Rechtssache C-318/07
Hein Persche
gegen
Finanzamt Lüdenscheid
(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs)
„Freier Kapitalverkehr – Einkommensteuer – Abzugsfähigkeit von Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen – Beschränkung der Abzugsfähigkeit auf Spenden an inländische Einrichtungen – Sachspenden – Richtlinie 77/799/EWG – Gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern“
Leitsätze des Urteils
1. Freier Kapitalverkehr – Bestimmungen des Vertrags – Anwendungsbereich
(Art. 56 EG und 58 EG)
2. Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht – Einkommensteuer
(Art. 56 EG)
1. Macht ein Steuerpflichtiger in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, fallen solche Spenden auch dann unter die Bestimmungen des Vertrags über den freien Kapitalverkehr, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt.
Eine nationale Steuerregelung kann nämlich auch dann unter die Art. 56 EG bis 58 EG fallen, wenn sie den Übergang eines Vermögens betrifft, das möglicherweise sowohl aus Geldbeträgen als auch aus unbeweglichen und beweglichen Vermögensgegenständen besteht. Wie die Erbschaftsteuer fällt also die steuerliche Behandlung von Geld- oder Sachspenden unter die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr; ausgenommen sind die Fälle, die mit keinem der wesentlichen Elemente der betreffenden Transaktionen über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen.
(vgl. Randnrn. 26-27, 30, Tenor 1)
2. Art. 56 EG steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden können, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die nach dieser Regelung geltenden Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Vergünstigung erfüllt.
Die im Besteuerungsmitgliedstaat fehlende Abzugsfähigkeit von Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen, wenn sie in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, ist nämlich geeignet, sich negativ auf die Bereitschaft im ersten Mitgliedstaat ansässiger Steuerpflichtiger auszuwirken, an solche Einrichtungen zu spenden, da die Möglichkeit des Spendenabzugs das Verhalten des Spenders erheblich beeinflussen kann, und stellt daher eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die gemäß Art. 56 EG grundsätzlich verboten ist.
Zwar ist es einem Mitgliedstaat möglich, im Rahmen seiner Regelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden inländische und in anderen Mitgliedstaaten ansässige als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen unterschiedlich zu behandeln, wenn Letztere andere Ziele als die in seiner eigenen Regelung vorgegebenen verfolgen. Insoweit schreibt das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten nicht vor, dafür zu sorgen, dass in ihrem Herkunftsmitgliedstaat als gemeinnützig anerkannte ausländische Einrichtungen im Inland automatisch die gleiche Anerkennung erhalten. Jedoch befindet sich eine Einrichtung, die in einem Mitgliedstaat ansässig ist und die von einem anderen Mitgliedstaat aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt, im Hinblick auf die Gewährung von Steuervergünstigungen zur Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten durch diesen Mitgliedstaat in einer Situation, die mit derjenigen von in diesem Mitgliedstaat ansässigen als gemeinnützig anerkannten Einrichtungen vergleichbar ist.
Da ferner nichts die Finanzbehörden des Besteuerungsmitgliedstaats daran hindert, von einem Steuerpflichtigen, der die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, die Vorlage stichhaltiger Belege zu verlangen, kann sich der Besteuerungsmitgliedstaat für die Rechtfertigung einer nationalen Regelung, die es dem Steuerpflichtigen völlig verwehrt, solche Nachweise zu erbringen, nicht auf das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten, berufen. In diesem Zusammenhang darf ein Mitgliedstaat, bevor er einer Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, eine Steuerbefreiung gewährt, Maßnahmen anwenden, mit denen er klar und genau nachprüfen kann, ob diese Einrichtung die nach nationalem Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt, und die tatsächliche Geschäftsführung der Einrichtung kontrollieren. Dagegen reichen verwaltungstechnische Nachteile, die sich eventuell daraus ergeben könnten, dass solche Einrichtungen in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, nicht aus, um eine Weigerung der Behörden des betreffenden Staates zu rechtfertigen, diesen Einrichtungen die gleichen Steuerbefreiungen wie gleichartigen inländischen Einrichtungen zu gewähren. Gleiches gilt für einen Steuerpflichtigen, der in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit einer Spende an eine Einrichtung geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist.
Darüber hinaus können sich die betroffenen Finanzbehörden aufgrund der Richtlinie 77/799 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern an die Behörden eines anderen Mitgliedstaats wenden, um alle Auskünfte zu erhalten, die sich als notwendig für die ordnungsgemäße Bemessung der Steuer eines Steuerpflichtigen erweisen. Diese Richtlinie berührt jedoch in keiner Weise die Befugnis der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats des Spenders, u. a. zu prüfen, ob die in ihren Rechtsvorschriften festgelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Steuervergünstigung erfüllt sind. So muss der Mitgliedstaat des Spenders hinsichtlich einer Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, nur dann eine mit der steuerlichen Behandlung von Spenden an inländische Einrichtungen identische steuerliche Behandlung gewähren, wenn diese Einrichtung die Voraussetzungen der Rechtsvorschriften des letztgenannten Mitgliedstaats für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt; dazu zählt die Verfolgung von Zielen, die mit denen übereinstimmen, die von den Steuervorschriften dieses Mitgliedstaats gefördert werden. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörden einschließlich der Gerichte, zu überprüfen, ob der Nachweis für die Einhaltung der von diesem Mitgliedstaat für die Gewährung der fraglichen Steuervergünstigung aufgestellten Voraussetzungen gemäß den Regeln des nationalen Rechts erbracht worden ist.
Schließlich kann ein Mitgliedstaat die Gewährung von Steuervergünstigungen für Spenden an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, auch nicht allein deshalb versagen, weil die Finanzbehörden des ersten Mitgliedstaats bei solchen Einrichtungen nicht über die Möglichkeit verfügen, vor Ort zu überprüfen, ob die Anforderungen ihrer Steuervorschriften erfüllt sind.
Bei gemeinnützigen Einrichtungen, die ihren Sitz in einem Drittland haben, ist es grundsätzlich gerechtfertigt, dass der Besteuerungsmitgliedstaat die Gewährung einer solchen Steuervergünstigung ablehnt, wenn es sich, insbesondere wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittlands zur Erteilung von Auskünften, als unmöglich erweist, die erforderlichen Auskünfte von diesem Land zu erhalten.
(vgl. Randnrn. 38-39, 47-48, 50, 55-56, 60-61, 63, 66, 70, 72, Tenor 2)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
27. Januar 2009(*)
„Freier Kapitalverkehr – Einkommensteuer – Abzugsfähigkeit von Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen – Beschränkung der Abzugsfähigkeit auf Spenden an inländische Einrichtungen – Sachspenden – Richtlinie 77/799/EWG – Gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern“
In der Rechtssache C-318/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. Juli 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juli 2007, in dem Verfahren
Hein Persche
gegen
Finanzamt Lüdenscheid
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, A. Rosas, K. Lenaerts (Berichterstatter), J.-C. Bonichot und T. von Danwitz sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk, P. Kūris und E. Juhász,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– des Finanzamts Lüdenscheid, vertreten durch H. Brandenberg, Leitender Ministerialrat,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
– der griechischen Regierung, vertreten durch S. Spyropoulos sowie Z. Chatzipavlou und I. Pouli als Bevollmächtigte,
– der spanischen Regierung, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten,
– der französischen Regierung, vertreten durch J.-C. Gracia, G. de Bergues und J.-C. Niollet als Bevollmächtigte,
– von Irland, vertreten durch D. O’Hagan und G. Hogan als Bevollmächtigte im Beistand von E. Barrington, BL,
– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch I. Rao und R. Hill als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
– der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch P. Bjørgan und I. Hauger als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Oktober 2008
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG bis 58 EG.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Persche, einem in Deutschland ansässigen Steuerberater, und dem Finanzamt Lüdenscheid (im Folgenden: Finanzamt) über die steuerliche Abzugsfähigkeit einer Sachspende an eine als gemeinnützig anerkannte Einrichtung, die ihren Sitz in Portugal hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern (ABl. L 336, S. 15) in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 77/799) bestimmt:
„Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erteilen sich nach dieser Richtlinie gegenseitig alle Auskünfte, die für die zutreffende Festsetzung der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen geeignet sein können …“
4 Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 77/799 sieht vor:
„Die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats kann die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats um die Erteilung der in Artikel 1 Absatz 1 bezeichneten Auskünfte im Einzelfall ersuchen. Die zuständige Behörde des um Auskunft ersuchten Staates braucht dem Ersuchen nicht zu entsprechen, wenn es scheint, dass die zuständige Behörde des ersuchenden Staates ihre eigenen üblichen Auskunftsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, von denen sie nach Lage des Falles ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks hätte Gebrauch machen können.“
Nationales Recht
5 Nach § 10b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: EStG) dürfen Steuerpflichtige Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher oder gemeinnütziger Zwecke in bestimmtem Umfang als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. Laut § 10b Abs. 3 EStG gilt diese Abzugsfähigkeit auch für Sachspenden.
6 Nach § 49 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (im Folgenden: EStDV) ist die steuerliche Abzugsfähigkeit auf Spenden beschränkt, deren Empfänger eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts, eine inländische öffentliche Dienststelle oder eine in § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (im Folgenden: KStG) bezeichnete Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist. In dieser Bestimmung werden die Einrichtungen, d. h. die Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, definiert, die von der Körperschaftsteuer befreit sind; das sind solche, die nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Die Befreiung gilt jedoch laut § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG nur für Einrichtungen, die ihren Sitz in Deutschland haben.
7 Nach § 50 Abs. 1 EStDV dürfen die Zuwendungen im Sinne des § 10b EStG – vorbehaltlich der besonderen Regelungen für Zuwendungen von bis zu 100 Euro – nur abgezogen werden, wenn sie durch eine von der begünstigten Einrichtung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck ausgestellte Zuwendungsbestätigung nachgewiesen werden. Bei der Veranlagung des Spenders zur Einkommensteuer ist dieser Vordruck ein ausreichender Nachweis dafür, dass der Spendenempfänger die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Kontrolle, ob die begünstigte Einrichtung die Voraussetzungen für die Befreiung von der Körperschaftsteuer erfüllt, ist demnach nicht Sache der mit der Veranlagung des Spenders befassten Finanzverwaltung.
8 In den §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) werden die Zwecke, denen sich eine Einrichtung widmen muss, sowie die Art und Weise definiert, wie diese Zwecke zu verfolgen sind, um in den Genuss der Steuerbefreiung zu kommen.
9 Nach § 52 Abs. 1 und 2 Nr. 2 AO verfolgt eine Einrichtung gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit auf die Förderung der Allgemeinheit gerichtet ist, u. a. durch die Förderung der Jugendhilfe und der Altenhilfe. Die Einrichtung muss laut § 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 AO selbstlos handeln, was beispielsweise heißt, dass sie ihre Mittel ausschließlich zeitnah für die steuerbegünstigten Zwecke und nicht zugunsten ihrer Mitglieder zu verwenden hat. Nach § 59 AO werden einer solchen Einrichtung Steuervergünstigungen nur gewährt, wenn sich aus ihrer Satzung ergibt, dass sie ausschließlich und unmittelbar Zwecke verfolgt, die den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entsprechen.
10 Nach § 63 Abs. 3 AO obliegt es einer solchen Einrichtung, durch ordnungsgemäße Aufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben den Nachweis zu führen, dass ihre tatsächliche Geschäftsführung auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet ist. Für den Fall von Sachspenden muss die begünstigte Einrichtung nach § 50 Abs. 4 Satz 2 EStDV Aufzeichnungen vorhalten, aus denen sich die Grundlagen für den von ihr bestätigten Wert der Zuwendung ergeben.
11 Gemäß §§ 193 ff. AO kann die Frage, ob die tatsächliche Geschäftsführung einer Einrichtung mit den Satzungsbestimmungen übereinstimmt und die Mittel selbstlos und zeitnah verwendet werden, durch eine Außenprüfung überprüft werden. Erfüllt die Einrichtung die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung, ist sie berechtigt, für die erhaltenen Spenden Zuwendungsbestätigungen nach dem dafür vorgesehenen amtlichen Vordruck auszustellen. Wie sich aus § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG ergibt, haftet eine Einrichtung, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Zuwendungsbestätigung ausstellt, für die dadurch entgangene Steuer.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
12 Herr Persche beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 2003 den Sonderausgabenabzug für eine Sachspende von Bett- und Badwäsche, Rollatoren und Spielzeugautos. Diese Spende erfolgte zugunsten des Centro Popular de Lagoa (Portugal) (im Folgenden: Centro) im Wert von insgesamt 18 180 Euro. Das Centro ist ein Seniorenheim, an das ein Kinderheim angegliedert ist und das sich in einem Ort befindet, in dem Herr Persche ein Wohnobjekt besitzt.
13 Der Kläger legte seiner Steuererklärung ein auf den 31. Juli 2003 datiertes Dokument bei, in dem das Centro den Erhalt der Spende bestätigte, sowie eine Erklärung des Direktors des Bezirkszentrums für Solidarität und Soziale Sicherheit von Faro (Portugal) vom 21. März 2001, wonach das Centro bei der Generaldirektion für soziale Maßnahmen im Jahr 1982 als Privateinrichtung der Sozialen Solidarität registriert worden sei und damit Anspruch auf alle Steuerbefreiungen und Vergünstigungen habe, die das portugiesische Gesetz als gemeinnützig anerkannten Einrichtungen gewähre. Nach den Angaben des Klägers des Ausgangsverfahrens reicht der Originalspendenbeleg nach portugiesischem Recht für den Spendenabzug aus.
14 Das Finanzamt versagte in seinem Einkommensteuerbescheid 2003 den beantragten Sonderausgabenabzug. Es wies auch den vom Kläger des Ausgangsverfahrens gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Die Klage, die dieser beim Finanzgericht Münster erhob, blieb ebenfalls erfolglos. Er legte daraufhin Revision zum Bundesfinanzhof ein.
15 Der Bundesfinanzhof führt in seiner Vorlageentscheidung aus, dass das Finanzamt den fraglichen Spendenabzug nach deutschem Recht habe versagen müssen, weil der Spendenempfänger nicht in Deutschland ansässig sei und der Steuerpflichtige keine der Form der Abgabenordnung genügende Zuwendungsbestätigung für diese Spende vorgelegt habe. Es stelle sich jedoch die Frage, ob eine Sachspende in Form von Gegenständen des täglichen Bedarfs unter die Art. 56 EG bis 58 EG falle und, gegebenenfalls, ob diese Bestimmungen dem entgegenstünden, dass ein Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit einer solchen Spende nur zulasse, wenn der Spendenempfänger im Inland ansässig sei.
16 Der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer (C-386/04, Slg. 2006, I-8203), anerkannt, dass die Mitgliedstaaten entscheiden könnten, welche Interessen der Allgemeinheit sie durch Steuervergünstigungen fördern wollten, und sich dabei der Auffassung des in jener Rechtssache vorlegenden Gerichts angeschlossen, dass die Förderung der Allgemeinheit im Sinne des § 52 AO nicht voraussetze, dass diese Fördermaßnahmen deutschen Staatsangehörigen oder in Deutschland wohnhaften Personen zugutekommen müssten. Der Bundesfinanzhof weist aber im Ausgangsverfahren darauf hin, dass diese Auffassung im deutschen Recht umstritten sei.
17 Der Gerichtshof habe ferner in Randnr. 49 seines Urteils Centro di Musicologia Walter Stauffer festgestellt, dass die sich für einen Mitgliedstaat ergebende Notwendigkeit, die Einhaltung der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer Stiftung zu überprüfen, nicht die Versagung dieser Befreiung rechtfertige, wenn die Stiftung in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sei, da die Steuerbehörden des ersten Mitgliedstaats von dieser Stiftung verlangen könnten, alle stichhaltigen Belege vorzulegen. Der Bundesfinanzhof fügt hinzu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Festsetzung einer Steuer aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung nicht allein von der Erklärung und den Angaben des Steuerpflichtigen abhängig gemacht werden dürfe, sondern die Möglichkeit bestehen müsse, das Deklarationsverfahren durch Außenprüfungen zu ergänzen.
18 In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, ob die gegenseitige Amtshilfe nach der Richtlinie 77/799 die Behörden des Sitzmitgliedstaats der betreffenden Einrichtung dazu verpflichten kann, eine Außenprüfung vorzunehmen, und zum anderen, ob es, selbst wenn dies möglich sein sollte, nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt, von den deutschen Finanzbehörden, wenn sich Situationen wie im Ausgangsverfahren ergeben, zu verlangen, Kontrollen über die Rechtsnatur der begünstigten Einrichtungen durchzuführen, um die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an diese Einrichtungen festzustellen, und das unabhängig vom Wert der Spenden.
19 Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Werden vom Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG) Sachspenden des Angehörigen eines Mitgliedstaats in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs an Einrichtungen, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben und die nach dem Recht ihres Mitgliedstaats als gemeinnützig anerkannt sind, umfasst?
2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird: Widerspricht es – unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Finanzbehörde zur Verifikation von Erklärungen des Steuerpflichtigen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Satz 3 EG) – der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG), wenn nach dem Recht eines Mitgliedstaats Spenden an gemeinnützige Einrichtungen nur dann steuerbegünstigt sind, wenn Letztere in diesem Mitgliedstaat ansässig sind?
3. Falls die Frage zu 2. bejaht wird: Begründet die Richtlinie 77/799 eine Pflicht der Finanzbehörde eines Mitgliedstaats, zur Aufklärung eines Sachverhalts, der in einem anderen Mitgliedstaat verwirklicht wurde, die Hilfe der Verwaltungsbehörden des anderen Mitgliedstaats in Anspruch zu nehmen, oder kann der Steuerpflichtige darauf verwiesen werden, dass er nach dem Verfahrensrecht seines Mitgliedstaats bei Auslandssachverhalten die Feststellungslast (objektive Beweislast) trägt?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
20 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob, wenn ein Steuerpflichtiger in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, solche Spenden auch dann unter die Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr fallen, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt.
21 In ihren Erklärungen vertreten das Finanzamt, die deutsche, die spanische und die französische Regierung sowie Irland die Auffassung, dass diese Bestimmungen nur Kapitalbewegungen beträfen, die in Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen würden, und nicht Spenden aus einer altruistischen Motivation heraus an Einrichtungen, die selbstlos geführt würden und deren Tätigkeiten nicht gewinnbringend sein dürften. Die griechische Regierung ist der Meinung, dass ein nicht zu Investitionszwecken erfolgender Transfer von Gegenständen des täglichen Gebrauchs, die keine Zahlungsmittel seien, ausschließlich unter den freien Warenverkehr falle.
22 Nach Ansicht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und der EFTA-Überwachungsbehörde fallen Sachspenden an gemeinnützige Einrichtungen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind als dem, der für die Veranlagung des Spenders zuständig ist, unter die Art. 56 EG bis 58 EG.
23 Es ist daran zu erinnern, dass Art. 56 Abs. 1 EG ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verbietet.
24 Mangels einer Definition des Begriffs „Kapitalverkehr“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG im Vertrag hat der Gerichtshof der Nomenklatur im Anhang der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (dieser Artikel wurde durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben) (ABl. L 178, S. 5) bereits Hinweischarakter zuerkannt, auch wenn diese Richtlinie auf die Art. 69 und 70 Abs. 1 EWG-Vertrag (die Art. 67 bis 73 des EWG-Vertrags wurden durch die Art. 73b bis 73g des EG-Vertrags ersetzt, jetzt Art. 56 EG bis 60 EG) gestützt ist, wobei die in ihr enthaltene Aufzählung gemäß ihrer Einleitung nicht erschöpfend ist (vgl. u. a. Urteile vom 23. Februar 2006, van Hilten-van der Heijden, C-513/03, Slg. 2006, I-1957, Randnr. 39, Centro di Musicologia Walter Stauffer, Randnr. 22, und vom 11. September 2008, Eckelkamp, C-11/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 38). Schenkungen und Stiftungen sind in der Rubrik XI des Anhangs I der Richtlinie 88/361 unter der Überschrift „Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“ aufgeführt.
25 Macht ein Steuerpflichtiger eines Mitgliedstaats die steuerliche Abzugsfähigkeit eines Betrags geltend, der dem Wert von Spenden an in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Dritte entspricht, ist es für die Feststellung, ob die betreffende nationale Regelung unter die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr fällt, unerheblich, ob es sich bei den zugrunde liegenden Spenden um Geld- oder Sachspenden handelt.
26 Die Aufnahme von Erbschaften und Vermächtnissen in die Rubrik XI des Anhangs I der Richtlinie 88/361 zeigt nämlich, dass für die Frage, ob die steuerliche Behandlung bestimmter Transaktionen durch einen Mitgliedstaat unter die Bestimmungen über den freien Kapitalverkehr fällt, nicht zwischen Geldtransaktionen und Sachtransaktionen zu unterscheiden ist. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass mit Erbschaften das Vermögen, das ein Verstorbener hinterlässt, auf eine oder mehrere Personen übergeht – oder anders gesagt, dass mit ihnen das Eigentum an verschiedenen Gegenständen und Rechten, aus denen dieses Vermögen besteht, auf die Erben übergeht (vgl. u. a. Urteile van Hilten-van der Heijden, Randnr. 42, und Eckelkamp, Randnr. 39). Daher kann eine nationale Steuerregelung auch dann unter die Art. 56 EG bis 58 EG fallen, wenn sie den Übergang eines Vermögens betrifft, das möglicherweise sowohl aus Geldbeträgen als auch aus unbeweglichen und beweglichen Vermögensgegenständen besteht.
27 Wie die Erbschaftsteuer fällt also die steuerliche Behandlung von Geld- oder Sachspenden unter die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr; ausgenommen sind die Fälle, die mit keinem der wesentlichen Elemente der betreffenden Transaktionen über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil Eckelkamp, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Hinsichtlich der Frage, ob – wie die griechische Regierung vorträgt – eine Spende von Gebrauchsgegenständen nicht eher unter die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr fällt, ist darauf hinzuweisen, dass nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung für die Feststellung, ob eine nationale Regelung unter die eine oder unter die andere Freiheit fällt, auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen ist (vgl. u. a. Urteil vom 24. Mai 2007, Holböck, C-157/05, Slg. 2007, I-4051, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung schließt die Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen aus, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, unabhängig davon, ob es sich bei diesen Spenden um Geld- oder Sachspenden handelt, und – bei Sachspenden – unabhängig vom Ort des Kaufs der gespendeten Güter. Aus dem Gegenstand dieser Regelung ergibt sich also keineswegs, dass sie unter die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr und nicht unter diejenigen über den freien Kapitalverkehr fällt.
30 Auf die erste Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass, macht ein Steuerpflichtiger in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, solche Spenden auch dann unter die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr fallen, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt.
Zur zweiten und zur dritten Frage
31 Mit der zweiten und der dritten Frage, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Finanzbehörden des betreffenden Mitgliedstaats in der Lage sein müssen, die Erklärungen des Steuerpflichtigen zu verifizieren, und sie nicht verpflichtet werden können, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verstoßen – Art. 56 EG der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach nur Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen, die im Inland ansässig sind, von der Steuer abgezogen werden können. In diesem Zusammenhang wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob die Richtlinie 77/799 eine Pflicht dieser Finanzbehörden begründet, für die Einholung der erforderlichen Auskünfte die Hilfe der zuständigen Behörden des Sitzmitgliedstaats der begünstigten Einrichtung in Anspruch zu nehmen, oder ob diese Finanzbehörden im Gegenteil vom Steuerpflichtigen verlangen können, dass er selbst alle erforderlichen Nachweise erbringt.
32 Hierzu machen das Finanzamt, die deutsche, die spanische und die französische Regierung sowie Irland und die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend, dass es nicht gegen die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr verstoße, wenn ein Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden nur für den Fall vorsehe, dass sie Einrichtungen mit Sitz in seinem Hoheitsgebiet zugutekämen. Inländische und im Ausland ansässige gemeinnützige Einrichtungen befänden sich nicht im Sinne des Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG in einer vergleichbaren Situation. Zudem sei die Beschränkung von Steuervergünstigungen auf Spenden an inländische gemeinnützige Einrichtungen durch das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten, gerechtfertigt.
33 Die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs tragen vor, dass im Fall einer Spende eines Steuerpflichtigen an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Einrichtung der für die Veranlagung des Spenders zuständige Mitgliedstaat (im Folgenden: Mitgliedstaat des Spenders) nicht verpflichtet sei, sich die für die Veranlagung des Spenders erforderlichen Auskünfte selbst oder mittels des Amtshilfe-Mechanismus der Richtlinie 77/799 zu beschaffen.
34 Die deutsche Regierung, Irland und die Regierung des Vereinigten Königreichs vertreten die Auffassung, dass es jedenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, den Mitgliedstaat des Spenders dazu zu verpflichten, für jede Spende eines Steuerpflichtigen an Einrichtungen mit Sitz in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten die Erfüllung der an gemeinnützige Einrichtungen gestellten Anforderungen zu überprüfen oder überprüfen zu lassen, und das unabhängig vom Wert der Spende oder der Spenden.
35 Die Kommission und die EFTA-Überwachungsbehörde sind dagegen der Meinung, dass die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstelle, die nicht durch das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten, gerechtfertigt werden könne.
36 Nach Ansicht der Kommission begründet zwar die Richtlinie 77/799 als solche keine Pflicht eines Mitgliedstaats, zur Aufklärung eines in einem anderen Mitgliedstaat verwirklichten Sachverhalts die Hilfe dieses Mitgliedstaats in Anspruch zu nehmen, doch sei der erste Mitgliedstaat im Anwendungsbereich des Art. 56 EG gehalten, von den Möglichkeiten, die diese Richtlinie biete, Gebrauch zu machen, um jede Schlechterstellung von grenzüberschreitenden gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten auszuschließen. Die EFTA-Überwachungsbehörde trägt vor, selbst wenn von dem Steuerpflichtigen, der eine Steuervergünstigung begehre, verlangt werden könne, die erforderlichen Nachweise zu erbringen, dürften die Finanzbehörden diese Vergünstigung doch nicht aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben verweigern, ohne versucht zu haben, die Informationen auf anderem Weg zu beschaffen oder zu überprüfen.
37 Im vorliegenden Fall sieht die deutsche Regelung den Steuerabzug von Spenden an gemeinnützige Einrichtungen vor, die ihren Sitz in Deutschland haben und die weiteren Anforderungen der Regelung erfüllen, nimmt aber Spenden an Einrichtungen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, von dieser Steuervergünstigung aus.
38 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 47 und 48 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die in Deutschland fehlende Abzugsfähigkeit von Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen, wenn sie in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, geeignet, sich negativ auf die Bereitschaft deutscher Steuerpflichtiger auszuwirken, an solche Einrichtungen zu spenden, da die Möglichkeit des Spendenabzugs das Verhalten des Spenders erheblich beeinflussen kann.
39 Eine solche Regelung stellt daher eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die gemäß Art. 56 EG grundsätzlich verboten ist.
40 Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG berührt zwar Art. 56 EG nicht das Recht der Mitgliedstaaten, Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Kapitalanlageort in ihrem Steuerrecht unterschiedlich zu behandeln.
41 Jedoch ist zwischen nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG erlaubten Ungleichbehandlungen und nach Art. 58 Abs. 3 EG verbotenen willkürlichen Diskriminierungen oder verschleierten Beschränkungen zu unterscheiden. Eine nationale Steuerregelung wie die im Ausgangsverfahren streitige, die zwischen inländischen und in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Einrichtungen unterscheidet, kann nämlich nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses wie die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen zu gewährleisten, gerechtfertigt ist. Außerdem ist die unterschiedliche Behandlung nur dann gerechtfertigt, wenn sie nicht über das hinausgeht, was zum Erreichen des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zur Vergleichbarkeit von inländischen und in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen als gemeinnützig anerkannten Einrichtungen
42 Die deutsche, die spanische und die französische Regierung sowie Irland und die Regierung des Vereinigten Königreichs tragen vor, dass Spenden an inländische Einrichtungen und Spenden an in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Einrichtungen in dem Sinne nicht vergleichbar seien, dass die betreffenden Mitgliedstaaten unterschiedliche Wohltätigkeitsbegriffe und Voraussetzungen für die Anerkennung als Wohltätigkeitsorganisation anwenden und zudem die Erfüllung der von ihnen gestellten Anforderungen nur bei inländischen Einrichtungen kontrollieren könnten. Die deutsche, die spanische und die französische Regierung fügen hinzu, dass der Grund dafür, dass ein Mitgliedstaat auf bestimmte Steuereinnahmen verzichte, indem er Spenden an in seinem Hoheitsgebiet ansässige gemeinnützige Einrichtungen von der Steuer befreie, darin liege, dass ihm solche Einrichtungen bestimmte Gemeinwohlaufgaben abnähmen, die er sonst selbst unter Verwendung von Steuereinnahmen erfüllen müsste.
43 Zunächst ist festzustellen, dass es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats ist, festzulegen, ob er, um bestimmte als gemeinnützig anerkannte Tätigkeiten zu fördern, für private oder öffentliche Einrichtungen, die solche Tätigkeiten ausüben, wie auch für Steuerpflichtige, die ihnen Spenden zukommen lassen, Steuervergünstigungen vorsieht.
44 Zwar ist es legitim, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung von Steuervergünstigungen Einrichtungen vorbehält, die bestimmte seiner Gemeinwohlziele verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer, Randnr. 57), doch kann er solche Vergünstigungen nicht Einrichtungen vorbehalten, die in seinem Hoheitsgebiet ansässig sind und deren Tätigkeiten ihn daher von bestimmten seiner Aufgaben entlasten können.
45 Indem ein Mitgliedstaat den Steuerpflichtigen durch die Aussicht auf die steuerliche Abzugsfähigkeit der Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen einen Anreiz dafür bietet, deren Tätigkeiten zu unterstützen, regt er zwar solche Einrichtungen dazu an, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten zu entfalten, die er normalerweise selbst übernimmt oder übernehmen kann. Somit kann weder ausgeschlossen werden, dass eine nationale Regelung, die die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an gemeinnützige Einrichtungen vorsieht, solche Einrichtungen dazu anregt, bestimmte Aufgaben der öffentlichen Stellen zu übernehmen, noch, dass eine solche Übernahme zu einem Rückgang der Ausgaben des betreffenden Mitgliedstaats führen kann, der geeignet ist, die Verminderung seiner Steuereinnahmen aufgrund des Spendenabzugs zumindest teilweise auszugleichen.
46 Jedoch ergibt sich daraus nicht, dass ein Mitgliedstaat bei der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden eine Ungleichbehandlung von inländischen und in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen als gemeinnützig anerkannten Einrichtungen mit der Begründung einführen dürfte, die Spenden an Letztere könnten selbst dann, wenn ihre Tätigkeiten den Zielen der Regelung des ersten Mitgliedstaats entsprächen, nicht zu einem solchen Haushaltsausgleich führen. Nach ständiger Rechtsprechung zählt nämlich das Erfordernis, einen Rückgang der Steuereinnahmen zu vermeiden, weder zu den in Art. 58 EG genannten Zielen noch zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung einer vom Vertrag eingeräumten Freiheit rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. September 2004, Manninen, C-319/02, Slg. 2004, I-7477, Randnr. 49, und Centro di Musicologia Walter Stauffer, Randnr. 59; vgl. entsprechend für den freien Dienstleistungsverkehr Urteile vom 3. Oktober 2002, Danner, C-136/00, Slg. 2002, I-8147, Randnr. 56, und vom 11. September 2007, Schwarz und Gootjes-Schwarz, C-76/05, Slg. 2007, I-6849, Randnr. 77).
47 Dagegen ist es einem Mitgliedstaat möglich, im Rahmen seiner Regelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden inländische und in anderen Mitgliedstaaten ansässige als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen unterschiedlich zu behandeln, wenn Letztere andere Ziele als die in seiner eigenen Regelung vorgegebenen verfolgen.
48 Wie nämlich der Gerichtshof im Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer (Randnr. 39) entschieden hat, schreibt das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten nicht vor, dafür zu sorgen, dass in ihrem Herkunftsmitgliedstaat als gemeinnützig anerkannte ausländische Einrichtungen im Inland automatisch die gleiche Anerkennung erhalten. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen, das sie im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht ausüben müssen. Unter diesen Voraussetzungen steht ihnen die Entscheidung frei, welche Interessen der Allgemeinheit sie dadurch fördern wollen, dass sie Vereinigungen und Einrichtungen Vergünstigungen gewähren, die selbstlos mit diesen Interessen zusammenhängende Ziele verfolgen und die Anforderungen an die Verwirklichung dieser Ziele erfüllen.
49 Gleichwohl können, wenn eine in einem Mitgliedstaat als gemeinnützig anerkannte Einrichtung die dafür nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt und ihr Ziel die Förderung identischer Interessen der Allgemeinheit ist, so dass sie auch im letztgenannten Mitgliedstaat als gemeinnützig anerkannt werden könnte, was die nationalen Stellen dieses Mitgliedstaats einschließlich der Gerichte zu beurteilen haben, die Stellen dieses Mitgliedstaats der Einrichtung das Recht auf Gleichbehandlung nicht allein aus dem Grund verwehren, dass sie nicht im Inland ansässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer, Randnr. 40; vgl. entsprechend für den freien Dienstleistungsverkehr Urteil Schwarz und Gootjes-Schwarz, Randnr. 81).
50 Entgegen dem entsprechenden Vorbringen der Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, befindet sich eine Einrichtung, die in einem Mitgliedstaat ansässig ist und die von einem anderen Mitgliedstaat aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt, im Hinblick auf die Gewährung von Steuervergünstigungen zur Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten durch diesen Mitgliedstaat in einer Situation, die derjenigen von in diesem Mitgliedstaat ansässigen als gemeinnützig anerkannten Einrichtungen vergleichbar ist.
Zur Rechtfertigung durch das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten
51 Entgegen der Auffassung der Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, kann der Ausschluss der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Spenders ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, nicht mit den Schwierigkeiten des Spendermitgliedstaats bei der Überprüfung, ob solche Einrichtungen tatsächlich die satzungsmäßigen Ziele im Sinne der nationalen Regelung erfüllen, und auch nicht mit dem Erfordernis, die tatsächliche Geschäftsführung dieser Einrichtungen zu kontrollieren, gerechtfertigt werden.
52 Das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten, ist zwar ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Beschränkung der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann. Jedoch kann eine beschränkende Maßnahme nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, also geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das dazu Erforderliche hinausgeht (Urteil vom 18. Dezember 2007, A, C-101/05, Slg. 2007, I-11531, Randnrn. 55 und 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53 In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass es sich nicht von vornherein ausschließen lässt, dass der Steuerpflichtige Belege vorlegen kann, anhand deren die Steuerbehörden des Besteuerungsmitgliedstaats eindeutig und genau prüfen können, welche Ausgaben in anderen Mitgliedstaaten tatsächlich getätigt worden sind (Urteile vom 8. Juli 1999, Baxter u. a., C-254/97, Slg. 1999, I-4809, Randnr. 20, und vom 10. März 2005, Laboratoires Fournier, C-39/04, Slg. 2005, I-2057, Randnr. 25).
54 Nichts würde nämlich die beteiligten Steuerbehörden daran hindern, vom Steuerpflichtigen alle Belege zu verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Frage notwendig erscheinen, ob die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit der Ausgaben nach den einschlägigen Rechtsvorschriften erfüllt sind und der verlangte Abzug dementsprechend gewährt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Danner, Randnr. 50, und vom 26. Juni 2003, Skandia und Ramstedt, C-422/01, Slg. 2003, I-6817, Randnr. 43).
55 Nach den Grundsätzen, die der Gerichtshof im Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer (Randnr. 48) aufgestellt hat, darf ein Mitgliedstaat, bevor er einer Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, eine Steuerbefreiung gewährt, Maßnahmen anwenden, mit denen er klar und genau nachprüfen kann, ob diese Einrichtung die nach nationalem Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt, und die tatsächliche Geschäftsführung der Einrichtung, z. B. auf der Grundlage der Vorlage des Jahresabschlusses und eines Tätigkeitsberichts, kontrollieren. Die verwaltungstechnischen Nachteile, die sich eventuell daraus ergeben könnten, dass solche Einrichtungen in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, reichen nicht aus, um eine Weigerung der Behörden des betreffenden Staates zu rechtfertigen, diesen Einrichtungen die gleichen Steuerbefreiungen wie gleichartigen inländischen Einrichtungen zu gewähren.
56 Gleiches gilt für einen Steuerpflichtigen, der in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit einer Spende an eine Einrichtung geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, auch wenn in einer solchen Situation, anders als in der Rechtssache, in der das Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer ergangen ist, der Steuerpflichtige, von dem die Finanzbehörden die erforderlichen Auskünfte einholen müssen, nicht die von der Spende begünstigte Einrichtung, sondern der Spender selbst ist.
57 Der Spender verfügt zwar im Gegensatz zu der begünstigten Einrichtung nicht selbst über alle Informationen, die die Finanzbehörden für die Überprüfung benötigen, ob diese Einrichtung die nach nationalem Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt, insbesondere diejenigen, die sich auf die Art und Weise beziehen, wie mit den Spendengeldern verfahren wird, doch ist es einem Spender normalerweise möglich, von dieser Einrichtung Unterlagen zu erhalten, aus denen der Betrag und die Art der Spende, die von der Einrichtung verfolgten Ziele und ihr ordnungsgemäßer Umgang mit den Spenden, die sie in den Vorjahren erhalten hat, hervorgehen.
58 Insoweit können die Bescheinigungen, die eine Einrichtung ausstellt, die in ihrem Sitzmitgliedstaat die Voraussetzungen der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt, insbesondere dann nicht unerheblich sein, wenn diese Vorschriften die Gewährung von Steuervergünstigungen, die gemeinnützige Tätigkeiten fördern sollen, von identischen Voraussetzungen abhängig machen.
59 Zum Verwaltungsaufwand, den die Bereitstellung solcher Unterlagen für die betreffenden Einrichtungen mit sich bringen kann, genügt die Feststellung, dass diese Einrichtungen entscheiden müssen, ob sie es als zweckmäßig erachten, Mittel für die Erstellung, Versendung und eventuelle Übersetzung von Unterlagen einzusetzen, die für Spender bestimmt sind, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind und dort in den Genuss von Steuervergünstigungen kommen möchten.
60 Da nichts die Finanzbehörden des Besteuerungsmitgliedstaats daran hindert, von einem Steuerpflichtigen, der die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, die Vorlage stichhaltiger Belege zu verlangen, kann sich der Besteuerungsmitgliedstaat für die Rechtfertigung einer nationalen Regelung, die es dem Steuerpflichtigen völlig verwehrt, solche Nachweise zu erbringen, nicht auf das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten, berufen.
61 Darüber hinaus können sich die betroffenen Finanzbehörden aufgrund der Richtlinie 77/799 an die Behörden eines anderen Mitgliedstaats wenden, um alle Auskünfte zu erhalten, die sich als notwendig für die ordnungsgemäße Bemessung der Steuer eines Steuerpflichtigen erweisen (Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer, Randnr. 50). Diese Richtlinie sieht nämlich vor, dass die nationalen Finanzbehörden zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung um Auskünfte ersuchen können, die ihnen selbst nicht zugänglich sind (Urteil vom 27. September 2007, Twoh International, C-184/05, Slg. 2007, I-7897, Randnr. 32).
62 Entgegen dem Vorbringen von Irland und der Regierung des Vereinigten Königreichs liegt ein Auskunftsersuchen der Finanzbehörden eines Mitgliedstaats in Bezug auf eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Einrichtung, das der Feststellung dient, ob für eine Spende an diese Einrichtung eine Steuervergünstigung gewährt werden kann, nicht außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 77/799. Die Auskünfte, deren Einholung die Richtlinie 77/799 den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, sind nämlich gerade jene, die ihnen notwendig erscheinen, um den korrekten Betrag der Steuer gemäß den von ihnen selbst anzuwendenden Rechtsvorschriften ordnungsgemäß festzusetzen (Urteil Twoh International, Randnr. 36). Bei Auskünften, die zur Vervollständigung der Angaben eingeholt werden, die ein Steuerpflichtiger gegenüber den Finanzbehörden eines Mitgliedstaats gemacht hat, um eine Steuervergünstigung zu erhalten, handelt es sich um Auskünfte, die im Sinne von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 77/799 im Einzelfall für die zutreffende Festsetzung der Steuern vom Einkommen durch die jeweilige zuständige Behörde der betroffenen Mitgliedstaaten geeignet sein können.
63 Die Richtlinie 77/799 berührt jedoch in keiner Weise die Befugnis der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats des Spenders, u. a. zu prüfen, ob die in ihren Rechtsvorschriften festgelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Steuervergünstigung erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Twoh International, Randnr. 36). So muss der Mitgliedstaat des Spenders hinsichtlich einer Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, nur dann eine mit der steuerlichen Behandlung von Spenden an inländische Einrichtungen identische steuerliche Behandlung gewähren, wenn diese Einrichtung die Voraussetzungen der Rechtsvorschriften des letztgenannten Mitgliedstaats für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt; dazu zählt die Verfolgung von Zielen, die mit denen übereinstimmen, die von den Steuervorschriften dieses Mitgliedstaats gefördert werden. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörden einschließlich der Gerichte, zu überprüfen, ob der Nachweis für die Einhaltung der von diesem Mitgliedstaat für die Gewährung der fraglichen Steuervergünstigung aufgestellten Voraussetzungen gemäß den Regeln des nationalen Rechts erbracht worden ist.
64 Zudem verlangt die Richtlinie 77/799 nicht, dass der Mitgliedstaat des Spenders vom Amtshilfe-Mechanismus dieser Richtlinie immer schon dann Gebrauch macht, wenn die Auskünfte des Spenders nicht ausreichen, um zu überprüfen, ob die begünstigte Einrichtung die Voraussetzungen der nationalen Rechtsvorschriften für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt.
65 Da nämlich die Richtlinie 77/799 vorsieht, dass die nationalen Finanzbehörden um Auskünfte ersuchen können, die ihnen selbst nicht zugänglich sind, hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Verwendung des Wortes „kann“ in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 77/799 erkennen lässt, dass diese Behörden zwar die Möglichkeit haben, die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats um Auskunft zu ersuchen, dass sie hierzu aber nicht verpflichtet sind. Es ist Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, zu beurteilen, in welchen konkreten Fällen ihm Informationen über Umsätze von auf seinem Hoheitsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen fehlen, und zu entscheiden, ob es in diesen Fällen gerechtfertigt ist, einen anderen Mitgliedstaat um Auskunft zu ersuchen (Urteil Twoh International, Randnr. 32).
66 Schließlich kann ein Mitgliedstaat die Gewährung von Steuervergünstigungen für Spenden an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, auch nicht allein deshalb versagen, weil die Finanzbehörden des ersten Mitgliedstaats bei solchen Einrichtungen nicht über die Möglichkeit verfügen, vor Ort zu überprüfen, ob die Anforderungen ihrer Steuervorschriften erfüllt sind.
67 Wie die deutsche Regierung in der Sitzung ausgeführt hat, ist nämlich selbst bei inländischen gemeinnützigen Einrichtungen eine Außenprüfung normalerweise nicht zwingend, da die Erfüllung der Voraussetzungen der nationalen Rechtsvorschriften im Allgemeinen durch Überprüfung der Auskünfte dieser Einrichtungen kontrolliert wird.
68 Gibt es im Sitzmitgliedstaat der begünstigten Einrichtung ein Steuervergünstigungssystem zur Unterstützung der Tätigkeiten von als gemeinnützig anerkannten Einrichtungen, so wird es zudem normalerweise ausreichen, wenn der Mitgliedstaat des Spenders durch den anderen Mitgliedstaat im Rahmen der gegenseitigen Amtshilfe nach der Richtlinie 77/799 über den Gegenstand und die Modalitäten der Kontrollen, denen solche Einrichtungen unterliegen, informiert wird, damit die Finanzbehörden des Besteuerungsmitgliedstaats hinreichend genau bestimmen können, welche zusätzlichen Informationen sie für die Prüfung benötigen, ob die begünstigte Einrichtung die Voraussetzungen der nationalen Rechtsvorschriften für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt.
69 Ferner sind die beteiligten Finanzbehörden, wenn die Nachprüfung der von dem Steuerpflichtigen vorgelegten Auskünfte sich als schwierig erweist, insbesondere wegen der in Art. 8 der Richtlinie 77/799 vorgesehenen Grenzen des Auskunftsaustauschs, durch nichts daran gehindert, bei Nichtvorlage der Nachweise, die sie für die zutreffende Steuerfestsetzung als erforderlich ansehen, den beantragten Steuerabzug zu verweigern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Januar 1992, Bachmann, C-204/90, Slg. 1992, I-249, Randnr. 20, vom 11. Oktober 2007, ELISA, C-451/05, Slg. 2007, I-8251, Randnr. 95, und A, Randnr. 58).
70 Für gemeinnützige Einrichtungen, die ihren Sitz in einem Drittland haben, ist hinzuzufügen, dass es grundsätzlich gerechtfertigt ist, dass der Besteuerungsmitgliedstaat die Gewährung einer solchen Steuervergünstigung ablehnt, wenn es sich, insbesondere wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittlands zur Erteilung von Auskünften, als unmöglich erweist, die erforderlichen Auskünfte von diesem Land zu erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil A, Randnr. 63).
71 Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der deutschen Regierung, Irlands und der Regierung des Vereinigten Königreichs zurückzuweisen, wonach es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, den Mitgliedstaat des Spenders dazu zu verpflichten, die Erfüllung der an inländische gemeinnützige Einrichtungen gestellten Anforderungen zu überprüfen oder überprüfen zu lassen, sobald ein Steuerpflichtiger die Abzugsfähigkeit seiner Spenden an Einrichtungen geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind.
72 Daher ist auf die zweite und die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 56 EG der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden können, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die nach dieser Regelung geltenden Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Vergünstigung erfüllt.
Kosten
73 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Macht ein Steuerpflichtiger in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, fallen solche Spenden auch dann unter die Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt.
2. Art. 56 EG steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden können, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die nach dieser Regelung geltenden Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Vergünstigung erfüllt.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.