URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
18. Juli 2013(*)
„Richtlinie 2006/112/EG – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Lieferung von Gegenständen – Begriff – Recht zum Vorsteuerabzug – Versagung – Tatsächliche Vornahme einer steuerbaren Transaktion – Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 – System zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern – Ohrmarken“
In der Rechtssache C-78/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Sofia-grad (Bulgarien) mit Entscheidung vom 6. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Februar 2012, in dem Verfahren
„Evita-K“ EOOD
gegen
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto“ – Sofia pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter G. Arestis, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der „Evita-K“ EOOD, vertreten durch A. Kashkina,
– des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto“ – Sofia pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, vertreten durch A. Georgiev als Bevollmächtigten,
– der bulgarischen Regierung, vertreten durch Y. Atanasov als Bevollmächtigten,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und D. Roussanov als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 1, Art. 178 Buchst. a, Art. 185 Abs. 1, Art. 226 Nr. 6 und Art. 242 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Evita-K“ EOOD (im Folgenden: Evita-K) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto“ – Sofia pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Vollzugsverwaltung“ Sofia bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen, im Folgenden: Direktor) wegen der Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug in Form einer Steuergutschrift im Zusammenhang mit Rechnungen über die Lieferung von Schlachtkälbern.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Richtlinie 2006/112
3 Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112 unterliegen die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer.
4 Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Als ‚Lieferung von Gegenständen‘ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“
5 Art. 168 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,
…“
6 In Art. 178 der genannten Richtlinie heißt es:
„Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige die folgenden Voraussetzungen erfüllen:
a) für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferungen von Gegenständen und [das] Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß den Artikeln 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 ausgestellte Rechnung besitzen;
…“
7 Nach Art. 184 der Richtlinie 2006/112 wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.
8 Art. 185 dieser Richtlinie lautet:
„(1) Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.
(2) Abweichend von Absatz 1 unterbleibt die Berichtigung bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung, Verlust oder Diebstahl sowie bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und Warenmuster im Sinne des Artikels 16.
Bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen.“
9 Gemäß Art. 186 der Richtlinie 2006/112 legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten für die Anwendung der Art. 184 und 185 dieser Richtlinie fest.
10 Art. 220 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:
„Jeder Steuerpflichtige stellt in folgenden Fällen eine Rechnung entweder selbst aus oder trägt dafür Sorge, dass eine Rechnung vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder in seinem Namen und für seine Rechnung von einem Dritten ausgestellt wird:
1. Er liefert Gegenstände oder erbringt Dienstleistungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person;
…“
11 In Art. 226 der Richtlinie 2006/112 heißt es:
„Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:
…
6. Menge und Art der gelieferten Gegenstände beziehungsweise Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen;
…“
12 Art. 242 dieser Richtlinie bestimmt:
„Jeder Steuerpflichtige hat Aufzeichnungen zu führen, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und ihre Kontrolle durch die Steuerverwaltung ermöglichen.“
13 Art. 273 der genannten Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten können vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.
Die Möglichkeit nach Absatz 1 darf nicht dazu genutzt werden, zusätzlich zu den in Kapitel 3 genannten Pflichten weitere Pflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung festzulegen.“
Die Verordnung (EG) Nr. 1760/2000
14 Im zwölften Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates (ABl. L 204, S. 1) in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1760/2000) heißt es:
„Die geltenden Vorschriften für die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern wurden durch die Richtlinie 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992 über die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren [(ABl. L 355, S. 32)] und durch die Verordnung (EG) Nr. 820/97 [des Rates vom 21. April 1997 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (ABl. L 117, S. 1)] festgelegt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Durchführung der Richtlinie 92/102/EWG in Bezug auf Rinder nicht ganz zufriedenstellend war und noch verbessert werden muss. Es ist daher erforderlich, zur Erweiterung der Vorschriften der genannten Richtlinie eine Verordnung speziell für Rinder zu erlassen.“
15 In Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1760/2000 ist vorgesehen, dass jeder Mitgliedstaat ein System zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern nach Maßgabe des Titels I dieser Verordnung schafft.
16 Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:
„Das System zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern beruht auf folgenden Elementen:
a) Ohrmarken zur Einzelkennzeichnung von Tieren,
b) elektronischen Datenbanken,
c) Tierpässen,
d) Einzelregistern in jedem Betrieb.“
17 Art. 4 der Verordnung Nr. 1760/2000 bestimmt:
„(1) Alle Tiere eines Betriebs, die nach dem 31. Dezember 1997 geboren sind oder nach diesem Datum für den innergemeinschaftlichen Handel bestimmt worden sind, werden mit von der zuständigen Behörde zugelassenen Ohrmarken in beiden Ohren gekennzeichnet. … Alle Tiere eines Betriebs in Bulgarien oder Rumänien, die bis zum Tag des Beitritts geboren werden oder nach diesem Tag für den innergemeinschaftlichen Handel bestimmt sind, sind mit von der zuständigen Behörde zugelassenen Ohrmarken an beiden Ohren zu kennzeichnen. Beide Ohrmarken sind mit einem einheitlich gestalteten Kenncode versehen, mit dem die einzelnen Tiere und ihre Geburtsbetriebe identifiziert werden können. …
…
(2) Die Ohrmarke wird innerhalb einer von dem betreffenden Mitgliedstaat festzusetzenden Frist nach der Geburt des Tieres angebracht, in jedem Fall jedoch, bevor das Tier seinen Geburtsbetrieb verlässt. …
…“
Die Verordnung (EG) Nr. 1725/2003
18 Mit der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission vom 29. September 2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 261, S. 1) ist der internationale Rechnungslegungsstandard IAS 41 „Landwirtschaft“ (im Folgenden: IAS 41), wie er im Anhang dieser Verordnung aufgeführt ist, übernommen worden.
19 Die Zielsetzung dieses Standards ist die Regelung der Bilanzierung, der Darstellung im Abschluss und der Angabepflichten für landwirtschaftliche Tätigkeit.
20 Die Paragrafen 10 und 11 des IAS 41 lauten:
„10. Ein Unternehmen hat biologische Vermögenswerte und landwirtschaftliche Erzeugnisse dann, und nur dann, anzusetzen, wenn:
a) das Unternehmen den Vermögenswert auf Grund von Ereignissen der Vergangenheit kontrolliert; und
b) es … wahrscheinlich [ist], dass ein mit dem Vermögenswert verbundener künftiger wirtschaftlicher Nutzen dem Unternehmen zufließen wird; und
c) der beizulegende Zeitwert oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermögenswertes verlässlich bewertet werden können.
11. Bei der landwirtschaftlichen Tätigkeit kann die Kontrolle beispielsweise durch das rechtliche Eigentum an einem Rind durch das Brandzeichen oder eine andere Markierung bei Erwerb, Geburt oder Entwöhnung des Kalbes von der Mutterkuh bewiesen werden. Der künftige Nutzen wird gewöhnlich durch die Bewertung der wesentlichen körperlichen Eigenschaften ermittelt.“
Bulgarisches Recht
21 Nach Art. 70 Abs. 5 des Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (DV Nr. 63 vom 4. August 2006, im Folgenden: ZDDS) besteht kein Recht auf Vorsteuerabzug, wenn die Mehrwertsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
22 Evita-K ist eine Gesellschaft bulgarischen Rechts, deren Hauptgeschäftstätigkeit der Tierhandel ist.
23 Sie legte neun von der „Ekspertis-7“ EOOD (im Folgenden: „Ekspertis-7“) in den Monaten September und Oktober 2007 ausgestellte Rechnungen über die Lieferung von Schlachtkälbern vor, um hinsichtlich dieser Rechnungen einen Vorsteuerabzug in Form einer Steuergutschrift zu erlangen.
24 Evita-K gab ferner an, in den genannten Monaten lebende Kälber nach Albanien ausgeführt zu haben; sie belegte deren Ankauf mit den erwähnten Rechnungen und legte Zollanmeldungen, Veterinärzeugnisse, in denen die Ohrmarken der Tiere aufgeführt waren, sowie tierärztliche Bescheinigungen für den Transport der Tiere im Inland vor.
25 Als Beleg für den Erwerb der in Rede stehenden Tiere legte Evita-K außer den neun von Ekspertis-7 ausgestellten Rechnungen Gewichtsbescheinigungen, Bankauszüge über die Bezahlung dieser Rechnungen und den mit Ekspertis-7 geschlossenen Vertrag über die Lieferung von Kälbern vor.
26 Bei Evita-K wurde eine Steuerprüfung für die Monate September und Oktober 2007 durchgeführt. Bei dieser Gelegenheit ersuchten die bulgarischen Steuerbehörden Ekspertis-7 um Informationen zu den Lieferungen, die sie Evita-K in Rechnung gestellt hatte.
27 Da die von Ekspertis-7 gegebenen Antworten nach Ansicht der Steuerbehörden einige Mängel erkennen ließen, die die Buchführung von Ekspertis-7 und die Erfüllung der veterinärrechtlichen Formalitäten durch diese Gesellschaft – u. a. hinsichtlich der Nachweise über das Eigentum an den Tieren und deren Ohrmarken – betrafen, nahmen die Steuerbehörden an, dass nicht nachgewiesen sei, dass die betreffenden Lieferungen tatsächlich bewirkt worden seien, und demzufolge Evita-K hinsichtlich dieser Lieferungen kein Recht auf Vorsteuerabzug habe geltend machen können.
28 Die bulgarischen Steuerbehörden versagten daher mit Steuerbescheid vom 26. November 2009 Evita-K das Recht, im Zusammenhang mit den von Ekspertis-7 ausgestellten Rechnungen die Vorsteuer in Form einer Steuergutschrift abzuziehen.
29 Evita-K legte gegen den Bescheid über die Versagung des Vorsteuerabzugs eine Verwaltungsbeschwerde beim Direktor ein, der den Bescheid jedoch mit Entscheidung vom 29. April 2010 bestätigte.
30 Daraufhin erhob Evita-K beim vorlegenden Gericht Klage gegen den Steuerbescheid vom 26. November 2009. Dort vertrat sie u. a. die Auffassung, dass die von ihr vorgelegten Belege zum Beweis dafür, dass die von Ekspertis-7 in Rechnung gestellten Lieferungen tatsächlich bewirkt worden seien, ausreichten, dass sie – unbeschadet eventueller von Ekspertis-7 begangener Unregelmäßigkeiten – nach bulgarischem Recht als gutgläubige Erwerberin anzusehen sei und dass die Frage des Vorsteuerabzugs von der Frage nach dem Eigentum und der Herkunft der erworbenen Gegenstände unabhängig sei.
31 Unter diesen Umständen hat der Administrativen sad Sofia-grad beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 in Verbindung mit Art. 345 AEUV dahin auszulegen, dass er es unter den Umständen des Ausgangsverfahrens zulässt, dass der Empfänger einer Lieferung das Recht zur Verfügung über Gegenstände (bewegliche Sachen, die nur ihrer Gattung nach bestimmt sind) erwirbt, indem er das Eigentum an diesen Gegenständen durch gegen Entgelt erlangten gutgläubigen Besitz von einem Nichteigentümer erwirbt, was nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaats zulässig ist, wobei zu berücksichtigen ist, dass nach diesem Recht das Eigentumsrecht an solchen Sachen durch ihre Übergabe übertragen wird?
2. Setzt der Nachweis der Bewirkung einer „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 hinsichtlich einer konkreten Rechnung im Zusammenhang mit der Ausübung des Rechts nach Art. 178 Buchst. a der Richtlinie auf Abzug der in dieser Rechnung ausgewiesenen, tatsächlich gezahlten Steuer voraus, dass der Empfänger der Lieferung die Eigentumsrechte des Lieferers nachweist, wenn die Lieferung bewegliche, ihrer Gattung nach bestimmte Sachen zum Gegenstand hat und das Eigentumsrecht an ihnen nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaats durch ihre Übergabe übertragen wird, wobei nach diesem Recht auch der Erwerb des Eigentumsrechts an solchen Sachen von einem Nichteigentümer durch gegen Entgelt erlangten gutgläubigen Besitz zulässig ist?
Ist eine „Lieferung von Gegenständen“ für die Zwecke des Vorsteuerabzugs im Sinne der Richtlinie als bewiesen anzusehen, wenn der Empfänger unter den Umständen des Ausgangsverfahrens eine nachfolgende Lieferung derselben Gegenstände (kennzeichnungspflichtige Tiere) durch Ausfuhr unter Abgabe einer Zollanmeldung bewirkt hat und keine Beweise für Rechte Dritter an diesen Gegenständen vorliegen?
3. Ist für die Zwecke des Nachweises der Bewirkung einer „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 hinsichtlich einer konkreten Rechnung in Zusammenhang mit der Ausübung des Rechts nach Art. 178 Buchst. a der Richtlinie auf Abzug der in dieser Rechnung ausgewiesenen, tatsächlich gezahlten Steuer davon auszugehen, dass der Lieferer und der Empfänger, die keine landwirtschaftlichen Erzeuger sind, bösgläubig sind, wenn beim Erhalt der Gegenstände kein Dokument vom Voreigentümer beigebracht wurde, in dem die Ohrmarken der Tiere gemäß den Anforderungen der veterinärmedizinischen Rechtsvorschriften der Europäischen Union angegeben sind, und die Ohrmarken der Tiere nicht in dem veterinärmedizinischen Zeugnis angegeben sind, das von einer Verwaltungsstelle ausgestellt wurde und die Tiere bei ihrem Transport zur Bewirkung der konkreten Lieferung begleitet?
Wenn der Lieferer und der Empfänger eigenständig Auflistungen der Ohrmarken der an sie gelieferten Tiere vorgenommen haben, ist dann davon auszugehen, dass sie die Anforderungen der genannten veterinärmedizinischen Rechtsvorschriften der Union erfüllt haben, falls die Verwaltungsstelle in dem veterinärmedizinischen Zeugnis, das die Tiere bei ihrer Lieferung begleitet, nicht die Ohrmarken der Tiere angegeben hat?
4. Sind der Lieferer und der Empfänger des Ausgangsverfahrens, die keine landwirtschaftlichen Erzeuger sind, nach Art. 242 der Richtlinie 2006/112 verpflichtet, den Gegenstand der Lieferung (kennzeichnungspflichtige Tiere bzw. „biologische Vermögenswerte“) unter Anwendung des IAS 41 in ihrer Buchführung auszuweisen und die Kontrolle der Vermögenswerte gemäß diesem Standard zu beweisen?
5. Ist nach Art. 226 Nr. 6 der Richtlinie 2006/112 erforderlich, dass in Mehrwertsteuerrechnungen wie den im Ausgangsverfahren streitigen auch die Ohrmarken der Tiere, die nach den veterinärmedizinischen Rechtsvorschriften der Union kennzeichnungspflichtig und Gegenstand der Lieferung sind, angegeben werden, wenn das nationale Recht des Mitgliedstaats für die Übertragung des Eigentumsrechts an solchen Tieren nicht ausdrücklich ein derartiges Erfordernis vorsieht und die an der Lieferung Beteiligten keine landwirtschaftlichen Erzeuger sind?
6. Ist es nach Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 zulässig, auf der Grundlage einer nationalen Bestimmung wie der des Ausgangsverfahrens den Vorsteuerabzug wegen der Schlussfolgerung zu berichtigen, dass das Eigentumsrecht des Lieferers der Gegenstände, die Inhalt der Lieferung sind, nicht bewiesen wurde, wenn die Lieferung von keinem der an ihr Beteiligten rückgängig gemacht wurde, der Empfänger eine nachfolgende Lieferung derselben Gegenstände bewirkt hat, keine Beweise für geltend gemachte Rechte Dritter an diesen Gegenständen (kennzeichnungspflichtige Tiere) vorliegen, keine Bösgläubigkeit des Empfängers der Lieferung behauptet wird und das Eigentumsrecht an solchen nur ihrer Gattung nach bestimmten Gegenständen nach nationalem Recht durch ihre Übergabe übertragen wird?
Zu den Vorlagefragen
Zu den Fragen 1 bis 3
32 Mit seinen Fragen 1 bis 3 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen sind, dass der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ und der Nachweis der tatsächlichen Bewirkung einer solchen Lieferung im Zusammenhang mit der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfordern, dass das Eigentum des Lieferanten der betreffenden Gegenstände an diesen förmlich festgestellt wird oder ob der Erwerb des Eigentums an diesen Gegenständen durch gutgläubigen Besitz insoweit ausreicht.
33 Nach ständiger Rechtsprechung bezieht sich der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 nicht auf die Eigentumsübertragung in den im anwendbaren nationalen Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. Urteile vom 8. Februar 1990, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, C-320/88, Slg. 1990, I-285, Randnr. 7, vom 14. Juli 2005, British American Tobacco und Newman Shipping, C-435/03, Slg. 2005, I-7077, Randnr. 35, und vom 3. Juni 2010, De Fruytier, C-237/09, Slg. 2010, I-4985, Randnr. 24).
34 In diesem Zusammenhang ist es Sache des nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall anhand des gegebenen Sachverhalts festzustellen, ob die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist (vgl. Urteil Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Randnr. 13).
35 Demzufolge kann eine Transaktion als eine „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 eingestuft werden, wenn mit dieser Transaktion ein Steuerpflichtiger die Übertragung eines körperlichen Gegenstands vornimmt, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer, ohne dass die Form des Eigentumserwerbs an dem betreffenden Gegenstand insoweit von Bedeutung ist.
36 Ebenso wenig kann der Nachweis der tatsächlichen Bewirkung einer solchen Lieferung von Gegenständen, die Voraussetzung für das Bestehen eines Rechts auf Vorsteuerabzug ist, von der Art des Eigentumserwerbs an den betreffenden Gegenständen abhängen.
37 Soweit aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass die bulgarischen Steuerbehörden Evita-K das Recht, im Zusammenhang mit den Lieferungen der in Rede stehenden Gegenstände die Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung versagt haben, dass die tatsächliche Bewirkung dieser Lieferungen nicht feststehe, und Evita-K dem entgegenhält, dass die Lieferungen bewirkt worden seien, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass derjenige, der einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nachweisen muss, dass er die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Urteil vom 26. September 1996, Enkler, C-230/94, Slg. 1996, I-4517, Randnr. 24), und es weiter Sache des vorlegenden Gerichts ist, gemäß den nationalen Beweisführungsregeln alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des Ausgangsrechtsstreits umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob Evita-K unter Berufung auf diese Lieferungen von Gegenständen ein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. September 2012, Mecsek-Gabona, C-273/11, Randnr. 53, vom 6. Dezember 2012, Bonik, C-285/11, Randnr. 32, und vom 31. Januar 2013, LVK – 56, C-643/11, Randnr. 57).
38 Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung kann das vorlegende Gericht sowohl Gesichtspunkte berücksichtigen, die sich auf Transaktionen beziehen, die den im Ausgangsverfahren streitigen Transaktionen vorausgingen oder nachfolgten, als auch mit den streitigen Transaktionen selbst zusammenhängende Dokumente, wie etwa für den Transport oder die Ausfuhr der Tiere ausgestellte Zeugnisse oder Bescheinigungen.
39 In diesem Zusammenhang haben die nationalen Behörden und Gerichte die Inanspruchnahme des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkte feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (vgl. Urteile vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling, C-439/04 und C-440/04, Slg. 2006, I-6161, Randnr. 55, vom 21. Juni 2012, Mahagében und Dávid, C-80/11 und C-142/11, Randnr. 42, Bonik, Randnr. 37, und LVK – 56, Randnr. 59).
40 Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist (vgl. Urteil Bonik, Randnrn. 38 und 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Hingegen ist es mit der Vorsteuerabzugsregelung der Richtlinie 2006/112 nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausging oder nachfolgte, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung dieses Rechts mit einer Sanktion zu belegen (vgl. Urteile vom 12. Januar 2006, Optigen u. a., C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Slg. 2006, I-483, Randnrn. 52 und 55, Kittel und Recolta Recycling, Randnrn. 45, 46 und 60, Mahagében und Dávid, Randnr. 47, Bonik, Randnr. 41, und LVK – 56, Randnr. 60).
42 Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Steuerverwaltung nicht generell verlangen kann, dass der Steuerpflichtige, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, prüft, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Steuerpflichtiger ist, ob er über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnte und ob er seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und der Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorgelagerten Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder aber dass er über entsprechende Unterlagen verfügt (vgl. Urteile Mahagében und Dávid, Randnr. 61, sowie LVK – 56, Randnr. 61). Auch kann die Steuerverwaltung von dem betreffenden Steuerpflichtigen nicht die Vorlage von Dokumenten verlangen, die von dem Rechnungsaussteller stammen und in denen die Ohrmarken der Tiere genannt werden, für die das mit der Verordnung Nr. 1760/2000 geschaffene System zur Kennzeichnung und Registrierung gilt.
43 Unter diesen Umständen ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass die Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ im Zusammenhang mit der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Sinne dieser Richtlinie und der Nachweis der tatsächlichen Bewirkung einer solchen Lieferung nicht an die Form des Erwerbs des Eigentumsrechts an den betreffenden Gegenständen gebunden sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, gemäß den nationalen Beweisführungsregeln alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren streitigen Lieferungen von Gegenständen tatsächlich bewirkt worden sind und ob, gegebenenfalls, unter Berufung auf diese Lieferungen ein Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt werden kann.
Zur vierten Frage
44 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 242 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er Steuerpflichtige, die keine landwirtschaftlichen Erzeuger sind, verpflichtet, in ihrer Buchführung den Gegenstand der von ihnen bewirkten Lieferungen auszuweisen, sofern es sich um Tiere handelt, und zu beweisen, dass diese Tiere gemäß dem IAS 41 kontrolliert worden sind.
45 Insofern genügt die Feststellung, dass der genannte Art. 242 den Steuerpflichtigen nicht vorschreibt, den IAS 41 zu beachten, sondern von ihnen nur verlangt, Aufzeichnungen zu führen, die so ausführlich sind, dass sie die Erhebung der Mehrwertsteuer und die Überprüfung durch die Steuerverwaltung ermöglichen.
46 Folglich ist der Umstand, dass sich in der Buchführung von Ekspertis-7 und Evita-K Angaben finden, die nicht im Einklang mit dem IAS 41 sind, für die Zwecke der Mehrwertsteuer unmaßgeblich, sofern diese Angaben hinreichend ausführlich im Sinne von Art. 242 der Richtlinie 2006/112 sind.
47 Unter diesen Umständen ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 242 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er Steuerpflichtige, die keine landwirtschaftlichen Erzeuger sind, nicht verpflichtet, in ihrer Buchführung den Gegenstand der von ihnen bewirkten Lieferungen, wenn es sich dabei um Tiere handelt, auszuweisen und den Beweis dafür zu erbringen, dass diese Tiere gemäß dem IAS 41 kontrolliert worden sind.
Zur fünften Frage
48 Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 266 Nr. 6 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er einen Steuerpflichtigen, der die Lieferungen von Gegenständen bewirkt, bei denen es sich um Tiere handelt, für die das mit der Verordnung Nr. 1760/2000 geschaffene System zur Kennzeichnung und Registrierung gilt, verpflichtet, die Ohrmarken dieser Tiere in den diese Lieferungen betreffenden Rechnungen anzugeben.
49 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 die Ausübung des in Art. 168 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehenen Rechts auf Vorsteuerabzug vom Besitz einer Rechnung abhängig macht. Nach Art. 220 Nr. 1 dieser Richtlinie muss für jede Lieferung eines Gegenstands oder Erbringung einer Dienstleistung durch einen Steuerpflichtigen an einen anderen Steuerpflichtigen eine Rechnung ausgestellt werden (vgl. Urteile vom 15. Juli 2010, Pannon Gép Centrum, C-368/09, Slg. 2010, I-7467, Randnr. 39, und vom 1. März 2012, Polski Trawertyn, C-280/10, Randnr. 41).
50 Art. 226 der Richtlinie 2006/112 stellt klar, dass gemäß ihrem Art. 220 ausgestellte Rechnungen unbeschadet der Sonderbestimmungen dieser Richtlinie nur die in diesem Art. 226 genannten Angaben für Mehrwertsteuerzwecke enthalten müssen (vgl. Urteile Pannon Gép Centrum, Randnr. 40, und Polski Trawertyn, Randnr. 41).
51 Folglich dürfen die Mitgliedstaaten die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht von der Erfüllung von Voraussetzungen betreffend den Inhalt der Rechnungen abhängig machen, die in der Richtlinie 2006/112 nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Diese Auslegung wird durch Art. 273 der Richtlinie 2006/112 bestätigt, wonach zwar die Mitgliedstaaten weitere Verpflichtungen vorsehen können, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, diese Möglichkeit aber nicht dazu benutzt werden darf, zusätzlich zu den namentlich in Art. 226 dieser Richtlinie genannten Pflichten weitere Pflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung festzulegen (vgl. Urteile Pannon Gép Centrum, Randnr. 41, und Polski Trawertyn, Randnr. 42).
52 Nach Art. 226 Nr. 6 der Richtlinie 2006/112 müssen für Mehrwertsteuerzwecke in einer Rechnung Menge und Art der gelieferten Gegenstände bzw. Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen aufgeführt sein.
53 Folglich verpflichtet die genannte Vorschrift einen Steuerpflichtigen, der eine Lieferung von Tieren bewirkt, für die das mit der Verordnung Nr. 1760/2000 geschaffene System zur Kennzeichnung und Registrierung gilt, nicht dazu, die Ohrmarken dieser Tiere in den diese Lieferungen betreffenden Rechnungen anzugeben.
54 Unter diesen Umständen ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 226 Nr. 6 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er einen Steuerpflichtigen, der die Lieferungen von Gegenständen bewirkt, bei denen es sich um Tiere handelt, für die das mit der Verordnung Nr. 1760/2000 geschaffene System zur Kennzeichnung und Registrierung gilt, nicht verpflichtet, die Ohrmarken dieser Tiere in den diese Lieferungen betreffenden Rechnungen anzugeben.
Zur sechsten Frage
55 Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass es nach dieser Vorschrift zulässig ist, auf der Grundlage einer nationalen Bestimmung wie Art. 70 Abs. 5 ZDDS einen Vorsteuerabzug aus dem Grund zu berichtigen, dass das Eigentumsrecht des Lieferers an den von ihm gelieferten Gegenständen nicht bewiesen wurde.
56 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass das vorlegende Gericht diese Frage deshalb stellt, weil es Art. 70 Abs. 5 ZDDS als eine der „Einzelheiten für die Anwendung der Art. 184 und 185“ der Richtlinie 2006/112 im Sinne ihres Art. 186 ansieht.
57 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 184 dieser Richtlinie der ursprüngliche Vorsteuerabzug berichtigt wird, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.
58 Was die Entstehung einer etwaigen Verpflichtung zur Berichtigung eines Vorsteuerabzugs betrifft, stellt Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 den Grundsatz auf, dass eine solche Berichtigung insbesondere dann zu erfolgen hat, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben (Urteil vom 29. November 2012, Gran Via Moineşti, C-257/11, Randnr. 40).
59 Folglich sind die Art. 184 und 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 nur anwendbar, wenn bei einem steuerbaren Umsatz ein ursprünglicher Vorsteuerabzug vorgenommen wurde, d. h. nur in Fällen, in denen der betreffende Steuerpflichtige berechtigt war, die Vorsteuer unter den in Art. 168 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen vorab abzuziehen.
60 Demzufolge kann Art. 70 Abs. 5 ZDDS, der sich auf den Fall bezieht, dass kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, weil die Mehrwertsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde, nicht als Grundlage für eine Berichtigung herangezogen werden, weil er eine Situation betrifft, in der einem Steuerpflichtigen dieses Recht nicht zusteht.
61 Unter diesen Umständen ist auf die sechste Frage zu antworten, dass Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass es nach dieser Vorschrift nur dann zulässig ist, einen Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn der betreffende Steuerpflichtige berechtigt war, die Vorsteuer unter den in Art. 168 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen vorab abzuziehen.
Kosten
62 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Parteien für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
1. Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ im Zusammenhang mit der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Sinne dieser Richtlinie und der Nachweis der tatsächlichen Bewirkung einer solchen Lieferung nicht an die Form des Erwerbs des Eigentumsrechts an den betreffenden Gegenständen gebunden sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, gemäß den nationalen Beweisführungsregeln alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren streitigen Lieferungen von Gegenständen tatsächlich bewirkt worden sind und ob, gegebenenfalls, unter Berufung auf diese Lieferungen ein Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt werden kann.
2. Art. 242 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er Steuerpflichtige, die keine landwirtschaftlichen Erzeuger sind, nicht verpflichtet, in ihrer Buchführung den Gegenstand der von ihnen bewirkten Lieferungen, wenn es sich um Tiere handelt, auszuweisen und den Beweis dafür zu führen, dass diese Tiere gemäß dem internationalen Rechnungslegungsstandard IAS 41 „Landwirtschaft“ kontrolliert worden sind.
3. Art. 226 Nr. 6 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einen Steuerpflichtigen, der die Lieferungen von Gegenständen bewirkt, bei denen es sich um Tiere handelt, für die das System zur Kennzeichnung und Registrierung gilt, das mit der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung geschaffen wurde, nicht verpflichtet, die Ohrmarken dieser Tiere in den diese Lieferungen betreffenden Rechnungen anzugeben.
4. Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass es nach dieser Vorschrift nur dann zulässig ist, einen Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn der betreffende Steuerpflichtige berechtigt war, die Vorsteuer unter den in Art. 168 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen vorab abzuziehen.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Bulgarisch.