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Rechtssache C-443/06

Erika Waltraud Ilse Hollmann

gegen

Fazenda Pública

(Vorabentscheidungsersuchen des Supremo Tribunal Administrativo)

„Direkte Besteuerung – Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Immobiliengeschäften – Freier Kapitalverkehr – Steuerbemessungsgrundlage – Diskriminierung – Kohärenz des Steuersystems“

Leitsätze des Urteils

1.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen

(Art. 234 EG)

2.        Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Gleichbehandlung – Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit

(Art. 7 und 56 EG)

3.        Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht

(Art. 56 EG)

1.        Zwar ist es im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 234 EG nicht Sache des Gerichtshofs, über die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden, weil deren Auslegung Sache der nationalen Gerichte ist; der Gerichtshof bleibt jedoch befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit dieser Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden.

(vgl. Randnr. 18)

2.        Art. 12 EG kann als eigenständige Grundlage nur auf gemeinschaftsrechtlich geregelte Fallgestaltungen angewendet werden, für die der EG-Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht. Der Vertrag sieht aber insbesondere in Art. 56 EG auf dem Gebiet des freien Kapitalverkehrs ein besonderes Diskriminierungsverbot vor.

(vgl. Randnrn. 28-29)

3.        Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach die Gewinne aus der Veräußerung einer in diesem Mitgliedstaat gelegenen Immobilie durch einen in einem anderen Mitgliedstaat Ansässigen einer höheren steuerlichen Belastung unterworfen werden als die Veräußerungsgewinne, die bei einem Geschäft der gleichen Art von einem Gebietsansässigen des Mitgliedstaats, in dem die Immobilie liegt, erzielt werden.

Eine solche Regelung ist eine nach Art. 56 EG verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs, da sie bewirkt, dass der Kapitaltransfer für Gebietsfremde dadurch an Attraktivität verliert, dass sie davon abgehalten werden, in dem betreffenden Mitgliedstaat Immobilieninvestitionen und folglich damit zusammenhängende Geschäfte wie den Verkauf einer Immobilie zu tätigen.

Da die in Rede stehende Besteuerung nur eine einzige Einkunftsart der Steuerpflichtigen zum Gegenstand hat, unabhängig davon, ob es sich um Gebietsansässige oder Gebietsfremde handelt, da sie beide Kategorien von Steuerpflichtigen betrifft und da es sich bei dem Mitgliedstaat, aus dem das steuerpflichtige Einkommen stammt, immer um den betreffenden Mitgliedstaat handelt, liegt objektiv keine unterschiedliche Situation vor, die eine steuerliche Ungleichbehandlung bei der Besteuerung der Veräußerungsgewinne dieser beiden Kategorien von Steuerpflichtigen rechtfertigt.

(vgl. Randnrn. 39-40, 50, 53-54, 61 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

11. Oktober 2007(*)

„Direkte Besteuerung – Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Immobiliengeschäften – Freier Kapitalverkehr – Steuerbemessungsgrundlage – Diskriminierung – Kohärenz des Steuersystems“

In der Rechtssache C-443/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) mit Entscheidung vom 28. September 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Oktober 2006, in dem Verfahren

Erika Waltraud Ilse Hollmann

gegen

Fazenda Pública,

Beteiligter:

Ministério Público,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters G. Arestis (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Frau Hollmann, vertreten durch A. Torres, advogado,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. I. Fernandes, Â. S. Neves und J. M. Leitão als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG, 43 EG und 56 EG.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Hollmann und der Fazenda Pública (portugiesische Steuerbehörden) wegen ihres Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2003.

 Rechtlicher Rahmen

3        Art. 10 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetz), der durch das Decreto-Lei Nr. 442/88 vom 30. November 1988 gebilligt wurde, in der Fassung des Decreto-Lei Nr. 198/2001 vom 3. Juli 2001 (Diário da República I, Serie A, Nr. 152 vom 3. Juli 2001) (im Folgenden: CIRS) sieht vor:

„1. Veräußerungsgewinne sind die erzielten Gewinne, die keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb und kein Erwerbseinkommen, keine Kapitalerträge oder Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen darstellen und sich aus Folgendem ergeben:

a)      aus der entgeltlichen Veräußerung dinglicher Rechte an Immobilien und der Verwendung von Gütern des Privatvermögens für die unternehmerische oder Erwerbstätigkeit, die ihr Eigentümer persönlich ausübt;

4. Der der Einkommensteuer unterliegende Gewinn besteht in:

a)      der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und dem Wert beim Erwerb, beide in den Fällen des Abs. 1 Buchst. a, b und c gegebenenfalls abzüglich des als Kapitalertrag anzusehenden Teils;

…“

4        Gemäß Art. 13 Abs. 1 CIRS unterliegen natürliche Personen, die im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässig sind, und solche Personen mit Wohnsitz außerhalb dieses Gebiets, die in Portugal Einkünfte erzielen, der Einkommensteuer.

5        Art. 15 Abs. 1 und 2 CIRS sieht vor, dass Personen, die im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässig sind, für ihr gesamtes Einkommen unter Einbeziehung der im Ausland erzielten Einkünfte einkommensteuerpflichtig sind, während Gebietsfremde nur für ihre innerhalb des portugiesischen Hoheitsgebiets erzielten Einkünfte einkommensteuerpflichtig sind.

6        Nach Art. 18 CIRS gelten als innerhalb des portugiesischen Hoheitsgebiets erzielte Einkünfte die Einkünfte im Zusammenhang mit dort gelegenen Immobilien einschließlich der Veräußerungsgewinne, die sich aus deren Übertragung ergeben.

7        Art. 43 Abs. 1 und 2 CIRS in der durch das Gesetz Nr. 109 B vom 27. Dezember 2001 (Diário da República I, Serie B, Nr. 298 vom 27. Dezember 2001) geänderten Fassung sieht vor:

„1. Als Veräußerungsgewinn gilt die gemäß den nachstehenden Artikeln ermittelte Differenz zwischen den in demselben Jahr erzielten Gewinnen und Verlusten.

2. Die im vorstehenden Absatz genannte positive oder negative Differenz der von Gebietsansässigen getätigten Geschäfte im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a, c und d wird nur in Höhe von 50 % ihres Wertes berücksichtigt.“

8        Bei Gebietsansässigen ergibt sich das steuerpflichtige Einkommen aus der Summe der jährlichen Einkünfte in den verschiedenen Einkunftsarten und unterliegt einem progressiv gestaffelten Steuersatz.

9        Für Gebietsfremde sieht Art. 72 Abs. 1 CIRS einen besonderen proportionalen Steuersatz von 25 % auf den Gesamtbetrag der sich bei Veräußerungsgewinnen aus Immobiliengeschäften ergebenen Differenz vor.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10      Frau Hollmann wohnt seit der Zeit der Vorgänge des Ausgangsverfahrens in Deutschland.

11      1998 erbte Frau Hollmann nach dem Tod ihres Ehegatten eine in Portugal gelegene Immobilie. Auf den Vermögenswert dieser Immobilie wurde von ihr Erbschafts- und Schenkungssteuer erhoben.

12      2003 verkaufte Frau Hollmann die fragliche Immobilie und erzielte einen Veräußerungsgewinn von 619 757,46 Euro, der der Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem der Erbschafts- und Schenkungssteuer zugrunde gelegten Vermögenswert entsprach.

13      Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 berücksichtigte die zuständige Steuerverwaltung bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens von Frau Hollmann den gesamten von ihr erzielten Veräußerungsgewinn und fügte diesen Betrag ihren weiteren steuerpflichtigen Einkünften in Portugal hinzu.

14      Nach Ansicht der Steuerverwaltung konnte sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht auf die günstigen Bestimmungen von Art. 43 Abs. 2 CIRS berufen, da sie ihren Wohnsitz nicht in Portugal, sondern in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hatte.

15      Frau Hollmann focht den genannten Einkommensteuerbescheid vor dem Tribunal administrativo e fiscal Loulé an. Gegen das Urteil, mit dem ihre Klage zurückgewiesen wurde, legte Frau Hollmann Berufung ein.

16      Unter diesen Umständen hat das Supremo Tribunal Administrativo das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verstößt Art. 43 Abs. 2 CIRS, wonach die Steuerbemessungsgrundlage auf 50 % der Veräußerungsgewinne, die von einer in Portugal ansässigen Person erzielt werden, begrenzt wird, dadurch gegen die Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG, 43 EG und 56 EG, dass Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig sind, diese Begrenzung bei den Veräußerungsgewinnen verwehrt wird?

 Zur Vorlagefrage

 Zur Zulässigkeit

17      Die portugiesische Regierung und die Kommission haben Zweifel, ob die Vorlagefrage, so wie sie vom vorlegenden Gericht formuliert wurde, zulässig ist.

18      Hierzu ist daran zu erinnern, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 234 EG zwar nicht Sache des Gerichtshofs ist, über die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden, weil deren Auslegung Sache der nationalen Gerichte ist, dass der Gerichtshof jedoch befugt bleibt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit dieser Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden (vgl. Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 37, und vom 19. April 2007, Asociación Nacional de Empresas Forestales, C-295/05, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Sodann ist es nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten nach Art. 234 EG allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der bei ihm anhängigen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Sofern die von den nationalen Gerichten vorgelegten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, ist der Gerichtshof somit grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. u. a. Urteile Asociación Nacional de Empresas Forestales, Randnr. 30, und vom 17. April 2007, AGM-COS.MET, C-470/03, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 44).

20      In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof nach dem Wortlaut der Vorlagefrage ersucht, sich zur Vereinbarkeit einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts wie Art. 43 Abs. 2 CIRS mit dem Gemeinschaftsrecht zu äußern.

21      Obwohl der Gerichtshof die Frage, so wie sie vom vorlegenden Gericht formuliert wurde, nicht beantworten kann, ist er durch nichts daran gehindert, diesem dadurch eine sachdienliche Antwort zu geben, dass er ihm Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gibt, anhand deren das Gericht selbst über die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Steuervorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht entscheiden kann.

22      Folglich ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage wissen möchte, ob die Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG, 43 EG und 56 EG einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach auf Gewinne aus der Veräußerung einer in einem Mitgliedstaat gelegenen Immobilie durch einen in einem anderen Mitgliedstaat Ansässigen eine höhere Steuer erhoben wird als bei einem Geschäft der gleichen Art auf die Veräußerungsgewinne, die von einem Gebietsansässigen des Mitgliedstaats, in dem die Immobilie liegt, erzielt werden.

 Zu den anwendbaren Grundsätzen und Freiheiten

23      Das vorlegende Gericht bezieht sich in seiner Frage auf die Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG, 43 EG und 56 EG.

24      Damit stellt sich die Frage, ob sich ein nicht gebietsansässiger Steuerpflichtiger, der sich in einer Lage wie Frau Hollmann befindet, auf diese Vorschriften berufen kann.

25      Hinsichtlich der Art. 39 EG und 43 EG ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass Frau Hollmann mit dem Verkauf ihrer in Portugal gelegenen Immobilie, der zu der im Ausgangsverfahren streitigen Besteuerung führte, weder die Absicht verfolgte, im Hoheitsgebiet der Gemeinschaft eine Berufstätigkeit auszuüben, noch sich in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland niederlassen wollte, um eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben.

26      In Bezug auf Art. 18 EG ist der Vorlageentscheidung nichts zu entnehmen, was den Schluss zuließe, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens mit dem Verkauf ihrer Immobilie das ihr durch diese Vorschrift verliehene Recht ausüben wollte.

27      Folglich kann sich Frau Hollmann vor dem Hintergrund des vom vorlegenden Gericht dargestellten Sachverhalts im vorliegenden Fall nicht auf die Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG berufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2006, Kommission/Portugal, C-345/05, Slg. 2006, I-10633, Randnr. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass Art. 12 EG als eigenständige Grundlage nur auf gemeinschaftsrechtlich geregelte Fallgestaltungen angewendet werden kann, für die der EG-Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (vgl. u. a. Urteile vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a., C-397/98 und C-410/98, Slg. 2001, I-1727, Randnr. 38, und vom 26. Juni 2003, Skandia und Ramstedt, C-422/01, Slg. 2003, I-6817, Randnr. 61).

29      Der EG-Vertrag sieht aber insbesondere in Art. 56 EG auf dem Gebiet des freien Kapitalverkehrs ein besonderes Diskriminierungsverbot vor (Urteil vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze, C-222/04, Slg. 2006, I-289, Randnr. 99).

30      Demgemäß ist zu prüfen, ob ein Steuerpflichtiger wie Frau Hollmann sich auf Art. 56 EG berufen kann.

31      Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei einem Vorgang, der die Liquidation einer Immobilieninvestition, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, betrifft, um Kapitalverkehr (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 1999, Trummer und Mayer, C-222/97, Slg. 1999, I-1661, Randnr. 24).

32      Folglich fällt ein solcher Vorgang in den Anwendungsbereich von Art. 56 EG, so dass die Vorlagefrage somit auf dieser Grundlage zu prüfen ist.

 Zum freien Kapitalverkehr

33      Vorab ist daran zu erinnern, dass zum einen nach ständiger Rechtsprechung die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, diese ihre Befugnisse aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen (vgl. u. a. Urteile vom 7. September 2004, Manninen, C-319/02, Slg. 2004, I-7477, Randnr. 19, vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C-386/04, Slg. 2006, I-8203, Randnr. 15, und vom 24. Mai 2007, Holböck, C-157/05, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 21).

34      Zum anderen verbietet Art. 56 EG alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten vorbehaltlich einer Rechtfertigung nach Art. 58 EG.

35      Nach den Vorschriften des CIRS gelten für Gewinne aus der entgeltlichen Veräußerung einer in Portugal gelegenen Immobilie unterschiedliche Besteuerungsregeln, je nachdem, ob die Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat ansässig sind oder nicht.

36      So wird gemäß Art. 43 Abs. 2 CIRS der von Gebietsansässigen bei der Veräußerung von Immobilien in Portugal erzielte Gewinn nur in Höhe von 50 % berücksichtigt. Dagegen sieht der CIRS bei Gebietsfremden vor, dass der gesamte bei der Veräußerung dieser Immobilien erzielte Gewinn der Steuer unterliegt.

37      Daraus ergibt sich, dass nach den maßgeblichen Vorschriften des CIRS die Steuerbemessungsgrundlage für die erzielten Veräußerungsgewinne bei Gebietsansässigen und Gebietsfremden unterschiedlich ist. Somit unterliegen Gebietsfremde beim Verkauf derselben in Portugal gelegenen Immobilie für dabei erzielte Gewinne einer höheren Steuer als Gebietsansässige und sind folglich schlechter gestellt als diese.

38      Während bei einem Gebietsfremden ein Steuersatz von 25 % gilt und als Bemessungsgrundlage der gesamte erzielte Gewinn herangezogen wird, wird ein Gebietsansässiger schon dadurch, dass bei ihm nur die Hälfte der Bemessungsgrundlage der von ihm erzielten Gewinne berücksichtigt wird, systematisch niedriger besteuert, unabhängig davon, welchem Steuersatz sein gesamtes Einkommen unterliegt, da nach den Erklärungen der portugiesischen Regierung das Einkommen Gebietsansässiger einem progressiv gestaffelten Steuersatz unterliegt, wobei die höchste Stufe bei 42 % liegt.

39      Somit bewirkt eine nationale Regelung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, dass der Kapitaltransfer für Gebietsfremde dadurch an Attraktivität verliert, dass sie davon abgehalten werden, in Portugal Immobilieninvestitionen und folglich damit zusammenhängende Geschäfte wie den Verkauf einer Immobilie zu tätigen.

40      Mithin ist es eine nach Art. 56 EG verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs, wenn eine Bemessungsgrundlage von 50 % nur für die Veräußerungsgewinne von in Portugal ansässigen Steuerpflichtigen, nicht aber für die gebietsfremder Steuerpflichtiger vorgesehen wird.

41      Es ist jedoch zu prüfen, ob diese Beschränkung durch Gründe nach Art. 58 Abs. 1 EG gerechtfertigt werden kann.

42      Aus Art. 58 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 58 Abs. 3 EG ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen unterscheiden können, sofern diese Unterscheidung weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

43      Wie schon in den Randnrn. 36 bis 38 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, begründet Art. 43 Abs. 2 CIRS im Wesentlichen eine steuerliche Ungleichbehandlung zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden, indem er für Gewinne aus der Veräußerung einer in Portugal gelegenen Immobilie eine unterschiedliche Steuerbemessungsgrundlage vorsieht.

44      Allerdings ist zwischen den Ungleichbehandlungen, die nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG erlaubt sind, und den durch Abs. 3 dieses Artikels verbotenen willkürlichen Diskriminierungen zu unterscheiden.

45      Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass eine nationale Steuerregelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nur dann als mit den Vertragsvorschriften über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden kann, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. Urteile Manninen, Randnrn. 28 und 29, vom 8. September 2005, Blanckaert, C-512/03, Slg. 2005, I-7685, Randnr. 42, und vom 19. Januar 2006, Bouanich, C-265/04, Slg. 2006, I-923, Randnr. 38).

46      Im Licht der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung ist zunächst zu prüfen, ob die unterschiedliche Besteuerung des Einkommens je nachdem, ob der Gewinn aus der Veräußerung einer in Portugal gelegenen Immobilie von einem Gebietsansässigen oder einem Gebietsfremden erzielt wird, sich auf Situationen bezieht, die objektiv nicht vergleichbar sind.

47      Hierzu trägt die portugiesische Regierung vor, dass sich die Situation der beiden Kategorien von Steuerpflichtigen unterscheide, so dass die unterschiedliche Behandlung durchaus gerechtfertigt sei. Die Begrenzung der Steuerbemessungsgrundlage auf 50 % könne nur für Gebietsansässige gelten, da diese mit ihrem Gesamteinkommen einem progressiv gestaffelten Steuersatz unterlägen. Dagegen würden bei Gebietsfremden nur deren im portugiesischen Hoheitsgebiet erzielte Einkünfte besteuert. Der in einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vorgesehene Mechanismus bezwecke mit anderen Worten, Gebietsansässige, die im Gegensatz zu Gebietsfremden einem progressiven Steuersatz unterlägen, nicht zu benachteiligen.

48      Darüber hinaus sei die unterschiedliche steuerliche Behandlung, die sich aus der Anwendung einer anderen Steuerbemessungsgrundlage für Gebietsfremde ergebe, im Zusammenhang mit dem allgemeinen System der Einkommensteuer für Gebietsansässige und Gebietsfremde zu sehen.

49      Die portugiesische Regierung vertritt damit die Ansicht, dass es unter Berücksichtigung des Systems der Einkommensbesteuerung und insbesondere der unterschiedlichen Steuersätze für Gebietsansässige und Gebietsfremde gerechtfertigt sei, für Veräußerungsgewinne von Gebietsfremden eine andere Steuerbemessungsgrundlage vorzusehen. Bei Gebietsansässigen ergebe sich das steuerpflichtige Einkommen nämlich aus der Summe der Einkünfte in den verschiedenen Einkunftsarten – somit einschließlich der jährlichen Veräußerungsgewinne – und unterliege einem progressiv gestaffelten Steuersatz, während nach dem CIRS für Gebietsfremde ein besonderer proportionaler Steuersatz gelte.

50      Es ist festzustellen, dass im Ausgangsverfahren die Besteuerung der Veräußerungsgewinne aus Immobiliengeschäften erstens nur eine einzige Einkunftsart der Steuerpflichtigen zum Gegenstand hat, unabhängig davon, ob es sich um Gebietsansässige oder Gebietsfremde handelt, dass sie zweitens beide Kategorien von Steuerpflichtigen betrifft und dass es sich drittens bei dem Mitgliedstaat, aus dem das steuerpflichtige Einkommen stammt, immer um die Portugiesische Republik handelt.

51      Insbesondere führt, wie sich aus Randnr. 38 des vorliegenden Urteils ergibt, die Berücksichtigung der Hälfte der von einem Gebietsansässigen erzielten Veräußerungsgewinne als Bemessungsgrundlage in Verbindung mit der Tatsache, dass dessen Einkünfte einem progressiv gestaffelten Steuersatz unterliegen, bei dem die höchste Stufe bei 42 % liegt, bei gleichen Besteuerungsvoraussetzungen für einen Gebietsfremden bei diesem zu einer höheren Steuerbelastung.

52      Unter diesen Umständen kann dem Vorbringen der portugiesischen Regierung im vorliegenden Fall nicht gefolgt werden.

53      Daraus folgt, dass objektiv keine unterschiedliche Situation vorliegt, die eine steuerliche Ungleichbehandlung bei der Besteuerung der Veräußerungsgewinne der beiden Kategorien von Steuerpflichtigen rechtfertigt. Folglich ist eine Situation wie die von Frau Hollmann mit der eines Gebietsansässigen vergleichbar.

54      Daraus ergibt sich, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine steuerliche Ungleichbehandlung gegenüber Gebietsfremden begründet, da sie in einer objektiv vergleichbaren Lage bei Veräußerungsgewinnen eine höhere Besteuerung und damit eine höhere steuerliche Belastung als bei Gebietsansässigen erlaubt.

55      Was zweitens die Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anbelangt, beruft sich die portugiesische Regierung auf das Erfordernis, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten.

56      Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu wahren, eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten rechtfertigen kann. Ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument kann aber nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung nachgewiesen ist (Urteile vom 23. Februar 2006, Keller Holding, C-471/04, Slg. 2006, I-2107, Randnr. 40, und vom 29. März 2007, Rewe Zentralfinanz, C-347/04, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      In der vorliegenden Rechtssache macht die portugiesische Regierung geltend, dass der Zweck und die Logik des Systems der Besteuerung bei Veräußerungsgewinnen aus Immobiliengeschäften zu berücksichtigen seien. Ziel der in Rede stehenden Steuerregelung sei es, zu vermeiden, Gebietsansässige im Rahmen der Besteuerung der Veräußerungsgewinne wegen des für sie geltenden progressiven Steuersatzes zu benachteiligen. Im Wesentlichen bestehe bei Gebietsansässigen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vorteil, der sich aus der um die Hälfte reduzierten Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Veräußerungsgewinne ergebe und dem auf ihr Gesamteinkommen anwendbaren progressiven Steuersatz.

58      Wie sich aber aus Randnr. 38 des vorliegenden Urteils ergibt, übersteigt der steuerliche Vorteil für Gebietsansässige in Form der Herabsetzung der Steuerbemessungsgrundlage für die Veräußerungsgewinne um die Hälfte auf jeden Fall sein in der Anwendung eines progressiven Steuersatzes auf ihr Einkommen bestehendes Gegenstück.

59      Folglich besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem Vorteil und seinem Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung.

60      Infolgedessen kann die sich aus der fraglichen Steuerregelung ergebende Begrenzung nicht durch das Erfordernis, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, gerechtfertigt werden.

61      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 56 EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach die Gewinne aus der Veräußerung einer in einem Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall Portugal, gelegenen Immobilie durch einen in einem anderen Mitgliedstaat Ansässigen einer höheren steuerlichen Belastung unterworfen werden als die Veräußerungsgewinne, die bei einem Geschäft der gleichen Art von einem Gebietsansässigen des Mitgliedstaats, in dem die Immobilie liegt, erzielt werden.

 Kosten

62      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach die Gewinne aus der Veräußerung einer in einem Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall Portugal, gelegenen Immobilie durch einen in einem anderen Mitgliedstaat Ansässigen einer höheren steuerlichen Belastung unterworfen werden als die Veräußerungsgewinne, die bei einem Geschäft der gleichen Art von einem Gebietsansässigen des Mitgliedstaats, in dem die Immobilie liegt, erzielt werden.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Portugiesisch.