Available languages

Taxonomy tags

Info

References in this case

References to this case

Share

Highlight in text

Go

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

19. Juli 2012(*)

„Sechste Richtlinie – Befreiungen – Art. 15 Nr. 6 – Befreiung der Lieferungen von Luftfahrzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind – Lieferung von Luftfahrzeugen an einen Wirtschaftsteilnehmer, der diese einer solchen Gesellschaft zur Verfügung stellt – Begriff ‚entgeltlicher internationaler Verkehr‘ – Charterflüge“

In der Rechtssache C-33/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 18. Januar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2011, in dem Beschwerdeverfahren der

A Oy

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der A Oy, vertreten durch P. Salomaa,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Koskinen und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. April 2012

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 384, S. 47) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines von der A Oy (im Folgenden: A) eingeleiteten Verfahrens, in dem A an sie gerichtete Bescheide des Kaakkois-Suomen verovirasto (Finanzamt Südost-Finnland) anficht, mit denen Mehrwertsteuer auf den Erwerb von Luftfahrzeugen nacherhoben wird.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“, der Mehrwertsteuer.

4        Art. 15 („Steuerbefreiungen bei Ausfuhren nach einem Drittland, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

4.      Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen, die

a)      auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind,

5.      Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen der unter Nummer 4 Buchstaben a) und b) bezeichneten Seeschiffe sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Schiffe eingebauten Gegenstände – einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei – oder der Gegenstände für ihren Betrieb;

6.      Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Luftfahrzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Luftfahrzeuge eingebauten Gegenstände oder der Gegenstände für ihren Betrieb;

7.      Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung der in Nummer 6 genannten Luftfahrzeuge;

8.      andere Dienstleistungen als die nach Nummer 5, die für den unmittelbaren Bedarf der dort bezeichneten Seeschiffe und ihrer Ladungen bestimmt sind;

9.      andere Dienstleistungen als die nach Nummer 6, die für den unmittelbaren Bedarf der dort bezeichneten Luftfahrzeuge und ihrer Ladungen bestimmt sind;

…“

5        Der zu Abschnitt XVIa („Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten“) der Sechsten Richtlinie gehörende Art. 28a bestimmt:

„(1)      Der Mehrwertsteuer unterliegen auch

a)      der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der gegen Entgelt im Inland durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder aber durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist und als solcher handelt …

Abweichend von Unterabsatz 1 unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der unter den Bedingungen von Absatz 1a durch einen Steuerpflichtigen oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, nicht der Mehrwertsteuer.

(1a)      Unter die in Absatz 1 Buchstabe a) Unterabsatz 2 vorgesehene Ausnahmeregelung fällt

a)      der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, deren Lieferung im Inland nach Artikel 15 Nummern 4 bis 10 steuerfrei wäre;

(3)      Als innergemeinschaftlicher Erwerb eines Gegenstands gilt die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, welcher durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versendet oder befördert wird.

…“

 Finnisches Recht

6        Die Sechste Richtlinie wurde in Finnland durch das Arvonlisäverolaki (1501/1993) [Gesetz (1501/1993) über die Mehrwertsteuer] vom 30. Dezember 1993 (im Folgenden: AVL) umgesetzt.

7        Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AVL ist auf den in Finnland erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 26 a AVL Mehrwertsteuer zu entrichten. Innergemeinschaftlicher Erwerb wird in § 26 a AVL definiert als der entgeltliche Erwerb des Eigentums an einem beweglichen körperlichen Gegenstand, wenn der Verkäufer, der Erwerber oder ein für ihre Rechnung handelnder Dritter diesen Gegenstand von einem Mitgliedstaat in einen anderen befördert hat. Nach § 2 b AVL ist die Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 AVL vom Erwerber zu entrichten.

8        Der im sechsten Kapitel des AVL über Steuerbefreiungen im internationalen Handel enthaltene § 70 Abs. 1 Nr. 6 sieht vor, dass auf den Verkauf von Luftfahrzeugen, ihrer Ersatzteile und Ausrüstungsgegenstände zur Verwendung durch einen Gewerbetreibenden, der hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Flugverkehr tätig ist, keine Steuer erhoben wird.

9        Nach § 72 f Nr. 1 AVL ist auf den innergemeinschaftlichen Erwerb eines Gegenstands keine Mehrwertsteuer zu entrichten, wenn auf die Einfuhr des Gegenstands keine Mehrwertsteuer zu entrichten wäre. Nach § 94 Abs. 1 Nr. 9 AVL ist die Einfuhr von Luftfahrzeugen, Ersatzteilen und Ausrüstungsgegenständen im Sinne des § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL von der Steuer befreit.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10      Im Juli 2002 und im Oktober 2003 erwarb A von einem französischen Hersteller zwei neue Strahlflugzeuge. Der Verkäufer meldete einen innergemeinschaftlichen Verkauf an. A meldete den Erwerb der Flugzeuge nicht als in Finnland erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb an.

11      Die beiden Luftfahrzeuge wurden am 22. Juli 2002 bzw. 23. Juli 2004 in das finnische Luftfahrzeugregister eingetragen, während das „Air Operation Certificate“ (AOC) für sie am 19. November 2002 bzw. 24. Oktober 2004 erteilt wurde. A wurde als Eigentümer der beiden Luftfahrzeuge angegeben und die B Oy (im Folgenden: B) als deren Nutzer. Am 17. Dezember 2003 bzw. 1. April 2005 wurden die Luftfahrzeuge von A an ein in Zypern registriertes Unternehmen weiterverkauft.

12      Sämtliche Anteile an A stehen im Eigentum von X, einer natürlichen Person. A hält 25 % der Anteile an der C Oy (im Folgenden: C). B ist eine 78%ige Tochtergesellschaft von C.

13      B betreibt internationalen Charterflugverkehr und führt die Wartungsarbeiten sowie das operationelle Geschäft mit den Flugzeugen durch. Auf der Grundlage eines zwischen ihr und A geschlossenen Vertrags stellte sie A u. a. die Wartungskosten der Flugzeuge und Flüge in Rechnung. Nach diesem Vertrag war B außerdem berechtigt, die Flugzeuge für ihre eigenen geschäftlichen Zwecke zu dem in der Anlage zum Vertrag genannten Preis zu mieten.

14      Für die Bilanzzeiträume vom 1. Januar bis 31. Dezember 2002 und vom 1. Januar 2003 bis 30. Juni 2004 resultierte der Umsatz von A in Höhe von 925 606,32 Euro bzw. 2 170 503,84 Euro vollständig – mit Ausnahme der Rechnungen an das zyprische Unternehmen im Zusammenhang mit dem Weiterverkauf der Luftfahrzeuge – aus den Buchungen, die auf der Grundlage der X – dem Eigentümer von A – erteilten Verkaufsrechnungen vorgenommen wurden. Bei der Steuerprüfung wurde festgestellt, dass in der Buchhaltung von A keine Erträge aus der Vermietung der Flugzeuge verzeichnet waren.

15      Die mit den Flugzeugen zusammenhängenden Ausgabenbuchungen von A bezogen sich ihrerseits hauptsächlich auf die A von B für die Wartung der Flugzeuge und für Flüge in Rechnung gestellten Beträge. Bei der vorerwähnten Steuerprüfung wurde festgestellt, dass die genannten Beträge im Wesentlichen unverändert auf X abgewälzt worden waren.

16      A war seit 1. Juli 2002 als mehrwertsteuerpflichtig registriert. In ihrer Erklärung über die Beendigung ihrer Tätigkeit vom 14. Juni 2003 gab A an, dass sie keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit habe aufnehmen können. Das Finanzamt Südost-Finnland strich die Gesellschaft rückwirkend zum 1. Juli 2002 aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen.

17      Am 4. November 2005 erließ das genannte Finanzamt Bescheide, mit denen von A wegen des innergemeinschaftlichen Erwerbs der beiden Luftfahrzeuge Mehrwertsteuer nacherhoben wurde. Zugleich wurde festgestellt, dass A keinen Anspruch auf Abzug oder Erstattung des geschuldeten Betrags habe.

18      Die von A gegen die Nacherhebungsbescheide eingelegte Beschwerde wurde vom Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki) mit Beschluss vom 26. Mai 2008 zurückgewiesen. Nach Ansicht dieses Gerichts handelte es sich bei dem Erwerb der beiden Luftfahrzeuge um mehrwertsteuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe, die A der Steuerbehörde nicht angezeigt habe. A sei nicht im entgeltlichen internationalen Flugverkehr im Sinne von § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL tätig gewesen, sondern habe praktisch als Eigentümerin von C, einer im internationalen Handel mit Mineralölerzeugnissen tätigen Gesellschaft, gehandelt. Zudem seien die betreffenden Flugzeuge auch nicht von B im entgeltlichen internationalen Flugverkehr im Sinne von § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL eingesetzt worden. Die getroffene Regelung habe lediglich dazu gedient, den Beförderungsbedarf von X, dem Hauptaktionär dieser Gesellschaften, zu decken.

19      A legte gegen diesen Beschluss Rechtsmittel beim Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) ein. Sie machte geltend, der Erwerb der Luftfahrzeuge müsse von der Mehrwertsteuer befreit werden, weil A sie erworben und ins Register habe eintragen lassen, um sie B zu überlassen, bei der es sich eindeutig um eine Luftfahrtgesellschaft handele, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Flugverkehr tätig sei. B sei nämlich entsprechend einer branchenüblichen Praxis von A gegen Zahlung eines Entgelts damit beauftragt worden, die Luftfahrzeuge stets flugbereit zu halten und ihre gewerbliche Nutzung auf der Grundlage spezieller Verträge zu fördern, während B tatsächlich Dritten Flugzeuge gegen Zahlung eines nach Flugstunden berechneten Entgelts angeboten habe.

20      Die andere Verfahrensbeteiligte räumt hingegen zwar ein, dass B als eine im entgeltlichen internationalen Flugverkehr tätige Luftfahrtgesellschaft anzusehen sei, auch wenn X die einzige entgeltlich beförderte Person sei; sie ist jedoch der Ansicht, dass die streitigen Erwerbe nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden könnten, da A die internationalen Flüge nicht selbst durchgeführt habe, sondern die Flugzeuge von Frankreich nach Finnland habe liefern lassen und sie B unentgeltlich zur Nutzung überlassen habe.

21      In diesem Kontext hat der Korkein hallinto-oikeus beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass unter „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, auch Geschäftsfluggesellschaften fallen, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Charterflugverkehr für den Bedarf von Unternehmen und Privatpersonen tätig sind?

2.      Ist Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Befreiung nur für Lieferungen von Luftfahrzeugen gilt, die unmittelbar an Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, bewirkt werden, oder gilt diese Befreiung auch für die Lieferung von Luftfahrzeugen an Wirtschaftsteilnehmer, die nicht selbst im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, aber ein Luftfahrzeug einem in diesem Bereich tätigen Wirtschaftsteilnehmer zur Nutzung überlassen?

3.      Ist es für die Beantwortung der zweiten Frage von Bedeutung, dass die Eigentümerin der Luftfahrzeuge die Rechnung für die Benutzung der Luftfahrzeuge an eine Privatperson weitergibt, die Anteilseigner der Eigentümerin ist und die erworbenen Luftfahrzeuge hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, wenn man berücksichtigt, dass die Fluggesellschaft die Luftfahrzeuge auch für andere Flüge einsetzen konnte?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

22      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „entgeltlicher internationaler Verkehr“ im Sinne von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er allein den regelmäßigen Linienverkehr erfasst, oder dahin, dass er auch Charterflüge zur Befriedigung der Nachfrage von Unternehmen oder Privatpersonen einschließt.

23      Die Zweifel, die das vorlegende Gericht insoweit hat, sind offenbar auf gewisse Unterschiede zwischen den Sprachfassungen dieses Artikels zurückzuführen. In ihren Erklärungen weist A in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in einigen Sprachfassungen – wie der englischen oder der schwedischen – von „international routes“ oder „internationalen Linien“ die Rede sei und nicht von „internationalem Verkehr“, einem allgemeiner erscheinenden Ausdruck, der in den meisten anderen Sprachfassungen dieser Vorschrift – u. a. in der finnischen – Verwendung finde.

24      Nach ständiger Rechtsprechung sind eventuelle Divergenzen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts bei deren Auslegung grundsätzlich zu berücksichtigen (vgl. u. a. Urteil vom 16. September 2004, Cimber Air, C-382/02, Slg. 2004, I-8379, Randnr. 38).

25      Vorliegend kann jedoch aus den in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils angeführten Nuancen in der Formulierung nicht der Schluss gezogen werden, dass der Unionsgesetzgeber die Absicht hatte, internationale Charterflüge vom Anwendungsbereich der durch Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie geschaffenen Steuerbefreiung auszunehmen.

26      Beschränkt man sich zunächst auf den Wortlaut, so ist festzustellen, dass sich für die in einigen Sprachfassungen enthaltenen Bezeichnungen wie „international routes“ oder „internationale Linien“ nirgendwo in der Sechsten Richtlinie eine Definition findet und dass diese Bezeichnungen – worauf die Europäische Kommission und die finnische Regierung hingewiesen haben – mit keiner Klarstellung einhergehen, die darauf hindeuten würde, dass die betreffenden Flüge „regelmäßigen“ Charakter haben müssen. Unter diesen Umständen können die betreffenden Bezeichnungen – ebenso wie der in den übrigen Sprachfassungen verwendete Ausdruck „internationaler Verkehr“ – so verstanden werden, dass es sich dabei im Wesentlichen um Flüge handeln muss, die mittels eines Luftfahrzeugs zwischen zwei geografischen Punkten durchgeführt werden, die der betreffenden Beförderung eher internationalen als innerstaatlichen Charakter verleihen. Wie der Gerichtshof bereits hervorgehoben hat, bezieht sich Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie im Wesentlichen auf Luftfahrtgesellschaften, deren Tätigkeit hauptsächlich international ist (Urteil Cimber Air, Randnrn. 27 und 28).

27      Im Übrigen sind nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts wie der hier in Rede stehenden nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteile vom 26. Juni 1990, Velker International Oil Company, C-185/89, Slg. 1990, I-2561, Randnr. 17, und vom 22. Dezember 2010, Feltgen und Bacino Charter Company, C-116/10, Slg. 2010, I-14187, Randnr. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Weder aufgrund des Zusammenhangs, in dem Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie steht, noch aufgrund des Zwecks dieser Vorschrift ist es aber geboten, Luftfahrzeuge, die von Gesellschaften genutzt werden, die hauptsächlich internationale Charterflüge durchführen, vom Anwendungsbereich der mit dieser Vorschrift geschaffenen Steuerbefreiung auszunehmen.

29      Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, die Lieferung von Luftfahrzeugen von der Steuer zu befreien, wenn sie hauptsächlich für den internationalen Verkehr verwendet werden sollen, d. h. im Rahmen von Flügen, die den Luftraum mehrerer Staaten sowie gegebenenfalls den internationalen Luftraum berühren.

30      In Anbetracht eines solchen Ziels erscheint es nicht geboten, danach zu unterscheiden, ob die grenzüberschreitende Beförderung mit Luftfahrzeugen im Linien- oder im Charterverkehr erfolgt.

31      Hinsichtlich des Zusammenhangs, in dem Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie steht, ist daran zu erinnern, dass die Steuerbefreiungen nach ständiger Rechtsprechung autonome Begriffe des Unionsrechts darstellen, die im Gesamtzusammenhang des mit der Sechsten Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind (vgl. u. a. Urteil Cimber Air, Randnr. 23, und Urteil vom 18. Oktober 2007, Navicon, C-97/06, Slg. 2007, I-8755, Randnr. 20).

32      Dieses System beruht insbesondere auf dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der es nicht zulässt, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (vgl. u. a. Urteile Cimber Air, Randnr. 24, und Navicon, Randnr. 21). Hierbei muss es sich nicht um identische Umsätze handeln. Denn nach ständiger Rechtsprechung verbietet es der genannte Grundsatz, gleichartige und infolgedessen miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. u. a. Urteil vom 28. Juni 2007, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, C-363/05, Slg. 2007, I-5517, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität schließt die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen ein, die sich aus einer unterschiedlichen Behandlung hinsichtlich der Mehrwertsteuer ergeben. Die Wettbewerbsverzerrung ist daher nachgewiesen, wenn feststeht, dass Dienstleistungen miteinander in Wettbewerb stehen und hinsichtlich der Mehrwertsteuer ungleich behandelt werden (vgl. Urteil JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Beförderungsdienstleistungen, die von Wirtschaftsteilnehmern angeboten werden, die hauptsächlich internationale Flüge durchführen, sind – unabhängig davon, ob es sich um Linien- und/oder Charterflüge handelt – gleichartig und stehen offensichtlich miteinander in Wettbewerb, so dass eine Ungleichbehandlung in Bezug auf die Mehrwertsteuerbefreiung bei Lieferungen von Luftfahrzeugen, die davon abhinge, ob der Wirtschaftsteilnehmer hauptsächlich im internationalen Linienflugverkehr oder hauptsächlich im internationalen Charterflugverkehr tätig ist, die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern hervorrufen würde.

35      In Anbetracht dessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass der Begriff „entgeltlicher internationaler Verkehr“ im Sinne von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er auch internationale Charterflüge zur Befriedigung der Nachfrage von Unternehmen oder Privatpersonen einschließt.

 Zur zweiten Frage

36      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Befreiung für die Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer gilt, der selbst nicht zu den „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, im Sinne dieser Vorschrift gehört, sondern das betreffende Luftfahrzeug zum Zweck der ausschließlichen Nutzung durch eine solche Gesellschaft erwirbt.

37      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass in der finnischen Sprachfassung von Art. 15 Nr. 6 von der Lieferung von Luftfahrzeugen „an“ Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, die Rede ist.

38      In den meisten anderen Sprachfassungen dieser Vorschrift ist jedoch von der Lieferung von Luftfahrzeugen die Rede, die „von“ solchen Gesellschaften verwendet werden.

39      Wie bereits in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sind bei der Auslegung dieser Vorschrift grundsätzlich die herausgearbeiteten sprachlichen Unterschiede zu berücksichtigen.

40      Sodann ist festzustellen, dass der Wortlaut der meisten Sprachfassungen von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie, in denen der Schwerpunkt nicht auf die Person des Empfängers der Lieferung oder des Eigentümers des Luftfahrzeugs gelegt wird, sondern darauf, dass die Luftfahrzeuge, die Gegenstand der Lieferung sind, „von“ einer hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätigen Luftfahrtgesellschaft verwendet werden müssen, als solcher nicht dazu führt, Lieferungen von Luftfahrzeugen an einen Wirtschaftsteilnehmer, der sie ausschließlich zum Zweck ihrer Verwendung durch eine solche Gesellschaft – z. B. im Rahmen eines Leasinggeschäfts – erwirbt, von der mit der genannten Bestimmung geschaffenen Steuerbefreiung auszunehmen.

41      Schließlich sind – wie bereits in Randnr. 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt – bei der Auslegung von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie nicht nur der Wortlaut dieser Vorschrift, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die sie verfolgt, zu berücksichtigen.

42      Was erstens das verfolgte Ziel betrifft, ist in Randnr. 29 des vorliegenden Urteils bereits darauf hingewiesen worden, dass es darin besteht, die Lieferung von Luftfahrzeugen von der Mehrwertsteuer zu befreien, sofern sie hauptsächlich dazu bestimmt sind, für die internationale Beförderung verwendet zu werden, d. h. im Rahmen von Flügen, die den Luftraum mehrerer Staaten sowie gegebenenfalls den internationalen Luftraum berühren.

43      Ein derartiges Ziel führt zu einer Auslegung von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie, wonach die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung bei der Lieferung eines Luftfahrzeugs zur Voraussetzung hat, dass das betreffende Luftfahrzeug von einer Gesellschaft verwendet werden soll, deren Tätigkeiten in der Hauptsache im entgeltlichen internationalen Verkehr stattfinden, ohne dass es auf die Person des eigentlichen Erwerbers ankommt.

44      Hinsichtlich des letztgenannten Gesichtspunkts ist im Gegenteil zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung des Erwerbers eines Luftfahrzeugs, auf dessen Erwerb Mehrwertsteuer zu entrichten, obwohl er nur zu dem Zweck stattfindet, dass das Luftfahrzeug von einer hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätigen Gesellschaft verwendet wird, insbesondere eine Erhöhung des von der letztgenannten Gesellschaft für die Möglichkeit der Nutzung des Luftfahrzeuges zu zahlenden Preises nach sich ziehen und insofern dem erwähnten Ziel schaden könnte. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, dass der Erwerber des Luftfahrzeugs, der auf dessen Kaufpreis Mehrwertsteuer entrichten muss, die durch das Erfordernis der Entrichtung von Mehrwertsteuer entstehenden Kosten im Allgemeinen ganz oder teilweise auf die Gesellschaft abwälzen wird, die das Luftfahrzeug verwendet.

45      In einem solchen Fall ändert nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 38 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, auch der Umstand, dass der Erwerber des Luftfahrzeugs die Mehrwertsteuer gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt unter den in der Sechsten Richtlinie festgelegten Voraussetzungen abziehen oder erstattet bekommen kann, nichts daran, dass er zwischenzeitlich die Finanzierungskosten für den Liquiditätsabfluss infolge der Entrichtung der Mehrwertsteuer tragen muss, deren Betrag im konkreten Fall besonders hoch ausfallen kann.

46      Folglich treffen die fehlende Befreiung von der Mehrwertsteuer auf die Lieferung des Luftfahrzeugs und die Entrichtung dieser Steuer durch den Erwerber im dargelegten Umfang mittelbar die Gesellschaft, die das Luftfahrzeug verwendet.

47      Zweitens ist zu dem Zusammenhang, in dem Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie steht, in Randnr. 31 des vorliegenden Urteils bereits darauf hingewiesen worden, dass die durch diese Vorschrift geschaffenen Steuerbefreiungen autonome Begriffe des Unionsrechts darstellen, die im Gesamtzusammenhang des mit der Sechsten Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind.

48      Dieses System beruht insbesondere auf zwei Grundsätzen. Zum einen wird die Mehrwertsteuer auf jede Dienstleistung und jede Lieferung von Gegenständen erhoben, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt ausführt. Zum anderen steht der Grundsatz der steuerlichen Neutralität – wie in den Randnrn. 32 und 33 des vorliegenden Urteils ausgeführt – insbesondere einer unterschiedlichen mehrwertsteuerlichen Behandlung gleichartiger Tätigkeiten, die folglich miteinander in Wettbewerb stehen, entgegen.

49      Zwar müssen die in Art. 15 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen nach ständiger Rechtsprechung in Anbetracht dieser Grundsätze eng ausgelegt werden, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass die Mehrwertsteuer auf jede Dienstleistung und jede Lieferung von Gegenständen erhoben wird, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt ausführt (vgl. u. a. Urteile Velker International Oil Company, Randnr. 19, Cimber Air, Randnr. 25, vom 14. September 2006, Elmeka, C-181/04 bis C-183/04, Slg. 2006, I-8167, Randnr. 15, Navicon, Randnr. 22, sowie Feltgen und Bacino Charter Company, Randnr. 19); diese Regel einer engen Auslegung bedeutet aber nicht, dass die zur Definition dieser Steuerbefreiungen verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre praktische Wirkung nähme (vgl. u. a. Urteil Navicon, Randnr. 22).

50      Vorliegend soll – wie bereits ausgeführt – durch Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie, wie sich aus seinem Wortlaut im Licht der mit ihm verfolgten Ziele ergibt, zum einen der Erwerb von Luftfahrzeugen von der Mehrwertsteuer befreit werden, wenn sie dazu bestimmt sind, von einer Gesellschaft verwendet zu werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig ist.

51      Zum anderen ist nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich, dass die Auslegung, wonach die in Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung auch auf die Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer anzuwenden ist, der nicht zu den „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, im Sinne dieser Vorschrift gehört, sondern das Luftfahrzeug allein zum Zweck seiner Verwendung durch eine solche Gesellschaft erwirbt, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beeinträchtigen könnte.

52      Dagegen lässt sich – wie der Generalanwalt in Nr. 40 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – nicht von vornherein ausschließen, dass die gegenteilige Auslegung unter bestimmten Umständen zu einer solchen Beeinträchtigung führen könnte.

53      Im Übrigen könnte zwar der Eindruck entstehen, dass die in Randnr. 51 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung in gewissem Umfang von der Auslegung der in Art. 15 Nrn. 4 und 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen der Umsätze im Zusammenhang mit der Versorgung von Seeschiffen und der für deren unmittelbaren Bedarf bestimmten Dienstleistungen durch den Gerichtshof (vgl. Urteile Velker International Oil Company, Randnrn. 21 und 22, und Elmeka, Randnrn. 22 und 24) abweicht, doch ist hierzu festzustellen, dass eine Übertragung der in den genannten Urteilen gewählten Lösung auf die Auslegung von Art 15 Nr. 6 nicht geboten ist.

54      Wie sich nämlich insbesondere aus den Randnrn. 23 bis 25 des Urteils Elmeka ergibt, hat der Gerichtshof in den erwähnten Urteilen eine Erstreckung der in Art. 15 Nrn. 4 und 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung auf die Stufen vor der Handelsstufe, auf der die abschließende Lieferung von Gegenständen oder die abschließende Erbringung von Dienstleistungen unmittelbar an den Betreiber des Schiffes erfolgt, namentlich aufgrund der Erwägung abgelehnt, dass eine solche Erstreckung von den Staaten verlangt hätte, Kontroll- und Überwachungsmechanismen einzuführen, um sich der endgültigen Bestimmung der fraglichen Gegenstände oder Dienstleistungen zu vergewissern. Solche Mechanismen hätten für diese Staaten und für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer Zwänge geschaffen, die mit der von Art. 15 Satz 1 der Sechsten Richtlinie geforderten „korrekten und einfachen Anwendung der … Befreiungen“ unvereinbar wären (vgl. auch Urteil Velker International Oil Company, Randnr. 24).

55      Solche Erwägungen lassen sich jedoch – wie der Generalanwalt in den Nrn. 44 bis 46 seiner Schlussanträge festgestellt hat – nicht auf die Befreiung der Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer übertragen, das dieser ausschließlich zur Verwendung durch eine hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätige Gesellschaft bestimmt hat.

56      Da in einem derartigen Fall die Steuerbefreiung davon abhängt, dass die fragliche Bestimmung ab dem Zeitpunkt des Erwerbs des Luftfahrzeugs bekannt und ordnungsgemäß belegt ist und dass die tatsächliche Verwendung des betreffenden Luftfahrzeugs durch eine solche Gesellschaft anschließend überprüft wird, können sich nämlich in Anbetracht der Art des hier in Rede stehenden Gegenstands und insbesondere der Registrierungs- und Zulassungsverfahren, denen seine Nutzung unterliegt, für die Staaten und die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer keine Zwänge ergeben, die mit der von der Sechsten Richtlinie geforderten korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen unvereinbar wären.

57      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Befreiung auch für die Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer gilt, der selbst nicht zu den „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, im Sinne dieser Vorschrift gehört, sondern das betreffende Luftfahrzeug zum Zweck der ausschließlichen Nutzung durch eine solche Gesellschaft erwirbt.

 Zur dritten Frage

58      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Antwort auf die zweite Frage durch den Umstand beeinflusst werden kann, dass der Wirtschaftsteilnehmer, der das Luftfahrzeug erworben hat, die Kosten für dessen Verwendung auf eine Privatperson abwälzt, die sein Anteilseigner ist und die dieses Luftfahrzeug hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, wenn berücksichtigt wird, dass die Luftfahrtgesellschaft auch die Möglichkeit hat, das Luftfahrzeug für andere Flüge einzusetzen.

59      Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach der Antwort auf die zweite Frage das einzige Kriterium, anhand dessen sich bestimmen lässt, ob die in Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung anwendbar ist, in der Feststellung besteht, dass das betreffende Luftfahrzeug von einer hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Luftverkehr tätigen Luftfahrtgesellschaft verwendet wird, wobei dies vom nationalen Gericht zu prüfen ist.

60      In diesem Rahmen sind die vom vorlegenden Gericht in seiner dritten Frage erwähnten Umstände folglich für die Beantwortung der zweiten Frage von vornherein unerheblich, sofern der Erwerber nachweisen kann, dass das genannte Kriterium erfüllt ist.

61      Gelangt das nationale Gericht hingegen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Ausgangsverfahrens zu der Ansicht, dass die Luftfahrzeuge nicht dazu bestimmt sind, von der Luftfahrtgesellschaft im internationalen Verkehr wirtschaftlich genutzt zu werden, könnte Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie keine Anwendung finden.

62      Zudem kann – wie insbesondere die finnische Regierung in ihren Erklärungen hervorgehoben hat – nach ständiger Rechtsprechung die Anwendung des Unionsrechts nicht so weit gehen, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern, d. h. Umsätze, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss im Unionsrecht vorgesehener Vorteile zu kommen, gedeckt werden, und ein solches grundsätzliches Verbot missbräuchlicher Praktiken gilt auch für den Bereich der Mehrwertsteuer (vgl. u. a. Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Randnrn. 69 und 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Nach diesem Grundsatz sind somit rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen verboten, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erhalten (Urteil vom 22. Mai 2008, Ampliscientifica und Amplifin, C-162/07, Slg. 2008, I-4019, Randnr. 28).

64      Daher kann im Rahmen der Auslegung der Sechsten Richtlinie vom Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis ausgegangen werden, wenn zum einen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen Rechts zur Erlangung eines Steuervorteils führen, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen aufgrund einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass das wesentliche Ziel der fraglichen Umsätze in der Erlangung eines solchen Steuervorteils besteht (vgl. Urteil Halifax u. a., Randnrn. 74 und 75, und Urteil vom 21. Februar 2008, Part Service, C-425/06, Slg. 2008, I-897, Randnr. 42).

65      Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand der Beweisregeln des nationalen Rechts – soweit dadurch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigt wird – zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens im Ausgangsverfahren möglicherweise erfüllt sind (vgl. Urteil Halifax u. a., Randnr. 76).

66      Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass die vom vorlegenden Gericht genannten Umstände – die Tatsache, dass der Erwerber des Luftfahrzeugs die Kosten für dessen Benutzung auf eine Privatperson abwälzt, die sein Anteilseigner ist und die dieses Luftfahrzeug hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, wobei die Luftfahrtgesellschaft auch die Möglichkeit hat, es für andere Flüge einzusetzen – nicht geeignet sind, die Antwort auf die zweite Frage zu ändern.

 Kosten

67      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Der Begriff „entgeltlicher internationaler Verkehr“ im Sinne von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er auch internationale Charterflüge zur Befriedigung der Nachfrage von Unternehmen oder Privatpersonen einschließt.

2.      Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 92/111 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Befreiung auch für die Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer gilt, der selbst nicht zu den „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, im Sinne dieser Vorschrift gehört, sondern das betreffende Luftfahrzeug zum Zweck der ausschließlichen Nutzung durch eine solche Gesellschaft erwirbt.

3.      Die vom vorlegenden Gericht genannten Umstände – die Tatsache, dass der Erwerber des Luftfahrzeugs die Kosten für dessen Benutzung auf eine Privatperson abwälzt, die sein Anteilseigner ist und die dieses Luftfahrzeug hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, wobei die Luftfahrtgesellschaft auch die Möglichkeit hat, es für andere Flüge einzusetzen – sind nicht geeignet, die Antwort auf die zweite Frage zu ändern.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Finnisch.