URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)
11. Juni 2015(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 9, 73, 78 Abs. 1 Buchst. a und 79 Abs. 1 Buchst. c – Besteuerungsgrundlage – Einbeziehung des Betrags der von einer Gesellschaft mit Gasversorgungsnetzkonzession entrichteten kommunalen Abgaben auf die Inanspruchnahme des Untergrunds in die Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer, die auf die von dieser Gesellschaft an die Gasvertriebsgesellschaft erbrachte Dienstleistung anzuwenden ist“
In der Rechtssache C-256/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) (Portugal) mit Entscheidung vom 19. November 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Mai 2014, in dem Verfahren
Lisboagás GDL – Sociedade Distribuidora de Gás Natural de Lisboa SA
gegen
Autoridade Tributária e Aduaneira
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Ó Caoimh sowie der Richter E. Jarašiūnas (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Lisboagás GDL – Sociedade Distribuidora de Gás Natural de Lisboa SA, vertreten durch N. Pena und L. Scolari, advogados,
– der griechischen Regierung, vertreten durch M. Germani und K. Karavasili als Bevollmächtigte,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, R. Campos Laires und A. Cunha als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Guerra e Andrade und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lisboagás GDL – Sociedade Distribuidora de Gás Natural de Lisboa SA (im Folgenden: Lisboagás) und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde) über die Mehrwertsteuerbescheide für die Monate Mai, Juni und Juli 2012.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“
4 In Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:
„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.“
5 Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“
6 Nach Art. 78 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie sind Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen.
7 Hingegen sind nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie Beträge, die ein Steuerpflichtiger vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält und die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt sind, nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen.
Portugiesisches Recht
8 In Art. 2 des Código do Imposto sobre o Valor Acrescentado (Mehrwertsteuergesetz, im Folgenden: CIVA) heißt es:
„(1) Steuerpflichtig sind:
a) natürliche oder juristische Personen, die selbständig und dauerhaft Tätigkeiten der Erzeugung, des Handels oder der Dienstleistungen ausüben, einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte und der freien Berufe, sowie diejenigen, die, gleichfalls selbständig, einen einzigen steuerbaren Umsatz ausführen, solange dieser Umsatz eine Ergänzung zur Ausübung der genannten Tätigkeiten darstellt, unabhängig von dem Ort, an dem er durchgeführt wird oder, wenn dieser Umsatz, unabhängig von einer solchen Verbindung, die Voraussetzung eines tatsächlichen Einflusses auf die Einkommensteuer der natürlichen Personen … und die Einkommensteuer der juristischen Personen ... erfüllt.
...
(2) Der Staat und andere Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts sind als solche allerdings beim Vollzug von Tätigkeiten in Ausübung ihrer behördlichen Befugnisse nicht steuerpflichtig, selbst wenn sie dafür Gebühren erheben oder Gegenleistungen erhalten, sofern ihre Befreiung von der Steuerpflicht nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt.
...“
9 Art. 16 CIVA bestimmt:
„(1) Unbeschadet der Abs. 2 und 10 entspricht die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen und Erbringung von steuerpflichtigen Dienstleistungen dem Wert der vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhaltenen oder zu erhaltenden Gegenleistung
...
(5) In die Steuerbemessungsgrundlage sind bei der Lieferung von Gegenständen und der Erbringung von steuerpflichtigen Dienstleistungen die folgenden Elemente einzubeziehen:
a) die Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst;
...
(6) In die Steuerbemessungsgrundlage im Sinne von Abs. 5 sind die folgenden Elemente nicht einzubeziehen:
...
c) Beträge, die im Namen und für Rechnung des Erwerbers der Gegenstände oder des Empfängers der Dienstleistungen gezahlt werden, und die der Steuerpflichtige auf einem geeigneten Anderkonto verbucht;
...“
10 In Art. 3 der Lei n° 53-E/2006, Aprova o regime geral das taxas das autarquias locais (Gesetz Nr. 53-E/2006 über die Bestätigung der allgemeinen Regelung der Abgaben der lokalen Gemeinschaften) vom 29. Dezember 2006 (Diário da República, Serie I, Nr. 249 vom 29. Dezember 2006) heißt es:
„Bei den Abgaben der lokalen Gemeinschaften handelt es sich um Gebühren, die auf der konkreten Erbringung einer lokalen öffentlichen Dienstleistung, auf der privaten Nutzung von im öffentlichen und nichtöffentlichen Eigentum der lokalen Gemeinschaften stehenden Gütern oder der Beseitigung eines dem Verhalten der Bürger entgegenstehenden rechtlichen Hindernisses beruhen, soweit dies zur gesetzlichen Zuständigkeit der lokalen Gemeinschaften gehört.“
11 Art. 6 Abs. 1 Buchst. c dieses Gesetzes erlaubt den Kommunen, eine solche Abgabe „im Fall der Benutzung oder Bewirtschaftung von im öffentlichen oder nichtöffentlichen Eigentum stehenden kommunalen Gütern“ anzuwenden.
Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits und Vorlagefragen
12 Lisboagás verfügt über die ausschließliche Konzession für die öffentliche Dienstleistung des Gasversorgungsnetzbetriebs in den Gemeinden der Region von Lissabon (Portugal) und ist insbesondere mit der Entwicklung, dem Betrieb und der Instandhaltung dieses Netzes betraut. Dieses besteht u. a. aus unterirdisch verlegten Rohren in Liegenschaften bestimmter Gemeinden im Konzessionsgebiet. Lisboagás ist zur Zahlung der von den Gemeinden erhobenen Abgaben auf die Inanspruchnahme des Untergrunds (im Folgenden: TOS) verpflichtet.
13 Gemäß dem Konzessionsvertrag belastet Lisboagás, nachdem sie die TOS an die Gemeinden entrichtet hat, den Betrag dieser Abgaben an die für den Gasvertrieb im Konzessionsgebiet zuständige Gesellschaft weiter, wenn sie dieser die Benutzung der Netzinfrastruktur für die Gasversorgung der Verbraucher in Rechnung stellt. Danach wälzt die zuletzt genannte Gesellschaft den Betrag der TOS mit der Gasrechnung auf die Verbraucher ab.
14 Den Vorgaben der Steuerbehörde entsprechend entrichtete Lisboagás auf die Beträge der TOS, die in der Folge in den Monaten Mai, Juni und Juli 2012 auf die Verbraucher abgewälzt wurden, Mehrwertsteuer zum normalen Satz von 23 %. Sie führte diese Mehrwertsteuer in ihren periodischen Erklärungen auf und beglich sie rechtzeitig.
15 Nach Ablehnung ihrer Anträge auf Erstattung der Mehrwertsteuer erhob Lisboagás am 29. April 2013 Klage beim Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD).
16 Zur Stützung dieser Klage trägt Lisboagás u. a. vor, dass die Weiterbelastung der TOS keine „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie darstelle, da eine direkte oder indirekte Gegenleistung fehle, so dass es sich nicht um eine entgeltliche Leistung handele und sie keinen Mehrwert schaffe.
17 Im Übrigen sei Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie, der durch Art. 16 Abs. 5 Buchst. a CIVA umgesetzt worden sei, nicht auf die TOS anwendbar, da diese keine direkte Verbindung zu von Lisboagás ausgeführten steuerpflichtigen Umsätzen aufwiesen, nicht an die Ausübung der Tätigkeit geknüpft seien, die Gegenstand der Konzession sei, und ihre Vereinnahmung insbesondere keine tatsächliche Gegenleistung zu einem von ihr erbrachten steuerpflichtigen Umsatz gegenüber der Gasvertriebsorganisation darstelle.
18 Da die TOS bei ihrer Erhebung durch die Gemeinden nach Art. 2 CIVA nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fielen, könne ihre bloße Weiterbelastung ohne jeden Aufschlag nicht zu ihrer Einbeziehung in die Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer führen. Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer gebiete nämlich, dass die Behandlung einer bestimmten Ausgabe unter Mehrwertsteuergesichtspunkten beibehalten werde, wenn genau der Betrag dieser Ausgabe an einen Dritten weiterberechnet werde.
19 Die Autoridade Tributária e Aduaneira macht geltend, dass eine Erstattung des Betrags der Mehrwertsteuer an Lisboagás, den diese entrichtet und von ihrem Kunden erhalten habe, zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würden, die das nationale Recht und das Unionsrecht nicht zuließen.
20 Außerdem bedeute die Verwertung oder Nutzung eines im öffentlichen Eigentum stehenden Guts eine Verbrauchshandlung, die für Mehrwertsteuerzwecke einer Dienstleistung entspreche, und es könne nicht behauptet werden, dass die Zahlung der TOS keine direkte Verbindung mit den von Lisboagás ausgeführten steuerpflichtigen Umsätzen aufweise, da die Verteilung von Gas durch den Untergrund eines bestimmten Landkreises oder einer bestimmten Gemeinde vorgenommen werde.
21 Auch wenn die Vereinnahmung der TOS nicht der Mehrwertsteuer unterliege, da die Erteilung von Konzessionen für im öffentlichen Eigentum stehende Güter von den Gemeinden in Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse erfolge, sei die von einer juristischen Person des Privatrechts vorgenommene Weiterbelastung ihrerseits Teil einer zusammengesetzten Dienstleistung, die letztlich in der Gasversorgung der Verbraucher bestehe.
22 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens beantragt habe, ein Vorabentscheidungsersuchen zu stellen, und dass gegen die Entscheidung, mit der es über den Ausgangsrechtsstreit befinde, kein Rechtsmittel gegeben sei.
23 Unter diesen Umständen hat das Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Läuft es dem Unionsrecht zuwider, wenn bei der ohne Aufschläge erfolgten Abwälzung der Beträge der Abgaben auf die Inanspruchnahme des Untergrunds, die ein privates Unternehmen, das einem Unternehmen, das seine Dienstleistungen übernommen hat, die Infrastruktur für die Verteilung von Erdgas zur Verfügung stellt, an die Gemeinden gezahlt hat, in denen die zu dieser Infrastruktur gehörenden Rohre liegen, Mehrwertsteuer berechnet wird?
2. Wenn die Abgaben auf die Inanspruchnahme des Untergrunds von Gebietskörperschaften in Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse ohne Mehrwertsteuer erhoben werden, läuft es dann dem Unionsrecht zuwider, wenn bei der Umwälzung der Beträge dieser Abgaben, die von einem privatem Unternehmen gezahlt wurden, das einem Unternehmen, das seine Dienstleistungen übernommen hat, die Infrastruktur für die Verteilung von Erdgas zur Verfügung stellt, Mehrwertsteuer berechnet wird?
Zu den Vorlagefragen
24 Da die Kommission zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens bemerkt, dass das vorlegende Gericht weder die Vorschriften des Unionsrechts präzisiert, deren Auslegung es begehrt, noch die Gründe, aus denen es Zweifel an der Auslegung dieses Rechts hat, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs das Vorabentscheidungsersuchen eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang enthalten muss, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt.
25 Da jedoch eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht spricht, kann der Gerichtshof das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteile Cipolla u. a., C-94/04 und C-202/04, EU:C:2006:758, Rn. 25, sowie Chartered Institute of Patent Attorneys, C-307/10, EU:C:2012:361, Rn. 32).
26 Im vorliegenden Fall ist der in der Vorlageentscheidung enthaltenen Schilderung des Ausgangsrechtsstreits und den vorgelegten Fragen trotz des Fehlens genauerer Angaben zu den Vorschriften des Unionsrechts, deren Auslegung erbeten wird, und den Gründen, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel an der Auslegung dieses Rechts hat, zu entnehmen, dass sich die Fragen auf die Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie beziehen und dass die einschlägigen Vorschriften zu ihrer Beantwortung, insbesondere in Anbetracht der von Lisboagás vorgetragenen Argumente, die Art. 9 Abs. 1, 73, 78 Abs. 1 Buchst. a und 79 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie sind. Im Übrigen geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass eine Beantwortung dieser Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts für den Ausgang des Rechtsstreits erforderlich ist.
27 Das Vorabentscheidungsersuchen ist demnach zulässig.
28 In der Sache möchte das vorlegende Gericht mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, wissen, ob die Art. 9 Abs. 1, 73, 78 Abs. 1 Buchst. a und 79 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass der Betrag von Abgaben wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der von der Gesellschaft mit Gasversorgungsnetzkonzession aufgrund der Nutzung des öffentlichen Eigentums der Gemeinden an diese bezahlt wird und der in der Folge von dieser Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft, die mit dem Gasvertrieb betraut ist, und sodann von dieser auf die Endverbraucher abgewälzt wird, in die Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen ist, die auf die von der erstgenannten Gesellschaft an die zweitgenannte Gesellschaft erbrachte Dienstleistung anwendbar ist.
29 Nach Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie sind Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst in die Steuerbemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen. Der Gerichtshof hat bereits ausgeführt, dass eine Abgabe, damit sie in die Bemessungsgrundlage eingehen kann, obwohl sie keinen Mehrwert darstellt und nicht die wirtschaftliche Gegenleistung für Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen ist, in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Lieferung oder Erbringung stehen muss und dass die Frage, ob der Entstehungstatbestand dieser Abgabe mit dem der Mehrwertsteuer zusammenfällt, ein maßgeblicher Aspekt für die Annahme eines solchen Zusammenhangs ist (vgl. in diesem Sinne Urteile De Danske Bilimportører, C-98/05, EU:C:2006:363, Rn. 17, Kommission/Polen, C-228/09, EU:C:2010:295, Rn. 30, Kommission/Österreich, C-433/09, EU:C:2010:817, Rn. 34, sowie TVI, C-618/11, C-637/11 und C-659/11, EU:C:2013:789, Rn. 37 und 39).
30 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die TOS von Lisboagás an die Gemeinden bezahlt werden, und zwar vor dem der Mehrwertsteuer unterworfenen Umsatz zwischen Lisboagás und der mit dem Gasvertrieb an die Verbraucher betrauten Gesellschaft und unabhängig von diesem Umsatz, als Gegenleistung für die Nutzung des kommunalen öffentlichen Eigentums durch die dort vorhandenen, von Lisboagás betriebenen Gasnetzinfrastrukturen. Lisboagás belastet den Betrag dieser TOS dann an die Gasvertriebsgesellschaft weiter, wenn sie dieser die Nutzung der Infrastrukturen für die Gasversorgung der Verbraucher in Rechnung stellt.
31 Daraus ergibt sich, dass die TOS keinen Mehrwert darstellen und nicht die wirtschaftliche Gegenleistung für den mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz zwischen der Gesellschaft mit Gasversorgungskonzession und der mit dem Gasvertrieb betrauten Gesellschaft sind, sowie dass der Entstehungstatbestand dieser TOS nicht mit dem der Mehrwertsteuer zusammenfällt, so dass sie in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Umsatz stehen.
32 Daher fallen die TOS nicht unter die Abgaben, die nach Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen sind.
33 Im Übrigen gibt Lisboagás, indem sie den Betrag der TOS an die mit dem Gasvertrieb betraute Gesellschaft bei der Rechnungsstellung für die Nutzung dieser Infrastrukturen für die Gasversorgung der Kunden weitergibt, nicht diese TOS als solche weiter, sondern den Preis der Nutzung des kommunalen öffentlichen Eigentums. Dieser Preis gehört zur Gesamtheit der von Lisboagás getragenen Kosten, die in den Preis ihrer Leistung einbezogen werden, der von der mit dem Gasvertrieb betrauten Gesellschaft zu zahlen ist. Dass der Betrag der TOS gemäß dem Konzessionsvertrag auf der von Lisboagás ausgestellten Rechnung und sodann in den Rechnungen, die von der mit dem Gasvertrieb beauftragten Gesellschaft den Kunden übersandt werden, getrennt ausgewiesen wird, ist insoweit ohne Bedeutung.
34 Daher stellt der Betrag der TOS einen Bestandteil der Gegenleistung dar, die Lisboagás von der mit dem Gasvertrieb betrauten Gesellschaft für ihre Leistung erhalten hat, von der außer Streit steht, dass sie eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist. Nach Art. 73 dieser Richtlinie ist der Betrag daher in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für diese Leistung einzubeziehen.
35 Der Betrag der TOS kann auch nicht aufgrund von Art. 79 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für diese Leistung ausgenommen werden, da er nicht als Erstattung der im Namen und für Rechnung der Gasvertriebsgesellschaft oder der Kunden verauslagten Beträge vereinnahmt wird, sondern als Gegenleistung für die von Lisboagás für die Erfordernisse ihrer Tätigkeit getragenen Kosten der Nutzung des kommunalen Eigentums.
36 Entgegen dem Vortrag von Lisboagás widerspricht die Einbeziehung des Betrags der TOS in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer auf die von ihr gegenüber der Gasvertriebsgesellschaft erbrachten, Leistung nicht dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der nicht zulässt, dass gleichartige und miteinander in Wettbewerb stehende Lieferungen von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil BGŻ Leasing, C-224/11, EU:C:2013:15, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).
37 Denn nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie gelten Gemeinden nicht als Mehrwertsteuerpflichtige, soweit sie Abgaben wie die TOS erheben, während nach Art. 9 der Richtlinie Gesellschaften wie Lisboagás als Mehrwertsteuerpflichtige gelten, wenn sie „wirtschaftliche Tätigkeiten“ im Sinne dieser Vorschrift ausüben. Außerdem stellen, wie sich aus den Feststellungen in den Rn. 31, 33 und 34 des vorliegenden Urteils ergibt, die Erhebung der TOS durch die Gemeinden und die Übertragung des Rechts an die mit dem Gasvertrieb betraute Gesellschaft durch Lisboagás, das von ihr betriebene Gasnetz gegen Zahlung eines Betrages, der die TOS enthält, zu nutzen, keine „gleichartigen Umsätze“ dar.
38 Nach alledem ist auf die beiden vorgelegten Fragen zu antworten, dass die Art. 9 Abs. 1, 73, 78 Abs. 1 Buchst. a und 79 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass der Betrag von Abgaben wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der von der Gesellschaft mit Gasversorgungsnetzkonzession aufgrund der Nutzung des öffentlichen Eigentums der Gemeinden an diese bezahlt wird und der in der Folge von dieser Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft, die mit dem Gasvertrieb betraut ist, und sodann von dieser auf die Endverbraucher abgewälzt wird, in die Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen ist, die nach Art. 73 dieser Richtlinie auf die von der erstgenannten Gesellschaft an die zweitgenannte Gesellschaft erbrachte Dienstleistung anwendbar ist.
Kosten
39 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 9 Abs. 1, 73, 78 Abs. 1 Buchst. a und 79 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass der Betrag von Abgaben wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der von der Gesellschaft mit Gasversorgungsnetzkonzession aufgrund der Nutzung des öffentlichen Eigentums der Gemeinden an diese bezahlt wird und der in der Folge von dieser Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft, die mit dem Gasvertrieb betraut ist, und sodann von dieser auf die Endverbraucher abgewälzt wird, in die Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen ist, die nach Art. 73 dieser Richtlinie auf die von der erstgenannten Gesellschaft an die zweitgenannte Gesellschaft erbrachte Dienstleistung anwendbar ist.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Portugiesisch.