URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
19. Juli 2012(*)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c und Art. 17 Abs. 2 – Teil eines einem Unternehmen zugeordneten Investitionsgutes – Vorübergehende Verwendung zu privaten Zwecken – Dauerhafte Umgestaltungen dieses Investitionsgutes – Entrichtung der Mehrwertsteuer für die dauerhaften Umgestaltungen – Recht zum Vorsteuerabzug“
In der Rechtssache C-334/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 11. Juni 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Juli 2010, in dem Verfahren
X
gegen
Staatssecretaris van Financiën
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter M. Safjan, M. Ilešič, E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels und M. Noort als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. März 2012
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c und Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung (ABl. L 102, S. 18, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen X (im Folgenden: Steuerpflichtige), einer der Mehrwertsteuer unterliegenden Personengesellschaft, und dem Staatssecretaris van Financiën wegen des Abzugs der von der Steuerpflichtigen entrichteten Vorsteuer auf Ausgaben für dauerhafte Umgestaltungen eines ihrem Unternehmen zugeordneten Investitionsgutes im Hinblick auf eine vorübergehende private Verwendung durch die Steuerpflichtige.
Rechtlicher Rahmen
3 Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt:
a) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;
b) die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.
Die Mitgliedstaaten können Abweichungen von diesem Absatz vorsehen, sofern solche Abweichungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.“
4 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„A. Im Inland
(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:
…
c) bei den in Artikel 6 Absatz 2 genannten Umsätzen der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung;
…“
5 Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
6 Laut der Vorlageentscheidung handelt es sich bei der Steuerpflichtigen um einen Zusammenschluss zweier natürlicher Personen in Form einer offenen Handelsgesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Im Jahr 2000 betrieb die Steuerpflichtige einen Großhandel für Autolacke. Ihre beiden Gründer hatten im Jahr 1999 ein Lagergebäude erworben, das sie von Anfang an für ihre wirtschaftliche Tätigkeit nutzten.
7 Anfang 2000 wurde, um die Zeit bis zur geplanten Übergabe einer neben dem Lagergebäude gelegenen Betriebswohnung zu überbrücken, ein Teil des Dachgeschosses des Lagergebäudes für seine vorübergehende Bewohnung durch die beiden Gesellschafter und ihre Kinder ausgebaut. Dabei wurden zwei Dachgauben sowie eine Diele, ein Badezimmer und eine Toilette eingebaut. Für diese Arbeiten wurde Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt.
8 Während und nach Abschluss der Arbeiten wurde das Dachgeschoss von der Steuerpflichtigen 23 Monate lang als Wohnung genutzt. Anschließend wurde es für die betriebliche Verwendung hergerichtet und, wie vorgesehen, als Büro und Unterweisungsraum genutzt.
9 Die Steuerpflichtige zog die Mehrwertsteuer für die Umbaukosten ab. Die Finanzverwaltung vertrat den Standpunkt, dass diese Steuer zu Unrecht abgezogen worden sei, soweit sie nicht für den Einbau des Badezimmers und der Toilette in Rechnung gestellt worden sei, denn die Steuerpflichtige habe dartun können, dass diese beiden Einbaumaßnahmen auch betrieblichen Zwecken des Unternehmens gedient hätten.
10 Die Steuerpflichtige erhob gegen diese Entscheidung Klage. Das erstinstanzliche Gericht befand, dass der Einbau der Dachgauben und der Diele ausschließlich zu Wohnzwecken durchgeführt worden sei. Es sei zu keinem Zeitpunkt geltend oder glaubhaft gemacht worden, dass die Arbeiten für Zwecke des Unternehmens durchgeführt worden seien, so dass kein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe.
11 Dieses Gericht war ferner der Auffassung, dass der Steuerpflichtigen auch nach Art. 17 der Sechsten Richtlinie kein Recht auf Vorsteuerabzug zustehe, weil die Umbauleistungen nicht für Zwecke ihrer besteuerten Umsätze verwendet worden seien. Im Übrigen sei Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie nicht anwendbar, da die Umbauarbeiten als Erbringung einer Dienstleistung angesehen werden müssten und im Hinblick auf diese Dienstleistung keine „Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands … für unternehmensfremde Zwecke“ vorliege. Schließlich sei auch Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie nicht anwendbar, da der Wortlaut dieser Bestimmung Dienstleistungen, die nicht vom Steuerpflichtigen selbst erbracht worden seien, ausschließe.
12 Zur Begründung ihrer Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden macht die Steuerpflichtige geltend, dass Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a oder Buchst. b der Sechsten Richtlinie im vorliegenden Fall durchaus anwendbar sei. Sie habe einen Teil eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands vorübergehend für unternehmensfremde Zwecke verwendet, was als steuerpflichtiger Umsatz im Sinne dieser Bestimmung gelte. Die Besteuerungsgrundlage hierfür umfasse die von der Steuerpflichtigen im Hinblick auf diesen Umsatz getätigten Ausgaben, zu denen nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die Kosten des Unterhalts und einer Verbesserung zählten. Da diese Kosten zur Bemessungsgrundlage für die Steuer auf die private Nutzung gehörten, sei aufgrund des Neutralitätsgrundsatzes nicht nur die auf die Anschaffungskosten, sondern auch die auf die Kosten des Unterhalts und einer Verbesserung erhobene Mehrwertsteuer sofort und vollständig abziehbar.
13 Das vorlegende Gericht führt aus, es stehe fest, dass das Lagergebäude nach der Anschaffung für betriebliche Zwecke verwendet worden sei. Ebenso stehe fest, dass ein Teil des Gebäudes kurze Zeit später vorübergehend für den privaten Bedarf verwendet worden sei und dass ausschließlich für diesen Verwendungszweck Bauarbeiten an dem Gebäude durchgeführt worden seien. Die Parteien hätten nicht dazu Stellung genommen, ob für die Lieferung des Lagergebäudes an die Steuerpflichtige Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt worden sei. Die unteren Gerichte hätten dazu keine Feststellungen getroffen, weshalb beide Möglichkeiten in Betracht zu ziehen seien.
14 Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Steht einem Steuerpflichtigen, der einen Teil eines zu seinem Unternehmen gehörenden Investitionsgutes vorübergehend für seinen eigenen Bedarf verwendet, - gemäß Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie - das Recht auf Vorsteuerabzug für Ausgaben für dauerhafte Umgestaltungen zu, die ausschließlich im Hinblick auf die private Verwendung durchgeführt wurden?
2. Macht es für die Beantwortung dieser Frage einen Unterschied, ob dem Steuerpflichtigen bei der Anschaffung des Investitionsgutes Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt worden ist, die er abgezogen hat?
Zu den Vorlagefragen
15 Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c und Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass einem Steuerpflichtigen, der einen Teil eines zu seinem Unternehmen gehörenden Investitionsgutes vorübergehend für seinen privaten Bedarf verwendet, nach diesen Bestimmungen das Recht auf Vorsteuerabzug für Ausgaben für dauerhafte Umgestaltungen auch dann zusteht, wenn die Umgestaltungen im Hinblick auf diese private Verwendung durchgeführt wurden, und dass ferner dieses Abzugsrecht unabhängig davon besteht, ob dem Steuerpflichtigen beim Erwerb des Investitionsgutes, an dem die Umgestaltungen vorgenommen wurden, Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt und ob diese Mehrwertsteuer von ihm abgezogen wurde.
16 Zur Beantwortung dieser Fragen ist erstens festzustellen, dass nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts der Ausgangsrechtsstreit das Recht auf Vorsteuerabzug nur im Hinblick auf ganz bestimmte Umgestaltungen an einem vollständig dem Unternehmen zugeordneten Gegenstand betrifft, und zwar den dauerhaften Einbau zweier Dachgauben und einer Diele. Diese Umbauten können aus den von der Generalanwältin in den Nrn. 59 bis 63 ihrer Schlussanträge dargelegten Gründen als eigenes Investitionsgut angesehen werden.
17 Zweitens ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung die Anwendung des Systems der Mehrwertsteuer und damit des Berichtigungsmechanismus vom Kauf eines Gegenstands durch einen als solchen handelnden Steuerpflichtigen abhängt. Die tatsächliche oder beabsichtigte Verwendung eines Gegenstands bestimmt nur den Umfang des Vorsteuerabzugs, zu dem der Steuerpflichtige nach Art. 17 befugt ist, und den Umfang etwaiger Berichtigungen während der darauffolgenden Zeiträume (Urteil vom 11. Juli 1991, Lennartz, C-97/90, Slg. 1991, I-3795, Randnr. 15). Wer einen Gegenstand ausschließlich für seinen privaten Bedarf erwirbt, handelt aber als Privatperson und nicht als Steuerpflichtiger im Sinne der Sechsten Richtlinie (Urteil vom 6. Mai 1992, de Jong, C-20/91, Slg. 1992, I-2847, Randnr. 17).
18 Somit ist zu prüfen, inwieweit ein Steuerpflichtiger in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bei der Vornahme von dauerhaften Umbauten an einem Gut, die ein neues Investitionsgut entstehen lassen konnten, „als solcher“ gehandelt hat.
19 In dieser Hinsicht geht aus der Rechtsprechung hervor, dass insbesondere die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht des Steuerpflichtigen, einen Gegenstand oder eine Dienstleistung für den Bedarf seines Unternehmens zu verwenden, die Feststellung erlaubt, ob er zum Zeitpunkt der Tätigung des Eingangsumsatzes als Steuerpflichtiger gehandelt hat und ihm daher das Recht auf Abzug der für diese Gegenstände und Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer zustehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile Lennartz, Randnr. 8, und vom 8. Juni 2000, Breitsohl, C-400/98, Slg. 2000, I-4321, Randnr. 34).
20 Was die zugrunde liegende Absicht der im Ausgangsverfahren betroffenen Steuerpflichtigen angeht, so ist zum einen, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, von der Steuerverwaltung angenommen worden, dass die Dachgauben und die Diele im Unterschied zu den anderen Maßnahmen des Ausbaus eines Teils des Lagergebäudes zu Wohnräumen zu ausschließlich privaten Zwecken erstellt worden seien.
21 Zum anderen lässt, wie die Generalanwältin in Nr. 88 ihrer Schlussanträge zu Recht ausgeführt hat, die Vorlageentscheidung auch den Schluss zu, dass die Nutzung des ausgebauten Teils des Lagergebäudes zu Wohnzwecken von vornherein nur als eine vorübergehende geplant war. Darüber hinaus geht aus dem erstinstanzlichen Urteil hervor, dass ebenso von vornherein bekannt war, dass dieser Teil des Lagergebäudes später hergerichtet werden würde, um für ausschließlich betriebliche Zwecke als Büro und Unterweisungsraum genutzt zu werden.
22 Im Ausgangsverfahren ist somit nicht eindeutig belegt, dass die Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Vornahme der fraglichen Umbauten die Absicht hatte, diese nur für ihren privaten Bedarf zu verwenden.
23 Zu den objektiven Anhaltspunkten, anhand deren beurteilt werden kann, ob ein Steuerpflichtiger im Einzelfall Gegenstände für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten erworben hat, gehören insbesondere die Art der betreffenden Gegenstände und der zwischen dem Erwerb der Gegenstände und ihrer Verwendung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen liegende Zeitraum (vgl. in diesem Sinne Urteil Lennartz, Randnr. 21).
24 Zwar ist es Sache des nationalen Gerichts, die im Einzelfall vorliegende Sachlage zu ermitteln, doch kann der Gerichtshof ihm die Auslegungshinweise an die Hand geben, die für die Entscheidung über den Rechtsstreit zweckdienlich erscheinen.
25 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass in Bezug auf die Art des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Investitionsgutes, das aus Dachgauben und einer Diele besteht, nicht bestritten werden kann, dass diese grundsätzlich sowohl für die private Nutzung als auch für den geschäftlichen Bedarf verwendet werden können.
26 Weiter kann, da das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Investitionsgut nach der Nutzungsänderung des vorübergehend zu Wohnzwecken verwendeten Teils des Lagergebäudes an seinem Ort und in seinem Zustand belassen wurde, davon ausgegangen werden, dass dieses Gut anschließend für den betrieblichen Bedarf verwendet wurde. Dies gilt umso mehr, als dieses Gut in eine vollständig dem Unternehmen zugeordnete Immobilie integriert ist.
27 Schließlich kann der Zeitraum von 23 Monaten, in dem das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Investitionsgut ebenso wie die anderen Gegenstände, die dem Ausbau eines Teils des Lagergebäudes zu Wohnzwecken gedient haben, ausschließlich zu privaten Zwecken verwendet worden ist, im Hinblick auf die Haltbarkeit dieses Investitionsgutes und seine voraussichtliche Lebensdauer nicht als ein Gesichtspunkt angesehen werden, der den Schluss zuließe, dass der Steuerpflichtige nicht die Absicht hatte, dieses Gut für den Bedarf seines Unternehmens zu verwenden.
28 Falls das nationale Gericht im Ausgangsverfahren zu der Schlussfolgerung gelangen sollte, dass der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Entstehung der Kosten für die fragliche Umgestaltung nicht die Absicht hatte, das daraus hervorgehende Investitionsgut für den Bedarf seines Unternehmens zu verwenden, kann ihm das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Umbauten nicht gewährt werden.
29 Für den Fall hingegen, dass das nationale Gericht im Licht der vom Gerichtshof gegebenen Auslegungshinweise feststellen sollte, dass der Steuerpflichtige die Absicht hatte, das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Investitionsgut für den Bedarf seines Unternehmens zu verwenden, bleiben drei weitere Gesichtspunkte zu prüfen.
30 Insoweit ist erstens, wie die Generalanwältin in Nr. 67 ihrer Schlussanträge konstatiert hat, zu prüfen, ob der Umstand, dass ein Investitionsgut in einer ersten Phase ausschließlich zu privaten Zwecken und in einer zweiten Phase ausschließlich für betriebliche Zwecke verwendet wird, der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug entgegenstehen kann.
31 Wie jedoch der Gerichtshof bereits entschieden hat, kann der Umstand, dass für unternehmerische Zwecke erworbene Gegenstände nicht sofort für diese Zwecke verwendet werden, grundsätzlich das Recht auf Vorsteuerabzug nicht in Frage stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Lennartz, Randnrn. 14 und 15).
32 Diese Auslegung, wonach eine ursprünglich ausschließlich privaten Zwecken dienende Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, auf die eine ausschließlich unternehmerische Verwendung folgt, keine Auswirkungen auf das Recht auf Vorsteuerabzug haben kann, steht auch in Einklang mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt.
33 Nach der Rechtsprechung zu Investitionsgütern, deren gemischte Nutzung im Lauf der Zeit variiert, könnte nämlich eine andere Auslegung zur Folge haben, dass dem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug für spätere besteuerte unternehmerische Verwendungen verweigert würde, obwohl er den fraglichen Gegenstand ursprünglich im Hinblick auf künftige Umsätze zur Gänze seinem Unternehmen zuordnen wollte. In einer solchen Situation würde mithin der Steuerpflichtige nicht vollständig von der Steuer entlastet, die auf den Gegenstand entfällt, den er für die Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet, und es käme zu einer Doppelbesteuerung seiner unternehmerischen Tätigkeiten, die dem Grundsatz der Steuerneutralität zuwiderliefe, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem, in das sich die Sechste Richtlinie einfügt, zugrunde liegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2009, Puffer, C-460/07, Slg. 2009, I-3251, Randnrn. 45 und 46).
34 Hieraus folgt, dass eine Nutzung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als gemischte Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Investitionsgutes im Sinne der Rechtsprechung angesehen werden kann.
35 Zweitens ist, um zu klären, ob der Steuerpflichtige die entrichtete Vorsteuer vollständig abziehen kann, zu prüfen, inwieweit ein Investitionsgut wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. die Dachgauben und die Diele, als für Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet angesehen werden kann.
36 Hierzu hat das vorlegende Gericht insbesondere zwei Vorschriften angeführt.
37 Was zum einen Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach dieser Bestimmung die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den Bedarf des Steuerpflichtigen oder für den seines Personals einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt wird.
38 Da in dem betrachteten Fall das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Investitionsgut vollständig dem Unternehmen zugeordnet ist, ist seine Verwendung für private Zwecke einer Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie gleichzustellen und als solche zu besteuern.
39 Was zum anderen die mögliche Anwendung von Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen betrifft, genügt die Feststellung, dass diese Bestimmung nicht auf das Zurverfügungstellen eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands abzielt, sondern auf von dem Steuerpflichtigen selbst für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals erbrachte Dienstleistungen.
40 Da im vorliegenden Fall der Ausgangsumsatz, der als von dem Steuerpflichtigen getätigt angesehen werden kann, wie aus Randnr. 37 des vorliegenden Urteils hervorgeht, als Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen einzustufen ist, kann Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht anwendbar sein.
41 Drittens ist klarzustellen, dass der Umstand, ob der dem Unternehmen zugeordnete Gegenstand, in den ein Investitionsgut wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. die Dachgauben und die Diele, dauerhaft integriert worden ist, zum Abzug berechtigt hat, keine Auswirkungen auf die Abzugsfähigkeit der auf dieses Investitionsgut bezogenen Mehrwertsteuer hat.
42 Dieser Umstand hätte nämlich nur Auswirkungen auf die Berechnung der Besteuerungsgrundlage des von dem Steuerpflichtigen getätigten Ausgangsumsatzes. Im vorliegenden Fall setzte sich, falls dem Steuerpflichtigen beim Erwerb des Lagergebäudes die Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt worden sein sollte, die Besteuerungsgrundlage für die private Nutzung des Dachgeschosses aus einem Teil der Anschaffungskosten für das Lagergebäude und den Umbaukosten zusammen. Falls dagegen die Mehrwertsteuer dem Steuerpflichtigen beim Erwerb des Lagergebäudes nicht in Rechnung gestellt worden sein sollte, bestünde die Besteuerungsgrundlage für die private Nutzung des Dachgeschosses nur aus den Umbaukosten.
43 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c und Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass einem Steuerpflichtigen, der einen Teil eines zu seinem Unternehmen gehörenden Investitionsgutes vorübergehend für seinen privaten Bedarf verwendet, nach diesen Bestimmungen das Recht auf Vorsteuerabzug für Ausgaben für dauerhafte Umgestaltungen auch dann zusteht, wenn die Umgestaltungen im Hinblick auf diese vorübergehende private Verwendung durchgeführt wurden, und dass ferner dieses Abzugsrecht unabhängig davon besteht, ob dem Steuerpflichtigen beim Erwerb des Investitionsgutes, an dem die Umgestaltungen vorgenommen wurden, Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt und ob diese Mehrwertsteuer von ihm abgezogen wurde.
Kosten
44 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c und Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass einem Steuerpflichtigen, der einen Teil eines zu seinem Unternehmen gehörenden Investitionsgutes vorübergehend für seinen privaten Bedarf verwendet, nach diesen Bestimmungen das Recht auf Vorsteuerabzug für Ausgaben für dauerhafte Umgestaltungen auch dann zusteht, wenn die Umgestaltungen im Hinblick auf diese vorübergehende private Verwendung durchgeführt wurden, und dass ferner dieses Abzugsrecht unabhängig davon besteht, ob dem Steuerpflichtigen beim Erwerb des Investitionsgutes, an dem die Umgestaltungen vorgenommen wurden, Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt und ob diese Mehrwertsteuer von ihm abgezogen wurde.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Niederländisch.