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Rechtssache C-106/10

Lidl & Companhia

gegen

Fazenda Pública

(Vorabentscheidungsersuchen des Supremo Tribunal Administrativo)

„Steuerrecht – Richtlinie 2006/112/EG – Mehrwertsteuer – Besteuerungsgrundlage – Steuer auf die Herstellung, Montage, Zulassung oder Einfuhr von Kraftfahrzeugen“

Leitsätze des Urteils

Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Besteuerungsgrundlage

(Richtlinie 2006/112 des Rates, Art. 78 Abs. 1 Buchst. a)

Eine Kraftfahrzeugsteuer, deren Entstehungstatbestand unmittelbar mit der Lieferung eines Fahrzeugs zusammenhängt, das in den Anwendungsbereich dieser Steuer fällt, und die vom Lieferer des betreffenden Fahrzeugs entrichtet wird, fällt unter den Ausdruck „Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben“ im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem und ist in Anwendung dieser Bestimmung in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer auf die Lieferung des genannten Fahrzeugs einzubeziehen.

Die Beträge, die der Lieferer wegen der Herstellung, Montage, Zulassung oder Einfuhr in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats von Fahrzeugen, die in diesem Mitgliedstaat zulassungspflichtig sind, als die genannte Kraftfahrzeugsteuer entrichtet, sind Bestandteil des Wertes des gelieferten Fahrzeugs. Wer ein Fahrzeug erwirbt, das dieser vom Lieferer im eigenen Namen und für eigene Rechnung entrichteten Kraftfahrzeugsteuer unterliegt, vergütet daher einen vorhergehenden Vorgang, den der betreffende Steuerpflichtige veranlasst hat.

(vgl. Randnrn. 34, 37, 42 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

28. Juli 2011(*)

„Steuerrecht – Richtlinie 2006/112/EG – Mehrwertsteuer – Besteuerungsgrundlage – Steuer auf die Herstellung, Montage, Zulassung oder Einfuhr von Kraftfahrzeugen“

In der Rechtssache C-106/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) mit Entscheidung vom 27. Januar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2010, in dem Verfahren

Lidl & Companhia

gegen

Fazenda Pública,

Beteiligter:

Ministério Público,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Šváby (Berichterstatter) sowie der Richter G. Arestis und J. Malenovský,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzlerin: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Lidl & Companhia, vertreten durch M. Lourenço und I. Ramos, advogados,

–        der Fazenda Pública, vertreten durch N. Severino, advogado,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und R. Laires als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Afonso als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 78 Abs. 1 Buchst. a und Art. 79 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, und Berichtigung ABl. 2007, L 335, S. 60).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Lidl & Companhia und der Fazenda Pública (Fiskus) über die Einbeziehung der Kraftfahrzeugsteuer (imposto sobre veículos, im Folgenden: ISV) auf den Kauf zweier Kraftfahrzeuge von einer portugiesischen Gesellschaft, die Kraftfahrzeuge einführt, in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 73 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“

4        Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie sieht vor:

„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:

a)      Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst“.

5        In Art. 79 der Richtlinie heißt es:

„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente nicht einzubeziehen:

c)      Beträge, die ein Steuerpflichtiger vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält und die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt sind.

Der Steuerpflichtige muss den tatsächlichen Betrag der in Absatz 1 Buchstabe c genannten Auslagen nachweisen und darf die Mehrwertsteuer, die auf diese Auslagen gegebenenfalls erhoben worden ist, nicht als Vorsteuer abziehen.“

6        Art. 83 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen setzt sich die Steuerbemessungsgrundlage aus denselben Elementen zusammen wie denen, die zur Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage für die Lieferung derselben Gegenstände innerhalb des Gebiets des Mitgliedstaats gemäß Kapitel 2 dienen. …“

 Nationales Recht

 Die Mehrwertsteuerregelung

7        Art. 16 des Mehrwertsteuergesetzes (Código do Imposto sobre o Valor Acrescentado, im Folgenden: CIVA) bestimmt:

„(1)      Unbeschadet des Abs. 2 entspricht die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen dem Wert der vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhaltenen oder zu erhaltenden Gegenleistung.

(5)      In die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die der Steuer unterliegen, sind folgende Elemente einzubeziehen:

a)      Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst;

(6)      In die Steuerbemessungsgrundlage im Sinne von Abs. 5 sind folgende Elemente nicht einzubeziehen:

c)      Beträge, die im Namen und für Rechnung des Erwerbers der Gegenstände oder des Empfängers der Dienstleistungen entrichtet und vom Steuerpflichtigen ordnungsgemäß auf einem Fremdkonto verbucht werden;

…“

8        In Art. 17 CIVA heißt es:

„(1)      Die Steuerbemessungsgrundlage bei eingeführten Gegenständen entspricht dem Zollwert, ermittelt nach den geltenden Bestimmungen der Europäischen Union.

(2)      In die Steuerbemessungsgrundlage sind – soweit nicht bereits enthalten -- folgende Elemente einzubeziehen:

a)      vor oder wegen der Einfuhr geschuldete Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der zu erhebenden Mehrwertsteuer;

…“

9        Art. 17 der Mehrwertsteuerregelung für innergemeinschaftliche Umsätze (Regime do IVA nas Transacções Intracomunitárias) bestimmt:

„(1)      Die Bestimmungen des Art. 16 CIVA betreffend Lieferungen von Gegenständen gelten entsprechend für die Festlegung der Steuerbemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen.

(3)      Beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen, die besonderen Verbrauchsteuern oder der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen, wird die Steuerbemessungsgrundlage unter Einbeziehung dieser Steuern festgelegt, auch wenn sie nicht gleichzeitig erhoben werden.“

 Die Kraftfahrzeugsteuerregelung

10      Das Kraftfahrzeugsteuergesetz (Código do imposto sobre veículos), veröffentlicht im Anhang zum Gesetz Nr. 22-A/2007 vom 29. Juni 2007 (Diário da República I, Nr. 124, vom 29. Juni 2007, im Folgenden: CISV) trat am 1. Juli 2007 in Kraft.

11      Art. 3 Abs. 1 CISV bestimmt:

„Steuerpflichtig sind die zugelassenen und die anerkannten Händler sowie die Privatpersonen im Sinne des vorliegenden Gesetzes, die der Steuer unterliegende Fahrzeuge in den freien Verkehr überführen; als solche werden die Personen angesehen, in deren Namen die Zollerklärung für Fahrzeuge oder die Zusatzerklärung für Fahrzeuge abgegeben wird.“

12      In Art. 5 CISV heißt es:

„(1)      Entstehungstatbestand der Steuer ist die Herstellung, Montage, Zulassung oder Einfuhr in das nationale Hoheitsgebiet von Fahrzeugen, die in Portugal zulassungspflichtig sind.

(2)      Entstehungstatbestand der Steuer ist außerdem:

a)      die Zuteilung einer neuen und endgültigen Zulassungsnummer nach freiwilliger Löschung der nationalen Zulassung in Verbindung mit der Erstattung der Steuer oder jeder anderen Steuervergünstigung;

d)      die Anwesenheit des Fahrzeugs im nationalen Hoheitsgebiet entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes.

(3)      Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet:

a)      ‚Zulassung‘ die Überführung eines Fahrzeugs, das aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union stammt oder dort in den freien Verkehr gebracht worden ist, in das nationale Hoheitsgebiet;

b)      ‚Einfuhr‘ die Überführung eines Fahrzeugs, das aus einem Drittland stammt, in das nationale Hoheitsgebiet.

…“

13      Nach Art. 6 Abs. 1 CISV wird die ISV zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr fällig, d. h.:

„a)      zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr durch die zugelassenen und die anerkannten Händler;

b)      zum Zeitpunkt der Abgabe der Zollerklärung für Fahrzeuge oder der Zusatzerklärung für Fahrzeuge durch Privatpersonen.“

14      In Art. 16 CISV wird eine Privatperson definiert als „jeder Steuerpflichtige, der die Zulassung oder Einfuhr neuer oder gebrauchter steuerpflichtiger Fahrzeuge betreibt, um im Wesentlichen seine eigenen Transportbedürfnisse zu befriedigen“.

15      Nach Art. 27 Abs. 3 CISV dürfen die Zulassungsbehörden Fahrzeuge nur zulassen, wenn der Nachweis für die Zahlung u. a. der ISV erbracht wird, sofern sie geschuldet wird.

16      Gemäß Art. 58 Abs. 1 CISV, der die Überschrift „Verlegung des Wohnsitzes“ trägt, gilt die Pflicht zur Zahlung der ISV nicht für Fahrzeuge im Besitz von Personen, die ihren Wohnsitz aus einem anderen Mitgliedstaat der Union oder aus einem Drittstaat nach Portugal verlegen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

17      Am 28. September 2007 erwarb Lidl & Companhia zwei Kraftfahrzeuge. Die vom Lieferer ausgestellten und von Lidl & Companhia beglichenen Rechnungen umfassten den Grundpreis, die ISV und verschiedene Kosten. Die Mehrwertsteuer zum Satz von 21 % wurde auf den Gesamtbetrag erhoben.

18      Am 25. Januar 2008 erhob Lidl & Companhia Einspruch gegen den Bescheid über die Festsetzung der auf die beiden oben genannten Rechnungen berechneten Mehrwertsteuer, deren ausgewiesene Mehrwertsteuerbeträge sich auf 8 601,23 Euro bzw. 4 554,33 Euro beliefen. Am 7. April 2008 wies der Leiter der Finanzdirektion der Region Sintra 1 diesen Einspruch mit Beschluss, der der Betroffenen zugestellt wurde, zurück.

19      Nachdem das Tribunal Administrativo e Fiscal de Sintra die Klage von Lidl & Companhia gegen den Bescheid über die Festsetzung der Mehrwertsteuer in vollem Umfang abgewiesen hatte, wandte sich diese mit einem Rechtsmittel an das Supremo Tribunal Administrativo. Dort trägt die Rechtsmittelführerin vor, dass die Entscheidung des Tribunal Administrativo e Fiscal de Sintra, indem sie der Auffassung folge, wonach die bei der Einfuhr der Kraftfahrzeuge in das nationale Hoheitsgebiet berechnete und entrichtete ISV in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einbezogen werden müsse, gegen die Bestimmungen von Art. 16 Abs. 6 Buchst. c CIVA und Art. 79 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 verstoße. Lidl & Companhia macht geltend, obwohl sie nicht Schuldner der ISV sei, mit der die von ihr gekauften Fahrzeuge belastet worden seien, sei diese Steuer auf sie überwälzt worden, so dass sie zu viel Mehrwertsteuer gezahlt habe; den überzahlten Betrag verlange sie erstattet.

20      Das Ministério Público beim vorlegenden Gericht führt aus, dass die ISV eine „einphasige“ Abgabe sei, die nur einmal entrichtet werde, nämlich bei der ersten Überführung des Fahrzeugs in den freien Verkehr in Portugal zum Zeitpunkt der ersten Zulassung in diesem Land. Die betreffende Steuer, deren Entstehungstatbestand die Überführung des Fahrzeugs in den freien Verkehr in Portugal zum Zeitpunkt der ersten Zulassung in diesem Land sei, weise ähnliche Merkmale auf wie die „Zulassungsabgabe“, zu dem das Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juni 2006, De Danske Bilimportører (C-98/05, Slg. 2006, I-4945), ergangen sei. Es beantragt deshalb, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen.

21      Im Hinblick auf die Anträge der Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens und des Ministério Público hat das Supremo Tribunal Administrativo, obwohl es der Auffassung ist, dass die Einbeziehung der ISV in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer nicht gegen das Unionsrecht verstößt, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 78 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass es unzulässig ist, in Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs den Betrag der durch das Gesetz Nr. 22 A/2007 vom 29. Juni 2007 eingeführten Kraftfahrzeugsteuer in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen?

 Zur Vorlagefrage

 Zur Zulässigkeit

22      Die portugiesische Regierung bestreitet in ihren Erklärungen die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens.

23      Insbesondere macht sie geltend, das Vorabentscheidungsersuchen enthalte weder genügend Angaben über die Art des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsatzes – Lieferung von Gegenständen oder innergemeinschaftlicher Erwerb – noch darüber, inwiefern Lidl & Companhia mit ISV und der streitigen Mehrwertsteuer belastet worden sei, noch in Bezug auf den Zusammenhang zwischen dem Ausgangsverfahren und den Bestimmungen, um deren Auslegung ersucht werde.

24      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist. Ebenso hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. Urteil vom 26. Mai 2011, Stichting Natuur en Milieu u. a., C-165/09 bis C-167/09, Slg. 2011, I-0000, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen zum Unionsrecht. Die Zurückweisung eines Ersuchens eines nationalen Gerichts ist nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2010, Jakubowska, C-225/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Es ist festzustellen, dass die Entscheidung des vorlegenden Gerichts den rechtlichen und tatsächlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits hinreichend beschreibt und dass die Angaben des vorlegenden Gerichts es ermöglichen, die Reichweite der Vorlagefragen zu bestimmen. Außerdem hat der Gerichtshof weder die vom vorlegenden Gericht vorgenommene Einstufung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsatzes als innergemeinschaftlicher Erwerb noch die stillschweigende Annahme, dass die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens die Mehrwertsteuer auf den ISV-Betrag getragen hat und deren Erstattung verlangt, in Frage zu stellen. Im Hinblick auf den Verweis in Art. 83 der Richtlinie 2006/112 auf deren Art. 73 ff. ist die Auslegung der Art. 78 und 79 dieser Richtlinie jedenfalls für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits unabhängig davon, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz eine Lieferung von Gegenständen oder einen innergemeinschaftlichen Erwerb darstellt, erheblich.

27      Das Vorabentscheidungsersuchen ist demnach zulässig.

 Zur Begründetheit

28      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Steuer wie die ISV als Steuer, Zoll, Abschöpfung oder Abgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen ist oder ob sie im Gegenteil nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie von dieser Bemessungsgrundlage auszunehmen ist.

29      Zunächst ist festzustellen, dass sich nach Art. 83 der Richtlinie 2006/112 beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen die Steuerbemessungsgrundlage aus denselben Elementen zusammensetzt wie denen, die zur Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage für die Lieferung derselben Gegenstände innerhalb des Gebiets des Mitgliedstaats gemäß den Art. 73 bis 82 dieser Richtlinie dienen.

30      Im Einzelnen sieht Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 vor, dass bei der Lieferung von Gegenständen Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen sind.

31      Art. 79 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie sieht vor, dass Beträge, die ein Steuerpflichtiger vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält und die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt sind, von der Steuerbemessungsgrundlage auszunehmen sind.

32      Um zu klären, ob eine Steuer wie die ISV in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen oder im Gegenteil von ihr auszunehmen ist, muss zum einen festgestellt werden, ob sie unter den Ausdruck „Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben“ im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 fällt, und zum anderen, ob ihr die in Art. 79 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahmeregelung zugute kommt.

33      Was erstens Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 angeht, hat der Gerichtshof ausgeführt, dass Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben, damit sie in die Bemessungsgrundlage eingehen können, obwohl sie keinen Mehrwert darstellen und nicht die wirtschaftliche Gegenleistung für die Lieferung des Gegenstands sind, in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Lieferung stehen müssen (Urteil vom 22. Dezember 2010, Kommission/Österreich, C-433/09, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Insoweit ist nach der Rechtsprechung die Frage, ob der Lieferer des Fahrzeugs eine Steuer im eigenen Namen und für eigene Rechnung entrichtet hat, ein entscheidender Gesichtspunkt für die Einbeziehung einer Steuer in den Wert des gelieferten Gegenstands; ist dies der Fall, muss die für die Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage maßgebliche Gegenleistung grundsätzlich den entsprechenden Steuerbetrag umfassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Mai 2010, Kommission/Polen, C-228/09, Randnr. 40).

35      Steuerpflichtig sind hier nach Art. 3 Abs. 1 CISV die zugelassenen und die anerkannten Händler sowie die Privatpersonen, die der Steuer unterliegende Fahrzeuge in den freien Verkehr überführen, d. h. die Personen, in deren Namen die Zollerklärung für Fahrzeuge oder die Zusatzerklärung für Fahrzeuge abgegeben wird. Was die Privatpersonen im Sinne von Art. 16 CISV angeht, handelt es sich offenbar nur um eine Auffangkategorie von Steuerpflichtigen, wie die Portugiesische Republik in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat.

36      Die mit der ISV verbundenen Kosten sind demnach grundsätzlich nicht im Namen des Erwerbers des Fahrzeugs, sondern vom Lieferer dieses Fahrzeugs im Sinne von Art. 73 der Richtlinie 2006/112 entrichtet worden, wodurch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der von Letzterem durchgeführten Lieferung und der betreffenden Steuer hergestellt wird.

37      Ebenfalls in diesem Sinne ist festzustellen, dass Art. 5 Abs. 1 CISV ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Erwähnung der Lieferung als Entstehungstatbestand der ISV zu entnehmen ist, dass sich die Entstehungstatbestände dieser Steuer allesamt als vorgelagerte und zur Lieferung gehörende Vorgänge erweisen. Die Beträge, die der Lieferer wegen der Herstellung, Montage, Zulassung oder Einfuhr in das nationale Hoheitsgebiet von Fahrzeugen, die in Portugal zulassungspflichtig sind, als ISV entrichtet, sind daher, wie die Portugiesische Republik geltend gemacht hat, Bestandteil des Wertes des gelieferten Fahrzeugs. Wer ein Fahrzeug erwirbt, das der vom Lieferer entrichteten ISV unterliegt, vergütet damit einen vorhergehenden Vorgang, den der betreffende Steuerpflichtige veranlasst hat.

38      Außerdem kann, anders als im Fall der Abgabe, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil De Danske Bilimportører erlassen wurde, kein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen der ISV und dem Vorgang der Zulassung hergestellt werden. So ist insbesondere hervorzuheben, dass der CISV mehrere Fälle vorsieht, in denen keine ISV geschuldet wird, obwohl ein Fahrzeug, das in seinen Anwendungsbereich fällt, zugelassen wird. Das gilt ganz besonders für die Befreiung, die gemäß Art. 58 Abs. 1 CISV für Fahrzeuge im Besitz von Personen gewährt wird, die ihren Wohnsitz nach Portugal verlegen. Von Bedeutung ist insoweit auch der Umstand, dass sowohl der Entstehungstatbestand als auch die Fälligkeit der ISV vor dem Zulassungsvorgang liegen, wie aus Art. 27 CISV hervorgeht, wonach ein steuerpflichtiges Fahrzeug nur zugelassen werden darf, wenn alle darauf entfallenden Abgaben und Zölle entrichtet worden sind.

39      Eine Steuer wie die ISV hängt daher unmittelbar mit der Lieferung der Fahrzeuge zusammen, die in ihren Anwendungsbereich fallen, und ist folglich gemäß Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen.

40      Was zweitens Art. 79 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 angeht, kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die von einem zugelassenen oder anerkannten Händler für die ISV verauslagten Beträge im Namen oder für Rechnung des Erwerbers des betreffenden Fahrzeugs geleistet worden wären. Hierzu genügt die Feststellung, dass die ISV, wie sich aus Randnr. 35 des vorliegenden Urteils ergibt, von den Lieferern von Fahrzeugen und nicht von deren Erwerbern geschuldet wird (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Österreich, Randnr. 48).

41      Daher kann eine Steuer wie die ISV nicht nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 von der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer ausgenommen werden.

42      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass eine Steuer wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ISV, deren Entstehungstatbestand unmittelbar mit der Lieferung eines Fahrzeugs zusammenhängt, das in den Anwendungsbereich dieser Steuer fällt, und die vom Lieferer des betreffenden Fahrzeugs entrichtet wird, unter den Ausdruck „Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben“ im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 fällt und in Anwendung dieser Bestimmung in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer auf die Lieferung des genannten Fahrzeugs einzubeziehen ist.

 Kosten

43      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Eine Steuer wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kraftfahrzeugsteuer (imposto sobre veículos), deren Entstehungstatbestand unmittelbar mit der Lieferung eines Fahrzeugs zusammenhängt, das in den Anwendungsbereich dieser Steuer fällt, und die vom Lieferer des betreffenden Fahrzeugs entrichtet wird, fällt unter den Ausdruck „Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben“ im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem und ist in Anwendung dieser Bestimmung in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer auf die Lieferung des genannten Fahrzeugs einzubeziehen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Portugiesisch.