Rechtssache C-408/06
Landesanstalt für Landwirtschaft
gegen
Franz Götz
(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs [Deutschland])
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Wirtschaftliche Tätigkeit – Steuerpflichtige – Einrichtungen des öffentlichen Rechts – Milchquoten-Verkaufsstelle – Umsätze der landwirtschaftlichen Interventionsstellen und der Verkaufsstellen – Größere Wettbewerbsverzerrungen – Räumlicher Markt“
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 13. Dezember 2007
Leitsätze des Urteils
1. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 4)
2. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Steuerpflichtige
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 4 Abs. 5)
3. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Steuerpflichtige
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 4 Abs. 5)
1. Die entgeltliche Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen durch eine Milchquoten-Verkaufsstelle stellt eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern dar, wenn sie nachhaltig ist und gegen ein Entgelt ausgeübt wird, das derjenige erhält, der die Leistung erbringt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die in Rede stehende Tätigkeit diese beiden Voraussetzungen erfüllt, und gegebenenfalls festzustellen, ob die Milchquoten-Verkaufsstellen die Tätigkeit zur Erzielung dieses Entgelts ausüben; dabei ist zu berücksichtigen, dass der Erhalt eines Entgelts für sich allein nicht geeignet ist, einer Tätigkeit wirtschaftlichen Charakter zu verleihen.
(vgl. Randnrn. 18, 20-21)
2. Eine Milchquoten-Verkaufsstelle ist weder eine landwirtschaftliche Interventionsstelle im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang D Nr. 7 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2001/4 geänderten Fassung noch eine Verkaufsstelle im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang D Nr. 12 dieser Richtlinie.
Die Aufgabe einer Milchquoten-Verkaufsstelle unterscheidet sich nämlich deutlich von der einer landwirtschaftlichen Interventionsstelle, deren Aufgabe darin besteht, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse – wie es jedem Wirtschaftsteilnehmer möglich wäre – selbst aufzukaufen und weiterzuverkaufen, was insbesondere zur Schaffung von Lagerbeständen, wie u. a. im Getreidebereich, führt. Die mit Anhang D der Sechsten Richtlinie untrennbar verbundene Steuerpflicht kraft Gesetzes schließt somit eine Tätigkeit, bei der Milchquoten zwischen den Erzeugern verteilt werden, vom Anwendungsbereich dieses Anhangs aus, da es sich bei der Zentralisierung der verschiedenen Ansprüche dieser Erzeuger nicht um einen Erwerb und Weiterverkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse auf dem Markt durch einen Wirtschaftsteilnehmer handelt.
Außerdem erlaubt der Vergleich zwischen der deutschen, der französischen der englischen, der spanischen und der italienischen Fassung von Anhang D Nr. 12 der Sechsten Richtlinie die Feststellung, dass die Verkaufsstelle im Sinne dieser Nummer die Einrichtungen erfasst, die verschiedene Erzeugnisse und Waren an die Belegschaftsangehörigen desjenigen Unternehmens oder derjenigen Behörde verkaufen, zu dem oder der sie gehören. Dies ist nicht die Aufgabe einer Milchquoten-Verkaufsstelle, die damit betraut ist, unter dem Gesichtspunkt der Begrenzung der Anlieferungs-Referenzmengen zu deren Ausgleich zum Besten für jeden Erzeuger beizutragen.
(vgl. Randnrn. 26, 31, 33, Tenor 1)
3. Die Behandlung einer Milchquoten-Verkaufsstelle als Nichtsteuerpflichtige, soweit sie im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2001/4 geänderten Fassung Tätigkeiten ausübt oder Leistungen erbringt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, kann nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen, da diese Verkaufsstelle nicht mit privaten Wirtschaftsteilnehmern konfrontiert ist, die Leistungen erbringen, die mit den öffentlichen Leistungen konkurrieren. Da dies für jede Milchquoten-Verkaufsstelle gilt, die in einem von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten Übertragungsbereich für Anlieferungs-Referenzmengen tätig ist, ist dieser Übertragungsbereich der räumlich relevante Markt für die Feststellung größerer Wettbewerbsverzerrungen.
(vgl. Randnr. 45, Tenor 2)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
13. Dezember 2007(*)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Wirtschaftliche Tätigkeit – Steuerpflichtige – Einrichtungen des öffentlichen Rechts – Milchquoten-Verkaufsstelle – Umsätze der landwirtschaftlichen Interventionsstellen und der Verkaufsstellen – Größere Wettbewerbsverzerrungen – Räumlicher Markt“
In der Rechtssache C-408/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. Juli 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Oktober 2006, in dem Verfahren
Landesanstalt für Landwirtschaft
gegen
Franz Götz
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter U. Lõhmus und J. Klučka, der Richterin P. Lindh sowie des Richters A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Landesanstalt für Landwirtschaft, vertreten durch P. Gorski und N. Vogl als Bevollmächtigte,
– von Herrn Götz, vertreten durch Steuerberater H. Zaisch,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch T. Harris als Bevollmächtigte im Beistand von P. Harris, Barrister,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2001/4/EG des Rates vom 19. Januar 2001 (ABl. L 22, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) sowie von Anhang D Nrn. 7 und 12 dieser Richtlinie.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Landesanstalt für Landwirtschaft (im Folgenden: Landesanstalt) und Herrn Götz um eine Rechnung über den Verkauf einer Anlieferungs-Referenzmenge für Kuhmilch (im Folgenden: Anlieferungs-Referenzmenge), die von der Landesanstalt ausgestellt wurde, ohne die Mehrwertsteuer gesondert auszuweisen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 4 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.
…
(5) Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.
Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.
Die Mitgliedstaaten können die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Artikel 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.“
4 Die in Anhang D Nrn. 7 und 12 der Sechsten Richtlinie aufgeführten Tätigkeiten sind die „Umsätze der landwirtschaftlichen Interventionsstellen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Anwendung der Verordnungen über eine gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt werden“, und die „Umsätze von betriebseigenen Kantinen, Verkaufsstellen und Genossenschaften und ähnlichen Einrichtungen“.
5 Dem Ausgangsverfahren liegt die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 405, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2028/2002 des Rates vom 11. November 2002 (ABl. L 313, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3950/92) zugrunde.
Nationales Recht
Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen
6 Nach § 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (BGBl. 1995 I S. 1147) kann durch Rechtsverordnung u. a. das Verfahren bei der Übertragung von Referenzmengen geregelt werden.
Zusatzabgabenverordnung
7 Die Zusatzabgabenverordnung vom 12. Januar 2000 (BGBl. I S. 27) (im Folgenden: ZAV) enthält in ihrer auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung u. a. folgende Bestimmungen:
„§ 7 – Neuordnung des Übertragungssystems
(1) … Anlieferungs-Referenzmengen können flächenungebunden nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 sowie der §§ 8 bis 11 übertragen werden …
§ 8 – Regulierte entgeltliche Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen
(1) Die Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 erfolgt außer in den Fällen des § 7 Abs. 2 und 3, der Erbfolge im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 sowie des § 12 Abs. 3 durch Verkaufsstellen nach Maßgabe des Absatzes 3 und der §§ 9 bis 11 zum 1. April, 1. Juli oder 30. Oktober eines jeden Kalenderjahres …
(2) Die Länder richten die Verkaufsstellen ein. Für jedes Land soll mindestens eine Verkaufsstelle zuständig sein; die Tätigkeit einer Verkaufsstelle kann sich auf das Gebiet mehrerer Länder erstrecken. Private können nach pflichtgemäßem Ermessen als Träger einer Verkaufsstelle zugelassen werden, wenn
1. sie oder ihre Träger repräsentative landwirtschaftliche Berufsverbände oder Organisationen sind und
2. gegen ihre Zuverlässigkeit und Eignung keine Bedenken bestehen.
…
(3) Anlieferungs-Referenzmengen können nur innerhalb der sich aus der Anlage ergebenden Übertragungsbereiche übertragen werden. …“
Umsatzsteuergesetz
8 Das Umsatzsteuergesetz 1999 (BGBl. I S. 1270) (im Folgenden: UStG) in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung bestimmt in § 14 Abs. 1: „Führt der Unternehmer steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, so ist er berechtigt und, soweit er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt, auf Verlangen des anderen verpflichtet, Rechnungen auszustellen, in denen die Steuer gesondert ausgewiesen ist.“ Nach § 2 Abs. 3 UStG sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.
Rechtsstellung der Landesanstalt
9 Die Landesanstalt, Rechtsnachfolgerin der Landesanstalt für Ernährung, wurde nach § 8 Abs. 2 ZAV errichtet. Sie betrieb als Landeseinrichtung des öffentlichen Rechts die einzige Milchquoten-Verkaufsstelle in Bayern.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
10 Im Ausgangsverfahren stehen sich ein bayerischer Landwirt, Herr Götz, und die Landesanstalt gegenüber. Zur Verringerung der Überschüsse an Kuhmilch zentralisierte die Landesanstalt die Angebote der Erzeuger, die Anlieferungs-Referenzmengen für Milch verkaufen wollten, und der Erzeuger, die solche Referenzmengen kaufen wollten. Diese Politik beruhte auf der Verordnung Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe von Erzeugern, deren gelieferte Milchmengen eine bestimmte Schwelle überschritten.
11 Die Landesanstalt verfuhr im Jahr 2001 nach folgendem System: Die „anbietenden“ Erzeuger reichten bei der Milchquoten-Verkaufsstelle zu bestimmten Stichtagen ein schriftliches Angebot zur Übertragung einer Anlieferungs-Referenzmenge zu einem bestimmten Verkaufspreis ein. Zu denselben Stichtagen reichten die „nachfragenden“ Erzeuger nach dem gleichen Verfahren ein schriftliches Angebot zum Erwerb einer bestimmten Anlieferungs-Referenzmenge zu einem gewünschten Preis ein. Die Milchquoten-Verkaufsstelle hatte zunächst die Angebote und die Nachfragegebote einander gegenüberzustellen und den Gleichgewichtspreis zu ermitteln, zu dem Angebot und Nachfrage annähernd deckungsgleich waren. Gegebenenfalls wurden alle Gebote gekürzt. Anschließend teilte die Landesanstalt 5 % der angebotenen Anlieferungs-Referenzmengen der nationalen Reserve zu. Gemäß den vom vorlegenden Gericht im Einzelnen geschilderten Modalitäten, aus denen u. a. hervorgeht, dass der zu zahlende Betrag an die Milchquoten-Verkaufsstelle überwiesen wurde, übertrug diese die verbleibenden Anlieferungs-Referenzmengen und überwies den Verkaufspreis.
12 Herr Götz, ein Milcherzeuger und Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs in Bayern, beantragte im Jahr 2001 eine Anlieferungs-Referenzmenge von 16 500 kg zu einem Preis von höchstens 2 DM pro kg. Am 3. April 2001 teilte ihm die Landesanstalt mit, dass er am 1. April 2001 mit seinem Nachfragegebot zum Zuge gekommen sei und dass der Gleichgewichtspreis 1,58 DM pro kg betrage. Die Landesanstalt stellte eine Rechnung auf seinen Namen aus, in der sie die Umsatzsteuer nicht gesondert auswies. Herr Götz, dessen Umsätze nach dem Umsatzsteuergesetz versteuert wurden, legte Widerspruch bei der Landesanstalt ein, mit dem er den gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer begehrte. Mit Bescheid vom 29. August 2001 wies die Landesanstalt den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass sie eine hoheitliche Tätigkeit ausübe und lediglich Vermittlerin sei.
13 Herr Götz erhob Klage beim Finanzgericht München, der unter Bezugnahme auf das Umsatzsteuergesetz mit der Begründung stattgegeben wurde, dass die Landesanstalt als Unternehmerin in eigenem Namen gehandelt habe. Die Landesanstalt legte Revision beim Bundesfinanzhof ein, der das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:
1. Ist eine von einem Bundesland eingerichtete sogenannte „Milchquoten-Verkaufsstelle“, die Anlieferungs-Referenzmengen gegen Entgelt an Milcherzeuger überträgt,
a) eine landwirtschaftliche Interventionsstelle im Sinne des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3, Anhang D Nr. 7 der Sechsten Richtlinie, die Umsätze aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Anwendung der Verordnungen über eine gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt, oder
b) eine Verkaufsstelle im Sinne des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3, Anhang D Nr. 12 der Sechsten Richtlinie?
2. Falls die Frage 1 verneint wird:
a) Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn in einem Mitgliedstaat sowohl staatliche als auch private „Milchquoten-Verkaufsstellen“ Anlieferungs-Referenzmengen gegen Entgelt übertragen, bei der Prüfung, ob die Behandlung einer „Milchquoten-Verkaufsstelle“ einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige zu „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ im Sinne des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie führen würde, der räumlich relevante Markt der vom Mitgliedstaat definierte Übertragungsbereich?
b) Ist bei der Prüfung, ob die Behandlung einer staatlichen „Milchquoten-Verkaufsstelle“ als Nichtsteuerpflichtige zu solchen „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ führen würde, nur auf den Regelfall der – flächenungebundenen – Übertragung (durch eine Verkaufsstelle) abzustellen, oder sind auch andere Arten der – flächenungebundenen – Übertragung (durch Landwirte als Steuerpflichtige) mit einzubeziehen, obwohl es sich dabei nur um Ausnahmefälle handelt?
Zu den Vorlagefragen
Vorbemerkungen
14 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass beide Fragen des Bundesfinanzhofs auf der Prämisse beruhen, dass die entgeltliche Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fällt. Sowohl die erste Frage, die sich darauf bezieht, ob die Revisionsklägerin eventuell kraft Gesetzes nach Anhang D der Sechsten Richtlinie steuerpflichtig ist, als auch beide Teile der zweiten Frage zur Feststellung von „größeren Wettbewerbsverzerrungen“, die dadurch entstehen könnten, dass die Landesanstalt als Einrichtung des öffentlichen Rechts nach Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie als Nichtsteuerpflichtige behandelt wird, setzen nämlich voraus, dass die Tätigkeit einer Milchquoten-Verkaufsstelle, sei es als Einrichtung des öffentlichen Rechts oder als privatrechtlichtes Unternehmen, unter die Sechste Richtlinie fällt.
15 Art. 4 der Sechsten Richtlinie weist zwar der Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich zu, doch betrifft diese Vorschrift nur Tätigkeiten mit wirtschaftlichem Charakter (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1996, Régie dauphinoise, C-306/94, Slg. 1996, I-3695, Randnr. 15, und vom 26. Mai 2005, Kretztechnik, C-465/03, Slg. 2005, I-4357, Randnr. 18). Insbesondere muss für die Anwendung von Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie zuvor festgestellt werden, dass die betreffende Tätigkeit wirtschaftlicher Art ist (Urteil vom 26. Juni 2007, T-Mobile Austria u. a., C-284/04, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 48).
16 Demnach ist vor Beantwortung der Vorlagefragen festzustellen, ob die entgeltliche Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt.
17 Insoweit ist daran zu erinnern, dass es sich nach ständiger Rechtsprechung beim Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit um einen objektiv festgelegten Begriff handelt, da die Tätigkeit an sich, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, betrachtet wird (Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Niederlande, 235/85, Slg. 1987, 1471, Randnr. 8, und vom 21. Februar 2006, University of Huddersfield, C-223/03, Slg. 2006, I-1751, Randnr. 47).
18 Gemäß Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie gehören zur wirtschaftlichen Tätigkeit alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden, einschließlich der Leistungen, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfassen (Urteile Régie dauphinoise, Randnr. 15, und T-Mobile Austria u. a., Randnr. 33). Die letztgenannten Kriterien, die die Nachhaltigkeit der Tätigkeit und die daraus erzielten Einnahmen betreffen, gelten nach der Rechtsprechung nicht nur für die Nutzung eines Gegenstands, sondern für alle in Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie genannten Tätigkeiten. Somit wird eine Tätigkeit im Allgemeinen als wirtschaftlich angesehen, wenn sie nachhaltig ist und gegen ein Entgelt ausgeübt wird, das derjenige erhält, der die Leistung erbringt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Niederlande, Randnrn. 9 und 15).
19 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit besteht darin, die Absichten der Milchproduzenten für ein bestimmtes Milchwirtschaftsjahr entgegenzunehmen, um denjenigen, die vorhaben, mit ihrer Produktion unterhalb der für sie geltenden Schwelle zu bleiben, zu ermöglichen, die Anlieferungs-Referenzmengen, von denen sie glauben, dass sie sie nicht mehr nutzen werden, zu verkaufen, und um denjenigen, die umgekehrt diese Schwelle überschreiten möchten, zu ermöglichen, entsprechende Anlieferungs-Referenzmengen zu erwerben, ohne unter die Zusatzabgabe nach der Verordnung Nr. 3950/92 zu fallen. Zu der Tätigkeit gehört es auch, Angebot und Nachfrage zur Deckung zu bringen und den Gleichgewichtspreis zu ermitteln, die verkauften Anlieferungs-Referenzmengen entgegenzunehmen und sie den Erwerbern zuzuteilen sowie den für die Übertragung dieser Referenzmengen vereinbarten Betrag in Empfang zu nehmen und auszuzahlen. Daraus ergibt sich, dass die betreffende Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie als Dienstleistung anzusehen ist, bei der Angebot und Nachfrage der Milcherzeuger einander gegenübergestellt werden, wodurch es möglich wird, zu einem Gleichgewichtspreis zu gelangen. Infolgedessen handelt es sich bei der Tätigkeit, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, anders als bei der Tätigkeit, die in der Rechtssache T-Mobile Austria u. a. in Rede stand (Urteil T-Mobile Austria u. a., Randnr. 43), der Natur der Sache nach grundsätzlich um eine Tätigkeit von Wirtschaftsteilnehmern.
20 Unter diesen Umständen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es sich bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Tätigkeit unter Berücksichtigung der Art und Weise, wie sie in Deutschland im Jahr 2001 durchgeführt wurde, um eine nachhaltige und gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit, wie in Randnr. 18 des vorliegenden Urteils ausgeführt, handelt.
21 Das vorlegende Gericht hat auch gegebenenfalls festzustellen, ob die Milchquoten-Verkaufsstellen die Tätigkeit zur Erzielung dieses Entgelts ausüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Régie dauphinoise, Randnr. 15); dabei ist zu berücksichtigen, dass der Erhalt eines Entgelts für sich allein nicht geeignet ist, einer Tätigkeit wirtschaftlichen Charakter zu verleihen (vgl. in diesem Sinne Urteil T-Mobile Austria u. a., Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass die beiden Kriterien, die bei einer wirtschaftlichen Tätigkeit erfüllt sein müssen, nämlich deren Nachhaltigkeit und der Erhalt eines Entgelts als Gegenleistung für die Tätigkeit, nicht vorliegen, wäre die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit, so wie sie in Deutschland im Jahr 2001 ausgeübt wurde, nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen und würde infolgedessen nicht in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fallen.
23 Für den Fall jedoch, dass das vorlegende Gericht feststellt, dass die beiden in der vorstehenden Randnummer genannten Kriterien erfüllt sind, ist auf die beiden Vorlagefragen wie folgt zu antworten.
Zur ersten Frage
24 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Milchquoten-Verkaufsstelle eine landwirtschaftliche Interventionsstelle im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang D Nr. 7 der Sechsten Richtlinie oder eine Verkaufsstelle im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang D Nr. 12 dieser Richtlinie ist.
Zur Eigenschaft als landwirtschaftliche Interventionsstelle
25 Bezüglich der Frage, ob eine Milchquoten-Verkaufsstelle eine landwirtschaftliche Interventionsstelle ist, die nach Anhang D Nr. 7 der Sechsten Richtlinie steuerbare Umsätze bewirkt, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen Umsätzen um Umsätze der landwirtschaftlichen Interventionsstellen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen handelt, die in Anwendung der Verordnungen über eine gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt werden, wobei diese drei Kriterien nebeneinander vorliegen müssen.
26 Zwar besteht im vorliegenden Fall kein Zweifel daran, dass die von der Landesanstalt errichtete Milchquoten-Verkaufsstelle im Milchbereich in Anwendung einer Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation tätig ist; ihre Tätigkeit bezieht sich aber nicht auf Milch, sondern auf Anlieferungs-Referenzmengen. Es handelt sich somit nicht um landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne von Anhang D Nr. 7 der Sechsten Richtlinie. Außerdem unterscheidet sich die Aufgabe einer Milchquoten-Verkaufsstelle deutlich von der einer landwirtschaftlichen Interventionsstelle, deren Aufgabe darin besteht, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse selbst aufzukaufen und weiterzuverkaufen, wie es jedem Wirtschaftsteilnehmer möglich wäre, was insbesondere zur Schaffung von Lagerbeständen, wie u. a. im Getreidebereich, führt (vgl. Urteil vom 26. Juni 2003, Glencore Grain Rotterdam, C-334/01, Slg. 2003, I-6769). Die mit Anhang D der Sechsten Richtlinie untrennbar verbundene Steuerpflicht kraft Gesetzes schließt somit eine Tätigkeit, bei der Milchquoten zwischen den Erzeugern verteilt werden, vom Anwendungsbereich dieses Anhangs aus, da es sich bei der Zentralisierung der verschiedenen Ansprüche dieser Erzeuger nicht um einen Erwerb und Weiterverkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse auf dem Markt durch einen Wirtschaftsteilnehmer handelt.
27 Die von der Landesanstalt betriebene Milchquoten-Verkaufsstelle ist somit keine landwirtschaftliche Interventionsstelle.
Zur Eigenschaft als Verkaufsstelle
28 Da die Bezeichnung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einrichtung das Wort „Verkaufsstelle“ enthält, stellt sich die Frage, ob diese Verkaufsstelle eine Verkaufsstelle im Sinne von Anhang D Nr. 12 der Sechsten Richtlinie ist.
29 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Gemeinschaftsbestimmungen im Licht aller Sprachfassungen der Europäischen Gemeinschaft einheitlich ausgelegt und angewandt werden müssen (vgl. Urteile vom 7. Dezember 1995, Rockfon, C-449/93, Slg. 1995, I-4291, Randnr. 28, vom 2. April 1998, EMU Tabac u. a., C-296/95, Slg. 1998, I-1605, Randnr. 36, und vom 8. Dezember 2005, Jyske Finans, C-280/04, Slg. 2005, I-10683, Randnr. 31).
30 Nach ständiger Rechtsprechung kann die in einer der Sprachfassungen einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder insoweit Vorrang vor den anderen Sprachfassungen beanspruchen. Eine solche Vorgehensweise wäre mit dem Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts unvereinbar (vgl. Urteil vom 12. November 1998, Institute of the Motor Industry, C-149/97, Slg. 1998, I-7053, Randnr. 16).
31 Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Gemeinschaftstextes voneinander ab, so muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteile vom 9. März 2000, EKW und Wein & Co, C-437/97, Slg. 2000, I-1157, Randnr. 42, und vom 1. April 2004, Borgmann, C-1/02, Slg. 2004, I-3219, Randnr. 25).
32 Weit weniger allgemein als das deutsche Wort „Verkaufsstelle“ sind z. B. die französische Fassung von Anhang D Nr. 12 der Sechsten Richtlinie, die das Wort „économat“ verwendet, wie auch die englische Fassung („staff shops“), die spanische Fassung („economatos“) oder auch die italienische Fassung („spacci“) dieser Nummer. Dieser informatorische Vergleich erlaubt die Feststellung, dass die Verkaufsstelle im Sinne von Anhang D Nr. 12 die Einrichtungen erfasst, die verschiedene Erzeugnisse und Waren an die Belegschaftsangehörigen desjenigen Unternehmens oder derjenigen Behörde verkaufen, zu dem oder der sie gehören. Dies ist nicht die Aufgabe der Verkaufsstelle des Ausgangsverfahrens, da diese damit betraut ist, unter dem Gesichtspunkt der Begrenzung der Anlieferungs-Referenzmengen zu deren Ausgleich zum Besten für jeden Erzeuger beizutragen.
33 Es ergibt sich somit aus dem Kontext, dem Zweck und der Systematik der Sechsten Richtlinie, dass die von der Landesanstalt betriebene Milchquoten-Verkaufsstelle nicht mit einer Verkaufsstelle im Sinne von Anhang D Nr. 12 der Sechsten Richtlinie gleichgesetzt werden kann.
34 Somit ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass eine Milchquoten-Verkaufsstelle weder eine landwirtschaftliche Interventionsstelle im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang D Nr. 7 der Sechsten Richtlinie noch eine Verkaufsstelle im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang D Nr. 12 dieser Richtlinie ist.
Zur zweiten Frage
35 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der vom Mitgliedstaat definierte Übertragungsbereich für Anlieferungs-Referenzmengen (im Folgenden: Übertragungsbereich) der räumlich relevante Markt für die Prüfung der Frage ist, ob die Behandlung einer Milchquoten-Verkaufsstelle einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige zu „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie führen würde, und ob bei dieser Prüfung nur auf den Regelfall der Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen abzustellen ist oder auch alle anderen Arten der flächenungebundenen Übertragungen mit einzubeziehen sind.
Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen
36 Die Landesanstalt ist der Ansicht, dass der räumlich relevante Markt im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie der Übertragungsbereich sei, wie ihn der Mitgliedstaat definiert habe. Es sei nur auf den Regelfall der flächenungebundenen Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen abzustellen.
37 Herr Götz ist der Auffassung, dass der räumlich relevante Markt nicht der Übertragungsbereich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einrichtung des öffentlichen Rechts sei, sondern alle vom Mitgliedstaat definierten Übertragungsbereiche zusammen. Außerdem sei nicht nur auf den Regelfall der Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen, sondern auch auf andere Arten der flächenungebundenen Übertragung abzustellen.
38 Die deutsche Regierung vertritt die Ansicht, dass erstens staatliche Milchquoten-Verkaufsstellen nicht umsatzsteuerpflichtig seien, zweitens der räumlich relevante Markt der vom Mitgliedstaat definierte Übertragungsbereich sei und es drittens keine potenzielle Wettbewerbssituation zwischen den verschiedenen Milchquoten-Verkaufsstellen gebe. Zum zweiten Teil der zweiten Vorlagefrage vertritt die deutsche Regierung die gleiche Position wie die Landesanstalt.
39 Die Regierung des Vereinigten Königreichs weist darauf hin, dass sich unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Nachfrage- oder Angebotssituation außerhalb des Gebiets des jeweiligen Übertragungsbereichs nicht innerhalb dieses Bereichs auswirken könne. Daher sei jeder Übertragungsbereich ein gesonderter räumlicher Markt. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat keine Erklärungen zum zweiten Teil der zweiten Frage abgegeben.
40 Die Kommission schließlich ist der Ansicht, dass der räumlich relevante Markt der vom Mitgliedstaat bestimmte Übertragungsbereich sei. Außerdem sei nicht nur auf den Fall der flächenungebundenen Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen durch eine öffentliche Milchquoten-Verkaufsstelle, sondern auf alle Arten der Übertragung unter Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsfähigkeit der Käufer konkurrierender Leistungen abzustellen.
Antwort des Gerichtshofs
41 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie eine Befreiung für Einrichtungen des öffentlichen Rechts vorsieht, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werden, und dass diese beiden Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sein müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1985, Kommission/Deutschland, 107/84, Slg. 1985, 2655, und Kommission/Niederlande, Randnrn. 20 und 21).
42 Daraus ergibt sich, dass nur dann, wenn die öffentliche Einrichtung im Rahmen hoheitlicher Befugnisse tätig wird, zur Wahrung der Neutralität der Mehrwertsteuer festgestellt zu werden braucht, ob die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ führen kann.
43 Geht man davon aus, dass die Landesanstalt im Rahmen hoheitlicher Befugnisse handelt, so ist festzustellen, dass sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten und den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen ergibt, dass die Anlieferungs-Referenzmengen nicht durch andere Wirtschaftsteilnehmer als die Verkaufsstellen übertragen werden können.
44 Aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts ergibt sich nämlich, dass bei einer regulierten entgeltlichen Übertragung im Sinne von § 8 ZAV die Übertragung nur von einer öffentlichen oder privaten Milchquoten-Verkaufsstelle vorgenommen werden kann. Nach § 8 Abs. 2 ZAV kann sich zwar die Tätigkeit einer Milchquoten-Verkaufsstelle auf das Gebiet mehrerer Länder erstrecken und umgekehrt ein Land mehrere Milchquoten-Verkaufsstellen haben, doch soll damit allein dem Unterschied Rechnung getragen werden, der zwischen den Ländern sowohl hinsichtlich ihrer Fläche als auch hinsichtlich der Zahl der in dem jeweiligen Gebiet tätigen Milcherzeuger besteht. Gleichwohl kann in einem Übertragungsbereich die Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen nicht von privaten, der Mehrwertsteuer unterliegenden Wirtschaftsteilnehmern durchgeführt werden. Darüber hinaus ergibt sich aus § 8 Abs. 3 ZAV, dass Anlieferungs-Referenzmengen nur innerhalb der Übertragungsbereiche übertragen werden können. Folglich besteht in einem Übertragungsbereich keine Wettbewerbssituation im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie, und dieser Übertragungsbereich stellt somit den räumlich relevanten Markt für die Feststellung größerer Wettbewerbsverzerrungen dar.
45 Die anderen in § 8 Abs. 1 ZAV genannten Fälle von Übertragungen, die ohne die Milchquoten-Verkaufsstellen durchgeführt werden, erfolgen, worauf in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde, unter ganz besonderen Umständen. Sie betreffen u. a. Übertragungen aus Anlass einer Erbfolge, einer Eheschließung oder eines Betriebsübergangs, die nicht mit kommerziellen Sachverhalten zusammenhängen, sondern auf einen Rechtsvorgang zurückzuführen sind, der die Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen nur als Nebenfolge herbeiführt. Es kann somit kein Wettbewerb im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie zwischen den Milchquoten-Verkaufsstellen und den Erzeugern entstehen, die Anlieferungs-Referenzmengen in den in § 8 Abs. 1 ZAV vorgesehenen Fällen übertragen, da diese Fälle derart speziell sind, dass es sehr unwahrscheinlich erscheint, dass ein Milcherzeuger sich entschließt, die Voraussetzungen für eine solche Übertragung zu erfüllen, indem er z. B. einen Betrieb erwirbt, nur um Anlieferungs-Referenzmengen auf andere Art und Weise als bei einer Milchquoten-Verkaufsstelle zu erwerben.
46 Somit ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass die Behandlung einer Milchquoten-Verkaufsstelle als Nichtsteuerpflichtige, soweit sie im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie Tätigkeiten ausübt oder Leistungen erbringt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann, da diese Verkaufsstelle in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nicht mit privaten Wirtschaftsteilnehmern konfrontiert ist, die Leistungen erbringen, die mit den öffentlichen Leistungen konkurrieren. Da dies für jede Milchquoten-Verkaufsstelle gilt, die in einem von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten Übertragungsbereich tätig ist, ist dieser Übertragungsbereich der räumlich relevante Markt für die Feststellung größerer Wettbewerbsverzerrungen.
Kosten
47 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Eine Milchquoten-Verkaufsstelle ist weder eine landwirtschaftliche Interventionsstelle im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang D Nr. 7 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2001/4/EG des Rates vom 19. Januar 2001 geänderten Fassung noch eine Verkaufsstelle im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang D Nr. 12 dieser Richtlinie.
2. Die Behandlung einer Milchquoten-Verkaufsstelle als Nichtsteuerpflichtige, soweit sie im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2001/4 geänderten Fassung Tätigkeiten ausübt oder Leistungen erbringt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, kann nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen, da diese Verkaufsstelle in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nicht mit privaten Wirtschaftsteilnehmern konfrontiert ist, die Leistungen erbringen, die mit den öffentlichen Leistungen konkurrieren. Da dies für jede Milchquoten-Verkaufsstelle gilt, die in einem von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten Übertragungsbereich für Anlieferungs-Referenzmengen tätig ist, ist dieser Übertragungsbereich der räumlich relevante Markt für die Feststellung größerer Wettbewerbsverzerrungen.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.