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Rechtssache C-302/07

J D Wetherspoon plc

gegen

The Commissioners for Her Majesty's Revenue & Customs

(Vorabentscheidungsersuchen des VAT and Duties Tribunal, London)

„Erste und Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität – Regeln für die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen – Rundungsmethoden und -ebenen“

Leitsätze des Urteils

1.        Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Sechste Richtlinie – Vorschriften über die Rundung von Steuerbeträgen

(Richtlinie 67/227 des Rates, Art. 2, und Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 Buchst. b)

2.        Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Sechste Richtlinie – Vorschriften über die Rundung von Steuerbeträgen

(Richtlinie 67/227 des Rates, Art. 2, und Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 Buchst. b)

3.        Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Sechste Richtlinie – Rundung von Steuerbeträgen

(Richtlinie 77/388 des Rates)

1.        Das Gemeinschaftsrecht enthält bei seinem derzeitigen Stand keine spezifische Vorgabe in Bezug auf die Methode zur Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen. In Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln und die Methoden für die Rundung der Mehrwertsteuerbeträge zu bestimmen; dabei müssen sie darauf achten, dass die Grundsätze, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, namentlich die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, eingehalten werden. Insbesondere steht das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein bestimmter Mehrwertsteuerbetrag aufgerundet werden muss, wenn der Bruchteil der kleinsten Einheit der betreffenden Währung größer oder gleich 0,5 ist, und es schreibt auch nicht vor, dass den Steuerpflichtigen das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten ist, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst.

(vgl. Randnr. 38, Tenor 1)

2.        Bei einem Verkaufspreis, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist, ist es in Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung Sache des jeweiligen Mitgliedstaats, innerhalb der Grenzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere unter Beachtung der Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, die Ebene zu bestimmen, auf der ein Mehrwertsteuerbetrag, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst, gerundet werden darf oder muss.

(vgl. Randnr. 51, Tenor 2)

3.        Da sich Wirtschaftsteilnehmer, die die Preise für ihre Warenverkäufe und Dienstleistungen unter Einschluss der Mehrwertsteuer berechnen, in einer anderen Lage befinden als diejenigen, die die gleiche Art von Geschäften zu Preisen ohne Mehrwertsteuer tätigen, können sich die Erstgenannten nicht auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität berufen, um zu erreichen, dass ihnen gestattet wird, die Abrundung der geschuldeten Mehrwertsteuerbeträge auf der Ebene der Warengattung und des Umsatzes vorzunehmen. Denn bei ohne Mehrwertsteuer festgesetzten Preisen findet die Rundung statt, bevor der Kunde die Gegenleistung erbringt, wobei der Steuerbetrag, den der Steuerpflichtige von seinem Kunden erhält, und der, den der Steuerpflichtige anschließend an den Staat abführt, unabhängig von der zur Anwendung kommenden Rundungsmethode identisch sind. Wenn die Mehrwertsteuer hingegen im Preis einer Ware oder Dienstleistung enthalten ist, würde eine systematische Abrundung auf einer Ebene unterhalb der periodischen Mehrwertsteuererklärung dazu führen, dass der Steuerpflichtige von seinem Kunden die tatsächlich geschuldete Mehrwertsteuer einnähme, während er an den Staat systematisch einen geringeren Betrag abführen und die Differenz zu seinem eigenen Vorteil behalten würde, was im Widerspruch zu dem Grundsatz stünde, wonach die Mehrwertsteuer von den Steuerpflichtigen auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe für Rechnung der Steuerverwaltung erhoben wird, an die die Steuerpflichtigen sie abzuführen haben.

(vgl. Randnrn. 60-61, 64, Tenor 3)








URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

5. März 2009(*)

„Erste und Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität – Regeln für die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen – Rundungsmethoden und -ebenen“

In der Rechtssache C-302/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom VAT and Duties Tribunal, London (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 26. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juni 2007, in dem Verfahren

J D Wetherspoon plc

gegen

The Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und G. Arestis,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der J D Wetherspoon plc, vertreten durch M. Angiolini, Barrister, und A. Khan, Solicitor,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch S. Alexandridou, V. Karra, K. Georgiadis und M. Apesos als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Grave als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Afonso und R. Lyal als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. November 2008

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301) in der durch die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 (ABl. L 145, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Erste Richtlinie) sowie von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2003/92/EG des Rates vom 7. Oktober 2003 (ABl. L 260, S. 8) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft J D Wetherspoon plc (im Folgenden: Wetherspoon) und den Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners) wegen deren Weigerung, Wetherspoon zu gestatten, den geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag auf der Ebene der Warengattung und des Umsatzes abzurunden.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsregelung

3        Art. 2 der Ersten Richtlinie bestimmt:

„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchssteuer anzuwenden ist.

Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.

Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem wird bis auf die Einzelhandelsstufe einschließlich angewandt.“

4        Nach Art. 10 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch grundsätzlich zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird.

5        Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie sieht vor:

„Die Besteuerungsgrundlage ist:

a)      bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b), c) und d) genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen“.

6        Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie wird der Normalsatz der Mehrwertsteuer von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist. Dieser Satz darf – mit Ausnahme der Anwendung von einem oder zwei ermäßigten Sätzen – nicht niedriger als 15 % sein.

7        Art. 22 der Sechsten Richtlinie in der sich aus ihrem Art. 28h ergebenden Fassung (im Folgenden: Art. 22 der Sechsten Richtlinie) bestimmt die Verpflichtungen der Mehrwertsteuerschuldner im inneren Anwendungsbereich. Dieser Art. 22 bestimmt in seinem Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 1 sowie Buchst. b Unterabs. 1 zehnter Gedankenstrich und Unterabs. 4:

„a)      Jeder Steuerpflichtige stellt für die Lieferungen von Gegenständen oder die Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt, eine Rechnung entweder selbst aus, oder er trägt dafür Sorge, dass eine Rechnung von seinem Kunden oder in seinem Namen und für seine Rechnung von einem Dritten ausgestellt wird. …

b)      Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß Buchstabe a) Unterabsätze 1, 2 und 3 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:

–        den zu zahlenden Steuerbetrag, außer bei Anwendung einer speziellen Regelung, bei der nach dieser Richtlinie eine solche Angabe ausgeschlossen wird,

Die auf der Rechnung ausgewiesenen Beträge können in jeder Währung angegeben sein, sofern die zu zahlende Steuer … in der Landeswährung des Mitgliedstaats angegeben ist, in dem die Lieferungen von Gegenständen durchgeführt oder die Dienstleistungen erbracht werden.

…“

8        Art. 22 Abs. 4 Buchst. a und b und Abs. 5 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„(4)      a)     Jeder Steuerpflichtige hat innerhalb eines Zeitraums, der von den einzelnen Mitgliedstaaten festzulegen ist, eine Steuererklärung abzugeben. …

b)      Die Steuererklärung muss alle für die Festsetzung des geschuldeten Steuerbetrags und der vorzunehmenden Vorsteuerabzüge erforderlichen Angaben enthalten, gegebenenfalls einschließlich des Gesamtbetrags der sich auf diese Steuer und Abzüge beziehenden Umsätze sowie des Betrags der steuerfreien Umsätze, soweit dies für die Festlegung der Bemessungsgrundlage erforderlich ist.

(5)      Jeder Steuerpflichtige hat bei der Abgabe der periodischen Steuererklärung den sich nach Vornahme des Vorsteuerabzugs ergebenden Mehrwertsteuerbetrag zu entrichten. Die Mitgliedstaaten können jedoch einen anderen Termin für die Zahlung dieses Betrags festsetzen oder vorläufige Vorauszahlungen erheben.“

9        In den Jahren 2004 bis 2006 wurde die Sechste Richtlinie mehrfach geändert. Bei den vorerwähnten Bestimmungen wurde lediglich der Wortlaut von Art. 12 Abs. 3 geändert. Diese Änderung hat jedoch keine Auswirkungen auf die Beantwortung der Vorlagefragen.

 Nationales Recht

10      Regulation 13 der Mehrwertsteuerverordnung von 1995 (Value Added Tax Regulations 1995) sieht eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Mehrwertsteuerrechnung für den Fall vor, dass die steuerpflichtige Lieferung oder Leistung an einen anderen Steuerpflichtigen erfolgt.

11      Nach Regulation 16 Abs. 1 der Mehrwertsteuerverordnung von 1995 ist ein Einzelhandelsunternehmer nicht verpflichtet, eine Mehrwertsteuerrechnung auszustellen, sofern der Kunde dies nicht verlangt. Beträgt die Gegenleistung nicht mehr als 100 GBP, kann eine „vereinfachte Mehrwertsteuerrechnung“ ausgestellt werden, auf der u. a. für jeden anwendbaren Satz der zu zahlende Bruttobetrag einschließlich der Mehrwertsteuer und der anwendbare Mehrwertsteuersatz ausgewiesen sind.

12      Die Commissioners haben für Steuerpflichtige einen Mehrwertsteuer-Leitfaden, die VAT Notice 700 – The VAT Guide – April 2002 (im Folgenden: Leitfaden) herausgegeben.

13      Die Nrn. 17.5, 17.5.1 und 17.6 dieses Leitfadens betreffen die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen. Sie lauten:

„17.5  Berechnung der Mehrwertsteuer in Rechnungen – Rundung von Beträgen

Hinweis: Das Zugeständnis der Abrundung von Mehrwertsteuerbeträgen in dieser Nummer betrifft Rechnungen ausstellende Unternehmen und gilt nur in Fällen, in denen die den Kunden berechnete Mehrwertsteuer der an Customs and Excise abgeführten Mehrwertsteuer entspricht. In der Regel kommt das Zugeständnis der Abrundung für Einzelhändler nicht in Betracht; diese werden auf Nr. 17.6 verwiesen.

Sie dürfen den Gesamtbetrag der Mehrwertsteuer, die für alle auf einer Mehrwertsteuerrechnung ausgewiesenen Gegenstände und Dienstleistungen zu entrichten ist, auf einen ganzen Penny abrunden. Sie können dabei Bruchteile eines Penny unberücksichtigt lassen.

17.5.1 Berechnung nach Gattungen von Produkten oder Dienstleistungen

Falls Sie für eine Gattung von Produkten oder Dienstleistungen, die zusammen mit anderen Produkten oder Dienstleistungen in derselben Rechnung aufgeführt sind, die Mehrwertsteuer getrennt errechnen wollen, berechnen Sie die getrennten Mehrwertsteuerbeträge entweder

–        durch Abrundung auf den nächsten Zehntelpenny – beispielsweise 86,76 Pence werden abgerundet auf 86,7 Pence – oder

–        durch Rundung auf den nächsten Penny oder halben Penny – beispielsweise 86,76 Pence werden aufgerundet auf 87 Pence.

Für welche Methode Sie sich auch entscheiden, Sie müssen diese durchgängig anwenden.

Die Endsumme der abzuführenden Mehrwertsteuer darf auf den nächsten ganzen Penny abgerundet werden.

17.6      Berechnung der Mehrwertsteuer bei Einzelhändlern

Die meisten Einzelhändler rechnen die Mehrwertsteuer nach Maßgabe einer Einzelhandelsregelung ab. Wenn Sie die Mehrwertsteuer ebenfalls in dieser Weise abrechnen, betrifft Sie der nachfolgende Abschnitt nicht.

Immer häufiger setzen Einzelhändler leistungsfähige Kassentechnologie ein, um die fällige Mehrwertsteuer für jeden einzelnen Umsatz zu ermitteln und eine Rechnung auszustellen. Wenn Sie keine Einzelhandelsregelung in Anspruch nehmen, sondern Mehrwertsteuer auf Warengattungs- oder Rechnungsebene berechnen, dürfen Sie den Mehrwertsteuerbetrag nicht abrunden. Sie dürfen jedoch jede einzelne Mehrwertsteuerberechnung (nach oben oder unten) runden.“

14      Der Begriff „Rechnungen ausstellende Unternehmen“ wird im Leitfaden nicht definiert.

15      Zusätzliche Hinweise zur Rundung lassen sich dem Handbuch V1-24A: Trader’s records der Commissioners (im Folgenden: Handbuch), einer Anleitung für das Personal der Steuerbehörden, das ebenfalls öffentlich zugänglich ist, entnehmen.

16      In Nr. 12.1 des Handbuchs heißt es, bei der Auslegung von Nr. 17.5 des Leitfadens „ist zu beachten, dass sie im Kontext der Regeln für Rechnungen ausstellende Unternehmen steht, bei denen die Rundung steuerneutral ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass sich die Rundung in der Regel sowohl auf die vom Lieferanten erhobene Mehrwertsteuer als auch auf die vom Kunden abgezogene Vorsteuer auswirkt. In Fällen, in denen ein Rechnungen ausstellendes Unternehmen die Mehrwertsteuer auf Nettobeträge errechnet, darf deshalb der in Rechnung gestellte und vom Kunden zu entrichtende Betrag abgerundet werden.“

17      In Nr. 12.2 des Handbuchs heißt es:

„Leistungsfähige Buchführungsprogramme ermöglichen es Einzelhändlern, Mehrwertsteuer auf Warengattungsebene zu ermitteln und/oder Mehrwertsteuerrechnungen auszustellen. …

In der Regel kommt das Zugeständnis der Abrundung für Einzelhändler nicht in Betracht. Denn das Abrunden der dem Endkunden in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer führt nicht zu einer Herabsetzung des zu entrichtenden Mehrwertsteuerbetrags (der in dem auf die Mehrwertsteuer entfallenden Bruchteil x des Preises besteht), sondern lediglich zu einer Herabsetzung des gegenüber den Commissioners abzurechnenden Steuerbetrags.

Die meisten Einzelhändler rechnen die Mehrwertsteuer weiterhin nach Maßgabe einer Einzelhandelsregelung ab. Das Rundungsproblem tritt nur bei Einzelhändlern auf, deren Buchführungssysteme ihnen die Ermittlung der Steuer auf Warengattungsebene und die Ausstellung von Rechnungen ermöglichen. …

Falls ein Einzelhändler wirklich Nettopreise ohne Mehrwertsteuer festsetzt – so dass der dem Kunden in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbetrag und der den Commissioners gegenüber abgerechnete Mehrwertsteuerbetrag einander entsprechen – kann das Rundungszugeständnis in Betracht kommen. Wenn Sie die Zulassung eines solchen Systems erwägen, haben Sie zu untersuchen, wie die Preise tatsächlich festgesetzt werden. Falls der Einzelhändler wirklich einen die Steuer enthaltenden Verkaufspreis dadurch errechnet, dass er von einem in ganzen Pence ausgedrückten Nettobetrag ausgeht, kann das Zugeständnis in Betracht kommen. …“

18      In Nr. 12.3 des Handbuchs wird das arithmetische Rundungsverfahren erläutert, und im dritten Absatz dieser Nummer heißt es: „Schlägt ein Unternehmen ein abweichendes Rundungsverfahren vor, ist dieses zu prüfen und zuzulassen, wenn es zu einem akzeptablen und angemessenen Ergebnis führt.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

19      Wetherspoon betreibt eine Kette von mehr als 670 Gaststätten im Vereinigten Königreich. Den Großteil ihrer Einnahmen bezieht sie aus Einzelhandelsverkäufen von Essen und Getränken an Endverbraucher.

20      Wetherspoon gibt gegenüber ihren Kunden für ihre Einzelhandelsprodukte einen Preis an, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist. Sie stellt diesen keine ausführlichen Mehrwertsteuerrechnungen aus, händigt ihnen jedoch bei Bestellungen für Essen und heiße Getränke Kassenbons aus, auf denen ihre Mehrwertsteuernummer vermerkt ist. Für andere Getränke, einschließlich alkoholischer Getränke, stellt sie einen Kassenbon nur dann aus, wenn der Kunde dies verlangt.

21      Bis 2004 berechnete Wetherspoon die Mehrwertsteuer, die für jeden dem Normalsatz der Mehrwertsteuer von 17,5 % unterliegenden Umsatz mit einem bestimmten Kunden geschuldet wurde, indem sie den dabei erzielten Gesamtbetrag mit 7/47 multiplizierte. Das Ergebnis wurde arithmetisch auf den nächsten vollen Pennybetrag auf- oder abgerundet.

22      Seit der Modernisierung ihres elektronischen Kassensystems im August 2004 kann Wetherspoon die Mehrwertsteuer auf der Ebene der „Warengattung“, d. h. für jede einzelne getrennt geführte Produktart, berechnen, sofern ein Umsatz davon mehrere umfasst. Hierfür berechnet Wetherspoon die Mehrwertsteuer auf der Warengattungsebene und rundet sie auf dieser Ebene auf die dritte Dezimalstelle, d. h. auf den nächsten Zehntelpenny, ab. Anschließend addiert sie diese Mehrwertsteuerbeträge und rundet den so errechneten Gesamtbetrag auf der Umsatzebene auf den nächsten vollen Pennybetrag ab.

23      Zwischen September 2004 und Januar 2005 führte Wetherspoon Verhandlungen mit den Commissioners, um eine maßgeschneiderte Einzelhandelsregelung zu vereinbaren; die von Wetherspoon vorgeschlagene Regelung wurde aber von den Commissioners nie akzeptiert und von Wetherspoon auch nicht angewandt.

24      Mit Schreiben vom 23. März 2006 untersagten die Commissioners Wetherspoon, die auf die einzelnen Umsätze zu entrichtende Mehrwertsteuer abzurunden. Wetherspoon legte daraufhin am 7. April 2006 einen Rechtsbehelf gegen diese Untersagung ein. Am 7. September 2006 legte sie aus denselben Gründen zwei weitere Rechtsbehelfe gegen zwei am 8. und 17. August 2006 erlassene Steuerbescheide ein.

25      Wetherspoon macht geltend, berechtigt zu sein, das in Nr. 17.5.1 des Leitfadens vorgesehene Abrundungsverfahren anzuwenden. Die Commissioners hingegen sind der Auffassung, Wetherspoon müsse entweder auf der Warengattungsebene oder auf der Umsatzebene arithmetisch runden.

26      Das vorlegende Gericht, bei dem die genannten Rechtsbehelfe anhängig sind, weist darauf hin, dass weder das Gemeinschaftsrecht noch das Mehrwertsteuergesetz von 1994 (U.K. Value Added Tax Act 1994) oder die Mehrwertsteuerverordnung von 1995 ausdrückliche Regeln hinsichtlich der Rundungsmethode vorsähen, die zu verwenden sei, wenn die Anwendung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer zu einem Betrag führe, der einen Bruchteil der kleinsten Währungseinheit – im vorliegenden Fall den eines Penny – umfasse. Zwei Rundungsmethoden seien möglich. Es sei nämlich möglich, entweder systematisch auf die nächste volle Zahl abzurunden oder arithmetisch zu runden, d. h. Bruchteile von weniger als 0,5 Pence auf die nächste ganze Zahl abzurunden und Beträge, die größer oder gleich 0,5 Pence seien, auf die nächste ganze Zahl aufzurunden.

27      Den Gemeinschaftsrichtlinien und den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs sei auch nicht zu entnehmen, auf welcher Stufe oder Ebene die Rundung stattfinden müsse. Kaufe ein Kunde mehrere Waren gleichzeitig, sei es möglich, die abgerechnete Mehrwertsteuer wie folgt zu runden: entweder für jedes Stück einzeln oder für jede Warenart, sofern mehrere Stücke einer Ware gekauft würden, oder auf der Ebene des Gesamtumsatzes mit dem Kunden oder zum Zeitpunkt der Mehrwertsteuererklärung am Ende des Mehrwertsteuer-Abrechnungszeitraums oder aber auf einer anderen Ebene – wie der der Bruttotageseinnahmen pro Verkaufsstelle oder aller Einzelhandelsverkaufstellen des Unternehmens.

28      Da es das vorlegende Gericht für unklar hält, ob nach dem Gemeinschaftsrecht eine bestimmte Form der Rundung vorgeschrieben ist und, bejahendenfalls, in welcher Weise der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dabei Anwendung findet, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die vier folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Richtet sich das Runden von Mehrwertsteuerbeträgen ausschließlich nach nationalem Recht oder vielmehr nach Gemeinschaftsrecht? Bestätigen insbesondere die Art. 2 Abs. 1 und 2 der Ersten Richtlinie und Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und/oder Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und/oder Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie (in der am 1. Januar 2004 geltenden Fassung), dass das Runden unter das Gemeinschaftsrecht fällt?

2.      Insbesondere:

a)      Steht das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung oder Praxis der nationalen Steuerbehörden entgegen, wonach ein bestimmter Mehrwertsteuerbetrag aufgerundet werden muss, wenn der Bruchteil der kleinsten Einheit der betreffenden Währung größer oder gleich 0,50 ist (beispielsweise 0,5 Pence müssen auf den nächsten ganzen Penny aufgerundet werden)?

b)      Schreibt das Gemeinschaftsrecht vor, dass den Steuerpflichtigen das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten ist, der einen Bruchteil der kleinsten verfügbaren Währungseinheit umfasst?

3.      Auf welcher Ebene muss bei einem Verkaufspreis, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist, nach dem Gemeinschaftsrecht bei der Berechnung der geschuldeten Mehrwertsteuer abgerundet werden: auf der Ebene jedes einzelnen Stücks, jeder einzelnen Warengattung, jeder einzelnen Lieferung (wenn ein Korb mehrere Lieferungen umfasst), jedes Gesamtbetrags eines Umsatzes/Korbs, jedes Mehrwertsteuer-Abrechnungszeitraums oder auf einer sonstigen Ebene?

4.      Sind für die Beantwortung einer der Fragen die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und der steuerlichen Neutralität maßgeblich, insbesondere unter Berücksichtigung des Zugeständnisses der zuständigen Steuerbehörden im Vereinigten Königreich, dass nur bestimmte Unternehmen die abzurechnenden Mehrwertsteuerbeträge abrunden dürfen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten und zur zweiten Frage

29      Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen unter das nationale Recht oder unter das Gemeinschaftsrecht fällt, und insbesondere, ob das Gemeinschaftsrecht Regelungen zum Rundungsverfahren umfasst, die entweder dem arithmetischen Runden entgegenstehen oder den Mitgliedstaaten vorschreiben, den Steuerpflichtigen das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten, wenn die Anwendung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer zu einem Mehrwertsteuerbetrag führt, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst.

30      Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Bestimmungen der Ersten und der Sechsten Richtlinie keine ausdrückliche Regel für die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen enthalten. Insbesondere die Sechste Richtlinie schweigt hierzu (Urteil vom 10. Juli 2008, Koninklijke Ahold, C-484/06, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 24).

31      Zudem kann weder aus dem Zweck noch aus der Systematik von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 Buchst. b sowie Abs. 4 und 5 der Sechsten Richtlinie geschlossen werden, dass das Gemeinschaftsrecht eine spezifische Rundungsmethode vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil Koninklijke Ahold, Randnrn. 27 bis 30).

32      In Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung bestimmen sich somit die Methode und die Regeln für die Rundung eines zur Mehrwertsteuer angemeldeten Betrags innerhalb der Grenzen des Gemeinschaftsrechts nach der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten (vgl. Urteil Koninklijke Ahold, Randnr. 31).

33      Wird eine bestimmte Rundungsmethode durch die Mitgliedstaaten eingeführt oder zugelassen, so müssen diese darauf achten, dass die Grundsätze des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, wie etwa die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, eingehalten werden. Aus der Beachtung dieser in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannten Grundsätze folgt jedoch nicht, dass die Frage der anzuwendenden spezifischen Rundungsmethode als solche unter das Gemeinschaftsrecht fällt (Urteil Koninklijke Ahold, Randnr. 32).

34      Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität hat u. a. zur Folge, dass die Steuerpflichtigen, die die gleichen oder gleichartige wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, hinsichtlich der Rundungsmethode, die bei der Berechnung der Mehrwertsteuer angewandt wird, nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil Koninklijke Ahold, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach demselben Grundsatz darf der von der Steuerverwaltung erhobene Mehrwertsteuerbetrag nicht höher sein als der vom Endverbraucher an den Steuerpflichtigen gezahlte (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs, C-317/94, Slg. 1996, I-5339, Randnr. 24, und in diesem Sinne Urteil Koninklijke Ahold, Randnr. 36).

35      Demnach stellt dieser Grundsatz keine Anforderung in Bezug auf die Anwendung einer bestimmten Rundungsmethode, soweit die vom betreffenden Mitgliedstaat angewandte Methode gewährleistet, dass der von der Steuerverwaltung erhobene Mehrwertsteuerbetrag genau dem vom Endverbraucher an den Steuerpflichtigen gezahlten Mehrwertsteuerbetrag entspricht (vgl. Urteil Koninklijke Ahold, Randnr. 37).

36      Hinsichtlich des Grundsatzes der Proportionalität hat der Gerichtshof entschieden, dass die Einhaltung dieses Grundsatzes zwar voraussetzt, dass jeder gerundete Betrag so weit wie möglich dem Betrag entspricht, der sich bei Anwendung des geltenden Satzes ergibt, dass dieses Erfordernis jedoch mit den praktischen Bedürfnissen einer effektiven Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Einklang zu bringen ist und dass aufgrund des technischen Charakters der Rundungsfrage mehr als eine einzige Rundungsmethode diesen Erfordernissen gerecht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Koninklijke Ahold, Randnrn. 39 bis 41).

37      Nach alledem enthält das Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Erste und die Sechste Richtlinie sowie die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, keine spezifische Vorgabe in Bezug auf die Methode zur Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen (vgl. in diesem Sinne Urteil Koninklijke Ahold, Randnr. 42).

38      Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht bei seinem derzeitigen Stand keine spezifische Vorgabe in Bezug auf die Methode zur Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen enthält. In Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln und die Methoden für die Rundung der Mehrwertsteuerbeträge zu bestimmen; dabei müssen sie darauf achten, dass die Grundsätze, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, namentlich die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, eingehalten werden. Insbesondere steht das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein bestimmter Mehrwertsteuerbetrag aufgerundet werden muss, wenn der Bruchteil der kleinsten Einheit der betreffenden Währung größer oder gleich 0,5 ist, und es schreibt auch nicht vor, dass den Steuerpflichtigen das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten ist, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst.

 Zur dritten Frage

39      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob bei einem Verkaufspreis, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist, nach dem Gemeinschaftsrecht bei der Berechnung der geschuldeten Mehrwertsteuer auf einer bestimmten Ebene – z. B. auf einer der in Randnr. 27 des vorliegenden Urteils genannten Ebenen – gerundet werden muss.

40      Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs muss die Mehrwertsteuer nach dem Gemeinschaftsrecht erst auf der Stufe gerundet werden, auf der dieses verlangt, dass die Mehrwertsteuer als Geldbetrag ausgewiesen wird. Die niedrigste Ebene sei somit entweder die gemäß Art. 22 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie ausgestellte Rechnung oder die periodische Mehrwertsteuererklärung. Den Mitgliedstaaten bleibe jedoch ein Ermessensspielraum, um eine Rundung auf einer früheren Stufe zuzulassen, wenn sie es für angebracht hielten.

41      Die Kommission vertritt ebenfalls die Auffassung, dass es als erforderlich angesehen werden könnte, die Mehrwertsteuer bei der Ausstellung einer Rechnung gemäß Art. 22 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie in runden Zahlen anzugeben. Bei Verkäufen im Einzelhandel zu einem Preis, der die Mehrwertsteuer enthalte, ergebe sich die Notwendigkeit, den geschuldeten Betrag in runden Zahlen auszudrücken, jedoch erst auf der Stufe der periodischen Mehrwertsteuererklärung.

42      Wetherspoon hingegen ist der Ansicht, dass eine Rundung erst am Ende des für die Mehrwertsteuer maßgeblichen Abrechnungszeitraums nicht mit den Vorschriften der Ersten und Sechsten Richtlinie sowie den Grundsätzen der steuerlichen Neutralität und der Rechtssicherheit im Einklang stünde. Da die Verpflichtung, die Mehrwertsteuer für ausgeführte Lieferungen oder Leistungen bei den Steuerbehörden anzumelden, mit jedem Umsatz entstehe, sei es erforderlich, den genauen Mehrwertsteuerbetrag, den der Kunde zahlen und der Lieferer anmelden müsse, spätestens auf der Ebene des Umsatzes festzulegen.

43      Zunächst ist festzustellen, dass die Bestimmungen der Ersten und der Sechsten Richtlinie – insbesondere die, die das vorlegende Gericht erwähnt hat – keine ausdrückliche Regelung enthalten, in denen die Ebene festgelegt wird, auf der die Mehrwertsteuerbeträge, die einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfassen, gerundet werden dürfen oder müssen.

44      Insbesondere Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie beschränkt sich darauf, die Besteuerungsgrundlage zu bestimmen, und bezieht sich nur auf den Preis, der die Gegenleistung für die gelieferten Gegenstände und die erbrachten Dienstleistungen darstellt (Urteil Koninklijke Ahold, Randnr. 26).

45      Zwar sieht Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie vor, dass, wenn eine Rechnung ausgestellt wird, diese den zu zahlenden Steuerbetrag enthalten und dieser in der Landeswährung des betreffenden Mitgliedstaats angegeben sein muss. Aus den genannten Anforderungen ergibt sich jedoch nicht, dass diese Vorschrift dazu zwingt, für diese Information ganze Einheiten der Landeswährung zu verwenden.

46      Diese Feststellung wird in keiner Weise durch den Zweck und die Systematik der in den beiden vorstehenden Randnummern genannten Bestimmungen in Frage gestellt. Diese Bestimmungen sollen die Einheitlichkeit der Besteuerungsgrundlage in den Mitgliedstaaten und ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts gewährleisten (vgl. Urteil Koninklijke Ahold, Randnrn. 28 und 29).

47      Folglich kann weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck dieser Bestimmungen geschlossen werden, dass das Gemeinschaftsrecht eine bestimmte Rundungsebene vorsieht.

48      In Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung bestimmt sich daher die Stufe, auf der ein Mehrwertsteuerbetrag gerundet werden darf oder muss, innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht festgelegten Grenzen nach der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten.

49      Wie sich aus Randnr. 33 des vorliegenden Urteils ergibt, müssen die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung dieser Stufe darauf achten, dass die für das gemeinsame Mehrwertsteuersystem geltenden Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität eingehalten werden (vgl. hierzu Randnrn. 34 bis 36 des vorliegenden Urteils). Aufgrund des technischen Charakters der Rundungsfrage jedoch umfassen diese Grundsätze keine Anforderungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass ihnen nur eine einzige Rundungsebene, insbesondere eine Rundung auf der Stück- oder Warengattungsebene, gerecht wird.

50      Im Übrigen sind die eventuellen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf die Rundung von den Bedürfnissen der Praxis zu unterscheiden, die die Rundung eines Mehrwertsteuerbetrags, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst, erforderlich machen. Bei Geschäften zu einem Preis, der die Mehrwertsteuer einschließt, besteht auf der Stufe des Umsatzes keine zwingende Notwendigkeit, den Mehrwertsteuerbetrag auf eine volle Zahl dieser Währungseinheit zu runden, wie die Generalanwältin in Nr. 42 ihrer Schlussanträge festgestellt hat. In einem solchen Fall ist es nämlich erst am Ende der periodischen Mehrwertsteuererklärung absolut unerlässlich, zu einem Betrag zu gelangen, der tatsächlich gezahlt werden kann und der deshalb keinen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit einschließen darf.

51      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass es bei einem Verkaufspreis, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist, in Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung Sache des jeweiligen Mitgliedstaats ist, innerhalb der Grenzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere unter Beachtung der Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, die Ebene zu bestimmen, auf der ein Mehrwertsteuerbetrag, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst, gerundet werden darf oder muss.

 Zur vierten Frage

52      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Einzelhändler unter Berufung auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und der steuerlichen Neutralität fordern kann, dass ihm erlaubt wird, die gleiche Methode für die Rundung von geschuldeten Mehrwertsteuerbeträgen anzuwenden, wie sie das nationale Recht bestimmten Steuerpflichtigen, nämlich den sogenannten „Rechnungen ausstellenden Unternehmen“, gewährt, d. h. den geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag auf der Ebene der Warengattung und des Umsatzes abzurunden.

53      Wetherspoon sieht es als mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität unvereinbar an, Einzelhändlern die Möglichkeit vorzuenthalten, die Rechnungen ausstellenden Unternehmen eingeräumt werde. Dieser Ausschluss führe dazu, dass die Lieferung gleichartiger Waren oder die Erbringung gleichartiger Dienstleistungen, die miteinander im Wettbewerb ständen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt würden. Zudem handele es sich um eine willkürliche Entscheidung, da der Begriff „Rechnungen ausstellende Unternehmen“ in der vorerwähnten nationalen Regelung nicht definiert werde.

54      Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist insoweit der Auffassung, dass Rechnungen ausstellende Unternehmen keine Lieferungen durchführten, die mit denen von Einzelhändlern vergleichbar seien, und mit Einzelhändlern, die auf einer anderen Stufe der Lieferkette tätig würden, nicht im Wettbewerb ständen. Folglich sei es im Hinblick auf die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen nicht erforderlich, diese beiden Personengruppen hinsichtlich der Mehrwertsteuer gleich zu behandeln.

55      Nach Ansicht der Kommission schließt der Grundsatz der steuerlichen Neutralität aus, dass die Erlaubnis, den anzumeldenden Mehrwertsteuerbetrag abzurunden, die die Steuerbehörden bestimmten Wirtschaftsteilnehmern gewährt, die normalerweise Preise ohne Mehrwertsteuer festsetzen und nicht an Endverbraucher verkaufen, auf Einzelhändler ausgedehnt wird.

56      Die griechische Regierung vertritt die Auffassung, dass sich eine Abrundung nur dann nicht auf den Endbetrag, den der Staat erhalte, auswirke, wenn sie allein bei Lieferungen und Leistungen an andere Steuerpflichtige Anwendung finde.

57      Insoweit ist daran zu erinnern, dass, wie aus Randnr. 34 des vorliegenden Urteils hervorgeht, der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der im Bereich der Mehrwertsteuer Ausdruck des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist, es u. a. verbietet, Steuerpflichtige hinsichtlich der Rundungsmethode, die bei der Berechnung der Mehrwertsteuer angewandt wird, unterschiedlich zu behandeln, wenn sie die gleichen oder gleichartige wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben (vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 22. Mai 2008, Ampliscientifica und Amplifin, C-162/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 25, und vom 17. Juli 2008, Kommission/Italien, C-132/06, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 39).

58      Somit ist zu prüfen, ob „Rechnungen ausstellende Unternehmen“ und „Einzelhändler“ im Sinne der in Rede stehenden Regelungen die gleichen oder gleichartige wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben.

59      Vorliegend ergibt sich aus Nr. 17.5 des Leitfadens und den Nrn. 12.1 und 12.2 des Handbuchs, dass sich der Begriff „Rechnungen ausstellende Unternehmen“ nur auf Steuerpflichtige bezieht, die ihre Dienstleistungen oder Warenlieferungen zu Preisen ohne Mehrwertsteuer durchführen und die Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung auf den Preis aufschlagen.

60      Bei ohne Mehrwertsteuer festgesetzten Preisen findet die Rundung statt, bevor der Kunde die Gegenleistung erbringt. Der Steuerbetrag, den der Steuerpflichtige von seinem Kunden erhält, und der, den der Steuerpflichtige anschließend an den Staat abführt, sind identisch, und dies unabhängig von der zur Anwendung kommenden Rundungsmethode.

61      Wenn die Mehrwertsteuer hingegen im Preis einer Ware oder Dienstleistung enthalten ist, würde eine systematische Abrundung auf einer Ebene unterhalb der periodischen Mehrwertsteuererklärung dazu führen, dass der Steuerpflichtige von seinem Kunden die tatsächlich geschuldete Mehrwertsteuer einnähme, während er an den Staat systematisch einen geringeren Betrag abführen und die Differenz zu seinem eigenen Vorteil behalten würde. Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu dem Grundsatz, wonach die Mehrwertsteuer von den Steuerpflichtigen auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe für Rechnung der Steuerverwaltung erhoben wird, an die die Steuerpflichtigen sie abzuführen haben (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2005, MyTravel, C-291/03, Slg. 2005, I-8477, Randnr. 30).

62      Zudem unterscheiden sich die beiden vorgenannten Fallgestaltungen aus dem Blickwinkel der praktischen Bedürfnisse einer effektiven Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems deutlich voneinander. Bei einem Preis ohne Mehrwertsteuer, der regelmäßig in runden Zahlen ausgedrückt wird, ist die Rundung der Mehrwertsteuer unerlässlich, um zu einem tatsächlich zahlbaren Gesamtbetrag zu gelangen, der sich aus der Addition des Preises ohne Mehrwertsteuer mit der geschuldeten Mehrwertsteuer ergibt. Wenn hingegen die Mehrwertsteuer im Preis der Ware oder der Dienstleistung enthalten ist, ist eine Rundung nicht erforderlich, um den Gesamtpreis entrichten zu können.

63      Folglich befinden sich die Wirtschaftsteilnehmer, die ihre Warenverkäufe oder ihre Dienstleistungen zu Preisen ohne Mehrwertsteuer vornehmen, und diejenigen, die die Preise für diese Geschäfte unter Einschluss der Mehrwertsteuer berechnen, in einer unterschiedlichen Lage. Demzufolge können Letztere nicht unter Berufung auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität fordern, hinsichtlich der Rundung des geschuldeten Mehrwertsteuerbetrags ebenso behandelt zu werden wie die Wirtschaftsteilnehmer, die Preise ohne Mehrwertsteuer festsetzen.

64      Infolgedessen ist auf die vierte Frage zu antworten, dass, da sich Wirtschaftsteilnehmer, die die Preise für ihre Warenverkäufe und Dienstleistungen unter Einschluss der Mehrwertsteuer berechnen, in einer anderen Lage befinden als diejenigen, die die gleiche Art von Geschäften zu Preisen ohne Mehrwertsteuer tätigen, sich die Erstgenannten nicht auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität berufen können, um zu erreichen, dass ihnen gestattet wird, die Abrundung der geschuldeten Mehrwertsteuerbeträge auf der Ebene der Warengattung und des Umsatzes vorzunehmen.

 Kosten

65      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Das Gemeinschaftsrecht enthält bei seinem derzeitigen Stand keine spezifische Vorgabe in Bezug auf die Methode zur Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen. In Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln und die Methoden für die Rundung der Mehrwertsteuerbeträge zu bestimmen; dabei müssen sie darauf achten, dass die Grundsätze, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, namentlich die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, eingehalten werden. Insbesondere steht das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein bestimmter Mehrwertsteuerbetrag aufgerundet werden muss, wenn der Bruchteil der kleinsten Einheit der betreffenden Währung größer oder gleich 0,5 ist, und es schreibt auch nicht vor, dass den Steuerpflichtigen das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten ist, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst.

2.      Bei einem Verkaufspreis, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist, ist es in Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung Sache des jeweiligen Mitgliedstaats, innerhalb der Grenzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere unter Beachtung der Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, die Ebene zu bestimmen, auf der ein Mehrwertsteuerbetrag, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst, gerundet werden darf oder muss.

3.      Da sich Wirtschaftsteilnehmer, die die Preise für ihre Warenverkäufe und Dienstleistungen unter Einschluss der Mehrwertsteuer berechnen, in einer anderen Lage befinden als diejenigen, die die gleiche Art von Geschäften zu Preisen ohne Mehrwertsteuer tätigen, können sich die Erstgenannten nicht auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität berufen, um zu erreichen, dass ihnen gestattet wird, die Abrundung der geschuldeten Mehrwertsteuerbeträge auf der Ebene der Warengattung und des Umsatzes vorzunehmen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.