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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JÁN MAZÁK

vom 31. März 20091(1)

Rechtssache C-269/07

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Bundesrepublik Deutschland

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verstoß gegen die Art. 12 EG, 18 EG und 39 EG sowie Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft – Nationale Rechtsvorschriften über die Förderung der Altersvorsorge“





I –    Einführung

1.        Das vorliegende Verfahren nach Art. 226 EG betrifft bestimmte Aspekte der Einkommensteuervorschriften der Bundesrepublik Deutschland, die zur Förderung des Aufbaus einer privaten Rente, der sogenannten Riester-Rente(2), erlassen worden sind. Die Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland, den Aufbau dieser freiwilligen Renten finanziell zu fördern, wurde durch den demografischen Wandel und den zunehmenden Druck auf die nationale gesetzliche Rentenversicherung veranlasst. Die Riester-Rente soll also die gesetzliche Rente ergänzen.

2.        Mit ihrer Klage rügt die Kommission drei Aspekte der Vorschriften zur Riester-Rente, die in den §§ 79 bis 99 des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: EStG) enthalten sind(3). Sie beantragt dementsprechend, festzustellen, dass „[d]ie Bundesrepublik Deutschland … durch Einführung und Beibehaltung der Vorschriften zur ergänzenden Altersvorsorge in den §§ 79 bis 99 [EStG] gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 39 EG, Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft[(4)], Art. 18 [EG] und Art. 12 EG verstoßen [hat], soweit diese Vorschriften

a)      Grenzarbeitnehmern (und ihren Ehegatten) die Zulageberechtigung verweigern, soweit diese nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind;

b)      nicht zulassen, dass das geförderte Kapital für eine eigenen Wohnzwecken dienende Wohnung im eigenen Haus verwendet wird, sofern diese nicht in Deutschland belegen ist;

c)      vorsehen, dass die Förderung bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht zurückzuzahlen ist“.

3.        Darüber hinaus beantragt die Kommission, der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

4.        Die Bundesrepublik Deutschland beantragt, die Klage der Kommission abzuweisen und der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsvorschriften

5.        Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68 lautet wie folgt:

„(1)      Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.“

B –    Nationale Vorschriften

6.        § 1 EStG bestimmt:

„(1) Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. …

(2)   …

(3)   Auf Antrag werden auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte … haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag [von 6 136 Euro je Kalenderjahr] nicht übersteigen …“

7.        Nach § 10a Abs. 1 EStG können in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte jährlich Altersvorsorgebeiträge zuzüglich der nach den §§ 79 ff. zustehenden Zulage bis zu einem bestimmten Höchstbetrag als Sonderausgaben abziehen. Gemäß der erwähnten Bestimmung können neben den in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten weitere Gruppen von Personen als Versicherte in diesem Sinne behandelt werden. § 10a Abs. 2 EStG regelt das Verhältnis des Abzugs für die Altersvorsorgebeiträge zur Altersvorsorgezulage und schreibt die Anwendung der dem Steuerpflichtigen günstigeren Regelung vor.

8.        § 79 EStG („Zulageberechtigte“) sieht vor:

„Nach § 10a Abs. 1 begünstigte unbeschränkt steuerpflichtige Personen haben Anspruch auf eine Altersvorsorgezulage (Zulage). Liegen bei Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 vor und ist nur ein Ehegatte nach Satz 1 begünstigt, so ist auch der andere Ehegatte zulageberechtigt, wenn ein auf seinen Namen lautender Altersvorsorgevertrag besteht.“

9.        Gemäß § 26 EStG muss grundsätzlich auch der Ehegatte des Begünstigten in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sein.

10.      § 83 EStG („Altersvorsorgezulage“) bestimmt:

„In Abhängigkeit von den geleisteten Altersvorsorgebeiträgen wird eine Zulage gezahlt, die sich aus einer Grundzulage (§ 84) und einer Kinderzulage (§ 85) zusammensetzt.“

11.      § 92a EStG sieht im Wesentlichen vor, dass der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und geförderte Kapital in Höhe von mindestens 10 000 Euro für die Anschaffung oder Herstellung einer zu eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland verwenden kann. Es dürfen höchstens 50 000 Euro verwendet werden.

12.      Nach § 93 EStG („Schädliche Verwendung“) muss der Zulageberechtigte im Fall einer schädlichen Verwendung des geförderten Altersvorsorgevermögens die empfangenen Zulagen und die als Sonderausgaben abgezogenen Beträge im Sinne von § 10a EStG zurückzahlen. § 94 EStG regelt das Verfahren bei einer solchen schädlichen Verwendung.

13.      § 95 Abs. 1 EStG sieht im Wesentlichen die entsprechende Anwendung der §§ 93 und 94 EStG vor, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht des Zulageberechtigten durch Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet oder wenn kein Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG gestellt wird. Nach § 95 Abs. 2 EStG kann auf Antrag des Zulageberechtigten die Rückzahlung des betreffenden Betrags bis zum Beginn der Auszahlung gestundet werden. Die Stundung wird verlängert, wenn mindestens 15 % der Leistungen aus dem Altersvorsorgevertrag zur Rückzahlung verwendet werden.

III – Vorverfahren

14.      Mit Mahnschreiben vom 16. Dezember 2003 wies die Kommission die Bundesrepublik Deutschland auf ihre Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dreier Aspekte der Rechtsvorschriften über die Riester-Rente mit dem Gemeinschaftsrecht hin. Mit Schreiben vom 19. Februar 2004 erklärte die Bundesrepublik Deutschland in Beantwortung des Mahnschreibens, dass sie die fraglichen Rechtsvorschriften nicht für gemeinschaftsrechtswidrig erachte.

15.      Am 19. Dezember 2005 übersandte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ihre Darlegungen aus dem Mahnschreiben wiederholte und die Bundesrepublik Deutschland aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach deren Eingang nachzukommen. Da die Kommission die Antwort der deutschen Behörden auf diese Stellungnahme für unzureichend erachtete, hat sie die vorliegende Klage erhoben, die am 6. Juni 2007 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist.

IV – Klage

A –    Erste Rüge

1.      Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

16.      Nach Ansicht der Kommission stellt die nach § 79 EStG für den Anspruch auf die Altersvorsorgezulage geltende Voraussetzung, dass der Begünstigte in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sein muss, eine verschleierte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar und verstößt daher gegen Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68. Die Kommission verweist auf die Rahmenbedingungen sowie auf den Zweck der Einführung der Regelung, nämlich die Beitragszahlung zur Altersvorsorge zu unterstützen und somit den Betroffenen beim Aufbau einer die gesetzliche Rente ergänzenden Rente zu helfen.

17.      Die Kommission ist im Wesentlichen der Auffassung, dass es sich bei der Altersvorsorgezulage um eine „soziale Vergünstigung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 in dessen Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs handele. Die in Rede stehende Altersvorsorgezulage werde den Begünstigten „hauptsächlich“ wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft gewährt. Die Vorsorge für das Alter sei untrennbarer Bestandteil des Berufslebens, das hierfür die wirtschaftlichen Grundlagen liefere. Die Altersvorsorgezulage ziele daher u. a. auf eine Ergänzung dieser wirtschaftlichen Grundlagen ab.

18.      Die Kommission macht geltend, die Bundesrepublik Deutschland bestreite nicht, dass die gesetzliche Rente in erster Linie Personen mit Arbeitsverhältnissen betreffe und dass diese daher auch die Hauptbegünstigten der Altersvorsorgezulage seien. Dass daneben auch andere Personengruppen durch die Zulage begünstigt würden, zeige lediglich, dass die hinsichtlich von Arbeitnehmern verfolgte soziale Zielsetzung auch auf andere Gruppen ausgedehnt worden sei, die sich bezüglich der gesetzlichen Rentenversicherung in vergleichbarer Lage befänden. Die Zulage, die in einem anderen Teil des EStG verankert sei als die Vorschriften über die Möglichkeit, die Beiträge zur Altersvorsorge bis zu einer bestimmten Grenze als Sonderausgaben abzuziehen, sei als vom Einkommen progressionsunabhängige Mindestförderung zum Schutz derjenigen Personengruppen ausgestaltet worden, bei denen sich die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung besonders empfindlich auswirke, nämlich Bezieher geringer Einkommen und kinderreiche Familien. Diese nichtmonolithische Ausgestaltung sorge dafür, dass Ehegatten, die keiner eigenen Berufstätigkeit nachgingen, nach § 79 Satz 2 EStG ein eigenständiger Anspruch auf die Altersvorsorgezulage zustehe.

19.      Jedenfalls erfasse der Begriff der sozialen Vergünstigung nach der einschlägigen Rechtsprechung auch solche Vorteile, die wegen des Wohnorts des Begünstigten im Inland gewährt würden. Diese Rechtsprechung sei im vorliegenden Verfahren heranzuziehen. Dass Voraussetzung für die Gewährung der Zulage ein vom Begünstigten abgeschlossener Altersvorsorgevertrag sei, bedeute außerdem nicht, dass die Vergünstigung nicht an die objektive Arbeitnehmereigenschaft oder an den Wohnort anknüpfe. Soziale Vergünstigungen seien regelmäßig an Voraussetzungen geknüpft, die ihre soziale Zielsetzung widerspiegelten. Diese Erwägungen entsprächen auch der Zielsetzung von Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft zu erleichtern. Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten befänden sich bezüglich der Vorschriften über die Vorsorge für das Alter in der Regel in derselben Situation wie deutsche Arbeitnehmer und seien gleichermaßen vom sinkenden Niveau der gesetzlichen Renten des deutschen Systems betroffen, in das sie Beiträge einzahlten. Insofern sei daran zu erinnern, dass nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern(5) hinsichtlich der sozialen Sicherheit eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt sei, den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliege, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohne. Diese Regel erfasse auch den Fall von Grenzarbeitnehmern, die im Beschäftigungsstaat sozialversicherungspflichtig seien, sofern sie nicht auch in ihrem Wohnsitzstaat beschäftigt seien. § 79 EStG unterscheide jedoch zwischen in Deutschland wohnenden Arbeitnehmern und Grenzarbeitnehmern, indem die Gewährung der Zulage an die Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht des Betroffenen in Deutschland geknüpft werde. Diese Voraussetzung sei angesichts von § 1 EStG gleichbedeutend mit einem Wohnsitzerfordernis in Deutschland und schließe Grenzarbeitnehmer daher aus. Da Gebietsfremde meist Ausländer seien, stelle die genannte Voraussetzung somit eine versteckte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar. Die Kommission weist auch darauf hin, dass es den betroffenen Arbeitnehmern aus der Französischen Republik und der Republik Österreich wegen der Doppelbesteuerungsabkommen, die die Bundesrepublik Deutschland mit diesen Mitgliedstaaten geschlossen habe, nicht freistehe, sich nach § 1 Abs. 3 EStG in Deutschland besteuern zu lassen.

20.      Zu dem Argument der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Freiwilligkeit des Abschlusses von Altersvorsorgeverträgen stellt die Kommission fest, dass die Einstufung einer Vergünstigung als soziale Vergünstigung nicht vom Vorliegen von Elementen einer Leistung der „sozialen Sicherheit“ abhänge; dies gelte insbesondere für das obligatorische Element, das bei sozialen Vergünstigungen in aller Regel fehle. Ein freiwilliges System könne jedoch ein System der Pflichtversicherung ergänzen, so wie dies hier der Fall sei, wo die Altersvorsorgezulage den Aufbau einer Rente fördere, die zur gesetzlichen Rente hinzutrete.

21.      Entgegen der Auffassung der Bundesrepublik Deutschland hält die Kommission die Altersvorsorgezulage nicht für eine steuerliche Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68. Die Zulage wirke sich nämlich nicht auf die Einnahmenseite, sondern auf die Ausgabenseite des Staatshaushalts aus. Die Einstufung der Zulage als „soziale“ oder als „steuerliche“ Vergünstigung sei letztlich nicht von Belang, da nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 Grenzarbeitnehmern auch bei steuerlichen Vergünstigungen Gleichbehandlung zustehe.

22.      Die Kommission macht geltend, nach dem Urteil Schumacker(6) sei eine Gleichstellung der Grenzarbeitnehmer mit Gebietsansässigen und nicht deren Unterscheidung geboten, da die Grenzarbeitnehmer, um die es im vorliegenden Fall gehe, dem deutschen System der sozialen Sicherheit angeschlossen seien und sich somit hinsichtlich ihrer Rentenanwartschaften in derselben Lage befänden wie die in Deutschland ansässigen Arbeitnehmer. Die betreffenden Grenzarbeitnehmer erzielten in der Regel ihre gesamten Einkünfte in Deutschland. Im Übrigen bestreite die Bundesrepublik Deutschland nicht, dass die Altersvorsorgezulage einen integralen Bestandteil der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung bilde.

23.      Nach Auffassung der Kommission ist die Argumentation der Bundesrepublik Deutschland zur steuerlichen Kohärenz(7) im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht relevant. Wenn Alterseinkünfte, die eine in einem Mitgliedstaat wohnende Person aus einem anderen Mitgliedstaat beziehe, nur im Wohnsitzmitgliedstaat besteuert werden dürften, so liege dies an der Aufteilung der Besteuerungsrechte, die diese beiden Staaten durch ein Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hätten. Das Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten gewährleiste daher die steuerliche Kohärenz. Soweit im Übrigen Mitgliedstaaten ein Doppelbesteuerungsabkommen über die Besteuerung von Renten geschlossen hätten, werde entsprechend dem Urteil Wielockx(8) „[d]ie steuerliche Kohärenz … nicht auf der Ebene der Einzelperson, durch eine strenge Wechselbeziehung zwischen der Abzugsfähigkeit der Beiträge und der Besteuerung der Renten, hergestellt, sondern sie wird auf eine andere Ebene, nämlich die der Gegenseitigkeit der in den Vertragsstaaten anwendbaren Vorschriften, verlagert“(9).

24.      Die Kommission macht geltend, dass gemäß § 85 EStG die Höhe der Altersvorsorgezulage von der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder des Betroffenen abhänge. Dass die unbeschränkte Steuerpflicht dieses Betroffenen in Deutschland zur Anspruchsvoraussetzung gemacht werde, verstoße gegen die Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68. Darüber hinaus sehe § 79 Satz 2 EStG ein abgeleitetes Recht des Ehegatten des Begünstigten nur dann vor, wenn der Ehegatte ebenfalls in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sei. Nach ständiger Rechtsprechung zu dieser Frage(10) verstoße das Erfordernis, dass der Ehegatte eines Arbeitnehmers in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, ebenfalls gegen die Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68.

25.      Die Bundesrepublik Deutschland vertritt die Auffassung, dass das Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland gemäß § 79 Satz 1 weder gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 noch gegen Art. 39 Abs. 2 EG verstoße.

26.      Sie verweist darauf, dass das EStG zwei Instrumente für den steuerlichen geförderten Aufbau einer ergänzenden Rente vorsehe, nämlich die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 EStG und den Anspruch auf eine Altersvorsorgezulage nach den §§ 79 ff. EStG. Entgegen dem Vorbringen der Kommission handele es sich bei der fraglichen Zulage nicht um eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68, sondern um eine steuerliche Vergünstigung.

27.      Auch knüpfe die Gewährung der Altersvorsorgezulage nicht an die objektive Arbeitnehmereigenschaft des Begünstigten oder seinen Wohnort im Inland an.

28.      Nach § 10a Abs. 1 EStG, auf den § 79 EStG verweise, werde der Anspruch auf die Altersvorsorgezulage nicht davon abhängig gemacht, dass es sich bei dem Begünstigten um einen Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts handele, da die Zulage auch für nicht abhängig Beschäftigte gelte. Darüber hinaus gebe es eine beachtenswerte Gruppe von in berufsständischen Versorgungssystemen pflichtversicherten Arbeitnehmern (z. B. Ärzte und Zahnärzte), die keine Möglichkeit hätten, die Beiträge zur Altersvorsorge nach § 10a Abs. 1 EStG als Sonderausgaben abzuziehen, und die somit durch die Zulage nicht begünstigt würden. Zudem hänge die Gewährung der Zulage nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland ab. Die in den §§ 10a und 79 EStG genannten Erfordernisse der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und der unbeschränkten Steuerpflicht knüpften nicht an ein Wohnsitzerfordernis an. So richte sich die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 10a EStG nach dem Ort der Beschäftigung und nicht nach dem Wohnsitz, wie aus Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 folge. Auch das Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland richte sich nicht nach einem inländischen Wohnsitz, da Grenzarbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 EStG beantragen könnten, in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Notwendige Bedingung für die Zulageberechtigung sei – im Unterschied zu den Pflichtbeiträgen zu der gesetzlichen Rentenversicherung – der freiwillige Abschluss eines Altersvorsorgevertrags mit einem privaten Versicherer und die Entrichtung der erforderlichen Beiträge. Dieses Erfordernis sei nicht an die objektive Arbeitnehmereigenschaft oder an die Gebietsansässigkeit geknüpft. Entgegen dem Vorbringen der Kommission sei der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck beim Erlass der fraglichen Maßnahme nicht für deren rechtliche Einordnung maßgeblich. Zur Förderung des Aufbaus der ergänzenden privaten Altersvorsorge habe sich der deutsche Gesetzgeber für einen steuerrechtlichen Weg entschieden, auch wenn er sich von sozialen Erwägungen habe leiten lassen.

29.      Die in Rede stehende Zulage sei eine steuerliche Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68. Die Zulageberechtigung gemäß den §§ 79 ff. EStG hänge von der Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 EStG ab. Diese Vorschrift sei die Zentralnorm zur steuerlichen Begünstigung des Aufbaus einer zusätzlichen Altersvorsorge. Dies ergebe sich aus der amtlichen Überschrift der Norm („Zusätzliche Altersvorsorge“) und aus dem Umstand, dass § 10a Abs. 1 EStG, auf den § 79 EStG hinsichtlich der Zulageberechtigung verweise, den Personenkreis regele, der von der steuerlichen Förderung profitieren könne. Darüber hinaus sehe § 10a EStG eine „Günstigerprüfung“ vor, in deren Rahmen ermittelt werde, ob ein Steuerpflichtiger über den Betrag der Altersvorsorgezulage hinaus Anspruch auf Steuerermäßigung für die Altersvorsorgebeiträge habe. Insbesondere bestehe eine enge Verknüpfung zwischen Sonderausgabenabzug und Altersvorsorgezulage, die nicht nur aus den Bezugnahmen im Gesetzestext selbst folge, sondern auch daraus, dass die Zulage eine Vorauszahlung auf die Steuerermäßigung sei, die sich im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 EStG ergebe. Durch die Altersvorsorgezulage könne der Berechtigte also schon vor der Abgabe seiner Steuererklärung in den Genuss eines Teils der Steuerermäßigung kommen, die ihm aufgrund der geleisteten Beiträge zur Altersvorsorge zustehe. Im Übrigen wirke sich die Altersvorsorgezulage auf die Einnahmenseite des Staatshaushalts aus, weil durch die Steuerfreistellung der Beiträge zur Altersvorsorge das Steueraufkommen reduziert werde.

30.      Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland liegt im vorliegenden Fall keine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte vor. Nach ständiger Rechtsprechung könne eine Diskriminierung nur vorliegen, wenn unterschiedliche Vorschriften auf gleichartige Situationen angewandt würden oder wenn dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt werde.(11) Des Weiteren habe der Gerichtshof im Urteil Meindl ausgeführt, dass „Gebietsansässige und Gebietsfremde in einem Staat … sich im Hinblick auf die direkten Steuern in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation [befinden], denn das Einkommen, das ein Gebietsfremder im Hoheitsgebiet eines Staates erzielt, stellt meist nur einen Teil seiner Gesamteinkünfte dar, deren Schwerpunkt an seinem Wohnort liegt, und die persönliche Steuerkraft des Gebietsfremden, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Verhältnisse und seines Familienstands ergibt, kann am leichtesten an dem Ort beurteilt werden, an dem der Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen und seiner Vermögensinteressen liegt; dieser Ort ist in der Regel der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der betroffenen Person“(12).

31.      Unter Berufung auf das Urteil Schumacker(13) macht die Bundesrepublik Deutschland daher geltend, dass es grundsätzlich dem Wohnstaat und nicht dem Beschäftigungsstaat obliege, die persönliche Situation des gebietsfremden Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Wenn – entsprechend dem Urteil Gschwind(14) – ein Grenzpendler mehr als 90 % seiner Einkünfte in Deutschland erziele, habe er die Möglichkeit, auf Antrag als unbeschränkt Steuerpflichtiger in Deutschland behandelt zu werden, und somit die Möglichkeit zum Abzug von Sonderausgaben nach § 10a Abs. 1 EStG und zur Inanspruchnahme der Zulage nach den §§ 79 ff. EStG. Da außerdem Grenzarbeitnehmer gemäß den von der Bundesrepublik Deutschland mit der Französischen Republik und der Republik Österreich geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen im Wohnsitzstaat besteuert würden, obliege es diesem Staat, die persönliche Situation der betreffenden Arbeitnehmer zu berücksichtigen, und sei dieser Staat für die Gewährung steuerlicher Vergünstigungen zuständig. Daher sei die Bundesrepublik Deutschland mangels eines Besteuerungsrechts nicht berufen, die steuerliche Förderung der ergänzenden Altersvorsorge zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob in Frankreich und Österreich gleichartige Fördermöglichkeiten existierten. Im Übrigen weist die Bundesrepublik Deutschland darauf hin, dass sowohl Frankreich als auch Österreich finanzielle Anreize zum Aufbau der ergänzenden Altersvorsorge böten.

32.      Ferner macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass auch unter Berücksichtigung der Maßstäbe, die der Gerichtshof für die Gewährung sozialer Vergünstigungen aufgestellt habe, keine verbotene Ungleichbehandlung vorliege. Der Gerichtshof habe im Urteil Geven entschieden, dass eine soziale Vergünstigung auf diejenigen beschränkt werden dürfe, die eine hinreichend enge Bindung zur deutschen Gesellschaft eingegangen seien, ohne diese Leistung ausschließlich den in Deutschland wohnenden Personen vorzubehalten.(15) Der deutsche Gesetzgeber wolle auf diese Weise diejenigen Personen beim Aufbau einer ergänzenden Altersvorsorge unterstützen, die eine hinreichend enge Bindung zur deutschen Gesellschaft eingegangen seien, ohne dabei die Gewährung der Förderung strikt an das Erfordernis eines Wohnsitzes im Inland zu knüpfen. Dass ein solches Erfordernis nicht bestehe, sei aus § 1 Abs. 3 EStG ersichtlich, dem zufolge ein Grenzarbeitnehmer die Möglichkeit habe, auf Antrag in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig zu sein und daher in den Genuss der fraglichen Zulage zu kommen. Bei den Grenzpendlern, deren Situation sich nach dem Doppelbesteuerungsabkommen regele, fehle es an einer solchen Bindung zur Bundesrepublik Deutschland, vielmehr würden sie in rechtlicher Hinsicht umfassend ihrem Wohnsitzstaat zugeordnet.

33.      Was die den Ehegatten gewährte Zulage(16) angeht, verstößt nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland § 79 Satz 2 EStG weder gegen Art. 39 Abs. 2 EG noch gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68, da auch der Ehegatte, der nicht in Deutschland wohne, die fragliche, den in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen vorbehaltene Zulage beziehen könne, sofern beide Ehegatten sich für die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland entschieden und 90 % der gemeinsamen Einkünfte der Ehegatten in Deutschland besteuert würden bzw. ihre im Ausland besteuerten Einkünfte 12 272 Euro nicht überstiegen.

34.      Für den Fall, dass der Gerichtshof das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung bejahen sollte, macht die deutsche Regierung hilfsweise eine Rechtfertigung aus Gründen der steuerlichen Kohärenz geltend. Die Zulage gemäß § 79 EStG und die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 EStG entsprächen einer Steuerermäßigung oder einem steuerlichen Vorteil bezüglich der Beiträge zur Altersvorsorge. Diesem Vorteil stehe als Nachteil das Recht der Bundesrepublik Deutschland gegenüber, später alle Leistungen aus dem Altersvorsorgevertrag nach § 22 Nr. 5 EStG zu besteuern.

2.      Würdigung

35.      Mit dieser Rüge macht die Kommission geltend, dass § 79 EStG gegen die Art. 39 EG und 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoße, da für Grenzarbeitnehmer und deren Ehegatten die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland Anspruchsvoraussetzung für die nach der genannten nationalen Vorschrift vorgesehene Altersvorsorgezulage sei.

36.      Das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zu dieser Rüge konzentriert sich erstens auf die Frage, ob die Altersvorsorgezulage als soziale oder als steuerliche Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 einzuordnen ist, und zweitens auf die Frage, ob der Ausschluss von in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Grenzarbeitnehmern von der Zulageberechtigung eine mittelbare Diskriminierung dieser Arbeitnehmer aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellt, wobei zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist, dass die fragliche Zulage in der Tat von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 erfasst wird.

37.      Ich werde zunächst prüfen, ob die Altersvorsorgezulage als soziale oder als steuerliche Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 einzustufen ist, und anschließend, ob das nach § 79 EStG bestehende Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland als Voraussetzung für die Zulageberechtigung diskriminierend ist.

38.      Insoweit ist zu beachten, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2008 bestätigt hat, dass sich die vorliegende Rüge ausschließlich auf Grenzarbeitnehmer beziehe, die im Mitgliedstaat ihres Wohnsitzes steuerpflichtig seien. Nach den Angaben der Kommission in der mündlichen Verhandlung „ist die erste Rüge auf Fälle beschränkt, in denen das Besteuerungsrecht ausschließlich dem benachbarten Wohnstaat zusteht“. Sie hat jedoch darauf hingewiesen, dass die Rüge sich nicht auf Grenzarbeitnehmer aus der Französischen Republik und der Republik Österreich beschränke, die keine Möglichkeit hätten, sich gemäß § 1 Abs. 3 EStG für eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland zu entscheiden. Darüber hinaus beantragt die Kommission im vorliegenden Verfahren die Feststellung einer Vertragsverletzung lediglich hinsichtlich der Altersvorsorgezulage und nicht hinsichtlich der Möglichkeit, bestimmte Beiträge zur Altersvorsorge nach § 10a Abs. 1 EStG abzuziehen.

39.      Meines Wissens hat sich der Gerichtshof noch nicht speziell zu einem etwaigen Unterschied zwischen den in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 genannten Vergünstigungen geäußert. Er hat allerdings befunden, dass unter ‚sozialen Vergünstigungen‘ alle Vergünstigungen zu verstehen [sind], die – ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht – den inländischen Arbeitnehmern in erster Linie wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland allgemein gewährt werden und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu erleichtern“.(17) Darüber hinaus hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass der Begriff der „sozialen Vergünstigungen“ in der genannten Vorschrift nicht eng ausgelegt werden könne.(18)

40.      Um zu entscheiden, ob es sich bei der Altersvorsorgezulage um eine soziale oder um eine steuerliche Vergünstigung handelt, müssen Zweck und Voraussetzungen ihrer Gewährung und nicht bloß ihre Einordnung nach nationalem Recht untersucht werden. Dass sich die Bestimmungen über die Gewährung der Altersvorsorgezulage im deutschen Einkommensteuergesetz finden, ist meines Erachtens für die Rechtsnatur oder juristische Qualifizierung der Zulage und damit für deren Einstufung als soziale oder als steuerliche Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 unmaßgeblich.

41.      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass die Bundesrepublik Deutschland den Aufbau von Riester-Renten durch eine Altersvorsorgezulage und die Möglichkeit, die Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben im Rahmen der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abzuziehen, fördern will. Darüber hinaus ist bekannt, dass der Aufbau der Riester-Rentenregelung durch den demografischen Wandel in Deutschland und die Notwendigkeit einer Reform der gesetzlichen Rentenversicherung bedingt ist. Die Riester-Rentenregelung bezweckt daher die Ergänzung der gesetzlichen Rentenregelung, deren Leistungen in Zukunft absinken werden. Die Riester-Rentenregelung zielt daher unmittelbar auf diejenigen Personen ab, die von der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung betroffen sind.

42.      Meines Erachtens geht aus den Gerichtsakten hervor und wird übrigens von der Bundesrepublik Deutschland auch nicht bestritten, dass Beweggrund für die Gewährung der fraglichen Förderung(19) war, dafür zu sorgen, dass Ruheständlern nach ihrem Berufsleben eine angemessene Rente zur Verfügung steht. Ich bin daher der Auffassung, dass der Gewährung der fraglichen Förderung soziale Motive zugrunde liegen.

43.      Ich bin zwar mit der Bundesrepublik Deutschland der Ansicht, dass der soziale Zweck einer innerstaatlichen Vergünstigung für sich allein nicht ausreicht, um die Vergünstigung als „soziale Vergünstigung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 einzustufen, angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofs spricht jedoch der von der Bundesrepublik Deutschland mit der Gewährung der Altersvorsorgezulage verfolgte Zweck für deren Einstufung als soziale Vergünstigung. Hierzu sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass der Begriff der „sozialen Vergünstigungen“ im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 auch die alten Menschen durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats garantierten Einkünfte umfasst.(20)

44.      Gewiss erfolgen der Abschluss eines Riester-Altersvorsorgevertrags und die Entrichtung von Beiträgen hierzu freiwillig. Entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland ändert allerdings die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Riester-Regelung meines Erachtens nichts daran, dass es sich bei der Altersvorsorgezulage nach § 79 EStG um eine nach deutschem Recht geschaffene Förderung handelt, die sicherstellen soll, dass den Begünstigten – wenn auch in erster Linie aufgrund ihrer eigenen Initiative – ausreichende Einkünfte im Alter garantiert sind. Meiner Meinung nach liefe es dem Sinn und Zweck der Gemeinschaftsregeln über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer grundsätzlich zuwider, wenn eine Vergünstigung nur deshalb nicht als soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 gelten könnte, weil die Teilnahme an der Regelung, in deren Rahmen die Vergünstigung gewährt wird, freiwillig erfolgt.(21)

45.      Im vorliegenden Verfahren ist unstreitig, dass die Altersvorsorgezulage auch Personen gewährt wird, die unter Umständen nicht als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 39 EG einzustufen sind, und dass die Zulage einigen Arbeitnehmern tatsächlich nicht zugutekommen mag, weil für sie anderweitige Rentenregelungen gelten und sie daher von der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung nicht betroffen sind. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen geht jedoch hervor, dass die gesetzliche Rente vor allem Arbeitnehmer begünstigt, auf die daher auch die Riester-Rente in erster Linie ausgerichtet ist und die letztlich die Hauptbegünstigten der Altersvorsorgezulage sind.(22) Dass sich der Kreis der Zulageberechtigten und der Kreis der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 39 EG in der Auslegung des Gerichtshofs nicht genau decken, spricht meines Erachtens nicht dagegen, dass die Zulage – wie es der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung formuliert hat – den inländischen Arbeitnehmern „hauptsächlich“ wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft gewährt wird und bezweckt, dass diesen Arbeitnehmern angesichts der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung ausreichende Einkünfte im Alter garantiert sind.(23) Ich bin daher der Ansicht, dass die Altersvorsorgezulage – wie von der Kommission geltend gemacht – Personen hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft gewährt wird.

46.      Die Bundesrepublik Deutschland ist in ihren Ausführungen um den Nachweis bemüht, dass es sich bei der Altersvorsorgezulage um eine steuerliche und nicht um eine soziale Vergünstigung handelt, weil die Zulage untrennbar mit der Möglichkeit verbunden sei, Altersvorsorgebeiträge bis zu einer gewissen Höhe als Sonderausgaben nach § 10a Abs. 1 EStG abzuziehen. Damit macht die Bundesrepublik Deutschland praktisch geltend, bei der Zulage handele es sich lediglich um eine Vorauszahlung auf die spätere Steuerermäßigung, die nach § 10a Abs. 2 EStG ermittelt werde. Aber auch wenn ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen der Altersvorsorgezulage und dem Sonderausgabenabzug der Altersvorsorgebeiträge bestehen mag – nicht zuletzt, weil sie beide durch die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung motiviert sind –, halte ich die Zulage doch für eine Mindestförderung, die unabhängig vom Einkommen des Betreffenden in die Altersvorsorge des Begünstigten(24) fließt. Die Möglichkeit, Altersvorsorgebeiträge bis zu einer bestimmten Höhe nach § 10a Abs. 1 EStG als Sonderausgaben abzuziehen, stellt meiner Meinung nach eine separate zusätzliche Vergünstigung dar, deren Umfang vom Einkommen des Betreffenden anhängig ist und die von der Altersvorsorgezulage wirtschaftlich abtrennbar ist.

47.      Ich bin daher der Auffassung, dass es sich bei der im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Altersvorsorgezulage um eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 handelt.

48.      Da ich die Altersvorsorgezulage für eine soziale Vergünstigung nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 halte, werde ich die Frage der Diskriminierung unter diesem Blickwinkel und nicht unter steuerlichen Gesichtspunkten prüfen.

49.      Bezüglich der Frage der Diskriminierung ist daran zu erinnern, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung, der sowohl in Art. 39 EG als auch in Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68 angesprochen wird, nicht nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen. Eine Vorschrift des nationalen Rechts, die nicht objektiv gerechtfertigt ist und nicht in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht, diskriminiert mittelbar, wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirkt und folglich die Gefahr besteht, dass sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt.(25)

50.      Nach Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68 stehen einem Grenzarbeitnehmer daher dieselben sozialen Vergünstigungen zu, die auch inländischen Arbeitnehmern gewährt werden. Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der in der genannten Vorschrift verwendete Begriff des Arbeitnehmers auch Grenzarbeitnehmer, die sich gleichermaßen darauf berufen können wie alle anderen Arbeitnehmer, auf die sich die Vorschrift bezieht.(26)

51.      Die Kommission macht geltend, die Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland sei angesichts von § 1 EStG gleichbedeutend mit einem Wohnsitzerfordernis im Inland, wodurch Grenzarbeitnehmer praktisch von der Inanspruchnahme der Altersvorsorgezulage ausgeschlossen seien. Die Bundesrepublik Deutschland ist diesem Vorbringen der Kommission zwar entgegengetreten, hat in ihren Ausführungen jedoch eigentlich eingeräumt, dass bei der Gewährung der Zulage zwischen gebietsansässigen Arbeitnehmern einerseits und Grenzarbeitnehmern aus der Französischen Republik und der Republik Österreich andererseits unterschieden werde, da diese Grenzarbeitnehmer keine Möglichkeit hätten, sich für eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland zu entscheiden. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass andere Grenzarbeitnehmer, die in Deutschland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, die Altersvorsorgezulage nur dann in Anspruch nehmen können, wenn sie sich nach § 1 Abs. 3 EStG für die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland entscheiden.

52.      Meines Erachtens sind damit Gebietsfremde grundsätzlich von der Zulageberechtigung ausgeschlossen. Anders als die Bundesrepublik Deutschland meine ich auch nicht, dass sich an dieser Feststellung etwas ändert, weil bestimmte Grenzarbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 EStG die Möglichkeit haben, sich in Deutschland als unbeschränkt Steuerpflichtige behandeln zu lassen. Jedenfalls kann der Antrag, in Deutschland als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt zu werden, nur gestellt werden, wenn 90 % der Einkünfte des betreffenden Arbeitnehmers in Deutschland besteuert werden und die Einkünfte, die nicht dort besteuert werden, den Betrag von 6 136 Euro(27) nicht übersteigen. Angesichts der strengen Voraussetzungen, die die fraglichen Grenzarbeitnehmer erfüllen müssen, um den Status eines in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen zu erlangen, sind meiner Ansicht nach zumindest einige dieser Arbeitnehmer aufgrund der Tatsache, dass sie in einem bestimmten Staat wohnen, von der Inanspruchnahme der Altersvorsorgezulage praktisch ausgeschlossen. Da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Gebietsfremde in den meisten Fällen Nichtstaatsangehörige sind(28), hat die Kommission meines Erachtens im vorliegenden Verfahren dargetan, dass das nach § 79 EStG für den Anspruch auf eine soziale Vergünstigung geltende Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland von deutschen Arbeitnehmern einfacher als von Grenzarbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten erfüllt werden kann und daher eine nach den Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verbotene mittelbare Diskriminierung darstellt.

53.      Außerdem bin ich – anders als die Bundesrepublik Deutschland – auch nicht der Ansicht, dass die Ausführungen des Gerichtshofs zum Fehlen einer hinreichend engen Bindung zur Gesellschaft des die soziale Vergünstigung gewährenden Mitgliedstaats im Urteil Geven(29) für den vorliegenden Fall übernommen werden können.

54.      Bei der Altersvorsorgezulage handelt es sich um eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68, die im Zuge der Reform der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gewährt wird. Aus dem Wortlaut von § 10a Abs. 1 und § 79 EStG ergibt sich, dass ein Grenzarbeitnehmer als Voraussetzung für die Zulageberechtigung u. a. in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sein muss. Diese Voraussetzung, die die Kommission im Rahmen ihrer Argumentation keineswegs beanstandet, stellt auf die Beitragspflicht der betreffenden Grenzarbeitnehmer zur deutschen Sozialversicherung ab. Außerdem möchte ich unterstreichen, dass Grenzarbeitnehmer in gleicher Weise von den Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung betroffen sind wie Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft/unbeschränkt steuerpflichtig sind.(30) Meines Erachtens haben die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Grenzarbeitnehmer daher eine hinreichend enge Bindung zur deutschen Gesellschaft, um ihnen die fragliche soziale Vergünstigung zuzuerkennen.(31)

55.      Aus diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass auch das Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht eines Grenzarbeitnehmers in Deutschland als Anspruchsvoraussetzung für die ergänzende Kinderzulage nach § 85 EStG, deren Höhe sich nach der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder bestimmt, diskriminierend ist und gegen die Art. 39 Abs. 2 EG sowie Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verstößt.

56.      Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs(32), dass eine soziale Vergünstigung auch vom Ehegatten eines unter die Verordnung Nr. 1612/68 fallenden Arbeitnehmers beansprucht werden kann. Der Ehegatte eines Arbeitnehmers ist praktisch der mittelbare Nutznießer der dem Wanderarbeitnehmer zuerkannten Gleichbehandlung.(33) Da das Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland in der Regel einem Wohnsitzerfordernis gleichkommt, das natürlich deutsche Arbeitnehmer oder ihre Ehegatten, die zumeist in Deutschland wohnen, leichter erfüllen können als Arbeitnehmer, die Staatsbürger anderer Mitgliedstaaten sind, oder ihre Ehegatten, die häufiger in einem anderen Mitgliedstaat wohnen(34), bin ich der Meinung, dass das gemäß § 79 EStG in Verbindung mit § 26 EStG bestehende Erfordernis, dass ein Grenzarbeitnehmer und sein Ehegatte in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sein müssen, damit der Ehegatte die Altersvorsorgezulage beanspruchen kann, ebenfalls gegen Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verstößt.

57.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland durch Einführung und Beibehaltung der Vorschriften zur ergänzenden Altersvorsorge in den §§ 79 bis 99 EStG gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 39 EG und Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoßen hat, soweit diese Vorschriften Grenzarbeitnehmern und ihren Ehegatten die Zulageberechtigung verweigern, sofern diese in der Bundesrepublik Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind.

B –    Zweite Rüge

1.      Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

58.      Der Kommission zufolge kann der Zulageberechtigte gemäß § 92a EStG das geförderte Kapital seiner Altersvorsorge in bestimmten Grenzen für die Anschaffung oder Herstellung einer zu eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung unter der Voraussetzung verwenden, dass die Immobilie in der Bundesrepublik Deutschland belegen ist. Nach Auffassung der Kommission schränkt diese Voraussetzung die Möglichkeit der Nutzung einer sozialen Vergünstigung ein, da sie es Grenzarbeitnehmern unmöglich mache, das geförderte Kapital für eine Wohnung in einem anderen Mitgliedstaat zu verwenden. Die Benachteiligung von Grenzarbeitnehmern stelle eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar und verstoße damit gegen die Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68. Im Rahmen dieses Diskriminierungsverbots gelte keine De-minimis-Regel. Jedenfalls könne die temporäre Verwendung von bis zu 50 000 Euro je nach den Umständen durchaus einen nicht zu vernachlässigenden Vorteil darstellen. Im Übrigen habe die Bundesrepublik Deutschland selbst hervorgehoben, dass die fragliche Vergünstigung den Erwerb von Wohnungseigentum fördere.

59.      Dem Argument der Bundesrepublik Deutschland, dass sich die Voraussetzung auf Wanderarbeitnehmer und auf deutsche Arbeitnehmer gleichermaßen auswirke, hält die Kommission entgegen, dass Grenzarbeitnehmer mehrheitlich nicht nach Deutschland umzögen. Deutsche Arbeitnehmer erwürben dagegen nur in Ausnahmefällen Wohnungseigentum im Ausland. Der Gerichtshof habe im Urteil Ritter-Coulais(35) ausgeführt, dass Gebietsfremde häufiger Eigentümer eines außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets liegenden Hauses seien als Gebietsansässige. Darüber hinaus sei der Gerichtshof in der Rechtssache Hartmann nicht den Schlussanträgen des Generalanwalts(36) gefolgt, sondern habe vielmehr die ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach Grenzarbeitnehmer Anspruch auf soziale Vergünstigungen hätten.

60.      Die Erstreckung des streitigen Vorteils auf Grenzarbeitnehmer führe auch entgegen der Argumentation der Bundesrepublik Deutschland nicht zu einer Beeinträchtigung des deutschen Systems der sozialen Sicherheit.

61.      Außerdem gebe es – anders als die Bundesrepublik Deutschland vortrage – keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Altersvorsorgezulage um eine Maßnahme zur Förderung des Wohnungsbaus handele. Jedenfalls bestreite die Bundesrepublik Deutschland nicht, dass sich der Erwerb von Wohnungseigentum im grenznahen Ausland im Prinzip positiv auf die Wohnungssituation in Deutschland auswirke. Es sei auch kein Konflikt der Wohnungspolitik der Bundesrepublik Deutschland mit derjenigen der benachbarten Mitgliedstaaten zu befürchten. Die Möglichkeit gemäß § 92a EStG, Teile des gebildeten Kapitals für eine Wohnung zu verwenden, bestehe nicht nur bei der Herstellung, sondern auch bei der Anschaffung einer solchen Wohnung. Im Falle eines Überhangs an Wohnungen in der Grenzregion eines anderen Mitgliedstaats werde der Arbeitnehmer eher am Erwerb als an der Errichtung einer Wohnung interessiert sein und helfe damit dem Mitgliedstaat, den Überhang abzubauen.

62.      Nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland verstößt die auf Wohnraum im Inland beschränkte Möglichkeit, das geförderte Kapital der Altersvorsorge gemäß § 92a EStG in bestimmten Grenzen für den Erwerb von Wohnungseigentum im Inland zu verwenden, weder gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 noch gegen Art. 39 Abs. 2 EG.

63.      Die gerügte Beschränkung stelle keine offene Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar. Die Regelung knüpfe lediglich an den Standort der Wohnung an und sei hinsichtlich des Erwerbers neutral. Die gerügte Beschränkung beinhalte auch keine mittelbare Diskriminierung, da sie sich in gleicher Weise auf deutsche Arbeitnehmer und auf Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten auswirke. Sowohl deutsche Arbeitnehmer als auch ausländische Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Ausland könnten das Kapital nicht zur Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung im Ausland verwenden. Gerade aus dem Urteil Ritter-Coulais, wonach Gebietsfremde häufiger Eigentümer einer außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets liegenden Wohnung seien als Gebietsansässige, ergebe sich, dass hier keine mittelbare Diskriminierung vorliege. Im vorliegenden Fall sei die Herstellung oder Anschaffung der Wohnungen noch gar nicht erfolgt, während die steuerliche Regelung, um die es im Urteil Ritter-Coulais(37) gegangen sei, bereits vorhandene Wohnungen betroffen habe. Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten, die in Deutschland arbeiteten, hätten einfach deshalb langfristig ein Interesse am Erwerb einer Wohnung in Deutschland, weil sie im Ausland bereits über Wohnungseigentum verfügten und insofern an einer solchen Förderung nicht mehr interessiert seien. Zudem solle den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Rechtssache Hartmann(38) zufolge durch Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 sichergestellt werden, dass ausländische Arbeitnehmer „im Hoheitsgebiet des Beschäftigungsstaats“ die gleichen Vergünstigungen genießen könnten. Dann könne aber nichts gegen eine Regelung sprechen, die für deutsche und ausländische Arbeitnehmer eine Vergünstigung nur für das Inland vorsehe.

64.      Die Arbeitnehmerfreizügigkeit werde durch die fragliche Maßnahme nicht beschränkt, da sie sich nicht auf die Arbeitsplatzwahl auswirke. Bei einer anderen Sichtweise – so die Bundesrepublik Deutschland – wären sämtliche Vergünstigungen, die nur im Beschäftigungs-, nicht aber im Wohnsitzstaat gewährt würden, Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Jedenfalls seien die Auswirkungen von § 92a EStG auf die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu unbestimmt und zu mittelbar.

65.      Hilfsweise macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass die Beschränkung bzw. diskriminierende Regelung jedenfalls aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei. Generalanwalt Bot sei in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Deutschland(39) zu der Ansicht gelangt, dass die Absicht, den Bestand an Wohnungen in Deutschland zu erhöhen, als zwingender Grund des Allgemeininteresses angesehen werden könne.(40) Die Verwendung des mit der Altersvorsorgezulage gebildeten Kapitals diene diesem Allgemeininteresse.

66.      Des Weiteren diene eigener Wohnraum der Sicherung der Lebensqualität im Alter und reduziere die zusätzlichen Belastungen, die durch die demografische Entwicklung auf das soziale Sicherungssystem zukämen. Wenn die Begünstigten über eigenen Wohnraum verfügten, drohten ihnen keine hohen Mietkosten, so dass das soziale Sicherungssystem entlastet werde. Nach dem Urteil ITC(41) sei der Schutz der Sozialversicherung ein legitimes Ziel. Entgegen dem Vortrag der Kommission ließen sich diese Ziele nicht dadurch verwirklichen, dass auch grenznaher Wohnraum in anderen Mitgliedstaaten erworben werden könne.

67.      Was die Wohnungsbaupolitik angehe, verpflichte das Gemeinschaftsrecht einen Mitgliedstaat nicht, Vergünstigungen im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Herstellung von Immobilien auf die anderen Mitgliedstaaten zu erstrecken. Die Förderung des Wohnungsbaus falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft. Im Übrigen bestehe bei einer Ausdehnung von § 92a EStG die Gefahr, die Wohnungsbaupolitik des anderen Mitgliedstaats zu tangieren oder gar zu vereiteln.

2.      Würdigung

68.      Mit ihrer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, § 92a EStG, wonach der Zulageberechtigte das geförderte Kapital aus seiner Altersvorsorge nicht für die Anschaffung oder Herstellung einer eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung verwenden kann, wenn diese nicht in der Bundesrepublik Deutschland belegen ist, stelle eine verschleierte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar und verstoße gegen die Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erklärt, dass diese Rüge alle Grenzarbeitnehmer und nicht nur diejenigen betreffe, die in ihrem Wohnsitzstaat besteuert würden.

69.      Unstreitig erlaubt § 92a EStG einem Grenzarbeitnehmer nicht, das Kapital aus der Altersvorsorge bis zu einem bestimmten Höchstbetrag für die Herstellung oder Anschaffung einer eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung zu verwenden, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als der Bundesrepublik Deutschland belegen ist. Das geförderte Kapital kann jedoch für die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in Deutschland verwendet werden.

70.      Meines Erachtens schränkt § 92a EStG Grenzarbeitnehmer praktisch in ihrer Möglichkeit ein, in den Genuss einer sozialen Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 zu kommen, da diese Arbeitnehmer das fragliche geförderte Kapital nicht für die Errichtung oder den Erwerb einer eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung an ihrem Wohnort verwenden können. Es ist zwar richtig, wie die Bundesrepublik Deutschland vorträgt, dass deutsche wie ausländische Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Ausland das Kapital nicht zur Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung im Ausland verwenden können und § 92a EStG sich daher nicht unmittelbar auf Gebietsfremde bezieht, gleichwohl werden diese meiner Meinung nach häufiger als Gebietsansässige ein außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets liegendes Haus erwerben oder errichten wollen(42).

71.      Ich halte daher die fragliche Beschränkung für eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Meiner Ansicht nach benachteiligt § 92a EStG Grenzarbeitnehmer in Deutschland, die eine eigenen Wohnzwecken dienende Wohnung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats errichten oder anschaffen wollen, und verstößt mit dieser Regelung gegen die Art. 39 EG und 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68. Diese Diskriminierung bleibt meines Erachtens auch nicht ohne konkrete Konsequenzen für Grenzarbeitnehmer, denn dadurch wird diesen praktisch die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines zinslosen Darlehens(43) in Höhe von bis zu 50 000 Euro aus dem Kapital ihrer Altersvorsorge für die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland vorenthalten.(44)

72.      Folglich ist zu prüfen, ob das fragliche Erfordernis gerechtfertigt werden kann und zu dem verfolgten Zweck in einem angemessenen Verhältnis steht.

73.      Die Bundesrepublik Deutschland macht letztlich geltend, dass das in § 92a EStG aufgestellte Erfordernis der Belegenheit der Wohnung im Inland durch das Ziel gerechtfertigt sei, einen ausreichenden Wohnungsbestand zu sichern. Angesichts des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Kommission/Deutschland(45) ist – auch wenn das Ziel, die Wohnungsnachfrage in Deutschland zu decken, im Allgemeininteresse liegt – das Erfordernis nach § 92a EStG, dass die Wohnung in Deutschland belegen sein muss, meines Erachtens unverhältnismäßig, da das genannte Ziel auch dann verwirklicht wird, wenn Grenzarbeitnehmer weiterhin in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland wohnen.(46) Was zudem das Argument der Bundesrepublik Deutschland betrifft, dass bei einer Ausdehnung der Verwendungsmöglichkeit des Altersvorsorgekapitals für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats dessen Wohnungsbaupolitik vereitelt werden könnte, meine ich, dass diese Gefahr als hypothetisch anzusehen ist, da die Bundesrepublik Deutschland keinerlei Beweise für eine derartige Kollision oder Vereitelung beigebracht hat.

74.      Mit Blick auf das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Erhaltung ihres sozialen Sicherungssystems ergibt sich aus dem Urteil ITC(47), dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann. Meines Erachtens ist im vorliegenden Fall jedoch keine solche Gefahr einer finanziellen Instabilität dargetan worden. Die Bundesrepublik Deutschland hat nicht ausgeführt, inwiefern die Verwendung des geförderten Kapitals aus einer Altersvorsorge für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung im Ausland das finanzielle Gleichgewicht des deutschen Systems der sozialen Sicherung gefährden können soll. Das Fehlen einer entsprechenden Erklärung hierzu ist besonders bezeichnend, denn aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass Grenzarbeitnehmer nur dann zulageberechtigt sind, wenn sie in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.

75.      Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 39 EG und Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoßen hat, dass sie Grenzarbeitnehmern verweigert, das geförderte Kapital ihrer Altersvorsorge zur Anschaffung oder Herstellung einer eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung zu verwenden, sofern diese nicht im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland belegen ist.

C –    Zur dritten Rüge

1.      Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

76.      Die Kommission ist der Ansicht, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung der Altersvorsorgezulage gemäß § 95 EStG in Verbindung mit §§ 93 und 94 EStG gegen Art. 39 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 sowie gegen die Art. 12 EG und 18 EG verstoße.

77.      In Bezug auf Arbeitnehmer diskriminierten die in Rede stehenden Vorschriften des nationalen Rechts mittelbar Grenzgänger und Wanderarbeitnehmer. Bei diesen komme es weitaus häufiger als bei deutschen Arbeitnehmern vor, dass sie ihre unbeschränkte Steuerpflicht verlören, weil sie ihre Beschäftigung in Deutschland aufgäben, um in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten. Die fraglichen Rechtsvorschriften könnten dazu führen, dass Grenz- und Wanderarbeitnehmer die Altersvorsorgezulage erst gar nicht beantragten, um eine Rückzahlung von vornherein zu vermeiden.

78.      Außerdem beschränkten die fraglichen Bestimmungen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Unter entsprechender Heranziehung des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant(48) macht die Kommission geltend, dass die fragliche nationale Regelung deutsche Staatsangehörige, die in Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit ins Ausland wegzögen, schlechter stelle als diejenigen, die ihren Wohnsitz in Deutschland beibehielten. Jedenfalls greife die Bundesrepublik Deutschland bei Wegzug auf bestimmte Vermögenswerte des Betroffenen zu. Im Falle eines Verbleibs in Deutschland erfolge dies hingegen nicht.

79.      Die Modalitäten der Rückzahlung der Zulage könnten die Härte der Regelung allenfalls abmildern, änderten jedoch nichts am Prinzip der Rückzahlungspflicht. Dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland(49) hält die Kommission entgegen, dass die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache N(50) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne. In jenem Fall sei es um den latenten Wertzuwachs von Gesellschaftsanteilen gegangen, der im Falle eines Wegzugs aus dem Hoheitsgebiet vor seiner Realisierung mangels Sicherheitsleistung besteuert worden sei. Dem wolle die Bundesrepublik Deutschland entnehmen, dass eine Stundung ohne Verpflichtung zur Sicherheitsleistung den beschränkenden Charakter einer Zahlungspflicht, die mit dem Wegzug eintrete, wegfallen lassen könne. Hierzu bemerkt die Kommission jedoch, dass die Stundung ohne Verpflichtung zur Sicherheitsleistung bis zur Realisierung des Wertzuwachses zu einer Besteuerung wie bei einem Verbleib im Inland geführt hätte. Die Besteuerung sei somit ein völlig normaler Vorgang gewesen, und zwar auch bei einem Verbleib im Inland. Hier dagegen müsse die Altersvorsorgezulage überhaupt nicht zurückgezahlt werden, wenn die betroffene Person im Inland verbleibe.

80.      Zu dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland bezüglich des fehlenden Rechts zur Besteuerung der aus Deutschland wegziehenden Personen(51) meint die Kommission, dass sich die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Argumentation erstens auf das Fehlen einer Diskriminierung und zweitens auf eine Rechtfertigung aus Gründen der steuerlichen Kohärenz berufen wolle.

81.      Unter Berufung auf das Urteil Wielockx(52) vertritt die Kommission die Ansicht, dass angesichts des reziproken Charakters von Doppelbesteuerungsabkommen der Umstand, dass aus Deutschland wegziehende Personen dort später nicht besteuert werden könnten, keinen maßgeblichen Unterschied im Vergleich zu Personen begründe, die in Deutschland verblieben. Die Besteuerung der in Deutschland verbleibenden Personen erfolge erst nach Jahrzehnten. Dies sei mit der abschreckenden Wirkung der Rückzahlungspflicht nicht vergleichbar.

82.      Aus dem Fehlen eines Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland im Fall von Personen, die von dort wegzögen, lasse sich auch keine Rechtfertigung aus Gründen der steuerlichen Kohärenz herleiten. Die steuerliche Kohärenz werde durch die von den Staaten in Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarte Verteilung der Besteuerungsrechte hergestellt.

83.      Nach Ansicht der Kommission verstoßen die fraglichen Vorschriften darüber hinaus gegen die Art. 12 EG und 18 EG, soweit sie Personen beträfen, die sich im Ruhestand befänden oder die nie im Rahmen eines Arbeitsvertrags beschäftigt gewesen seien.

84.      Die fragliche Rückzahlungspflicht stelle eine mit Art. 12 EG unvereinbare mittelbare Diskriminierung dar, weil sie in erster Linie Ausländer betreffe. Die Anzahl der Ausländer, die beim Eintritt in den Ruhestand in ihre Heimatländer zurückkehrten, sei um ein Vielfaches höher als die Anzahl der Deutschen, die sich im Ausland zur Ruhe setzten. Die Rückzahlungspflicht verstoße außerdem gegen Art. 18 EG, da sie Unionsbürger gleich welcher Nationalität davon abschrecke, ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen.

85.      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission auch ausgeführt, dass die Bundesrepublik Deutschland den Zweck der Altersvorsorgezulage sowie den Umstand übersehe, dass ohne die Reform der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung Arbeitnehmer, deren unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ende, eine gesetzliche Rente in voller Höhe beziehen würden, die in Deutschland nicht besteuert werde.

86.      Nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland verletzt § 95 EStG weder den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer noch die Art. 12 EG und 18 EG.

87.      Erstens sei die Verpflichtung zur Rückzahlung der Zulage im Fall der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland kein reales Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, da sie nicht dazu führe, die Betroffenen von der Aufnahme einer Beschäftigung im Ausland oder einer Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat abzuhalten.

88.      Die Bundesrepublik Deutschland weist darauf hin, dass nach § 95 Abs. 2 EStG die Rückzahlung des Zulagebetrags auf Antrag bis zum Beginn der Auszahlung der Leistungen aus dem Altersvorsorgevertrag (nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahrs des Betroffenen) zu stunden sei. Selbst zu dem Zeitpunkt der Auszahlungen aus der Altersvorsorge werde die zinslose Stundung verlängert, wenn mindestens 15 % der aus dem Altersvorsorgevertrag ausgezahlten Beträge zur Tilgung verwendet würden. Ferner werde der Betroffene von der Rückzahlungspflicht befreit, wenn er in Deutschland wieder unbeschränkt steuerpflichtig werde.

89.      Der Zulageberechtigte müsse lediglich die nach den §§ 79 ff. EStG gewährten Zulagen und die sich durch den Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG ergebende Steuerermäßigung zurückzahlen. Eine zusätzliche „Wegzugbesteuerung“ sei anders als bei der Besteuerung, die Gegenstand der Urteile de Lasteyrie de Saillant(53) und N(54) gewesen sei, nicht vorgesehen. Außerdem habe der Gerichtshof im Urteil N(55) darauf hingewiesen, dass eine Stundung ohne Sicherheitsleistung den beschränkenden Charakter einer Zahlungspflicht, die mit dem Wegzug eintritt, entfallen lassen könne.

90.      Die Bundesrepublik Deutschland ist daher der Meinung, dass die Kommission mit ihrer ständigen Bezugnahme auf eine „Abschreckungswirkung“ die psychologische Wirkung auf diejenigen, die sich für einen Arbeitsplatz- oder Wohnortwechsel entschieden, übertreibe.

91.      Außerdem stünden diejenigen, deren unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ende, finanziell nicht schlechter da als diejenigen, bei denen sie fortbestehe. Es liege daher keine Ungleichbehandlung vor. Die Leistungen aus dem Altersvorsorgevertrag unterlägen bei einem in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen dort nach § 22 Nr. 5 der Einkommensteuer. Bei einer Person, deren unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ende, entfalle die dortige Besteuerung der Leistungen der Altersvorsorge, womit praktisch die gerügte Rückzahlungspflicht kompensiert werde. Anhand mehrerer Rechenbeispiele macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass ein Wegziehender keinen Nachteil erleide, sondern sogar von einem Vorteil profitiere, da die Leistungen in Deutschland nicht besteuert würden. Der genannte Vorteil gehe auch nicht durch eine Besteuerung der Leistungen der Altersvorsorge im Mitgliedstaat des Wohnsitzes nach Maßgabe von Doppelbesteuerungsabkommen verloren. Die Leistungen würden dort nämlich in der Regel gar nicht oder nicht in voller Höhe besteuert.

92.      Darüber hinaus macht die Bundesrepublik Deutschland hilfsweise geltend, dass die Rückzahlungspflicht nach § 95 EStG aus Gründen der steuerlichen Kohärenz gerechtfertigt sei.

2.      Würdigung

93.      Mit ihrer dritten Rüge macht die Kommission geltend, dass die Verpflichtung gemäß § 95 EStG in Verbindung mit §§ 93 und 94 EStG, die Altersvorsorgezulage bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland zurückzuzahlen, Art. 39 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 sowie die Art. 12 EG und 18 EG verletze.

94.      Nach Ansicht der Kommission treffen die fraglichen Rechtsvorschriften in erster Linie ausländische Arbeitnehmer und verletzen somit Art. 39 EG, da die Anzahl der ausländischen Arbeitnehmer, die zu einem Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat wechselten, größer als die entsprechende Anzahl deutscher Arbeitnehmer sei.

95.      Außerdem trägt die Kommission vor, dass die fraglichen Rechtsvorschriften gegen Art. 12 EG verstießen, da die Anzahl der Ausländer, die nach dem Erwerbsleben in ihre Heimatländer zurückkehrten, um ein Vielfaches höher als die Anzahl der Deutschen sei, die als Rentner ins Ausland zögen.

96.      Meines Erachtens diskriminieren die fraglichen Rechtsvorschriften mittelbar Grenzgänger und Wanderarbeitnehmer. Bei diesen Arbeitnehmern, bei denen es sich im Allgemeinen um ausländische Arbeitnehmer handelt, wird es eher als bei deutschen Arbeitnehmern vorkommen, dass sie ihre Beschäftigung in Deutschland aufgeben, um in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, und damit ihre unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland verlieren. Es besteht daher die Gefahr, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften ausländische Arbeitnehmer besonders benachteiligen.(56)

97.      Weiter bin ich der Ansicht, dass die fraglichen Rechtsvorschriften mittelbar Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten als Deutschland diskriminieren. Es wird eher vorkommen, dass Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, nach dem Erwerbsleben in ihre Heimatländer zurückkehren und damit ihre unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland verlieren, als dass Deutsche als Rentner ins Ausland ziehen.

98.      Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass die Rückzahlungspflicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit behindere.

99.      Im Urteil ITC (57) hat der Gerichtshof ausgeführt, dass nationale Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats sei, daran hinderten oder davon abhielten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, Beeinträchtigungen dieser Freiheit darstellten, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Arbeitnehmer angewandt würden.

100. Meines Erachtens werden deutsche Arbeitnehmer durch die fragliche Verpflichtung in der Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit nach Art. 39 EG beschränkt, da diejenigen abgeschreckt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat erwerbstätig werden wollen. Diese Arbeitnehmer, deren unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland dann gegebenenfalls endet, werden gegenüber Personen, die weiterhin in Deutschland arbeiten und dort unbeschränkt steuerpflichtig sind, benachteiligt. Deutsche Arbeitnehmer, die im Ausland erwerbstätig werden wollen und deren unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland aufgrund der im Ausland ausgeübten Erwerbstätigkeit endet, müssen die Altersvorsorgezulage zurückzahlen, während diejenigen, die von ihrem nach Art. 39 EG gewährten Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch machen und weiterhin in Deutschland arbeiten, keine solche Verpflichtung trifft. Meiner Meinung nach ist diese Ungleichbehandlung geeignet, deutsche Arbeitnehmer von einer Erwerbstätigkeit im Ausland abzuhalten.

101. Hinsichtlich der Verletzung der Unionsbürgern aus Art. 18 EG zustehenden Rechte meine ich, dass die vorstehenden Überlegungen(58) auch auf deutsche Staatsbürger übertragbar sind, die nach ihrem Erwerbsleben als Rentner ins Ausland ziehen wollen. Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine nationale Regelung, die einige Staatsangehörige allein deswegen benachteiligt, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben, eine Beschränkung der Freiheiten dar, die Art. 18 Abs. 1 EG jedem Unionsbürger verleiht.(59)

102. Meines Erachtens bleibt es bei den diskriminierenden und beschränkenden Wirkungen der fraglichen Rechtsvorschriften – auch wenn sie zweifellos durch die in den Vorschriften vorgesehenen Fristen und Modalitäten der Rückzahlung gemildert oder reduziert werden – für Arbeitnehmer oder Unionsbürger, deren unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland deshalb endet, weil sie ihren Arbeitsplatz oder Wohnsitz von Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat verlegen.(60) Entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland entfällt die Diskriminierung oder Beschränkung auch nicht dadurch, dass diese Arbeitnehmer oder Unionsbürger die Leistungen aus der Altersvorsorge bei der Auszahlung in Deutschland nicht zu versteuern brauchen. Die Bundesrepublik Deutschland gibt in ihren Ausführungen selbst an, dass das Recht zur Besteuerung dieser Leistungen anderen Mitgliedstaaten gemäß ihren mit diesen Mitgliedstaaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen zugewiesen ist. Meiner Meinung nach kann sich die Bundesrepublik Deutschland zum Nachweis des Wegfalls der fraglichen Diskriminierung oder Beschränkung nicht darauf berufen, dass die Leistungen aus der Altersvorsorge in anderen Mitgliedstaaten gar nicht oder zu einem niedrigeren Satz besteuert würden. Dieser Umstand lässt die fragliche Diskriminierung oder Beschränkung nicht entfallen, sondern kann im besten Fall deren Wirkung abschwächen.

103. Ferner bin ich auch nicht der Auffassung, dass der Grundsatz der steuerlichen Kohärenz(61) zur Rechtfertigung der fraglichen Rückzahlungspflicht herangezogen werden kann. Offenkundig wird die steuerliche Kohärenz durch die reziproken Doppelbesteuerungsabkommen hergestellt, die die Bundesrepublik Deutschland mit anderen Mitgliedstaaten geschlossen hat.(62)

104. Ich möchte außerdem anmerken, dass meines Erachtens zwischen der Gewährung der Altersvorsorgezulage und der Befugnis der Bundesrepublik Deutschland, die Leistungen später bei Fälligkeit der Altersvorsorge zu besteuern, keine strenge Wechselbeziehung bzw. kein Zusammenhang besteht.(63)

105. Bei der Altersvorsorgezulage handelt es sich nicht um eine steuerliche, sondern um eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68, die unter bestimmten Voraussetzungen den in der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland Pflichtversicherten gewährt wird, um ihnen im Zuge der Rentenreform finanzielle Anreize zum Aufbau einer privaten Rente zu bieten. Ich sehe daher keinen Grund, warum Arbeitnehmer bzw. Unionsbürger, deren unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland endet, die aber trotzdem von den Reformen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung betroffen sind(64), zur Rückzahlung der Altersvorsorgezulage nach § 95 EStG verpflichtet sein sollten.

106. Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 39 EG, Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68, Art. 12 EG und Art. 18 EG verstoßen hat, soweit § 95 EStG in Verbindung mit den §§ 93 und 94 EStG vorsieht, dass die Altersvorsorgezulage bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland zurückzuzahlen ist.

V –    Kosten

107. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr dem Antrag der Kommission entsprechend die Kosten aufzuerlegen.

VI – Ergebnis

108. Ich schlage dem Gerichtshof vor,

1.      festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland durch Einführung und Beibehaltung der Vorschriften zur ergänzenden Altersvorsorge in den §§ 79 bis 99 EStG gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 39 EG, Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, Art. 18 EG und Art. 12 EG verstoßen hat, soweit diese Vorschriften

–        Grenzarbeitnehmern und ihren Ehegatten die Zulageberechtigung verweigern, sofern sie in der Bundesrepublik Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind;

–        Grenzarbeitnehmern das Recht verweigern, das geförderte Kapital ihrer Altersvorsorge für die Anschaffung oder Herstellung einer eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung zu verwenden, sofern diese nicht im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland belegen ist;

–        vorsehen, dass die Altersvorsorgezulage bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland zurückzuzahlen ist;

2.      der Bundesrepublik Deutschland ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften aufzuerlegen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Die Riester-Rente wird gelegentlich auch als zweite/dritte Säule der Altersvorsorge bezeichnet.


3 – Die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Bestimmungen des EStG finden sich im Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeeinkünften und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) vom 5. Juli 2004 (BGBl. 2004 I, S. 1427).


4 – ABl. L 257, S. 2.


5 – ABl. L 149, S. 2.


6 – Urteil vom 14. Februar 1995 (C-279/93, Slg. 1995, I-225).


7 – Vgl. unten, Nr. 34.


8 – Urteil vom 11. August 1995 (C-80/94, Slg. 1995, I-2493).


9 – Vgl. Randnr. 24.


10 – Urteile vom 30. September 1975, Cristini (32/75, Slg. 1975, 1085), vom 16. Dezember 1976, Inzirillo (63/76, Slg. 1976, 2057), vom 12. Juli 1984, Castelli (261/83, Slg. 1984, 3199), vom 20. Juni 1985, Deak (94/84, Slg. 1985, 1873), vom 18. Juni 1987, Lebon (316/85, Slg. 1987, 2811), vom 26. Februar 1992, Bernini (C-3/90, Slg. 1992, I-1071), vom 27. Mai 1993, Schmid (C-310/91, Slg. 1993, I-3011), und vom 8. Juni 1999, Meeusen (C-337/97, Slg. 1999, I-3289).


11 – Vgl. Urteile Schumacker, in Fn. 6 angeführt, Randnr. 30, und vom 14. September 1999, Gschwind (C-391/97, Slg. 1999, I-5451, Randnr. 21).


12 – Urteil vom 25. Januar 2007 (C-329/05, Slg. 2007, I-1107, Randnr. 23).


13 – In Fn. 6 angeführt.


14 – In Fn. 11 angeführt.


15 – Urteil vom 18. Juli 2007 (C-213/05, Slg. 2007, I-6347).


16 – Wenn ein Ehegatte nicht selbst die Anspruchsvoraussetzungen für die Altersvorsorgezulage nach § 10a Abs. 1 EStG erfüllt.


17 – Vgl. Urteil Geven, in Fn. 15 angeführt, Randnr. 12; vgl. auch Urteile vom 14. Januar 1982, Reina (65/81, Slg. 1982, 33, Randnr. 12), vom 27. März 1985, Hoeckx (249/83, Slg. 1985, 973, Randnr. 20), vom 27. November 1997, Meints (C-57/96, Slg. 1997, I-6689, Randnr. 39), und vom 12. Mai 1998, Martínez Sala (C-85/96, Slg. 1998, I-2691, Randnr. 25).


18 – Urteil Meints, in Fn. 17 angeführt, Randnr. 39.


19 – In Form der Altersvorsorgezulage und des Sonderausgabenabzugs der Altersvorsorgebeiträge im Rahmen der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer.


20 – Vgl. entsprechend die Urteile Castelli, in Fn. 10 angeführt, und vom 6. Juni 1985, Frascogna (157/84, Slg. 1985, 1739).


21 – Im Übrigen hielte ich es im vorliegenden Fall, in dem die Zulage aufgrund einer Freiwilligkeitsregelung gewährt wird, die zum Teil an die Stelle eines Pflichtversicherungssystems tritt, für unanständig, einem Arbeitnehmer eine Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 aus dem alleinigen Grund vorzuenthalten, dass die Vergünstigung im Rahmen einer Regelung gewährt wird, an der die Teilnahme freigestellt ist.


22 – Unter Berufung auf Angaben des deutschen Statistischen Bundesamts trägt die Kommission vor, dass 75 % bis 80 % der Berufstätigen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer seien.


23 – Zu beachten ist, dass die vorliegende Rüge lediglich Grenzarbeitnehmer und mittelbar ihre Ehegatten betrifft. Die Kommission trägt nicht vor, dass die Bundesrepublik Deutschland die Zulageberechtigung auf einen anderen Personenkreis ausdehnen sollte.


24 – Daraus ergibt sich, dass die Altersvorsorgezulage im Gegensatz zum Sonderausgabenabzug Bestandteil des im Rahmen der Altersvorsorge angesparten Kapitals wird. Im Übrigen führt die Bundesrepublik Deutschland in ihren Schriftsätzen aus, dass der Anspruch auf die Zulage gemäß § 88 EStG bereits mit Ablauf des Kalenderjahrs entstehe, in dem die Altersvorsorgebeiträge geleistet worden seien.


25 – Urteil Meints, in Fn. 17 angeführt, Randnrn. 44 f.


26 – Vgl. in diesem Sinne die Urteile Meints, in Fn. 17 angeführt, Randnr. 50, Meeusen, in Fn. 10 angeführt, Randnr. 21, und vom 18. Juli 2007, Hartmann (C-212/05, Slg. 2007, I-6303, Randnr. 24).


27 – Bei Ehegatten verdoppelt sich dieser Betrag.


28 – Urteile Schumacker, in Fn. 6 angeführt, Randnr. 28, vom 27. Juni 1996, Asscher (C-107/94, Slg. 1996, I-3089, Randnr. 38), Hartmann, in Fn. 26 angeführt, Randnr. 31, und Meeusen, in Fn. 10 angeführt, Randnrn. 23 f.


29 – In Fn. 15 angeführt.


30 – Nach Angaben der Bundesrepublik Deutschland werden Grenzarbeitnehmern aus der Französischen Republik bzw. der Republik Österreich, die in ihrem Wohnstaat steuerpflichtig sind, dort ähnliche Fördermöglichkeiten geboten. Meiner Meinung nach kann sich die Bundesrepublik Deutschland für den Nachweis, dass die Gewährung einer sozialen Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 ohne Diskriminierung erfolgt, nicht darauf berufen, dass diesen Arbeitnehmern in ihrem Wohnstaat ähnliche oder sogar noch günstigere Fördermöglichkeiten zur Verfügung stehen. Insoweit sei nochmals darauf hingewiesen, dass Grenzarbeitnehmer aus der Französischen Republik bzw. der Republik Österreich, die Beiträge in das deutsche System der sozialen Sicherheit einzahlen, unmittelbar und in gleicher Weise von der Reform dieses Systems betroffen sind wie gebietsansässige Arbeitnehmer. Dementsprechend sollten diese Grenzarbeitnehmer die Möglichkeit haben, die Altersvorsorgezulage in Anspruch zu nehmen. Ich halte es auch für beachtenswert, dass der Gerichtshof in der Rechtssache Hartmann nicht den Schlussanträgen von Generalanwalt Geelhoed gefolgt ist, in denen dieser zu dem Ergebnis gekommen war, „dass im Rahmen von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 Grenzgänger Anspruch auf Gleichbehandlung im Beschäftigungsmitgliedstaat hinsichtlich des Zugangs zu sozialen Vergünstigungen nur insoweit haben, als diese Vergünstigungen unmittelbar und ausschließlich mit der Beschäftigung verknüpft sind“. Vgl. Nr. 55 der Schlussanträge und Randnr. 27 des Urteils (in Fn. 26 angeführt). Im Urteil Hartmann ist der Gerichtshof auch nicht auf die Ausführungen der deutschen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs eingegangen, „dass es ungerecht wäre, wenn ein Grenzgänger, dessen Wohnort und dessen Arbeitsort in verschiedenen Mitgliedstaaten lägen, in beiden Mitgliedstaaten die gleichen sozialen Vergünstigungen in Anspruch nehmen und miteinander kombinieren könnte. Zur Vermeidung dieser Gefahr und in Ermangelung von Koordinierungsbestimmungen in der Verordnung Nr. 1612/68 zur Verhinderung der Kumulierung von Leistungen könne die Möglichkeit eines ‚Exports‘ des Erziehungsgelds in den Wohnmitgliedstaat des Grenzgängers ausgeschlossen werden“. Vgl. Randnr. 23 des Urteils (in Fn. 26 angeführt). Mangels Gemeinschaftsvorschriften zu dieser Problematik und angesichts der dabei auftretenden äußerst komplexen Fragestellungen bin ich der Meinung, dass der Gerichtshof keine solchen Grundsätze zum Verbot einer Kumulierung anwenden sollte.


31 – Vgl. entsprechend Urteil Hartmann, in Fn. 26 angeführt, Randnrn. 36 f.


32 – Siehe oben, Fn. 10.


33 – Vgl. entsprechend Urteil Hartmann, in Fn. 26 angeführt, Randnrn. 24 f.


34 – Vgl. Urteil Hartmann, in Fn. 26 angeführt, Randnr. 31.


35 – Urteil vom 21. Februar 2006 (C-152/03, Slg. 2006, I-1711).


36 – Vgl. das Zitat in Fn. 30. Vgl. unten, Nr. 63.


37 – In Fn. 35 angeführt.


38 – In Fn. 26 angeführt.


39 – Urteil vom 17. Januar 2008 (C-152/05, Slg. 2008, I-39).


40 – Vgl. Nr. 86 seiner Schlussanträge.


41 – Urteil vom 11. Januar 2007 (C-208/05, Slg. 2007, I-181, Randnrn. 38 bis 42).


42 – Vgl. entsprechend das Urteil Ritter-Coulais, in Fn. 35 angeführt, Randnr. 36.


43 – Vgl. § 92a EStG hinsichtlich der Modalitäten der Darlehenstilgung.


44 – Hinsichtlich des Vorbringens der Bundesrepublik Deutschland zu den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Rechtssache Hartmann, wonach nichts gegen eine Regelung spreche, die für deutsche und ausländische Arbeitnehmer eine Vergünstigung nur für das Inland vorsehe (vgl. oben, Nr. 62), ist entsprechend dem Vortrag der Kommission zu beachten, dass der Gerichtshof diesen Schlussanträgen insoweit nicht gefolgt ist. Der Gerichtshof hat erstens entschieden, dass ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der unter Beibehaltung seines Dienstverhältnisses in diesem Mitgliedstaat seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt habe und seitdem seinen Beruf als Grenzgänger ausübe, den Status eines „Wanderarbeitnehmers“ im Sinne der Verordnung Nr. 1612/68 für sich in Anspruch nehmen könne. Weiter hat der Gerichtshof ausgeführt, dass es gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoße, dass der in einem Mitgliedstaat wohnende, nicht erwerbstätige Ehegatte eines Wanderarbeitnehmers, der eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübe, vom Bezug des deutschen Erziehungsgelds ausgeschlossen sei, weil er in diesem anderen Mitgliedstaat weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt habe.


45 – In Fn. 39 angeführt.


46 – Vgl. Randnrn. 27 f. Generalanwalt Bot hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Deutschland (Urteil in Fn. 39 angeführt) dargelegt, dass „die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung durch … [gebietsfremde] Personen und insbesondere durch die Grenzpendler im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats … dazu bei[trägt], die Nachfrage nach Wohnungen in Deutschland zu senken. Diese gebietsfremden Personen würden somit den deutschen Immobilienmarkt nicht belasten und keinen Druck auf die bereits bestehende große Nachfrage ausüben“. Vgl. Nr. 93.


47 – In Fn. 41 angeführt, Randnr. 43.


48 – Urteil vom 11. März 2004 (C-9/02, Slg. 2004, I-2409).


49 – Vgl. unten, Nr. 89.


50 – Urteil vom 7. September 2006 (C-470/04, Slg. 2006, I-7409).


51 – Vgl. u. a. unten, Nr. 91.


52 – In Fn. 8 angeführt. Vgl. auch das Vorbringen der Kommission oben, Nr. 23.


53 – In Fn. 48 angeführt.


54 – In Fn. 50 angeführt.


55 – Vgl. Randnr. 36.


56 – Die Kommission hat zwar keine Statistiken speziell für Arbeitnehmer vorgelegt, sie weist jedoch in ihrer Klageschrift darauf hin, dass es sich bei über 75 % der Personen, die zwischen 1991 und 2004 von Deutschland ins Ausland fortgezogen seien, um Ausländer gehandelt habe.


57 – In Fn. 41 angeführt, Randnr. 33.


58 – Vgl. oben, Nr. 100.


59 – Urteile vom 18. Juli 2006, De Cuyper (C-406/04, Slg. 2006, I-6947, Randnr. 39), und vom 26. Oktober 2006, Tas-Hagen und Tas (C-192/05, Slg. 2006, I-10451, Randnr. 31).


60 – Das die Rückzahlungspflicht auslösende Ereignis ist der Wechsel des Beschäftigungsstaats des Arbeitnehmers oder der Wohnortwechsel des Unionsbürgers und die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Ich halte daher die Argumentation der Kommission, dass die Rückzahlungspflicht den Betroffenen von der Beantragung der Zulage abhalten könnte, um die Rückforderung von vornherein zu vermeiden, für sehr überzeugend. Vgl. oben, Nr. 77.


61 – Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu wahren, Vorschriften rechtfertigen, die geeignet sind, die Grundrechte zu beschränken. Vgl. die Urteile vom 28. Januar 1992, Bachmann (C-204/90, Slg. 1992, I-249, Randnr. 28) und Kommission/Belgien (C-300/90, Slg. 1992, I-305, Randnr. 21).


62 – Vgl. in diesem Sinne das Urteil Wielockx, in Fn. 8 angeführt, Randnrn. 23 bis 26.


63 – Nach den Ausführungen des Gerichtshofs in den Urteilen Bachmann und Kommission/Belgien (in Fn. 61 angeführt) „bestand ein direkter Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der im Rahmen von Alters- und Todesfallversicherungsverträgen gezahlten Beiträge und der Besteuerung der zur Durchführung dieser Verträge erhaltenen Beträge, der zur Erhaltung der Kohärenz des betreffenden Steuersystems zu wahren war“. Vgl. Urteil vom 12. Dezember 2002, de Groot (C-385/00, Slg. 2002, I-11819, Randnr. 108).


64 – Da sich aufgrund der Rentenreform die ihnen später auszuzahlenden Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung prinzipiell verringern werden.