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Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

20. November 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie 77/388/EWG – Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f – Befreiungen – Von selbständigen Zusammenschlüssen von Personen erbrachte Dienstleistungen – An Mitglieder und an Nichtmitglieder erbrachte Dienstleistungen“

In der Rechtssache C-400/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof, Belgien) mit Entscheidung vom 19. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 2018, in dem Verfahren

Infohos

gegen

Belgische Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter P. G. Xuereb (Berichterstatter), T. von Danwitz, C. Vajda und A. Kumin,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Infohos, vertreten durch F. Soetaert, advocaat,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux, P. Cottin und C. Pochet als Bevollmächtigte,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, R. Campos Laires, P. Barros da Costa und J. Marques als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und W. Roels als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2019

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Infohos und dem Belgische Staat (Belgischer Staat) über eine Nacherhebung von Mehrwertsteuer für die Jahre 2002 bis 2004.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Sechste Richtlinie wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2007 aufgehoben und durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) ersetzt. In Anbetracht des entscheidungserheblichen Zeitraums gilt für den Ausgangsrechtsstreit jedoch weiterhin die Sechste Richtlinie.

4        Die Erwägungsgründe 9 und 11 der Sechsten Richtlinie lauteten:

„Auch die Besteuerungsgrundlage bedarf einer Harmonisierung, damit die Anwendung des gemeinschaftlichen Satzes auf die steuerbaren Umsätze in allen Mitgliedstaaten zu vergleichbaren Ergebnissen führt.

Im Hinblick auf eine gleichmäßige Erhebung der eigenen Mittel in allen Mitgliedstaaten ist es erforderlich, eine gemeinsame Liste der Steuerbefreiungen aufzustellen.“

5        In Art. 2 der Sechsten Richtlinie hieß es:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1.      Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

…“

6        Art. 13 („Steuerbefreiungen im Inland“) der Sechsten Richtlinie sah vor:

„A.      Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten

(1)      Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

f)      die Dienstleistungen, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt;

…“

7        Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie entspricht Art. 131 und Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112.

 Belgisches Recht

8        Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs in seiner für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung sah die Befreiung von der Mehrwertsteuer vor für „die Dienstleistungen, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die nach diesem Artikel von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Der König legt die Bedingungen für die Anwendung dieser Steuerbefreiung fest“.

9        Art. 2 des Koninklijk Besluit nr. 43 van 5 juli 1991 met betrekking tot de vrijstelling op het stuk van de belasting over de toegevoegde waarde ten aanzien van de door zelfstandige groeperingen van personen aan hun leden verleende diensten (Königlicher Erlass Nr. 43 vom 5. Juli 1991 über die Befreiung von der Mehrwertsteuer in Bezug auf Dienstleistungen, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen) (Belgisch Staatsblad vom 6. August 1991, S. 17215) sah vor:

„Dienstleistungen, die die in Artikel 1 erwähnten selbständigen Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen, sind steuerfrei, sofern

1°      die Tätigkeiten des Zusammenschlusses ausschließlich darin bestehen, unmittelbar zugunsten seiner Mitglieder Dienstleistungen zu erbringen, und alle Mitglieder eine Tätigkeit ausüben, die aufgrund von Artikel 44 des Gesetzbuches steuerfrei ist oder für die sie nicht steuerpflichtig sind.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

10      Infohos ist eine Vereinigung für Krankenhaus-Informationstechnologie. Sie erbringt Krankenhaus-IT-Dienstleistungen für die als ihre Mitglieder angeschlossenen Krankenhäuser, aber auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder.

11      Am 5. September 2000 schloss sie einen Kooperationsvertrag mit der IHC-Group NV zur gemeinsamen Entwicklung neuer oder neuartiger Softwareanwendungen auf ihre Bestellung für die als ihre Mitglieder angeschlossenen Krankenhäuser.

12      Infohos ließ sich nicht als Mehrwertsteuerpflichtige registrieren, da sie der Ansicht war, nach Art. 6 des Mehrwertsteuergesetzbuchs nicht als solche angesehen werden zu können oder zumindest die Befreiung nach Art. 44 § 2 Nr. 1bis dieses Gesetzes in Anspruch nehmen zu können.

13      Im Anschluss an eine am 20. April 2005 durchgeführte Kontrolle vertrat die Steuerbehörde die Auffassung, dass für die gegenseitigen Dienstleistungen zwischen Infohos und IHC-Group Mehrwertsteuer zu erheben sei. Darüber hinaus habe die Bewirkung steuerbarer Umsätze für Nichtmitglieder zur Folge, dass auch die Umsätze, die für die Mitglieder von Infohos bewirkt worden seien, der Mehrwertsteuer unterlägen, so dass sich Infohos nicht mehr gemäß Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs auf die Befreiung für an ihre Mitglieder erbrachte Dienstleistungen berufen könne.

14      Am 13. Dezember 2005 erstellte die Steuerbehörde ein Protokoll, in dem diese Verstöße festgestellt wurden, und fertigte daraufhin einen Zahlungsbefehl aus, der für vollstreckbar erklärt wurde.

15      Am 22. Mai 2007 erhob Infohos bei der Rechtbank van eerste aanleg Brugge (Gericht erster Instanz Brügge, Belgien) eine Klage, mit der sie beantragte, diese für zulässig und begründet zu erklären und folglich die Vollstreckung des von der Steuerbehörde ausgestellten Zahlungsbefehls auszusetzen, festzustellen, dass die geforderten Beträge nicht geschuldet werden, und hilfsweise, den Erlass der auferlegten Geldbußen anzuordnen oder diese zumindest erheblich herabzusetzen, die Erstattung aller gemäß diesem Zahlungsbefehl eingezogener Beträge, zuzüglich Verzugszinsen, anzuordnen und dem belgischen Staat die Kosten aufzuerlegen.

16      Mit Urteil vom 23. Februar 2009 entschied dieses Gericht, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der in Art. 44 § 2 Nr. 1bis  des Mehrwertsteuergesetzbuchs vorgesehenen Befreiung nicht erfüllt seien und dass Infohos für sämtliche von ihr sowohl an Mitglieder als auch an Nichtmitglieder erbrachte Dienstleistungen Mehrwertsteuer schulde.

17      Infohos legte gegen dieses Urteil beim Hof van Beroep Gent (Berufungsgericht Gent, Belgien) Berufung ein.

18      Mit Urteil vom 21. September 2010 entschied dieses Gericht, dass sich Infohos nicht auf die in Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs vorgesehene Befreiung berufen könne, da andernfalls der Wettbewerb verfälscht würde. Im Übrigen sei Infohos als gemischt Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 46 des Mehrwertsteuergesetzbuchs berechtigt, einen Erstattungsanspruch gegen den belgischen Staat geltend zu machen.

19      Daraufhin legte die Steuerbehörde beim Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof, Belgien) Kassationsbeschwerde ein.

20      Mit Urteil vom 31. Oktober 2014 hob dieses Gericht das Urteil des Hof van beroep te Gent (Berufungsgericht Gent) mit der Begründung auf, dass es widersprüchlich sei, einerseits zu entscheiden, dass sich Infohos nicht auf Art. 44 § 2 Nr. 1bis des Mehrwertsteuergesetzbuchs berufen könne und somit den Status eines unbeschränkt Steuerpflichtigen habe, und andererseits, dass sie sich zu Recht auf den Status eines gemischt Steuerpflichtigen berufen könne.

21      Der Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof) verwies die Rechtssache an den Hof van beroep te Antwerpen (Berufungsgericht Antwerpen, Belgien) zurück.

22      Mit Urteil vom 20. September 2016 entschied letzteres Gericht, dass sich Infohos nicht auf die Befreiung nach Art. 44 § 2 Nr. 1bis  des Mehrwertsteuergesetzbuchs berufen könne, weil sie auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringe.

23      Infohos legte gegen dieses Urteil beim Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof) Kassationsbeschwerde ein und machte u. a. geltend, dass die in Art. 2 Abs. 1 des Königlichen Erlasses Nr. 43 für die Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung aufgestellte Voraussetzung, dass ein selbständiger Zusammenschluss von Personen ausschließlich Dienstleistungen an seine Mitglieder erbringen dürfe, nicht in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie enthalten sei und daher in Widerspruch zu dieser Bestimmung stehe.

24      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Hof van beroep te Antwerpen (Berufungsgericht Antwerpen) entschieden habe, dass eine enge Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie und insbesondere der dort vorgesehenen Voraussetzung, dass selbständige Zusammenschlüsse von Personen von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten forderten, es ausschließe, dass diese Zusammenschlüsse Dienstleistungen auch an Personen erbrächten, die nicht Mitglied seien. Dieses Gericht habe außerdem festgestellt, dass Infohos, da sie sich nicht darauf beschränke, Dienstleistungen an ihre Mitglieder zu erbringen, sondern die Anwendungssoftware auch gegenüber Dritten vermarkte, sich für ihre gesamten Tätigkeiten nicht auf die Befreiung berufen könne.

25      Die dadurch aufgeworfene Frage lässt sich nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nur über eine Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie klären.

26      Unter diesen Umständen hat der Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie, jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112, dahin auszulegen, dass er den Mitgliedstaaten gestattet, für die darin vorgesehene Steuerbefreiung eine Ausschließlichkeitsbedingung festzulegen, durch die ein selbständiger Zusammenschluss, der auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringt, für die gegenüber Mitgliedern erbrachten Dienstleistungen ebenfalls in vollem Umfang mehrwertsteuerpflichtig wird?

 Zur Vorlagefrage

27      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die die Gewährung der Mehrwertsteuerbefreiung davon abhängig macht, dass die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen Dienstleistungen ausschließlich an ihre Mitglieder erbringen, was zur Folge hat, dass solche Zusammenschlüsse, die auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringen, in vollem Umfang mehrwertsteuerpflichtig sind, und zwar auch für die gegenüber ihren Mitgliedern erbrachten Dienstleistungen.

28      Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer die Dienstleistungen befreien, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt.

29      Insoweit ergibt sich aus den Erwägungsgründen 9 und 11 der Sechsten Richtlinie, dass diese die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer harmonisieren soll und die Befreiungen von dieser Steuer autonome Begriffe des Unionsrechts darstellen, die, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, im Gesamtzusammenhang des mit der Sechsten Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind (Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing, C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Nach ständiger Rechtsprechung sind außerdem die Begriffe, mit denen die in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen umschrieben sind, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Daher entspricht es nicht dem Sinn dieser Regel einer engen Auslegung, wenn die zur Umschreibung der in Art. 13 genannten Befreiungen verwendeten Begriffe so ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs hat nicht zum Ziel, eine Auslegung vorzuschreiben, die diese Befreiungen praktisch unanwendbar macht (Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing, C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Was den Wortlaut von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie, wie er in Rn. 28 des vorliegenden Urteils wiedergegeben ist, angeht, so betrifft die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung die Dienstleistungen, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen. Dagegen ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht, dass die Dienstleistungen, die solche Zusammenschlüsse an ihre Mitglieder erbringen, von der genannten Befreiung ausgenommen wären, wenn diese Zusammenschlüsse im Übrigen auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringen.

32      Daher lässt sich, auch wenn die Befreiung gemäß dieser Bestimmung nur für die Erbringung von Dienstleistungen gewährt werden kann, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen, aus dem Wortlaut der Bestimmung nicht ableiten, dass sie nur dann angewendet werden könnte, wenn diese Zusammenschlüsse Dienstleistungen nur an ihre Mitglieder erbringen dürfen.

33      Nach ständiger Rechtsprechung sind insoweit bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 3. Oktober 2019, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland u. a., C-197/18, EU:C:2019:824, Rn. 48).

34      Hinsichtlich der systematischen Stellung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie ist darauf hinzuweisen, dass Art. 13 Teil A dieser Richtlinie mit „Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten“ überschrieben und in Titel X dieser Richtlinie enthalten ist, in dem Steuerbefreiungen geregelt sind. Diese Überschrift zeigt, dass die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung nur selbständige Zusammenschlüsse von Personen betrifft, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2017, Kommission/Deutschland, C-616/15, EU:C:2017:721, Rn. 44).

35      Dieser Zusammenhang lässt nichts erkennen, woraus sich ergäbe, dass diese Befreiung auf selbständige Zusammenschlüsse von Personen, die Dienstleistungen ausschließlich zum Nutzen ihrer Mitglieder erbringen, beschränkt wäre.

36      In Bezug auf den Zweck von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass diese Bestimmung darauf abzielt, zu vermeiden, dass jemand, der bestimmte Dienstleistungen anbietet, Mehrwertsteuer entrichten muss, wenn er genötigt ist, mit anderen Berufsausübenden im Rahmen einer gemeinsamen Struktur zusammenzuarbeiten, die Tätigkeiten übernimmt, die zur Erbringung dieser Dienstleistungen erforderlich sind (Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing, C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 37).

37      Der Zweck der Gesamtheit der Bestimmungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie besteht somit darin, bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer zu befreien, um den Zugang zu bestimmten Dienstleistungen und die Lieferung bestimmter Gegenstände unter Vermeidung der höheren Kosten zu erleichtern, die entstünden, wenn diese Dienstleistungen und die Lieferung dieser Gegenstände der Mehrwertsteuer unterworfen wären (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2016, TMD, C-412/15, EU:C:2016:738, Rn. 30, und vom 21. September 2017, Aviva, C-605/15, EU:C:2017:718, Rn. 28).

38      Nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmung wird die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung für Dienstleistungen, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen, systematisch verweigert, wenn diese Zusammenschlüsse Dienstleistungen auch an Nichtmitglieder erbringen, so dass sämtliche Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen.

39      Erbringt ein selbständiger Zusammenschluss von Personen wie Infohos auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder, ändert dies jedoch nichts daran, dass die Dienstleistungen, die er an seine Mitglieder erbringt, unmittelbar zur Ausübung der in dieser Bestimmung genannten, dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten beitragen. Die von einem selbständigen Zusammenschluss von Personen erbrachten Dienstleistungen fallen aber dann unter die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung, wenn sie unmittelbar zur Ausübung von dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie beitragen.

40      Somit ist festzustellen, dass der Umstand, dass einem selbständigen Zusammenschluss von Personen, der alle in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllt, die Vergünstigung der dort vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung allein deshalb verweigert wird, weil er auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringt, den Anwendungsbereich dieser Bestimmung dadurch beschränken würde, dass er von der Vergünstigung der Mehrwertsteuerbefreiung die Dienstleistungen ausschlösse, die dieser Zusammenschluss an seine Mitglieder erbringt, obwohl eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs nicht mit dem Zweck dieser Richtlinie, wie er in Rn. 36 des vorliegenden Urteils dargelegt ist, vereinbar ist (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing, C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 36 und 37).

41      Daher steht eine Anwendung dieser Bestimmung auf Dienstleistungen, die von einem selbständigen Zusammenschluss von Personen unmittelbar an seine eigenen Mitglieder erbracht werden, die eine Tätigkeit ausüben müssen, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, im Einklang mit dem Zweck von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie, wobei dieser Zweck einen solchen Zusammenschluss nicht daran hindert, Dienstleistungen an Nichtmitglieder zu erbringen.

42      Demnach sind gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie nur die den Mitgliedern des selbständigen Zusammenschlusses von Personen erbrachten Dienstleistungen befreit, sofern sie sich im Rahmen der Ziele halten, derentwegen ein solcher Zusammenschluss errichtet wurde, und daher gemäß dem Zweck des Zusammenschlusses angeboten werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing, C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 39). Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die von Infohos erbrachten Dienstleistungen sämtliche in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie vorgesehene Voraussetzungen erfüllen.

43      Dagegen sind Dienstleistungen, die an Nichtmitglieder erbracht werden, von der Vergünstigung dieser Mehrwertsteuerbefreiung ausgeschlossen und unterliegen weiterhin der Mehrwertsteuer. Da solche Dienstleistungen nämlich nicht unter die Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie fallen, verlangt Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie, dass diese Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher in einem Mitgliedstaat gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer unterliegen.

44      Angesichts des Wortlauts und des Zwecks von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie setzt die dort vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung also nicht voraus, dass die betreffenden Dienstleistungen ausschließlich den Mitgliedern des betreffenden selbständigen Zusammenschlusses von Personen angeboten werden.

45      Die belgische Regierung macht geltend, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung nicht entgegenstehe, da diese Regelung gemäß der in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingung eine Verzerrung des Wettbewerbs verhindern solle.

46      Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie kommt die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung dann zur Anwendung, wenn sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt.

47      Insoweit hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Befreiung von der Mehrwertsteuer als solche nicht geeignet sein darf, Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen, und zwar auf einem Markt, auf dem der Wettbewerb jedenfalls aufgrund der Gegenwart eines Akteurs beeinträchtigt ist, der Dienstleistungen an seine Mitglieder erbringt und dem das Gewinnstreben untersagt ist. Es ist also der Umstand, dass die Dienstleistungen, die ein Zusammenschluss durchführt, befreit sind, und nicht der Umstand, dass dieser Zusammenschluss den Tatbestand der in Rede stehenden Vorschrift im Übrigen erfüllt, der geeignet sein muss, Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen, damit diese Steuerbefreiung abgelehnt werden kann (Urteil vom 20. November 2003, Taksatorringen, C-8/01, EU:C:2003:621, Rn. 58).

48      Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass die Gewährung der Befreiung von der Mehrwertsteuer dann abzulehnen ist, wenn eine reale Gefahr besteht, dass die Befreiung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann (Urteil vom 20. November 2003, Taksatorringen, C-8/01, EU:C:2003:621, Rn. 64).

49      Zudem stünde es dem nationalen Gesetzgeber zwar frei, zum Zweck der Bestimmung, ob die Anwendung der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie auf eine bestimmte Tätigkeit zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann, Vorschriften vorzusehen, die von den zuständigen Behörden einfach gehandhabt und kontrolliert werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2017, Kommission/Deutschland, C-616/15, EU:C:2017:721, Rn. 65).

50      Die in dieser Bestimmung vorgesehene Bedingung, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen darf, erlaubt es jedoch nicht, den Anwendungsbereich der dort vorgesehenen Steuerbefreiung allgemein zu beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2017, Kommission/Deutschland, C-616/15, EU:C:2017:721, Rn. 67).

51      Dies ist aber gerade die Wirkung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmung, die hinsichtlich des Vorliegens einer Wettbewerbsverzerrung eine allgemeine Vermutung aufstellt und den Anwendungsbereich der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung allgemein beschränkt, indem sie von der Vergünstigung der Mehrwertsteuerbefreiung Dienstleistungen, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen, dann ausschließt, wenn diese Zusammenschlüsse auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringen, die, wie sich aus Rn. 43 des vorliegenden Urteils ergibt, nicht unter diese Befreiung fallen und somit der Mehrwertsteuer unterliegen müssen.

52      Die belgische Regierung macht ferner geltend, dass die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Bestimmung es ermögliche, Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaige Missbräuche zu vermeiden.

53      In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis, dass die Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz von Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie zwar die Bedingungen zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen müssen; diese Bedingungen dürfen sich jedoch nicht auf die Definition des Inhalts der vorgesehenen Befreiungen erstrecken (Urteil vom 15. November 2012, Zimmermann, C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 39). Dies ist aber gerade die Wirkung der in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung festgelegten Bedingungen, die für selbständige Zusammenschlüsse von Personen, die Dienstleistungen auch an Nichtmitglieder erbringen, eine allgemeine und unwiderlegbare Vermutung der Steuerhinterziehung, des Steuermissbrauchs oder der Steuerumgehung aufstellen, ohne aber genau zu benennen, welche Art des Steuermissbrauchs, des Steuerbetrugs oder der Steuerumgehung mit dieser Regelung verhindert werden soll.

54      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 13 Teil A Abs.1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die die Gewährung der Mehrwertsteuerbefreiung davon abhängig macht, dass die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen Dienstleistungen ausschließlich an ihre Mitglieder erbringen, was zur Folge hat, dass solche Zusammenschlüsse, die auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringen, in vollem Umfang mehrwertsteuerpflichtig sind, und zwar auch für die gegenüber ihren Mitgliedern erbrachten Dienstleistungen.

 Kosten

55      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die die Gewährung der Mehrwertsteuerbefreiung davon abhängig macht, dass die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen Dienstleistungen ausschließlich an ihre Mitglieder erbringen, was zur Folge hat, dass solche Zusammenschlüsse, die auch Dienstleistungen an Nichtmitglieder erbringen, in vollem Umfang mehrwertsteuerpflichtig sind, und zwar auch für die gegenüber ihren Mitgliedern erbrachten Dienstleistungen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Niederländisch.