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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 10. September 2015(1)

Rechtssache C-252/14

Pensioenfonds Metaal en Techniek

gegen

Skatteverket

(Vorabentscheidungsersuchen des Högsta förvaltningsdomstol [Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Kapitalverkehr – Art. 63 AEUV – Besteuerung von Pensionsfonds – Unterschiedliche Behandlung gebietsansässiger Pensionsfonds und gebietsfremder Pensionsfonds – Pauschale Besteuerung der gebietsansässigen Pensionsfonds auf der Grundlage eines fiktiven Ertrags – Erhebung einer Quellensteuer auf die Einkünfte aus von gebietsfremden Pensionsfonds bezogenen Dividenden“





 Einleitung

1.        Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs fällt der Bereich der direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; sie müssen diese Befugnis jedoch unter Wahrung des Unionsrechts ausüben(2). Diese Verpflichtung gilt natürlich ebenfalls im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit(3).

2.        Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt die Kapitalverkehrsfreiheit ihrerseits nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs spiegelt sich diese Vorschrift in dem Grundsatz wider, wonach sich Gebietsansässige und Gebietsfremde im Hinblick auf die direkten Steuern in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation befinden(4).

3.        Auch wenn bereits eine umfangreiche Rechtsprechung in dieser Materie vorliegt, führt das Problem der sachgerechten Abwägung zwischen der Zuständigkeit der Mitgliedstaten in Steuerangelegenheiten und den Erfordernissen eines funktionierenden Binnenmarkts doch zu immer neuen Fragestellungen. Die vorliegende Rechtssache liefert hierfür ein Beispiel.

 Rechtlicher Rahmen

4.        Im Unionsrecht bilden Art. 63 Abs. 1 AEUV und Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV den rechtlichen Rahmen.

5.        Im schwedischen Recht unterliegen unbeschränkt steuerpflichtige juristische Personen der Körperschaftsteuer nach dem Gesetz (1999:1229) über die Einkommen- und Körperschaftsteuer (inkomstskattelagen [1999:1229]). Dieser Besteuerung unterliegen u. a. die Einkünfte aus Kapitalerträgen, Dividenden und Zinsen.

6.        Nach Kapitel 7 § 2 Nr. 3 dieses Gesetzes sind Pensionsfonds jedoch von der dort vorgesehenen Besteuerung vollständig befreit. Sie unterliegen vielmehr einer Kapitalertragsteuer nach dem Gesetz (1990:661) über die Ertragsteuer aus Rentenmitteln (lagen [1990:661] om avkastningsskatt på pensionsmedel).

7.        Nach § 2 des Gesetzes (1990:661) müssen schwedische Pensionsfonds und Lebensversicherungen sowie gleichartige ausländische Unternehmen, die eine Betriebsstätte in Schweden haben, Kapitalertragsteuer entrichten, bei der es sich um eine Steuer mit festem Steuersatz handelt, mit der die laufenden Erträge aus Sparplänen für die Altersversorgung besteuert werden soll.

8.        Nach den §§ 3 bis 8 des Gesetzes (1990:661) wird die Bemessungsgrundlage dieser Steuer in zwei Schritten berechnet. Zunächst wird eine Kapitalgrundlage berechnet, die aus dem Wert der Aktiva des Pensionsfonds zu Beginn des Steuerjahrs abzüglich der Passiva zum selben Zeitpunkt besteht. Danach wird ein fiktiver pauschaler Ertrag für dieses Kapital berechnet, indem die Kapitalgrundlage mit dem durchschnittlichen Zins für Staatsanleihen des dem Steuerjahr unmittelbar vorangegangenen Kalenderjahres multipliziert wird. Dieser Ertrag bildet die Steuerbemessungsgrundlage.

9.        Die Kapitalertragsteuer wird gemäß § 9 des Gesetzes (1990:661) in Höhe von 15 % der so berechneten Steuerbemessungsgrundlage erhoben.

10.      Ausländische juristische Personen hingegen, die aufgrund von Anteilen, die sie an schwedischen Aktiengesellschaften halten, oder aufgrund von Anteilen an schwedischen Investmentfonds Dividenden beziehen, unterliegen gemäß den §§ 1 und 4 des Gesetzes (1970:624) über die Kuponsteuer (kupongskattelagen [1970:624]) einer Quellensteuer auf Dividenden.

11.      Die Kuponsteuer beläuft sich gemäß § 5 des Gesetzes (1970:624) auf 30 % des Bruttobetrags der Dividenden. Gemäß dem Steuerabkommen zwischen dem Königreich Schweden und dem Königreich der Niederlande ist dieser Satz jedoch für in den Niederlanden ansässige juristische Personen auf 15 % herabgesetzt.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

12.      Der Pensioenfonds Metaal en Techniek (im Folgenden: PMT) ist ein niederländischer Pensionsfonds. Von 2002 bis 2006 bezog PMT von schwedischen Aktiengesellschaften Dividenden, auf die eine Quellensteuer von 15 % erhoben wurde, was einem Gesamtbetrag von 20 957 836 schwedischen Kronen (SEK) entsprach.

13.      PMT beantragte daraufhin beim Skatteverket (schwedische Finanzbehörde) die Rückerstattung der Kuponsteuer mit der Begründung, dass die Erhebung dieser Steuer gegen die Unionsvorschriften über den freien Kapitalverkehr verstoße, da der Fonds einem schwedischen Pensionsfonds gleichgestellt und gemäß dem Gesetz (1990:661) besteuert werden müsse.

14.      Nachdem die schwedische Finanzbehörde den Antrag von PMT abgelehnt hatte, erhob dieser Klage beim Verwaltungsgericht des Bezirks Dalarna (Länsrätten i Dalarnas län); die Klage wurde ebenso abgewiesen wie das Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht Sundsvall (Kammarrätten i Sundsvall). In letzter Instanz legte PMT Rechtsmittel beim Obersten Verwaltungsgericht ein.

15.      Unter diesen Umständen hat das Oberste Verwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht Art. 63 AEUV nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen auf von einer gebietsansässigen Gesellschaft ausgeschüttete Dividenden Quellensteuer erhoben wird, wenn der Anteilseigner seinen Sitz in einem anderen Staat hat, während auf Dividenden – wenn sie an einen gebietsansässigen Anteilseigner ausgeschüttet werden – eine anhand eines fiktiven Ertrags berechnete pauschale Steuer erhoben wird, die langfristig der normalen Besteuerung aller Kapitalerträge entsprechen soll?

16.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 23. Mai 2014 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen. Die schwedische und die deutsche Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. An der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2015 haben der Kläger des Ausgangsverfahrens, die schwedische und die deutsche Regierung sowie die Kommission teilgenommen.

 Würdigung

17.      Im Ausgangsverfahren macht der Kläger geltend, als ausländischer Pensionsfonds, der in Aktien schwedischer Gesellschaften investiert habe, müsse er hinsichtlich der Besteuerung der Dividenden, zu deren Bezug diese Aktien berechtigten, ebenso behandelt werden wie gebietsansässige Pensionsfonds, die in derartige Aktien investiert hätten. Es sei aber unstreitig, dass die steuerliche Behandlung ausländischer Fonds nicht mit der Behandlung schwedischer Fonds identisch sei(5). Diese Ungleichbehandlung stelle eine ungerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.

18.      Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass zu den Maßnahmen, die Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche gehören, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten(6).

19.      Nun kann eine solche unterschiedliche steuerliche Behandlung von Dividenden, die von gebietsansässigen Gesellschaften an gebietsansässige Aktionäre ausgeschüttet werden, und solchen, die an gebietsfremde Aktionäre ausgeschüttet werden, grundsätzlich derartige Auswirkungen haben(7).

20.      Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV i. V. m. Art. 65 Abs. 3 AEUV berührt Art. 63 AEUV jedoch nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort unterschiedlich behandeln, sofern die Ungleichbehandlung insbesondere Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind(8).

21.      Im Allgemeinen untersucht der Gerichtshof die Frage der Vergleichbarkeit der Situationen, nachdem er das Bestehen einer Beschränkung festgestellt hat(9). Im vorliegenden Fall erscheint mir diese Vorgehensweise aber nicht zweckmäßig. Hier haben wir es nämlich mit zwei völlig unterschiedlichen Besteuerungssystemen zu tun; eines betrifft die allgemeine Besteuerung der gesamten Kapitalerträge gebietsansässiger Pensionsfonds, während das andere nur auf die Besteuerung von Dividenden anwendbar ist, die von schwedischen Gesellschaften an gebietsfremde Pensionsfonds ausgeschüttet werden. Die Frage der Vergleichbarkeit der Situationen ist für die vorliegende Rechtssache somit von grundlegender Bedeutung.

22.      Ich werde daher die übliche Prüfungsreihenfolge umkehren und zunächst untersuchen, ob sich schwedische Pensionsfonds und ausländische Pensionsfonds, die in Aktien schwedischer Gesellschaften investiert haben, aus Sicht des in Rede stehenden nationalen Rechts in vergleichbaren Situationen befinden.

 Zur Vergleichbarkeit der Situationen

 Vorbemerkung

23.      Die schwedische Regierung und die Kommission gehen in ihren schriftlichen Erklärungen offenbar davon aus, dass die von den in Schweden ansässigen Pensionsfonds zu entrichtende Steuer als eine Vermögensteuer und nicht als eine Ertragsteuer betrachtet werden kann. Dies scheint mir nicht richtig zu sein.

24.      Erstens ersetzt im schwedischen Steuersystem die mit dem Gesetz (1990:661) eingeführte Steuer auf die Kapitalerträge von Pensionsfonds formal betrachtet eindeutig die allgemeine Körperschaftsteuer für juristische Personen nach dem Gesetz (1999:1229)(10), von der die Pensionsfonds befreit sind.

25.      Zweitens ist es zwar richtig, dass eine Vermögensteuer oft auf der Grundlage des fiktiven, theoretisch erzielbaren Ertrags des fraglichen Vermögens berechnet wird; Einrichtungen wie Pensionsfonds befinden sich insofern jedoch in einer ganz spezifischen Situation. Die Aufgabe dieser Einrichtungen ist es nämlich gerade, ihr Kapital zu investieren, um einen Ertrag zu erzielen und diesen Ertrag anschließend an ihre Bezugsberechtigten auszuschütten. Die Kapitalanlage ist daher die wirtschaftliche Hauptaktivität von Pensionsfonds. Die im Ausgangsverfahren fragliche Besteuerung ist daher als Besteuerung der Erträge aus dieser Aktivität zu werten, auch wenn die Berechnung des Steuerbetrags nicht auf der Grundlage des tatsächlich erzielten Ertrags, sondern eines fiktiven Ertrags erfolgt.

26.      Daher ist festzuhalten, dass die von schwedischen Gesellschaften an in Schweden ansässige Pensionsfonds ausgeschütteten Dividenden, ebenso wie andere von diesen Fonds erzielte Kapitalerträge, nach dem Gesetz (1990:661) besteuert werden.

 Vergleichbarkeit der Situationen gebietsansässiger und gebietsfremder Pensionsfonds

27.      In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist anerkannt, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde im Hinblick auf die direkten Steuern in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, so dass eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden Gruppen von Steuerpflichtigen nicht automatisch als eine Diskriminierung eingestuft werden kann, die eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt(11).

28.      Nur im Hinblick auf eine konkrete Steuerregelung kann der Gerichtshof zu dem Schluss gelangen, dass die Situation des Gebietsfremden mit der des Gebietsansässigen vergleichbar ist(12).

29.      Im Ausgangsverfahren besagt die fragliche Steuerregelung, dass die an in Schweden ansässige Pensionsfonds ausgeschütteten Dividenden zusammen mit den anderen Kapitalerträgen dieser Fonds gemäß einer komplexen Formel zur Berechnung der Bemessungsgrundlage besteuert werden, während die an gebietsfremde Pensionsfonds ausgeschütteten Dividenden direkt an der Quelle besteuert werden.

30.      Nach den Informationen im Vorlagebeschluss und in den schriftlichen Erklärungen der schwedischen Regierung liegt der Zweck dieses Besteuerungssystems darin, die Besteuerung von Pensionsfonds und anderen Sparplänen für die Altersversorgung neutral zu gestalten, sowohl hinsichtlich der Anlageform (Aktien, Obligationen, Staatsanleihen usw.) als auch hinsichtlich der Wirtschaftskonjunktur.

31.      Dieses Ziel erscheint mir völlig legitim; es fügt sich auch problemlos in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten für die direkten Steuern und die Organisation des Rentenversicherungssystems ein.

32.      Dieses Ziel lässt sich allerdings nur für Personen verwirklichen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat der unbegrenzten Besteuerung unterliegen. Die Neutralität der Besteuerung bezüglich der Anlageform setzt nämlich voraus, dass der betreffende Mitgliedstaat alle Einkünfte aus den fraglichen Investitionen besteuern kann. Gleiches gilt für die Neutralität der Besteuerung hinsichtlich der wirtschaftlichen Konjunktur. Nur durch die Anwendung eines einheitlichen Besteuerungssystems für unterschiedliche Anlageformen – sowohl für jene, die stark konjunkturabhängig sind, als auch für solche, die es nicht sind – kann eine solche Neutralität erreicht werden.

33.      Die Anwendung des schwedischen Besteuerungssystems auf eine einzige Anlageform, die Investition in Aktien, würde nicht etwa zu einer konjunkturellen Neutralität führen, sondern zu einer ungerechtfertigt hohen Besteuerung in Jahren schlechter Konjunktur und zu „Steuergeschenken“ in den übrigen Jahren. Darüber hinaus würde dies auch zu einer Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen in Abhängigkeit von der tatsächlichen Rendite der Aktien, in die sie investiert haben, führen, da die Aktien einer Gesellschaft – unabhängig von der konjunkturellen Lage – gemessen am eingesetzten Kapital manchmal zu höheren Dividenden berechtigen können als die Aktien einer anderen Gesellschaft. Wiederum gewährleistet das fragliche Besteuerungssystem die vom schwedischen Gesetzgeber gewollte Neutralität nur dann, wenn es auf die Gesamtheit des Kapitals angewandt wird, das ein bestimmter Steuerpflichtiger – vorliegend ein Pensionsfonds – investiert hat, unabhängig von der Zusammensetzung seines Anlageportefeuilles.

34.      Vom Standpunkt des schwedischen Staates aus ist die Situation der gebietsansässigen Pensionsfonds daher nicht mit der von ausländischen Fonds zu vergleichen, die in Aktien schwedischer Gesellschaften investiert haben. Zum einen besteuert dieser Staat die Gesamtheit der Kapitalerträge der gebietsansässigen Fonds und ist daher in der Lage, die Neutralität dieser Besteuerung sicherzustellen, indem er sie dem im Gesetz (1990:661) festgelegten System unterwirft. Was hingegen die gebietsfremden Fonds angeht, so besteuert er nur den Teil ihrer Einkünfte, der aus Investitionen in schwedische Gesellschaften herrührt. Es ist ihm also unmöglich, dasselbe Besteuerungssystem anzuwenden, bzw. dieses System würde jedenfalls nicht seinen Zweck erfüllen.

35.      Vom Standpunkt der betroffenen Steuerpflichtigen aus sind die Situationen ebenfalls nicht vergleichbar. Die in Rede stehende schwedische steuerliche Maßnahme beschränkt sich nicht auf die Dividendenbesteuerung, sondern betrifft die Besteuerung der Gesamtheit der Kapitalerträge gebietsansässiger Fonds. Gebietsfremde Fonds entrichten demgegenüber in Schweden nur eine zusätzliche Steuer, die an ihre Investitionstätigkeit in diesem Mitgliedstaat geknüpft ist, während ihre Gesamtbesteuerung in ihrem Herkunftsmitgliedstaat erfolgt.

36.      Die Situation im vorliegenden Verfahren ähnelt also insofern derjenigen in der Rechtssache Truck Center, als in Schweden die Ausschüttung von Dividenden durch eine gebietsansässige Gesellschaft an einen gebietsansässigen Pensionsfonds und die Ausschüttung von Dividenden durch eine gebietsansässige Gesellschaft an einen gebietsfremden Pensionsfonds zu einer unterschiedlichen Besteuerung führt, die auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen basiert(13).

37.      Die Feststellung des Gerichtshofs im Urteil Truck Center, wonach der Steuersatz für gebietsfremde Steuerpflichtige in jener Rechtssache jedenfalls niedriger war als der für gebietsansässige(14), ist meiner Meinung nach nicht geeignet, eine Analogie zwischen der Rechtssache Truck Center und dem vorliegenden Verfahren auszuschließen.

38.      Erstens hat der Gerichtshof diese Feststellung nur als obiter dictum angefügt, nachdem er bereits festgestellt hatte, dass die fraglichen Situationen nicht vergleichbar seien. Der Vergleich der Steuersätze war kein tragender Urteilsgrund. Zweitens sind die Parteien im vorliegenden Verfahren uneinig, ob die streitgegenständlichen Gesetze zu einer höheren Besteuerung der gebietsfremden Pensionsfonds führen. Es obliegt daher gegebenenfalls dem nationalen Gericht, dies zu überprüfen(15). Die unionsrechtliche Beurteilung der Vergleichbarkeit der Situationen kann aber nicht von der höheren oder niedrigeren Besteuerung eines konkreten Steuerpflichtigen in einer bestimmten Situation abhängen.

39.      Demgegenüber muss die Situation in der vorliegenden Rechtssache klar von der in zahlreichen anderen Fällen abgegrenzt werden, in denen der Gerichtshof im Zusammenhang mit steuerlichen Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit (oder der Niederlassungsfreiheit, da diese beiden Freiheiten in Verfahren, die Direktinvestitionen betreffen, oft beide einschlägig sind) rein innerstaatliche und grenzüberschreitende Sachverhalte für vergleichbar gehalten hat.

 Rechtssachen betreffend Maßnahmen zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Dividenden

40.      Die vorliegende Rechtssache muss insbesondere von der langen Liste von Rechtssachen betreffend die diversen Maßnahmen, mit denen die Mitgliedstaaten die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividenden vermeiden, unterschieden werden.

41.      Indem eine Gesellschaft Dividenden an ihre Aktionäre ausschüttet, kehrt sie nämlich lediglich den Gewinn aus, den sie erzielt hat. Dieser Gewinn aber unterliegt normalerweise der Körperschaftsteuer auf Ebene der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft. Wenn sich ein Staat nun entscheidet, diese Dividenden auch auf Ebene der Aktionäre als steuerbare Einkünfte zu besteuern, wird in Wirklichkeit derselbe Gewinn doppelt besteuert(16).

42.      Wegen der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Doppelbesteuerung erlassen die Staaten oftmals Maßnahmen, um sie zu vermeiden oder abzumildern. Nach einer nunmehr gefestigten Rechtsprechungslinie(17) aber, die auf die Rechtssache „Avoir fiscal“(18) zurückgeht, muss ein Mitgliedstaat, der solche Maßnahmen zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Dividenden für innerstaatliche Sachverhalte einführt, gleichermaßen in grenzüberschreitenden Sachverhalten verfahren, d. h. wenn andere Mitgliedstaaten oder auch Drittstaaten, für die die Kapitalverkehrsfreiheit ebenfalls gilt, betroffen sind(19). Diese grenzüberschreitenden Sachverhalte können sowohl die Besteuerung von Dividenden im Wohnsitzmitgliedstaat des begünstigten Aktionärs(20) als auch im Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft betreffen(21).

43.      Im vorliegenden Fall ist letztere Situation von besonderem Interesse. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass im Fall einer nationalen Regelung, mit der die Doppelbesteuerung der von gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden vermieden werden soll, die Situation der gebietsfremden Aktionäre mit derjenigen der gebietsansässigen Aktionäre vergleichbar ist(22).

44.      Aus diesem Grund „hat der Staat des Sitzes der ausschüttenden Gesellschaft dafür zu sorgen, dass die gebietsfremden Empfänger im Hinblick auf den in seinem nationalen Recht vorgesehenen Mechanismus zur Vermeidung oder Abschwächung einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung[(23)] eine Behandlung erfahren, die derjenigen der gebietsansässigen gleichwertig ist, damit sie sich nicht einer – nach Art. [63 AEUV] grundsätzlich verbotenen – Beschränkung des freien Kapitalverkehrs gegenübersehen“(24).

45.      Die im Ausgangsverfahren streitige schwedische Regelung zielt aber gerade nicht darauf ab, die Doppelbesteuerung der an die gebietsansässigen Pensionsfonds ausgeschütteten Dividenden zu vermeiden. Nichts im Vorlagebeschluss oder in den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen deutet darauf hin, dass die Körperschaftsteuer, die von den die Dividenden ausschüttenden Gesellschaften entrichtet wird, bei der Besteuerung dieser Fonds berücksichtigt wird, noch dass sie eine Steuergutschrift erhielten oder dass die an diese Fonds ausgeschütteten Dividenden steuerbefreit wären. Ganz im Gegenteil unterliegen diese Dividenden, so wie andere Kapitalerträge, der Steuer nach dem Gesetz (1990:661), auch wenn der Betrag dieser Steuer auf indirektem Weg berechnet wird.

46.      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass weder der Vertrag noch die Rechtsprechung des Gerichtshofs von den Mitgliedstaaten – und insbesondere von den Sitzstaaten Dividenden ausschüttender Gesellschaften – verlangen, die wirtschaftliche Doppelbesteuerung dieser Dividenden zu vermeiden oder abzuschwächen. Eine solche Verpflichtung würde nämlich bedeuten, dass ein solcher Staat auf sein Recht verzichten müsste, den Ertrag aus einer auf seinem Gebiet ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit zu besteuern(25).

47.      Falls im schwedischen Recht freilich ein anderer Mechanismus zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Dividenden existiert, die an gebietsansässige Aktionäre ausgeschüttet werden – was vom nationalen Gericht zu prüfen ist –, so müsste er in gleicher Weise auf die Dividenden angewandt werden, die an gebietsfremde Aktionäre ausgeschüttet werden. Dies scheint aber weder das Ziel noch das Ergebnis der Regelung im Ausgangsverfahren zu sein, d. h. der Regelung über die Besteuerung von Pensionsfonds.

48.      Daher kann die in Rn. 43 des Urteils Santander Asset Management SGIIC u. a. vorgenommene Unterscheidung zwischen der Situation in der Rechtssache, in der das Urteil Santander Asset Management SGIIC u. a.(26) ergangen ist, und der Situation, in der das Urteil Truck Center ergangen ist, a contrario auf die vorliegende Rechtssache übertragen werden. In diesem Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass in der Rechtssache Truck Center die unterschiedliche Behandlung nur in unterschiedlichen Erhebungsmodalitäten der Steuer lag, während in der Rechtssache Santander Asset Management SGIIC u. a. eine Besteuerung der Dividenden allein bei den gebietsfremden Aktionären vorgesehen war. In der vorliegenden Rechtssache werden aber auch die Dividenden besteuert, die an gebietsansässige Pensionsfonds ausgeschüttet werden.

49.      Die Vergleichbarkeit der Situationen der gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen, die vom Gerichtshof in den Rechtssachen betreffend Maßnahmen zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Dividenden festgestellt wurde, ist in der vorliegenden Rechtssache also nicht gegeben.

 Rechtssachen betreffend andere steuerliche Maßnahmen

50.      Der Gerichtshof hat bereits zu verschiedenen anderen Gelegenheiten die Vergleichbarkeit innerstaatlicher und grenzüberschreitender Situationen festgestellt, was die Anwendung von Bestimmungen des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern angeht. Ich möchte einige einschlägige Beispiele anführen, um darzutun, dass es sich um Fälle handelte, die sich von der vorliegenden Rechtssache unterscheiden.

51.      So stellte sich, erstens, in einer Rechtssache betreffend die Besteuerung von Dividenden, die an Pensionsfonds in Finnland ausgeschüttet wurden(27), die Frage, ob gebietsansässige und gebietsfremde Pensionsfonds sich im Hinblick auf die nationale Regelung, der zufolge bezogene und in Rückstellungen überführte Dividenden als von den steuerpflichtigen Einkünften abzugsfähige Aufwendungen gelten, in vergleichbaren Situationen befanden. Die Wirkung dieser Regelung war, dass an gebietsansässige Pensionsfonds ausgeschüttete Dividenden in der Praxis nicht besteuert wurden – anders als an gebietsfremde Fonds ausgeschüttete Dividenden, die nicht von dieser Regelung profitieren konnten.

52.      Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die Situationen der gebietsansässigen und der gebietsfremden Pensionsfonds vergleichbar waren, da sowohl die einen als auch die anderen ihre Einkünfte zur Bildung von Rückstellungen für die Zahlung von Altersrenten verwandten, was dem spezifischen Existenzgrund von Pensionsfonds entsprach(28). Der Gerichtshof stellte auch fest, dass die fragliche nationale Regelung in der Praxis darauf hinauslief, dass die Dividenden allein bei den gebietsfremden Pensionsfonds besteuert wurden(29).

53.      Die gesetzliche Regelung im Ausgangsverfahren erlaubt es den gebietsansässigen Pensionsfonds demgegenüber nicht, die bezogenen Dividenden von ihren steuerbaren Einkünften abzuziehen, und sie stellt weder de jure noch de facto eine Steuerbefreiung für diese Dividenden dar. Diese Regelung ist daher keinesfalls mit derjenigen gleichzusetzen, die in der Rechtssache Kommission/Finnland in Rede stand(30).

54.      Zweitens ist es gefestigte Rechtsprechung, dass sich gebietsansässige und gebietsfremde Steuerpflichtige hinsichtlich der Möglichkeit des Abzugs beruflicher Aufwendungen, die unmittelbar mit der Erzielung der zu versteuernden Einkünfte zusammenhängen, in vergleichbaren Situationen befinden(31). Die nationale Regelung im Ausgangsverfahren sieht eine solche Möglichkeit für die gebietsansässigen Pensionsfonds aber nicht vor. Dies erschiene mir angesichts der in dieser Regelung vorgesehenen indirekten Berechnung der Bemessungsgrundlage auch schwierig.

55.      Zwar werden für die Berechnung der Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer der gebietsansässigen Pensionsfonds allein die Netto-Aktiva herangezogen – also nach Abzug der Schulden (Passiva) –, aber dabei handelt es sich um eine völlig andere Frage als der nach der Abzugsmöglichkeit für berufliche Aufwendungen, wie die schwedische Regierung zu Recht in ihren schriftlichen Erklärungen hervorhebt.

56.      Drittens schließlich meine ich, was die Vergleichbarkeit der Situationen aus der Sicht der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft anbelangt, dass auch insofern im vorliegenden Verfahren keine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit festzustellen ist.

57.      Zum einen liegt die steuerliche Belastung aus der Besteuerung der Dividenden nicht auf der ausschüttenden Gesellschaft, sondern auf den Aktionären.

58.      Zum anderen denke ich nicht, dass der mit dem Abzug der Quellensteuer verbundene Verwaltungsaufwand bei einer Aktiengesellschaft, die über einen beachtlichen Apparat zur Abwicklung ihrer Buchhaltung und ihrer steuerlichen Verpflichtungen verfügen muss, nennenswert ins Gewicht fällt. Daher ist die Feststellung, wonach die einem einfachen Dienstleistungsempfänger auferlegte Verpflichtung, bei einer Vergütung, die einem Dienstleistungserbringer gezahlt wird, einen Steuerabzug an der Quelle vorzunehmen, wegen des zusätzlichen Verwaltungsaufwands und der Haftungsrisiken, die damit verbunden sind, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt(32), nicht auf die vorliegende Rechtssache übertragbar.

 Zwischenergebnis

59.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen bin ich der Meinung, dass aus der Sicht des Besteuerungssystems für gebietsansässige Fonds nach dem Gesetz (1990:661), die Situation der in Schweden ansässigen Pensionsfonds nicht mit der Situation der gebietsfremden Pensionsfonds vergleichbar ist. Art. 63 AEUV i. V. m. Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV steht einem solchen Besteuerungssystem folglich nicht entgegen.

 Schlussbemerkungen

60.      Für den Fall, dass der Gerichtshof meinem Vorschlag nicht folgen und zu dem Schluss gelangen sollte, dass die Situationen der gebietsansässigen und gebietsfremden Pensionsfonds aus Sicht der schwedischen Regelung zur Besteuerung der Kapitalerträge von gebietsansässigen Fonds vergleichbar sind, möchte ich noch auf einige weitere Probleme eingehen, die von der vorliegenden Rechtssache aufgeworfen werden.

 Zur nachteiligen Behandlung gebietsfremder Pensionsfonds

61.      Die Parteien des Ausgangsverfahrens und die Beteiligten, die schriftliche Erklärungen eingereicht haben, streiten darüber, ob das schwedische System der Besteuerung von Pensionsfonds gebietsfremde Fonds gegenüber gebietsansässigen Fonds benachteiligt.

62.      Über diese Frage kann man in der Tat geteilter Meinung sein. Einerseits scheint die Besteuerung der gebietsansässigen Fonds, die sich an der Rendite von Staatsanleihen orientiert, vom Grundsatz her niedriger zu sein als die Besteuerung der aus dem Bezug von Dividenden von Aktiengesellschaften stammenden tatsächlichen Einkünfte der gebietsfremden Fonds, da die Investition in Staatsanleihen, die ein geringeres Risiko mit sich bringt, grundsätzlich weniger rentabel ist. Andererseits müssen die gebietsansässigen Fonds jedes Jahr Steuern entrichten, unabhängig davon, ob sie Dividenden bezogen haben oder nicht – anders als die gebietsfremden Fonds, bei denen nur die tatsächlichen Einkünfte besteuert werden. Darüber hinaus berücksichtigt die Besteuerung der gebietsansässigen Fonds den Wert ihrer Investitionen und damit auch Wertsteigerungen, z. B. aufgrund eines höheren Wertes der gehaltenen Aktien, während die Besteuerung der gebietsfremden Fonds nur vom Betrag der ausgeschütteten Dividenden abhängt.

63.      Das vorlegende Gericht kommt selbst in seinem Beschluss zu dem Ergebnis, dass das schwedische Steuersystem in manchen Jahren die gebietsansässigen Fonds und in anderen Jahren die gebietsfremden Fonds bevorteilen kann.

64.      Meiner Meinung nach ist die Frage aus unionsrechtlicher Sicht folgendermaßen zu beurteilen.

65.      Wie ich bereits oben angemerkt habe(33), ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass eine ungünstigere steuerliche Behandlung von Dividenden, die an Gebietsfremde ausgeschüttet werden, gegenüber solchen, die an Gebietsansässige ausgeschüttet werden, grundsätzlich eine nach Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkung des Kapitalverkehrs verbotene Maßnahme darstellen kann. Dies gilt auch dann, wenn die ungünstigere Behandlung nicht systematisch, sondern nur gelegentlich erfolgt(34). Die Bestimmung des ungünstigen Ergebnisses einer nationalen Steuerregelung ist eine Tatsachenfeststellung, die den nationalen Gerichten obliegt.

66.      Im Kontext des Ausgangsverfahrens wird die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der in Schweden ansässigen Pensionsfonds berechnet, indem der Wert der Aktiva des Fonds am Jahresanfang mit dem durchschnittlichen Zins für Staatsanleihen des dem Steuerjahr unmittelbar vorangegangenen Kalenderjahrs multipliziert wird. Auf die so ermittelte Bemessungsgrundlage wird dann ein Steuersatz von 15 % erhoben(35).

67.      Aus den in den Nrn. 32 bis 34 dieser Schlussanträge angeführten Gründen ist es nicht möglich, dasselbe System auf die gebietsfremden Pensionsfonds anzuwenden, wie es die Klägerin des Ausgangsverfahrens anstrebt, bzw. es würde nicht die gewünschte Wirkung haben. Für den Fall, dass der Gerichtshof zu dem Schluss kommen sollte, dass die Situationen der gebietsansässigen und der gebietsfremden Pensionsfonds in der vorliegenden Rechtssache vergleichbar sind, bestünde daher die zweckmäßigste Methode zur Überprüfung, ob die fragliche nationale Regelung die gebietsfremden Fonds benachteiligt, darin, den globalen Steuersatz für Kapitalerträge der gebietsansässigen Pensionsfonds – meiner Meinung nach völlig künstlich – auf den Steuersatz allein für Einkünfte aus Aktien der gebietsfremden Fonds zu übertragen.

68.      Für jede Ausschüttung von Dividenden, die zur Erhebung einer Quellensteuer führt, wäre demnach der Wert der Aktiva (Aktien), die zum Bezug dieser Dividenden berechtigt haben, mit dem durchschnittlichen Zins für schwedische Staatsanleihen in dem Kalenderjahr zu multiplizieren, das dem Steuerjahr, in dem die Ausschüttung erfolgte, unmittelbar vorausging; von diesem Betrag müssten dann 15 % berechnet werden. Falls der Betrag der Steuer auf Dividenden, der von dem gebietsfremden Fonds tatsächlich entrichtet wurde, diese 15 % überträfe, hätte er Anspruch auf Rückerstattung des überschießenden Betrags, weil dieser eine unionsrechtswidrig erhobene Steuer darstellen würde.

69.      Es wäre ebenfalls Aufgabe des vorlegenden Gerichts zu beurteilen, ob die gebietsfremden Pensionsfonds dadurch einen Liquiditätsnachteil erleiden, dass die von diesen Fonds geschuldete Dividendensteuer bei der Ausschüttung dieser Dividenden an der Quelle einbehalten wird, während die Kapitalertragsteuer von den gebietsansässigen Fonds nur jährlich abgeführt wird. Ein solcher Nachteil kann nämlich eine gegen Art. 63 Abs. 1 AEUV verstoßende Beschränkung darstellen(36). Dieser Liquiditätsnachteil könnte sich allerdings dadurch als unerheblich erweisen, dass die in Schweden ansässigen Pensionsfonds, wie die schwedische und die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen hervorheben, verpflichtet sind, monatliche Steuervorauszahlungen auf den endgültigen Betrag der Kapitalertragsteuer zu entrichten(37).

 Zur Rechtfertigung der Maßnahme

70.      Falls der Gerichtshof zu dem Urteil käme, dass die in Schweden ansässigen Pensionsfonds und die gebietsfremden Pensionsfonds, die Dividenden von gebietsansässigen Gesellschaften beziehen, sich in objektiv vergleichbaren Situationen befinden und dass die gebietsfremden Fonds auch nur potenziell durch die unterschiedliche Besteuerung der Erträge aus Dividenden von gebietsansässigen und gebietsfremden Fonds benachteiligt werden, hätte er anschließend zu prüfen, ob diese unterschiedliche Behandlung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt wird.

71.      Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass sich die Beklagte des Ausgangsverfahrens unter den möglichen Rechtfertigungsgründen vor dem vorlegenden Gericht auf das Erfordernis gestützt hat, das schwedische Rentenversicherungssystem aufrechtzuerhalten. Aus Sicht des Unionsrechts liegt das Problem aber weder im schwedischen Rentenversicherungssystem noch im Besteuerungssystem für gebietsansässige Pensionsfonds, sondern darin, dass gebietsfremde Pensionsfonds einer weniger vorteilhaften Besteuerung unterliegen. Die Beseitigung dieses Nachteils erfordert es meiner Meinung nach aber nicht, das schwedische System hinsichtlich der gebietsansässigen Pensionsfonds abzuschaffen, sondern allenfalls auf einen Teil der Steuereinnahmen aus Dividenden, die von gebietsfremden Fonds bezogen werden, zu verzichten.

72.      Die schwedische Regierung beruft sich in ihren schriftlichen Erklärungen auch noch auf die ausgewogene Aufteilung der Steuerhoheit zwischen dem Königreich Schweden und dem Königreich der Niederlande. Das Steuerabkommen mit dem Königreich der Niederlande erlaube es nicht, das schwedische Besteuerungssystem für gebietsansässige Pensionsfonds auf die niederländischen Fonds anzuwenden. Allerdings geht es nicht darum, dieses System insgesamt auf diese Fonds anzuwenden, sondern nur darum, deren Steuerlast an die der in Schweden ansässigen Fonds anzugleichen. Dies scheint mir weder gegen das Steuerabkommen zwischen dem Königreich Schweden und dem Königreich der Niederlande zu verstoßen noch gegen die ausgewogene Aufteilung der Steuerhoheit zwischen diesen beiden Mitgliedstaaten im Allgemeinen.

73.      Schließlich hebt die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen die Notwendigkeit hervor, die Effizienz der Beitreibung der Steuer zu gewährleisten. Die Quellensteuer sei eine einfache und effektive Methode der Besteuerung, sowohl aus Sicht der Steuerverwaltung als auch aus Sicht der Steuerpflichtigen, und sie sei besonders auf die Situation gebietsfremder Steuerpflichtiger zugeschnitten. Allerdings ist es nicht notwendig, auf diese Besteuerungsmethode zu verzichten, um die Steuerlast der gebietsfremden Pensionsfonds an die der gebietsansässigen Fonds anzugleichen. Es genügt nämlich, die theoretische Steuerlast eines gebietsansässigen Pensionsfonds nach dem Wert der Aktiva zu berechnen, die zur Dividende berechtigen, und den Quellensteuerabzug auf diesen Betrag zu begrenzen, falls er weniger als 15 % der Dividende beträgt. Diese Berechnung würde keine exzessive Verwaltungslast für die ausschüttende Gesellschaft darstellen, da die notwendigen Daten, d. h. der Zinssatz von Staatsanleihen im Vorjahr und der Wert der Aktien, die der gebietsfremde Fonds zum Zeitpunkt der Dividendenausschüttung hielt, bekannt sind.

74.      Falls der Gerichtshof also in der vorliegenden Rechtssache das Vorliegen einer nach Art. 63 Abs. 1 AEUV verbotenen Beschränkung des freien Kapitalverkehrs feststellen sollte, wäre diese Beschränkung meiner Meinung nach durch keinerlei zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Allerdings bin ich, wie vorstehend erläutert, der Auffassung, dass eine solche Beschränkung nicht vorliegt, da die unterschiedliche Behandlung der in Schweden ansässigen Pensionsfonds und der gebietsfremden Fonds Situationen betrifft, die objektiv nicht vergleichbar sind, und daher unter die Ausnahmevorschrift des Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV fällt.

 Ergebnis

75.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Obersten Verwaltungsgerichts (Högsta förvaltningsdomstolen) wie folgt zu beantworten:

Art. 63 Abs. 1 AEUV i. V. m. Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen auf von einer gebietsansässigen Gesellschaft ausgeschüttete Dividenden eine Quellensteuer erhoben wird, wenn der Anteilseigner seinen Sitz im Ausland hat, während auf Dividenden, die an einen gebietsansässigen Anteilseigner ausgeschüttet werden, eine anhand eines fiktiven Ertrags berechnete pauschale Steuer erhoben wird, die der einheitlichen Besteuerung aller Kapitalerträge einer bestimmten Kategorie gebietsansässiger Steuerpflichtiger dienen soll.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Urteil Schumacker (C-279/93, EU:C:1995:31, Rn. 21).


3 – Urteil Verkooijen (C-35/98, EU:C:2000:294, Rn. 32 und 34).


4 – Urteil Schumacker (C-279/93, EU:C:1995:31, Rn. 31).


5 – Die Beteiligten sind sich hingegen uneinig in der Frage, ob diese Ungleichbehandlung eine nachteilige Auswirkung auf ausländische Fonds hinsichtlich der Höhe der effektiven Besteuerung der bezogenen Dividenden hat. Dieses Problem behandle ich weiter unten.


6 – Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C-190/12, EU:C:2014:249, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


7 – Vgl. in diesem Sinn Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C-190/12, EU:C:2014:249, Rn. 42).


8 –      Ebd. (Rn. 54 bis 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9 – Vgl. z. B. Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C-190/12, EU:C:2014:249).


10 – Vgl. Nrn. 5 und 6 dieser Schlussanträge.


11 – Urteil Truck Center (C-282/07, EU:C:2008:762, Rn. 38 und 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


12 – Vgl. z. B. Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C-190/12, EU:C:2014:249, Rn. 58).


13 – Urteil Truck Center (C-282/07, EU:C:2008:762, Rn. 43).


14 – Ebd. (Rn. 49).


15 – Vgl. Nrn. 61 bis 68 der vorliegenden Schlussanträge.


16 – Dies ist nicht mit der juristischen (oder internationalen) Doppelbesteuerung zu verwechseln, die darin besteht, dass dieselben Einkünfte in zwei verschiedenen Staaten besteuert werden. Diese juristische Doppelbesteuerung resultiert aus der Ausübung der Steuerhoheit durch verschiedene Staaten. Sie verstößt im Übrigen auch grundsätzlich nicht gegen die Grundfreiheiten des Binnenmarkts (vgl. z. B. Urteil Kerckhaert und Morres, C-513/04, EU:C:2006:713, Rn. 16 und 17 sowie Tenor).


17 – Der Ausdruck stammt von Generalanwalt Mengozzi (vgl. seine Schlussanträge in der Rechtssache Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, C-190/12, EU:C:2013:710, Nr. 44).


18 – Urteil Kommission/Frankreich (270/83, EU:C:1986:37).


19 – Vgl. zuletzt Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C-190/12, EU:C:2014:249, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20 – Vgl. u. a. Urteile Verkooijen (C-35/98, EU:C:2000:294), Manninen (C-319/02, EU:C:2004:484) und Test Claimants in the FII Group Litigation (C-446/04, EU:C:2006:774).


21 – Vgl. u. a. Urteile Denkavit Internationaal und Denkavit France (C-170/05, EU:C:2006:783), Bouanich (C-265/04, EU:C:2006:51), Santander Asset Management SGIIC u. a. (C-338/11 bis C-347/11, EU:C:2012:286) und Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C-190/12, EU:C:2014:249).


22 – Urteil Santander Asset Management SGIIC u. a. (C-338/11 bis C-347/11, EU:C:2012:286, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23 – Hervorhebung nur hier.


24 – Urteil Kommission/Spanien (C-487/08, EU:C:2010:310, Rn. 52).


25 – Urteil Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (C-374/04, EU:C:2006:773, Rn. 59).


26 – C-338/11 bis C-347/11, EU:C:2012:286.


27 – Urteil Kommission/Finnland (C-342/10, EU:C:2012:688).


28 – Ebd. (Rn. 42 und 43). Vgl. auch die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Finnland (C-342/10, EU:C:2012:474, Nr. 43).


29 –      Urteil Kommission/Finnland (C-342/10, EU:C:2012:688, Rn. 44, mit Verweis auf Rn. 43 des Urteils Santander Asset Management SGIIC u. a., C-338/11 bis C-347/11, EU:C:2012:286, angeführt in Nr. 48 dieser Schlussanträge.


30 – C-342/10, EU:C:2012:688.


31 – Vgl. insbesondere Urteil Schröder (C-450/09, EU:C:2011:198, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung) und, hinsichtlich der Pensionsfonds, Urteil Kommission/Deutschland (C-600/10, EU:C:2012:737, Rn. 17).


32 –      Urteil X (C-498/10, EU:C:2012:635, Rn. 32).


33 – Vgl. Nrn. 18 und 19 der vorliegenden Schlussanträge.


34 – Vgl. in diesem Sinn, wenngleich auf einem anderen Gebiet, Urteil Talotta (C-383/05, EU:C:2007:181, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


35 – Vgl. Nrn. 8 und 9 dieser Schlussanträge.


36 – Vgl. in diesem Sinn Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation (C-446/04, EU:C:2006:774, Rn. 152 bis 154).


37 – Vgl. in diesem Sinn Urteil Truck Center (C-282/07, EU:C:2008:762, Rn. 49) und die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Truck Center (C-282/07, EU:C:2008:513, Nrn. 48 und 49).