Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)
2. Mai 2019(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Vorsteuerabzug – Sechste Richtlinie 77/388/EWG – Art. 17 Abs. 2 und 6 – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 168 und 176 – Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug – Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen – Stillhalteklausel – Beitritt zur Europäischen Union“
In der Rechtssache C-225/18
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 28. März 2018, in dem Verfahren
Grupa Lotos S.A.
gegen
Minister Finansów
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters J. Malenovský und der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin),
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Grupa Lotos S.A., vertreten durch B. Wolniewicz, radca prawny,
– der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaitė und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 168 Buchst. a und Art. 176 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Grupa Lotos S.A. mit Sitz in Polen, der Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe, die vor allem im Bereich der Kraft- und Schmierstoffe tätig ist, und dem Minister Finansów (Finanzminister, Polen) wegen einer Einzelfallauslegung, mit der der Finanzminister Grupa Lotos das Recht verweigert hat, die von ihr entrichtete Mehrwertsteuer auf den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen abzuziehen, die sie weiterveräußert und somit an andere Mehrwertsteuerpflichtige weiterbelastet.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Art. 17 Abs. 2 und 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. 1995, L 102, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) sah vor:
„(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,
…
(6) Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.
Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die in den in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind.“
4 Die Sechste Richtlinie wurde durch die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Mehrwertsteuerrichtlinie aufgehoben und ersetzt.
5 Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
…“
6 Art. 176 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission einstimmig fest, welche Ausgaben kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen. In jedem Fall werden diejenigen Ausgaben vom Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.
Bis zum Inkrafttreten der Bestimmungen im Sinne des Absatzes 1 können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die am 1. Januar 1979 beziehungsweise im Falle der nach diesem Datum der Gemeinschaft beigetretenen Mitgliedstaaten am Tag ihres Beitritts in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen waren.“
Polnisches Recht
7 Art. 25 Abs. 1 Nr. 3b der Ustawa o podatku od towarów i usług oraz o podatku akcyzowym (Gesetz über die Steuer auf Gegenstände und Dienstleistungen sowie über die Verbrauchsteuer) vom 8. Januar 1993 (Dz. U. von 1993, Nr. 11, Position 50) in der bis zu seiner Aufhebung am 1. Mai 2004 geltenden Fassung sah vor:
„Vom Recht auf Vorsteuerabzug bzw. auf Erstattung der Steuerdifferenz ausgeschlossen sind die vom Steuerpflichtigen erworbenen
3b) Beherbergungs- und Gastronomieleistungen, außer:
a) wenn diese Dienstleistungen von Steuerpflichtigen erworben wurden, die Reiseleistungen erbringen, sofern zu diesen Reiseleistungen auch Beherbergungs- und/oder Gastronomieleistungen gehören,
b) beim Erwerb von Fertiggerichten für Passagiere durch Steuerpflichtige, die Personenbeförderungsleistungen erbringen.“
8 Art. 8 Abs. 2a der Ustawa o podatku od towarów i usług (Gesetz über die Steuer auf Gegenstände und Dienstleistungen) vom 11. März 2004 (Dz. U. von 2011, Nr. 177, Position 1054) in der zur Zeit des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren geltenden Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) bestimmt:
„Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.“
9 In Art. 86 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes heißt es:
„Soweit Gegenstände und Dienstleistungen zur Ausführung besteuerter Umsätze verwendet werden, sind die … Steuerpflichtigen vorbehaltlich der Art. 114, 119 Abs. 4, 120 Abs. 17 und 19 sowie Art. 124 berechtigt, den Betrag der Vorsteuer vom Betrag der geschuldeten Steuer abzuziehen.“
10 Art. 88 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes sah in der bis 1. Dezember 2008 geltenden Fassung vor:
„Vom Recht auf Vorsteuerabzug bzw. auf Erstattung der Steuerdifferenz ausgeschlossen sind die vom Steuerpflichtigen erworbenen …
4) Beherbergungs- und Gastronomieleistungen, außer:
a) wenn diese Dienstleistungen von Steuerpflichtigen erworben wurden, die Reiseleistungen erbringen, sofern zu diesen Reiseleistungen, die auf anderer Grundlage als auf der des Art. 119 besteuert werden, auch Beherbergungs- und/oder Gastronomieleistungen gehören,
b) beim Erwerb von Fertiggerichten für Passagiere durch Steuerpflichtige, die Personenbeförderungsleistungen erbringen.“
11 In der seit dem 1. Dezember 2008 geltenden Fassung bestimmt Art. 88 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes:
„Vom Recht auf Vorsteuerabzug bzw. auf Erstattung der Steuerdifferenz ausgeschlossen sind die vom Steuerpflichtigen erworbenen …
4) Beherbergungs- und Gastronomieleistungen, außer:
a) [aufgehoben]
b) beim Erwerb von Fertiggerichten für Passagiere durch Steuerpflichtige, die Personenbeförderungsleistungen erbringen.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
12 Grupa Lotos, die in Polen mehrwertsteuerpflichtig ist, erwarb im Jahr 2014 Beherbergungs- und Gastronomieleistungen teilweise zur eigenen Nutzung und teilweise zur Weiterveräußerung an ihre Tochtergesellschaften, die ebenfalls in Polen mehrwertsteuerpflichtig sind.
13 Grupa Lotos beantragte bei den polnischen Steuerbehörden eine Einzelfallauslegung. Sie wollte u. a. wissen, ob sie in dem Fall, dass sie Beherbergungs- und Gastronomieleistungen erwerbe, die sie anschließend an andere Mehrwertsteuerpflichtige weiterbelaste, zum Vorsteuerabzug nach den allgemeinen Grundsätzen des Art. 86 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes berechtigt sei.
14 Nach Ansicht von Grupa Lotos muss die beim Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen abgeführte Vorsteuer nach Art. 86 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes abzugsfähig sein, da zum einen ein Wirtschaftsteilnehmer, der im eigenen Namen Dienstleistungen zum Zweck ihrer Weiterveräußerung erwerbe, gemäß Art. 8 Abs. 2a des Mehrwertsteuergesetzes wie ein Dienstleistungserbringer behandelt werde, und zum anderen die Beherbergungs- und Gastronomieleistungen der Mehrwertsteuer unterlägen, wenn Grupa Lotos sie weiterveräußere. Die in Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 des Mehrwertsteuergesetzes geregelte Einschränkung des Ausschlusses vom Recht auf Vorsteuerabzug bei Beherbergungs- und Gastronomieleistungen finde hier keine Anwendung, da Grupa Lotos nicht als Endverbraucher dieser Dienstleistungen anzusehen sei, sondern wie die mehrwertsteuerpflichtigen Erbringer solcher Dienstleistungen als Dienstleistungserbringer.
15 In der Einzelfallauslegung vom Januar 2015 wiesen die Steuerbehörden das Vorbringen von Grupa Lotos zurück. Zur Begründung führten sie aus, dass bei dem in Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 des Mehrwertsteuergesetzes vorgesehenen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts nicht danach unterschieden werde, ob der Steuerpflichtige, der die Beherbergungs- und Gastronomieleistungen im Vorfeld erwerbe, danach als Endverbraucher oder als Dienstleistungserbringer auftrete.
16 Die von Grupa Lotos beim Wojewódzki Sąd Administracyjny w Gdańsku (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Danzig, Polen) erhobene Klage auf Aufhebung der Einzelfallauslegung wurde aus ähnlichen Gründen abgewiesen, wie sie die Steuerbehörden angeführt hatten.
17 Grupa Lotos erhob daraufhin Kassationsbeschwerde beim Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) und wiederholte im Wesentlichen ihren in Rn. 14 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Standpunkt.
18 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts spiegelt Art. 86 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes den in Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug wider. Das in Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 des Mehrwertsteuergesetzes aufgestellte Verbot des Vorsteuerabzugs bei Beherbergungs- und Gastronomieleistungen sei vor dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 bis 1. Dezember 2008 die exakte Wiederholung des Wortlauts des Art. 25 Abs. 1 Nr. 3b des Mehrwert- und Verbrauchsteuergesetzes gewesen und habe sich an die Stillhalteklausel des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie (jetzt Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie) angelehnt.
19 Bis 1. Dezember 2008 habe Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 des Mehrwertsteuergesetzes einen Buchst. a enthalten, wonach vom Ausschluss des Abzugsrechts die Fälle ausgenommen gewesen seien, in denen die Beherbergungs- und Gastronomieleistungen von Steuerpflichtigen erworben worden seien, die Reiseleistungen erbrächten. Am 1. Dezember 2008 habe der polnische Gesetzgeber Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Mehrwertsteuergesetzes jedoch aufgehoben und so die Ausschlusstatbestände vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen gegenüber dem Rechtsstand vor dem Beitritt der Republik Polen zur Union erweitert.
20 Der Ausschluss des Vorsteuerabzugs, der sich aus Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 des Mehrwertsteuergesetzes ergebe, sei dadurch gerechtfertigt, dass die auf Ausgaben beim Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen berechnete Mehrwertsteuer oft einen Verbrauchscharakter haben könne, der nicht im engen Zusammenhang zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit stehe. Zweck der Vorschrift sei daher ein Verbot des Vorsteuerabzugs bei solchen Ausgaben für Beherbergungs- und Gastronomieleistungen, die lediglich scheinbar im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit stünden, tatsächlich aber vom Steuerpflichtigen zu privaten Verbrauchszwecken verwendet würden.
21 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sollte ein solches Verbot jedoch nicht wie im Ausgangsverfahren für einen Steuerpflichtigen gelten, der solche Dienstleistungen mit dem Ziel des Weiterverkaufs an Verbraucher oder an andere Steuerpflichtige erwerbe, da in diesem Fall die im Vorfeld getätigten Ausgaben den Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht verlören. In einem solchen Fall verletze nämlich das Verbot des Vorsteuerabzugs, da es zu einer Doppelbesteuerung dieser Leistungen führe, die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit und stehe im Widerspruch zu dem vom Unionsgesetzgeber mit Art. 176 der Mehrwertsteuerrichtlinie verfolgten Ziel.
22 Dem vorlegenden Gericht sei zwar insbesondere das Urteil vom 19. September 2000, Ampafrance und Sanofi (C-177/99 und C-181/99, EU:C:2000:470‚ Rn. 56 und 61), bekannt, aus dem sich ergebe, dass eine Maßnahme, mit der grundsätzlich alle Ausgaben für Unterkunft und Bewirtung vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen würden, vor allem dann nicht erforderlich sei, um Steuerhinterziehungen und -umgehungen zu bekämpfen, wenn sich aus objektiven Umständen ergebe, dass diese Aufwendungen zu streng geschäftlichen Zwecken getätigt worden seien. Das vorlegende Gericht hegt jedoch Zweifel daran, ob dieses Urteil, das zu einer Entscheidung des Rates der Europäischen Union ergangen sei, auf einen Ausschluss anwendbar sei, der im nationalen Recht auf der Grundlage der Stillhalteklausel des Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelt sei, und ob dieser Ausschluss im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehen müsse.
23 Unter diesen Umständen hat der Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist mit Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie den Grundsätzen der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit eine Regelung wie die des Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 des Mehrwertsteuergesetzes vereinbar, wonach die vom Steuerpflichtigen erworbenen Beherbergungs- und Gastronomieleistungen, mit Ausnahme des Erwerbs von Fertiggerichten für Passagiere durch Steuerpflichtige, die Personenbeförderungsleistungen erbringen, vom Recht auf Vorsteuerabzug bzw. auf Erstattung der Steuerdifferenz ausgeschlossen sind, auch wenn diese Regelungen auf der Grundlage des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie in das Gesetz eingefügt wurden?
Zur Vorlagefrage
24 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die zum einen nach dem Beitritt des betreffenden Mitgliedstaats zur Union eine Erweiterung der Ausschlusstatbestände vom Recht auf Vorsteuerabzug vorsehen und dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger, der Reiseleistungen erbringt, ab dem Inkrafttreten dieser Erweiterung vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen ausgeschlossen ist, die er im Rahmen der Erbringung von Reiseleistungen an andere Steuerpflichtige weiterbelastet, und die zum anderen den Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen vorsehen, der vor dem Beitritt dieses Mitgliedstaats zur Union eingeführt und gemäß Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie nach dem Beitritt beibehalten wurde, und dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger, der keine Reiseleistungen erbringt, vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen, die er an andere Steuerpflichtige weiterbelastet, ausgeschlossen ist.
25 Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das in Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Es kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (vgl. u. a. Urteile vom 18. Juli 2013, AES-3C Maritza East 1, C-124/12, EU:C:2013:488, Rn. 25, und vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 25).
26 Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer nämlich vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet so die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27 Daher ist ein Steuerpflichtiger, soweit er zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands oder einer Dienstleistung als solcher handelt und den Gegenstand oder die Dienstleistung für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, berechtigt, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für diesen Gegenstand oder diese Dienstleistung abzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Zweitens ist der Rechtsprechung auch zu entnehmen, dass Ausnahmen vom Recht auf Vorsteuerabzug nur in den in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2000, Ampafrance und Sanofi, C-177/99 und C-181/99, EU:C:2000:470‚ Rn. 34, und vom 8. Januar 2002, Metropol und Stadler, C-409/99, EU:C:2002:2‚ Rn. 42, 44 und 58) und eng auszulegen sind (Urteil vom 22. Dezember 2008, Magoora, C-414/07, EU:C:2008:766‚ Rn. 28).
29 Unter diese Ausnahmen fällt Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie, der im Wesentlichen inhaltsgleich mit Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie ist und dessen Erlass keine Auswirkung auf die Rechtsprechung zur Auslegung des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. September 2010, Oasis East, C-395/09, EU:C:2010:570‚ Rn. 17 und 27).
30 Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält, wie auch Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie, der ihm vorausgegangen ist, eine Stillhalteklausel, die vorsieht, dass die der Union beitretenden Staaten die vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts geltenden innerstaatlichen Ausnahmen vom Recht auf Vorsteuerabzug beibehalten, bis der Rat die in Art. 176 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Bestimmungen erlässt, was der Rat bis heute nicht getan hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. April 2010, X Holding und Oracle Nederland, C-538/08 und C-33/09, EU:C:2010:192, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 18. Juli 2013, AES-3C Maritza East 1, C-124/12, EU:C:2013:488, Rn. 43 und 44).
31 Drittens ist jedoch die den Mitgliedstaaten verbliebene Befugnis, gemäß Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie innerstaatliche Ausschlüsse vom Recht auf Vorsteuerabzug beizubehalten, nicht absolut. So hat der Gerichtshof entschieden, dass die Stillhalteklausel nicht zum Ziel hat, einem neuen Mitgliedstaat die Möglichkeit zu geben, seine nationalen Rechtsvorschriften, die die bestehenden Ausschlusstatbestände erweitern, anlässlich seines Beitritts zur Union derart zu ändern, dass sich diese Vorschriften von den Zielen der Mehrwertsteuerrichtlinie entfernen, was dem Geist dieser Klausel zuwiderliefe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2008, Magoora, C-414/07, EU:C:2008:766‚ Rn. 37 und 39).
32 Mit einer solchen Erweiterung der bestehenden Ausschlusstatbestände würden die Mitgliedstaaten im Übrigen ihre Verpflichtung verletzen, die Erhebung der gesamten Mehrwertsteuer in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet zu gewährleisten, indem sie der Union insbesondere unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 EUV einen Teil der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer, d. h. einen Teil ihrer Eigenmittel, nehmen würden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Mai 2018, Scialdone, C-574/15, EU:C:2018:295‚ Rn. 26 und 27 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Der Gerichtshof hat zudem entschieden, dass es Sache der nationalen Gerichte ist, den Inhalt der nationalen Rechtsvorschriften zum Zeitpunkt des Beitritts eines neuen Mitgliedstaats zu bestimmen und festzustellen, ob diese Rechtsvorschriften nach diesem Beitritt die vorhandenen Ausschlusstatbestände erweitert haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, AES-3C Maritza East 1, C-124/12, EU:C:2013:488‚ Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Im Ausgangsverfahren geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 des Mehrwertsteuergesetzes zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Polen zur Union die Vorsteuer aus dem Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausschloss; von diesem Ausschluss war nach Buchst. a dieser Bestimmung u. a. der Erwerb von Leistungen dieser Art ausgenommen, die von Steuerpflichtigen genutzt werden, die im Nachgang Reiseleistungen erbringen.
35 Wie in Rn. 19 des vorliegenden Urteils angeführt, scheint das vorlegende Gericht jedoch davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber durch die Aufhebung des Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Mehrwertsteuergesetzes die Ausschlusstatbestände vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen ab dem 1. Dezember 2008, somit nach dem Beitritt der Republik Polen zur Union, erweitert habe, indem er die Vorsteuer aus dem Erwerb solcher Leistungen durch Steuerpflichtige, die im Nachgang Reiseleistungen erbrächten, als von diesem Ausschluss erfasst festgelegt habe.
36 Nach der u. a. in den Rn. 30 bis 32 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung fällt eine solche Erweiterung der Ausschlusstatbestände vom Recht auf Vorsteuerabzug nach dem Beitritt der Republik Polen zur Union, wie sie vom vorlegenden Gericht festgestellt worden ist, die dazu führt, dass ein Steuerpflichtiger, der Reiseleistungen erbringt, seit dem 1. Dezember 2008 vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen ausgeschlossen ist, nicht unter die Stillhalteklausel des Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Eine solche nach dem Beitritt der Republik Polen zur Union erfolgte Erweiterung der Ausschlusstatbestände vom Recht auf Vorsteuerabzug verstößt somit gegen Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie.
37 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, sind jedoch die tatsächliche Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften über die Ausschlusstatbestände vom Recht auf Vorsteuerabzug und deren Auswirkungen auf die Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, AES-3C Maritza East 1, C-124/12, EU:C:2013:488, Rn. 51).
38 Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht hat, ist es insoweit – vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht – nicht sicher, ob eine Erweiterung der Ausschlusstatbestände vom Recht auf Vorsteuerabzug wie die vom vorlegenden Gericht beschriebene im Sachverhalt des Ausgangsverfahrens erheblich und tatsächlich anwendbar ist. Den Akten lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass die Beherbergungs- und Gastronomieleistungen, die Grupa Lotos von anderen Steuerpflichtigen erwirbt, ihr dazu dienen, im Nachgang Reiseleistungen auch an andere Steuerpflichtige zu erbringen.
39 Sollte das vorlegende Gericht die Richtigkeit der Annahme der Kommission bestätigen, müsste der Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen durch einen Steuerpflichtigen wie Grupa Lotos, der diese Leistungen im Nachgang ohne einen Zusammenhang mit der Erbringung von Reiseleistungen an andere Steuerpflichtige weiterveräußert, grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel des Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen. Für die betreffenden Steuerpflichtigen bleiben nämlich die Auswirkungen des in Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 des Mehrwertsteuergesetzes vorgesehenen Ausschlusses vom Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich vor und nach dem Beitritt der Republik Polen zur Union gleich.
40 In diesem Fall ist gemäß der Rechtsprechung in einem ersten Schritt noch zu prüfen, ob der fragliche Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug eine hinreichend konkretisierte Ausgabenart betrifft oder – mit anderen Worten –, ob die fraglichen nationalen Rechtsvorschriften die Natur oder die Art der Gegenstände oder Dienstleistungen, für die das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, hinreichend konkretisieren, um sicherzustellen, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit nicht dazu dient, allgemeine Ausschlüsse von dieser Regelung vorzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. April 2010, X Holding und Oracle Nederland, C-538/08 und C-33/09, EU:C:2010:192, Rn. 44 und 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Der Gerichtshof hat im Urteil vom 15. April 2010, X Holding und Oracle Nederland (C-538/08 und C-33/09, EU:C:2010:192‚ Rn. 50 und 51), insoweit bereits anerkannt, dass Arten von Ausgaben für die Abgabe von Speisen und Getränken an das Personal eines Steuerpflichtigen sowie die Beschaffung von Wohnraum hinreichend konkretisiert waren, so dass der im nationalen Recht jener Rechtssache vorgesehene Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug in den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie fiel.
42 Im vorliegenden Fall erscheint die im Ausgangsverfahren fragliche Ausgabenart für „Beherbergungs- und Gastronomieleistungen“, obwohl sie eher allgemein umschrieben ist, in Bezug auf die von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen hinreichend konkretisiert, da sie sich auf die Natur dieser Leistungen bezieht.
43 In einem zweiten Schritt ist jedoch zu prüfen, ob die Stillhalteklausel des Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie, wie die Kommission meint, nur Ausschlüsse vom Recht auf Vorsteuerabzug erfasst, die durch einen Beschluss des Rates auf der Grundlage des Art. 176 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie genehmigt werden könnten.
44 Die Kommission macht insbesondere geltend, es ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte des Art. 176 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass dieser für Ausgaben gelten solle, für die es, auch wenn sie im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit entstanden seien, schwierig sei, den für geschäftliche Zwecke verwendeten Teil von dem für private Zwecke verwendeten Teil abzugrenzen. Daher ist die Kommission der Auffassung, dass der im Ausgangsverfahren fragliche Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug zu weit gefasst sei, da er auch die Fälle erfasse, in denen die mit der Vorsteuer belasteten Ausgaben ausschließlich für geschäftliche Zwecke bestimmt seien.
45 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.
46 Zum einen ist in Art. 176 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie nämlich nur bestimmt, dass der Rat festlegt, welche Ausgaben kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, und dass in jedem Fall diejenigen Ausgaben vom Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen. Diese Bestimmung hindert somit den Rat nicht daran, zu gegebener Zeit Ausgaben mit geschäftlichem Charakter vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen.
47 Zum anderen zielt Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie auf die Beibehaltung „aller Ausschlüsse“ ab, die vor dem 1. Januar 1979 oder, für die nach diesem Datum beigetretenen Mitgliedstaaten, am Tag ihres Beitritts vorgesehen waren. Der Gerichtshof hat im Urteil vom 5. Oktober 1999, Royscot u. a. (C-305/97, EU:C:1999:481, Rn. 20), zu einem Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Kraftfahrzeugen ausdrücklich festgestellt, dass der Ausdruck „alle Ausschlüsse“ in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte dieses Artikels auch die Ausgaben umfasst, die einen streng geschäftlichen Charakter haben.
48 Folglich berechtigt die Stillhalteklausel des Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Mitgliedstaaten dazu, Ausgabenarten vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen, die einen streng geschäftlichen Charakter haben, sofern diese im Sinne der in Rn. 40 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hinreichend konkretisiert sind.
49 Diese Auslegung des Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie wird nicht durch das vom vorlegenden Gericht angeführte Urteil vom 19. September 2000, Ampafrance und Sanofi (C-177/99 und C-181/99, EU:C:2000:470), in Frage gestellt.
50 Die Rechtssache, in der jenes Urteil ergangen ist, betraf nämlich einen Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug bei Ausgaben für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen, der nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eingeführt wurde und als Ausnahme zu Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie durch eine Entscheidung des Rates genehmigt worden war. Auch wenn der Gerichtshof in den Rn. 58 und 61 des Urteils vom 19. September 2000, Ampafrance und Sanofi (C-177/99 und C-181/99, EU:C:2000:470), festgestellt hat, dass die Entscheidung des Rates u. a. deshalb ungültig war, weil sie gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit verstieß, hat er in Rn. 39 des Urteils ohne weitere Prüfung festgestellt, dass die übrigen Ausschlüsse vom Recht auf Vorsteuerabzug, die vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie bestanden und später im betreffenden nationalen Recht unverändert beibehalten wurden, von der Stillhalteklausel des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie gedeckt waren.
51 Für das Ausgangsverfahren ergibt sich daraus, dass dann, wenn das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Streichung des Art. 88 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Mehrwertsteuergesetzes keine Auswirkung auf die Situation von Grupa Lotos hatte, der Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen, der vor dem Beitritt der Republik Polen zur Union eingeführt und nach dem Beitritt beibehalten wurde, unter die Stillhalteklausel des Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie fiele und somit nicht gegen Art. 168 Buchst. a dieser Richtlinie verstieße.
52 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er
– nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die nach dem Beitritt des betreffenden Mitgliedstaats zur Union eine Erweiterung der Ausschlusstatbestände vom Recht auf Vorsteuerabzug vorsehen und dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger, der Reiseleistungen erbringt, ab dem Inkrafttreten dieser Erweiterung vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen ausgeschlossen ist, die er im Rahmen der Erbringung von Reiseleistungen an andere Steuerpflichtige weiterbelastet, und
– nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die den Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen vorsehen, der vor dem Beitritt des betreffenden Mitgliedstaats zur Union eingeführt und nach dem Beitritt im Einklang mit Art. 176 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie beibehalten wurde und dazu führt, dass ein Steuerpflichtiger, der keine Reiseleistungen erbringt, vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen ausgeschlossen ist, die er an andere Steuerpflichtige weiterbelastet.
Kosten
53 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er
– nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die nach dem Beitritt des betreffenden Mitgliedstaats zur Union eine Erweiterung der Ausschlusstatbestände vom Recht auf Vorsteuerabzug vorsehen und dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger, der Reiseleistungen erbringt, ab dem Inkrafttreten dieser Erweiterung vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen ausgeschlossen ist, die er im Rahmen der Erbringung von Reiseleistungen an andere Steuerpflichtige weiterbelastet, und
– nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die den Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen vorsehen, der vor dem Beitritt des betreffenden Mitgliedstaats zur Union eingeführt und nach dem Beitritt gemäß Art. 176 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 beibehalten wurde und dazu führt, dass ein Steuerpflichtiger, der keine Reiseleistungen erbringt, vom Recht auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen ausgeschlossen ist, die er an andere Steuerpflichtige weiterbelastet.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Polnisch.