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Rechtssache C-562/07

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Königreich Spanien

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Freier Kapitalverkehr – Art. 56 EG und 40 des EWR-Abkommens – Direkte Besteuerung – Natürliche Personen – Besteuerung von Gewinnen – Unterschiedliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden“

Leitsätze des Urteils

1.        Mitgliedstaaten – Verpflichtungen – Vertragsverletzung – Rechtfertigung – Grundsatz des Vertrauensschutzes – Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit

(Art. 226 EG)

2.        Vertragsverletzungsklage – Vorverfahren – Überlange Dauer

(Art. 226 EG)

3.        Vertragsverletzungsklage – Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof – Maßgebende Lage – Lage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist

(Art. 226 EG)

4.        Vertragsverletzungsklage – Dem Mitgliedstaat in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist – Spätere Abstellung der Vertragsverletzung – Rechtsschutzinteresse für die Fortsetzung des Verfahrens

(Art. 226 EG)

5.        Vertragsverletzungsklage – Klagerecht der Kommission

(Art. 226 EG)

6.        Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht – Einkommensteuer

(Art. 56 EG und Art. 58 Abs. 1 EG; EWR-Abkommen, Art. 40)

1.        Das Vertragsverletzungsverfahren hängt von der objektiven Feststellung eines Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht ab. Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der loyalen Zusammenarbeit berufen, um die objektive Feststellung eines Verstoßes gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag zu verhindern, denn die Zulassung einer solchen Rechtfertigung widerspräche dem Zweck des Verfahrens nach Art. 226 EG. Der Umstand, dass die Kommission davon abgesehen hat, gegen einen Mitgliedstaat Vertragsverletzungsklage zu erheben, wenn dieser die behauptete Vertragsverletzung nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist beendet hatte, kann daher bei diesem oder bei anderen Mitgliedstaaten keinen Vertrauensschutz begründen, der die Zulässigkeit einer von der Kommission erhobenen Klage in Frage stellen könnte. Darüber hinaus ist der Umstand, dass die Kommission nicht gleich nach Ablauf der in der begründeten Stellungnahme gesetzten Frist Klage nach Art. 226 EG erhebt, ebenfalls nicht geeignet, bei dem betroffenen Mitgliedstaat ein berechtigtes Vertrauen darauf zu wecken, dass das Vertragsverletzungsverfahren abgeschlossen ist.

(vgl. Randnrn. 18-20)

2.        Zwar kann eine Vertragsverletzungsklage durch die überlange Dauer des Vorverfahrens unzulässig werden. Doch gilt dies nur in den Fällen, in denen das Verhalten der Kommission die Widerlegung ihrer Argumente erschwert und damit die Verteidigungsrechte des betroffenen Mitgliedstaats verletzt hat, der eine solche Erschwernis zu beweisen hat.

(vgl. Randnr. 21)

3.        Im Rahmen einer Klage nach Art. 226 EG ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist befand.

(vgl. Randnr. 23)

4.        Das Interesse der Kommission an der Erhebung einer Klage nach Art. 226 EG besteht auch dann, wenn die vorgeworfene Vertragsverletzung nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist abgestellt wurde. Folglich kann ein Mitgliedstaat, sofern er durch das Vorverfahren über den Vorwurf der Kommission, dass er gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen habe, unterrichtet war, nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission, die keine ausdrückliche Erklärung abgegeben hatte, dass sie das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren einstellen werde, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen habe.

(vgl. Randnrn. 23-24)

5.        Die Kommission braucht kein Klageinteresse nachzuweisen und muss auch nicht die Gründe darlegen, die sie zur Erhebung einer Vertragsverletzungsklage veranlassten. Entspricht der Gegenstand der Klage, wie er aus der Klageschrift hervorgeht, dem Streitgegenstand, wie er in dem Mahnschreiben und der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegt ist, kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die Kommission ermessensmissbräuchlich gehandelt habe.

(vgl. Randnrn. 25)

6.        Ein Mitgliedstaat, der von Gebietsansässigen im Inland erzielte Gewinne anders behandelt als die von Gebietsfremden dort erzielten Gewinne, obwohl sich diese Steuerpflichtigen hinsichtlich dieser Besteuerung in einer objektiv vergleichbaren Lage befinden, verstößt dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 56 EG und Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.

Eine Regelung, die nur für die Gewinne aus Veräußerungen von in dem betreffenden Mitgliedstaat befindlichen Vermögensgegenständen gilt, die nicht durch Gewährung einer steuerlichen Vergünstigung für Gebietsansässige einer sozialen Zielsetzung dient und durch die nicht erwiesenermaßen bei der Veranlagung zur Steuer die persönliche Situation des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden soll, knüpft nicht an einen Unterschied zwischen den Situationen der Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 58 Abs. 1 EG, der sich aus deren Wohnort ergibt, an.

Das Vorliegen von Doppelbesteuerungsabkommen kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen, wenn sie die in dem Mitgliedstaat von Gebietsfremden entrichteten Steuern nur teilweise neutralisieren. Im Übrigen schließt das Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens es nicht aus, dass das Einkommen, das ein Steuerpflichtiger in einem Staat erzielt, ohne dort zu wohnen, und das ausschließlich in diesem Staat zu versteuern ist, gleichwohl vom Wohnsitzstaat bei der Berechnung der Höhe der Steuer von den übrigen Einkünften des betreffenden Steuerpflichtigen, namentlich im Hinblick auf die Anwendung der Regel der Steuerprogression, zu berücksichtigen ist. Dass jemand gebietsfremd ist, führt also nicht dazu, dass er von dieser Regel ausgenommen ist. Folglich befinden sich in einem solchen Fall die beiden Gruppen von Steuerpflichtigen im Hinblick auf diese Regel in einer vergleichbaren Lage.

Die sich aus einer solchen Regelung ergebende Beschränkung kann nicht mit der Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten, gerechtfertigt werden, wenn zwischen den gebietsansässigen Steuerpflichtigen gewährten Vorteilen und einem Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung kein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

(vgl. Randnrn. 50-59, 65-66, 69 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

6. Oktober 2009(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Freier Kapitalverkehr – Art. 56 EG und 40 des EWR-Abkommens – Direkte Besteuerung – Natürliche Personen – Besteuerung von Gewinnen – Unterschiedliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden“

In der Rechtssache C-562/07

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 19. Dezember 2007,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und I. Martínez del Peral als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

unterstützt durch

Königreich Belgien, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten,

Republik Lettland, vertreten durch E. Balode-Buraka als Bevollmächtigte,

Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl und C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Fünften Kammer M. Ilešič in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 39 EG und 56 EG und den Art. 28 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass es von Gebietsansässigen in Spanien erzielte Gewinne bis zum 31. Dezember 2006 anders behandelt hat als die von Gebietsfremden dort erzielten Gewinne.

 Rechtlicher Rahmen

2        In Spanien unterlag die Besteuerung der Einkommen von Gebietsansässigen bis zum 31. Dezember 2006 dem Texto Refundido de la Ley del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas (konsolidierte Fassung des Gesetzes über die Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen), der durch das Real Decreto Legislativo 3/2004 vom 5. März 2004 (BOE Nr. 60 vom 10. März 2004, S. 10670, berichtigt in BOE Nr. 61 vom 11. März 2004, S. 11014, im Folgenden: TRLIRPF) erlassen worden war. Nach den Art. 67 und 77 TRLIRPF galt für die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögensbestandteilen, die länger als ein Jahr im Besitz des Steuerpflichtigen waren, ein Pauschalsatz von 15 %. Für die Besteuerung der anderen Gewinne war in den Art. 64 und 75 TRLIRPF ein progressiver Tarif mit Sätzen zwischen 15 % und 45 % vorgesehen.

3        Bis zum gleichen Zeitpunkt galt für die Besteuerung der Einkommen von Gebietsfremden der Texto Refundido de la Ley del Impuesto sobre la Renta de no Residentes (konsolidierte Fassung des Gesetzes über die Steuer auf das Einkommen Gebietsfremder), der durch den Real Decreto Legislativo 5/2004 vom 5. März 2004 (BOE Nr. 62 vom 12. März 2004, S. 11176, im Folgenden: TRLIRNR) erlassen worden war und nach dessen Art. 25 Abs. 1 Buchst. f die Gewinne einem Pauschalsteuersatz von 35 % unterlagen.

4        Nach Art. 46 TRLIRNR konnten sich Gebietsfremde, die mindestens 75 % ihrer Gesamteinkünfte eines Steuerjahrs aus einer Arbeit oder wirtschaftlichen Tätigkeit in Spanien erzielten, wahlweise wie einkommensteuerpflichtige Personen besteuern lassen. Art. 46 Abs. 3 sah die Berücksichtigung der persönlichen und familiären Verhältnisse dieser Arbeitnehmer vor.

5        Diese Regelung wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2007 an mit Inkrafttreten der Ley 35/2006 del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas y de modificación parcial de las leyes de los Impuestos sobre Sociedades, sobre la Renta de no Residentes y sobre el Patrimonio (Gesetz 35/2006 über die Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen und zur teilweisen Änderung der Gesetze über die Körperschaftsteuer, die Steuer auf das Einkommen Gebietsfremder und die Vermögensteuer, BOE Nr. 285 vom 29. November 2006, S. 41734, berichtigt in BOE Nr. 57 vom 7. März 2007, S. 9634) aufgehoben.

 Vorverfahren

6        Mit Mahnschreiben vom 18. Oktober 2004 wies die Kommission das Königreich Spanien darauf hin, dass nach ihrer Ansicht die damalige steuerliche Behandlung von in Spanien erzielten Erwerbseinkünften und Gewinnen gebietsfremder natürlicher Personen gegen die Art. 39 EG und 56 EG sowie die Art. 28 und 40 des EWR-Abkommens verstoße, da die Anwendung eines Steuersatzes auf die Einkünfte Gebietsfremder, der höher sei als der für Einkünfte Gebietsansässiger, eine Diskriminierung im Sinne des EG-Vertrags darstellen könne, wenn kein eine unterschiedliche Behandlung der beiden Sachverhalte rechtfertigender objektiver Unterschied bestehe.

7        Da die Kommission von der Antwort des Königreichs Spanien nicht überzeugt war, forderte sie es mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 13. Juli 2005 auf, die Maßnahmen zu erlassen, die erforderlich seien, um der Stellungnahme binnen zwei Monaten ab deren Eingang nachzukommen.

8        Am 7. Februar 2006 antwortete das Königreich Spanien auf diese Stellungnahme, dass die Änderungen, die erforderlich seien, um die behaupteten Verstöße abzustellen, auf den Weg gebracht worden seien. Aus den Erklärungen der Parteien geht hervor, dass diese Änderungen am 28. November 2006 erlassen wurden und am 1. Januar 2007 in Kraft traten.

9        Obwohl auch nach Auffassung der Kommission mit Inkrafttreten der neuen Bestimmungen die von ihr beanstandeten Verstöße beendet worden sind, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

10      Im Laufe des Verfahrens vor dem Gerichtshof hat die Kommission ihre Klage zurückgenommen, soweit sie auf die Feststellung eines Verstoßes gegen die Art. 39 EG und 28 des EWR-Abkommens gerichtet war.

11      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 2. Juni 2008 sind das Königreich Belgien, die Republik Lettland und die Republik Österreich als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Spanien zugelassen worden.

 Zur Klage

 Zur Zulässigkeit

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

12      Das Königreich Spanien räumt zwar ein, dass es Sache der Kommission sei, darüber zu entscheiden, ob eine Vertragsverletzungsklage angebracht sei oder nicht, stellt aber dennoch die Zulässigkeit der vorliegenden Klage in Frage und macht geltend, die Kommission habe im vorliegenden Fall gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Rechtssicherheit verstoßen und ermessensmissbräuchlich gehandelt.

13      Was erstens den Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der loyalen Zusammenarbeit betrifft, weist das Königreich Spanien darauf hin, dass die Mitgliedstaaten sich gegenüber einem Gemeinschaftsorgan auf diese Grundsätze berufen könnten, wenn dieses durch eine wiederholte und fortdauernde Praxis bei den Mitgliedstaaten die begründete Erwartung geweckt habe, dass es bei Vorliegen bestimmter Umstände ein konkretes Verhalten an den Tag legen werde, und es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass es diese Praxis ändern werde. Im Bereich der Vertragsverletzungsklagen sei es gefestigte Praxis der Kommission, von einer solchen Klage abzusehen, wenn der Mitgliedstaat, der gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen habe, den Verstoß zwar nach Ablauf der in der begründeten Stellungnahme gesetzten Frist, aber vor Erhebung der Klage beendet habe, auch wenn an dem Verfahren möglicherweise noch ein Interesse bestehe. Vorliegend habe die Kommission gegen die genannten Grundsätze verstoßen, da sie ihre Klage nahezu ein Jahr nach Beendigung der beanstandeten Vertragsverletzung erhoben habe, ohne den betroffenen Mitgliedstaat zuvor informiert zu haben, dass sie beabsichtige, von ihrer üblichen Praxis abzuweichen, und ohne über einen triftigen Grund zu verfügen.

14      Zweitens müsse, was den Grundsatz der Rechtssicherheit angehe, das der Kommission zustehende Recht, frei zu bestimmen, wann sie gegen einen Mitgliedstaat ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig mache, zur Vermeidung einer „schwerwiegenden Rechtsunsicherheit“ für die Mitgliedstaaten auf die Fälle beschränkt sein, in denen der pflichtwidrig handelnde Mitgliedstaat an dem beanstandeten Verstoß festhalte. Da die Kommission im vorliegenden Fall vom Zeitpunkt der Beendigung der behaupteten Vertragsverletzung bis zur Erhebung der vorliegenden Klage nahezu ein Jahr habe verstreichen lassen, liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit vor.

15      Drittens ist das Königreich Spanien hinsichtlich des Ermessensmissbrauchs der Auffassung, die Kommission verfälsche den Zweck des Vertragsverletzungsverfahrens, da sie mit diesem Verfahren zwei diesem Zweck fremde Ziele verfolge. Denn zum einen wolle die Kommission das Königreich Spanien bestrafen, weil die spanischen Gerichte den Gerichtshof im Bereich der direkten Steuern nicht um eine Vorabentscheidung ersucht hätten. Zum anderen wolle sie eine Entscheidung des Gerichtshofs über die vorliegende Klage herbeiführen, um eine ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts für die Bürger sicherzustellen, und nähere damit den Gegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens dem des Vorabentscheidungsverfahrens an.

16      Das Königreich Belgien und die Republik Österreich, deren Streitbeitritt zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Spanien auf die Frage der Zulässigkeit der Klage beschränkt ist, machen geltend, dass die Kommission ein für das Verfahren ausreichendes Rechtsschutzinteresse nachzuweisen habe. Im vorliegenden Fall sei die behauptete Vertragsverletzung nicht gravierend genug, um eine Klageerhebung zu rechtfertigen, da der Umstand, dass die spanischen Gerichte den Gerichtshof im Bereich der direkten Steuern nicht um eine Vorabentscheidung ersucht hätten, kein Nachweis für das Bestehen eines hinreichenden Interesses an der Erhebung der vorliegenden Klage sei. Im Übrigen könne die Kommission eine Vertragsverletzungsklage nur zu dem bestimmten Zweck erheben, den behaupteten Verstoß zu beenden. Da das Königreich Spanien die ihm vorgeworfene Vertragsverletzung beendet habe, sei die Kommission in der Entscheidung, ob eine Klageerhebung angebracht sei, nicht mehr frei.

17      Die Kommission trägt zur Zulässigkeit der Vertragsverletzungsklage allgemein hauptsächlich vor, das ihr nach dem Vertrag und der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich der Vertragsverletzungsverfahren zustehende Ermessen bedeute zum einen, dass sie darüber entscheiden könne, ob die Erhebung einer Klage angebracht sei, ohne die Gründe für ihre Entscheidung angeben zu müssen, und zum anderen, dass sie hinsichtlich der verschiedenen Verfahrensabschnitte keine bestimmte Frist einhalten müsse. Folglich greife keiner der vom Königreich Spanien vorgetragenen Unzulässigkeitsgründe durch.

 Würdigung durch den Gerichtshof

18      Was erstens den behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, der aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt, und den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass das Vertragsverletzungsverfahren von der objektiven Feststellung eines Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht abhängt und sich ein Mitgliedstaat in einem Fall wie dem vorliegenden nicht auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der loyalen Zusammenarbeit berufen kann, um die objektive Feststellung eines Verstoßes gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag zu verhindern, denn die Zulassung einer solchen Rechtfertigung widerspräche dem Zweck des Verfahrens nach Art. 226 EG (Urteil vom 24. April 2007, Kommission/Niederlande, C-523/04, Slg. 2007, I-3267, Randnr. 28).

19      Der Umstand, dass die Kommission gegebenenfalls davon abgesehen hat, gegen einen Mitgliedstaat Vertragsverletzungsklage zu erheben, wenn dieser die behauptete Vertragsverletzung nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist beendet hatte, kann daher bei diesem oder bei anderen Mitgliedstaaten keinen Vertrauensschutz begründen, der die Zulässigkeit einer von der Kommission erhobenen Klage in Frage stellen könnte.

20      Darüber hinaus ist der Umstand, dass die Kommission nicht gleich nach Ablauf der in der begründeten Stellungnahme gesetzten Frist Klage nach Art. 226 EG erhebt, ebenfalls nicht geeignet, bei dem betroffenen Mitgliedstaat ein berechtigtes Vertrauen darauf zu wecken, dass das Vertragsverletzungsverfahren abgeschlossen ist.

21      Zwar kann eine Vertragsverletzungsklage durch die überlange Dauer des Vorverfahrens unzulässig werden. Doch gilt dies nach der Rechtsprechung nur in den Fällen, in denen das Verhalten der Kommission die Widerlegung ihrer Argumente erschwert und damit die Verteidigungsrechte des betroffenen Mitgliedstaats verletzt hat, der eine solche Erschwernis zu beweisen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2005, Kommission/Luxemburg, C-33/04, Slg. 2005, I-10629, Randnr. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Es ist jedoch festzustellen, dass das Königreich Spanien in der vorliegenden Rechtssache nichts Konkretes dazu vorgebracht hat, dass die Dauer des Vorverfahrens und insbesondere die zwischen seiner Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und der Erhebung der vorliegenden Klage verstrichene Zeit die Ausübung seiner Verteidigungsrechte beeinträchtigt hätten. Das Königreich Spanien bestreitet nämlich nur, dass die Ausübung des Rechts zur Erhebung und zur Aufrechterhaltung einer Vertragsverletzungsklage, das der Kommission zusteht, im vorliegenden Fall zweckmäßig war.

23      Zweitens ist zum Grundsatz der Rechtssicherheit auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach zum einen das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (vgl. u. a. Urteile vom 4. Juli 2002, Kommission/Griechenland, C-173/01, Slg. 2002, I-6129, Randnr. 7, und vom 14. April 2005, Kommission/Luxemburg, C-519/03, Slg. 2005, I-3067, Randnr. 18), und zum anderen das Interesse der Kommission an der Erhebung einer Klage nach Art. 226 EG auch dann besteht, wenn die vorgeworfene Vertragsverletzung nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist abgestellt wurde (Urteil vom 14. April 2005, Kommission/Luxemburg, Randnr. 19).

24      Da das Königreich Spanien durch das Vorverfahren über den Vorwurf der Kommission, dass es gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen habe, unterrichtet war, kann es folglich nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission, die keine ausdrückliche Erklärung abgegeben hatte, dass sie das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren einstellen werde, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen habe.

25      Drittens genügt zu der Rüge eines Ermessensmissbrauchs der Hinweis, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kein Klageinteresse nachzuweisen braucht und auch nicht die Gründe darlegen muss, die sie zur Erhebung einer Vertragsverletzungsklage veranlassten (vgl. u. a. Urteile vom 1. Februar 2001, Kommission/Frankreich, C-333/99, Slg. 2001, I-1025, Randnr. 24, vom 13. Juni 2002, Kommission/Spanien, C-474/99, Slg. 2002, I-5293, Randnr. 25, sowie vom 8. Dezember 2005, Kommission/Luxemburg, Randnrn. 65 und 66). Da der Gegenstand der Klage, wie er aus der Klageschrift hervorgeht, dem Streitgegenstand entspricht, wie er in dem Mahnschreiben und der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegt ist, kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die Kommission ermessensmissbräuchlich gehandelt habe.

26      Demnach ist die vorliegende Klage für zulässig zu erklären.

 Zur Begründetheit

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

27      Die Kommission hebt hervor, dass nach den bis zum 31. Dezember 2006 anwendbaren spanischen Rechtsvorschriften Gewinne, die in Spanien von Gebietsfremden aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen erzielt worden seien, zu einem Pauschalsatz von 35 % besteuert worden seien, dagegen die von Gebietsansässigen erzielten Gewinne nach einem progressiven Tarif, wenn die veräußerten Vermögensbestandteile ein Jahr lang oder kürzer im Besitz des Steuerpflichtigen gewesen seien, und zu einem Pauschalsatz von 15 %, wenn sie länger als ein Jahr im Besitz des Steuerpflichtigen gewesen seien. Die steuerliche Belastung Gebietsfremder sei somit stets höher gewesen, wenn die Vermögensgegenstände ein Jahr nach ihrem Erwerb oder später veräußert worden seien. Im Fall der Veräußerung des Vermögensgegenstands nach einem Jahr oder früher sei die steuerliche Belastung Gebietsfremder ebenfalls höher gewesen, sofern nicht der für die gebietsansässigen Steuerpflichtigen geltende durchschnittliche Steuersatz 35 % erreicht oder überstiegen habe, was nur bei sehr hohen Einkünften der Fall gewesen sei.

28      Da im vorliegenden Fall zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen kein objektiver Unterschied bestehe, stelle jede unterschiedliche Behandlung, die bei Gebietsfremden zu einer höheren Steuerbelastung führe als bei Gebietsansässigen, eine Diskriminierung im Sinne des Vertrags dar.

29      Zu den vom Königreich Spanien vorgebrachten Rechtfertigungsgründen macht die Kommission geltend, im vorliegenden Fall könne die Berufung darauf, dass das Ziel der steuerlichen Kohärenz verfolgt worden sei, keinen Erfolg haben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei diese Rechtfertigung nämlich nur dann zulässig, wenn zwischen der Gewährung eines steuerlichen Vorteils und dessen Ausgleich durch eine steuerliche Belastung ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Im vorliegenden Fall gehe die höhere steuerliche Belastung der Gebietsfremden mit keinerlei steuerlichem Vorteil für diese einher.

30      Nach Ansicht der Kommission lassen sich die Erwägungen des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 27. Juni 1996, Asscher (C-107/94, Slg. 1996, I-3089), auf den vorliegenden Fall übertragen, da die Bestimmungen des spanischen Steuerrechts, um die es im vorliegenden Verfahren gehe, ebenso wie die nationalen Bestimmungen in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, für die Gewinne Gebietsfremder die Anwendung eines höheren Steuersatzes vorgesehen hätten als für die Gewinne Gebietsansässiger. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stehe der Umstand, dass das genannte Urteil die Niederlassungsfreiheit betreffe, einer Übertragung der dort getroffenen Entscheidung auf die hier in Rede stehenden spanischen Bestimmungen nicht entgegen.

31      Das Königreich Spanien bestreitet die behauptete Vertragsverletzung und weist zunächst darauf hin, dass der Gewinn, den ein Gebietsfremder beim Verkauf eines Vermögensbestandteils erziele, den er im spanischen Hoheitsgebiet besitze, nur einen Teil seiner Einkünfte ausmache, die meist hauptsächlich aus den Einkünften aus seiner Erwerbstätigkeit bestünden. Zudem müssten, um festzustellen, ob sich die gebietsansässigen und die gebietsfremden Steuerpflichtigen in einer objektiv vergleichbaren Lage befänden, die Gesamtheit ihrer Tätigkeiten und die von ihnen damit erzielten Einkünfte berücksichtigt werden, und nicht nur eine Tätigkeitsart.

32      Die persönliche Steuerkraft eines Gebietsfremden könne am leichtesten dort beurteilt werden, wo der Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen und seiner Vermögensinteressen liege. Dieser falle grundsätzlich mit dem Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts zusammen. Zu den Ausnahmen führt das Königreich Spanien aus, Steuerpflichtige, die nicht in Spanien ansässig seien, dort aber aus ihrer Arbeit und ihren sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeiten Einkünfte erzielten, die mindestens 75 % ihrer Gesamteinkünfte ausmachten, könnten nach der Regelung des Art. 46 TRLIRNR, soweit ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort nachweislich in einem anderen Mitgliedstaat liege, für die Besteuerung ihrer Einkünfte nach den Regeln für Gebietsansässige optieren. Die spanischen Rechtsvorschriften stünden daher mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs in Einklang; das Königreich Spanien bezieht sich insoweit auf das Urteil vom 12. Juni 2003, Gerritse (C-234/01, Slg. 2003, I-5933).

33      Jedenfalls stelle der Umstand, dass für die beiden Gruppen der gebietsansässigen und der gebietsfremden Steuerpflichtigen nicht dieselbe Regelung gelte, keine Diskriminierung dar, da ihre Lage hinsichtlich der Besteuerung von Gewinnen nicht vergleichbar sei. Somit liege im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen den freien Kapitalverkehr vor.

34      Zudem stehe es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs einem Mitgliedstaat frei, die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Vertrag dadurch sicherzustellen, dass er mit einem anderen Mitgliedstaat ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (im Folgenden: DBA) schließe. Da das Königreich Spanien mit nahezu allen Mitgliedstaaten ein DBA abgeschlossen habe, seien die Wirkungen der spanischen Besteuerung teilweise neutralisiert, so dass diese keine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstelle.

35      Schließlich habe der Gerichtshof in Randnr. 43 seines Urteils vom 5. Juli 2005, D. (C-376/03, Slg. 2005, I-5821), entschieden, dass die Art. 56 EG und 58 EG einer nationalen Regelung nicht entgegenstünden, nach der gebietsfremden Steuerpflichtigen, deren Vermögen im Wesentlichen in ihrem Wohnsitzstaat belegen sei, die Vergünstigung eines Freibetrags versagt werde, die sie den gebietsansässigen Steuerpflichtigen gewähre. Mit der hier in Rede stehenden Regelung des spanischen Steuerrechts werde diese Rechtsprechung lediglich angewandt, indem in die Steuerregelung eine Unterscheidung eingeführt werde, die auf die objektiv unterschiedliche Lage gestützt sei, in der sich die gebietsansässigen gegenüber den gebietsfremden Steuerpflichtigen befänden.

36      Hilfsweise, für den Fall, dass die streitige Regelung als Beschränkung des freien Kapitalverkehrs betrachtet werde, macht das Königreich Spanien geltend, diese Beschränkung sei durch das Erfordernis gerechtfertigt gewesen, die Kohärenz des spanischen Steuersystems zu gewährleisten.

37      Das Königreich Spanien trägt zu den kurzfristigen Gewinnen (ein Jahr oder kürzer) vor, dass die von Gebietsfremden erzielten Gewinne bei jedem einzelnen Veräußerungsvorgang besteuert worden seien, während die von Gebietsansässigen erzielten Gewinne nach dem für die Einkommensteuer geltenden progressiven Tarif besteuert worden seien, dessen Sätze zwischen 15 % und 45 % lägen. Es könne daher nicht angenommen werden, dass die steuerliche Behandlung Gebietsansässiger stets günstiger gewesen sei als die von Gebietsfremden.

38      Jedenfalls seien die unterschiedlichen Sätze der Steuer für Gebietsansässige und der Steuer für Gebietsfremde gerade durch die jeweilige Natur dieser Steuern gerechtfertigt. Die Einkommensteuer für gebietsansässige Personen sei eine periodische Belastung, die durch Anwendung eines progressiven Tarifs auf das Welteinkommen der betroffenen Person im Steuerzeitraum an deren Steuerkraft angepasst sei.

39      Die Steuer auf das Einkommen Gebietsfremder sei ihrerseits eine unmittelbare Ertragssteuer, der Steuerpflichtige unterlägen, die in Spanien Einkünfte erzielten, ohne dort eine ständige Niederlassung zu haben. Bei diesen Steuerpflichtigen würden allein ihre im spanischen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte besteuert, die definitionsgemäß vereinzelt und sporadisch anfielen. Diese Einkünfte könnten daher unmöglich nach einem progressiven Tarif besteuert werden. Die einzige Methode zur Besteuerung dieser Einkünfte bestehe darin, sie bei jedem einzelnen Veräußerungsvorgang anhand eines Pauschalsatzes zu besteuern.

40      Nach den für gebietsansässige natürliche Personen geltenden Rechtsvorschriften seien die Steuersätze für langfristig erzielte Gewinne (länger als ein Jahr) gleich hoch oder niedriger als die für kurzfristig erzielte Gewinne (ein Jahr oder kürzer) gewesen. Damit hätten die kumulativen Auswirkungen eines progressiven Tarifs auf die im Laufe der Jahre anfallenden Gewinne vermieden werden sollen, die nicht jährlich, soweit sie anfielen, sondern bei ihrer Realisierung besteuert würden. Somit habe ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestanden zwischen der Gewährung eines steuerlichen Vorteils für die gebietsansässigen Steuerpflichtigen – dem niedrigeren Steuersatz – und dem Nachteil, der ihnen entstanden wäre, wenn es diesen Mechanismus zur Vermeidung der übermäßigen Progression oder eines anderen Mechanismus mit gleichen Wirkungen nicht gegeben hätte. Es sei jedoch kein Grund ersichtlich, den gebietsfremden Steuerpflichtigen einen günstigeren Steuersatz zu gewähren, wenn sie langfristig Gewinne erzielten. Durch die Anwendung eines Pauschalsatzes von 15 % seien sie nämlich in den Genuss einer Vergünstigung gekommen, die dazu bestimmt gewesen sei, die Wirkungen eines progressiven Tarifs auszugleichen, der für sie nicht gelte.

 Würdigung durch den Gerichtshof

41      Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach Art. 56 EG vorbehaltlich der Regelung des Art. 58 EG alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten sind. Nach Art. 58 Abs. 1 und 3 EG dürfen die Mitgliedstaaten in ihrem Steuerrecht gebietsansässige und gebietsfremde Steuerpflichtige unterschiedlich behandeln, sofern dies weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

42      Ferner kann Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG, der als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs eng auszulegen ist, nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach dem Ort ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit dem Vertrag vereinbar wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2004, Lenz, C-315/02, Slg. 2004, I-7063, Randnr. 26).

43      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die spanische Regelung bis zum 31. Dezember 2006 gebietsansässige und gebietsfremde Steuerpflichtige hinsichtlich des Steuersatzes für Gewinne aus der Veräußerung von beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen, die sie im spanischen Hoheitsgebiet besaßen, unterschiedlich behandelte.

44      Hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensbestandteilen, die länger als ein Jahr in ihrem Besitz waren, wurden Gebietsfremde steuerlich stets höher belastet als Gebietsansässige, bei denen die Gewinne mit dem Pauschalsatz von 15 % besteuert wurden, während die Gewinne Gebietsfremder einem Steuersatz von 35 % unterlagen.

45      Zwar war der Steuersatz für Gebietsansässige bei der Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen, die ein Jahr oder kürzer in ihrem Besitz waren, aufgrund des für sie geltenden progressiven Tarifs nicht stets günstiger als der Steuersatz für Gebietsfremde. Gleichwohl hatten Gebietsfremde jedenfalls in bestimmten Fällen eine höhere Steuerlast zu tragen als Gebietsansässige, da für sie unabhängig von der Höhe des erzielten Gewinns ein Pauschalsatz von 35 % galt, während für Gebietsansässige dieser Satz erst dann zur Anwendung kam, wenn ihr Gesamteinkommen eine bestimmte Grenze erreichte.

46      Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, befinden sich Gebietsansässige und Gebietsfremde im Hinblick auf die direkten Steuern in einem Staat in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation, da das Einkommen, das ein Gebietsfremder im Hoheitsgebiet eines Staates erzielt, meist nur einen Teil seiner Gesamteinkünfte darstellt, deren Schwerpunkt an seinem Wohnort liegt, und die persönliche Steuerkraft des Gebietsfremden, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergibt, am leichtesten an dem Ort beurteilt werden kann, an dem der Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen und seiner Vermögensinteressen liegt und der in der Regel der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der betroffenen Person ist (Urteile vom 14. Februar 1995, Schumacker, C-279/93, Slg. 1995, I-225, Randnrn. 31 und 32, und Gerritse, Randnr. 43).

47      Versagt ein Mitgliedstaat Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen, die er Gebietsansässigen gewährt, so ist dies in Anbetracht der objektiven Unterschiede zwischen der Situation der Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden sowohl hinsichtlich der Einkunftsquelle als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft sowie der persönlichen Lage und des Familienstands im Allgemeinen nicht diskriminierend (Urteile Schumacker, Randnr. 34, und Gerritse, Randnr. 44).

48      Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob zwischen der Situation der Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden ein objektiver Unterschied besteht, der geeignet ist, einen diskriminierenden Charakter der streitigen Regelung auszuschließen, und bewirkt, dass die Regelung unter die in Art. 58 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme fällt.

49      Zu dem Vorbringen, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung, die sich aus der Anwendung dieser Regelung auf Gebietsfremde ergebe, im Zusammenhang mit dem allgemeinen System der Einkommensteuer für Gebietsansässige und Gebietsfremde zu prüfen sei und Gebietsfremde nicht mit Gebietsansässigen vergleichbar seien, da sie in ihrem Wohnsitzstaat über andere Einkünfte verfügten, die anders als bei den Gebietsansässigen in Spanien nicht berücksichtigt werden könnten, ist festzustellen, dass, zumindest was die Besteuerung von Gewinnen aus Veräußerungen von Vermögensgegenständen nach einem Besitz von mehr als einem Jahr angeht, nur diese Kategorie von Einkünften von der genannten Regelung erfasst wird, unabhängig davon, ob es sich um gebietsansässige oder gebietsfremde Steuerpflichtige handelt.

50      Des Weiteren befindet sich die Einkunftsquelle in beiden Fällen im Königreich Spanien, da die streitige Regelung nur für die Gewinne aus Veräußerungen von in Spanien befindlichen Vermögensgegenständen gilt.

51      Zum Vorbringen, mit der fraglichen Regelung solle bei den Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen nach einem Besitz von mehr als einem Jahr bei der Veranlagung zur Steuer die persönliche Situation des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, genügt die Feststellung, dass diese Regelung nichts enthält, was diese Auffassung bestätigen könnte, da es sich um eine pauschale Besteuerung handelte, deren Satz allein davon abhing, ob der Steuerpflichtige Gebietsansässiger oder Gebietsfremder war.

52      Ebenso wenig kann diese Auffassung durch eine analoge Anwendung des Urteils Gerritse untermauert werden, auf die sich das Königreich Spanien stützt. Es wurde nämlich nicht nachgewiesen und nicht einmal behauptet, dass die mit der vorliegenden Klage beanstandete Regelung, die sich insoweit von der in diesem Urteil streitigen unterscheidet, durch Gewährung einer steuerlichen Vergünstigung für Gebietsansässige einer sozialen Zielsetzung diente. Folglich kann es im vorliegenden Fall, anders als der Gerichtshof in Randnr. 48 des Urteils Gerritse befunden hat, nicht als legitim angesehen werden, diese Vergünstigung Personen vorzubehalten, die ihr zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen im Besteuerungsstaat erzielt haben, d. h. in der Regel Gebietsansässigen.

53      Was die vom Königreich Spanien angeführten DBA angeht, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es kein DBA genannt hat, das mit einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens zustande gekommen wäre. Zudem wurde, wie das Königreich Spanien selbst einräumt, nicht mit allen übrigen Mitgliedstaaten ein DBA geschlossen. Schließlich ist unstreitig, dass die bestehenden DBA die in Spanien von Gebietsfremden entrichteten Steuern nur teilweise neutralisieren.

54      Im Übrigen schließt es das Vorliegen eines DBA nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht aus, dass das Einkommen, das ein Steuerpflichtiger in einem Staat erzielt, ohne dort zu wohnen, und das ausschließlich in diesem Staat zu versteuern ist, gleichwohl vom Wohnsitzstaat bei der Berechnung der Höhe der Steuer von den übrigen Einkünften des betreffenden Steuerpflichtigen, namentlich im Hinblick auf die Anwendung der Regel der Steuerprogression, zu berücksichtigen ist. Somit kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass jemand von dieser Regel ausgenommen ist, wenn er nicht gebietsansässig ist. Folglich befinden sich in einem solchen Fall die beiden Gruppen von Steuerpflichtigen im Hinblick auf diese Regel in einer vergleichbaren Lage (vgl. in diesem Sinne Urteil Asscher, Randnrn. 47 und 48).

55      Daher ist festzustellen, dass die streitige Regelung hinsichtlich der Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen, die länger als ein Jahr im Besitz des Steuerpflichtigen waren, nicht an einen Unterschied zwischen den Situationen der Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 58 Abs. 1 EG, der sich aus deren Wohnort ergibt, anknüpft (vgl. in diesem Sinne Urteil Lenz, Randnr. 33).

56      Dies gilt auch für die Besteuerung der spätestens nach einem Jahr erzielten Gewinne.

57      Zum einen treffen nämlich die Erwägungen in den Randnrn. 50 und 52 bis 54 des vorliegenden Urteils auch für diese Besteuerung zu.

58      Zum anderen hat, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass durch die Besteuerung nach einem progressiven Tarif der Steuerkraft der Steuerpflichtigen Rechnung getragen werden kann, das Königreich Spanien keinen Beweis dafür beigebracht, dass im vorliegenden Fall die persönliche Situation der gebietsansässigen Steuerpflichtigen im Rahmen der Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen, die ein Jahr lang oder kürzer im Besitz des Steuerpflichtigen waren, tatsächlich berücksichtigt würde.

59      Folglich ist sowohl in Bezug auf kurzfristig als auch auf langfristig erzielte Gewinne die Auffassung des Königreichs Spanien, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde hinsichtlich der fraglichen Besteuerung nicht in einer objektiv vergleichbaren Lage befänden, unbegründet und damit zurückzuweisen.

60      Es ist jedoch noch zu prüfen, ob, wie das Königreich Spanien hilfsweise vorträgt, die unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen von Steuerpflichtigen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, insbesondere die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, gerechtfertigt werden kann.

61      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass ein solches Ziel eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten rechtfertigen kann. Ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument kann aber nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung nachgewiesen ist (Urteil vom 7. September 2004, Manninen, C-319/02, Slg. 2004, I-7477, Randnr. 42).

62      Das Königreich Spanien macht geltend, mit der streitigen Regelung habe vermieden werden sollen, dass Gebietsansässige im Rahmen der Besteuerung der Veräußerungsgewinne durch die Anwendung eines progressiven Steuertarifs benachteiligt würden. Hinsichtlich der Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen nach einem Besitz von mehr als einem Jahr bestehe bei Gebietsansässigen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vorteil, der sich aus der Besteuerung dieser Gewinne zum Pauschalsatz von 15 % ergebe, und dem auf ihre Gesamteinkünfte anwendbaren progressiven Steuertarif. Hinsichtlich der nach einem Jahr oder früher erzielten Gewinne werde der Vorteil, nicht einem Pauschalsatz von 35 % unterworfen zu werden, dadurch ausgeglichen, dass die Gebietsansässigen mit ihrem gesamten Welteinkommen einem progressiven Steuertarif unterworfen würden.

63      Zum ersten Fall ist festzustellen, dass die Einkünfte, auf die der Pauschalsatz von 15 % Anwendung findet, nicht der Einkommensteuer mit progressivem Tarif unterliegen. Folglich geht die Behauptung fehl, dass die Gewährung des streitigen Steuervorteils an Gebietsansässige – d. h. die Besteuerung dieser Einkünfte zu einem Pauschalsatz von 15 % – durch die Anwendung eines progressiven Tarifs bei der Besteuerung der Einkünfte ausgeglichen werde.

64      Was den zweiten Fall betrifft, wird zwar der Vorteil für den gebietsansässigen Steuerpflichtigen, nicht einem Pauschalsatz von 35 % unterworfen zu werden, grundsätzlich durch den Nachteil ausgeglichen, dass die betroffenen Gewinne zu seinen Gesamteinkünften hinzugerechnet werden und damit einem progressiven Tarif unterliegen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sogar bei dieser Art und Weise der Besteuerung die Gewinne der Gebietsansässigen weniger stark besteuert werden als die der Gebietsfremden.

65      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass zwischen den den gebietsansässigen Steuerpflichtigen gewährten Vorteilen und einem Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung kein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

66      Folglich ist das Vorbringen des Königreichs Spanien zurückzuweisen, dass die sich aus der streitigen Regelung ergebende Beschränkung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten.

67      Da die Bestimmungen des Art. 40 des EWR-Abkommens dieselbe rechtliche Tragweite wie die im Wesentlichen identischen Bestimmungen des Art. 56 EG haben (vgl. Urteil vom 11. Juni 2009, Kommission/Niederlande, C-521/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 33), sind die vorstehenden Erwägungen auf Art. 40 des EWR-Abkommens entsprechend übertragbar.

68      Nach alledem ist die Klage der Kommission als begründet anzusehen.

69      Daher ist festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 56 EG und Art. 40 des EWR-Abkommens verstoßen hat, dass es von Gebietsansässigen in Spanien erzielte Gewinne bis zum 31. Dezember 2006 anders behandelt hat als die von Gebietsfremden dort erzielten Gewinne.

 Kosten

70      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 56 EG und Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, dass es von Gebietsansässigen in Spanien erzielte Gewinne bis zum 31. Dezember 2006 anders behandelt hat als die von Gebietsfremden dort erzielten Gewinne.

2.      Das Königreich Spanien trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.