (C-385/00, Slg. 2002, I-11819, Randnrn. 93 und 94), und vom 3. Oktober 2006, FKP Scorpio Konzertproduktionen (C-290/04, Slg. 2006, I-9461, Randnr. 55).


43 – Urteil vom 2. August 1993, Grana-Novoa (C-23/92, Slg. 1993, I-4505, Randnr. 15).


44 – Vgl. auch Urteile vom 7. Februar 1991, Rönfeldt (C-227/89, Slg. 1991, I-323, Randnrn. 27 bis 29), vom 5. Februar 2002, Kaske (C-277/99, Slg. 2002, I-1261, Randnrn. 27 und 28), und vom 24. September 2002, Martínez Domínguez u. a. (C-471/99, Slg. 2002, I-7835, Randnrn. 28 bis 30).


45 – Urteil vom 9. November 1995, Thévenon (C-475/93, Slg. 1995, I-3813, Randnrn. 26 und 28). In dieser Rechtssache war das betreffende bilaterale Abkommen 1950 abgeschlossen worden. Vgl. auch Urteile vom 9. Oktober 1997, Naranjo Arjona u. a. (C-31/96 bis C-33/96, Slg. 1997, I-5501, Randnr. 26), und vom 17. Dezember 1998, Grajera Rodríguez (C-153/97, Slg. 1998, I-8645, Randnr. 28). Diese gesamte Rechtsprechung ist im Kern in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 aufgenommen worden.


46 – Die Verordnung Nr. 883/2004 übernimmt diese Ausnahme in ihrem Art. 8 Abs. 2.


47 – Urteile Grana-Novoa (Randnr. 22) und vom 28. April 1994, Hoorn (C-305/92, Slg. 1994, I-1525, Randnr. 19).


48 – Eine solche Notifikationspflicht findet sich auch in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004.


49 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Hervein u. a. (Randnr. 51) und Piatkowski (Randnr. 34).


50 – Urteile Kommission/Frankreich (C-34/98, Randnr. 39) und Kommission/Frankreich (C-169/98, Randnr. 37).


51 – Vgl. Nrn. 9 und 26 der Schlussanträge von Generalanwalt La Pergola in den Rechtssachen C-34/98 und C-169/98 sowie Urteil Kommission/Frankreich (C-169/98, Randnr. 36).


52 – Vgl. Urteil vom 3. Mai 1990, Kits van Heijningen (C-2/89, Slg. 1990, I-1755, Randnr. 20).


53 – Vgl. Urteile Kits van Heijningen (Randnr. 12), vom 11. Juni 1998, Kuusijärvi (C-275/96, Slg. 1998, I-3419, Randnr. 28), und vom 7. Juli 2005, Van Pommeren-Bourgondiën (C-227/03, Slg. 2005, I-6101, Randnr. 34).