Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)
30. April 2020(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Vorsteuerabzug – Art. 173 – Gemischt Steuerpflichtiger – Abzugsmethoden – Pro-rata-Abzug – Abzug je nach Zuordnung – Art. 184 bis 186 – Berichtigung des Vorsteuerabzugs – Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden – Zu Unrecht für mehrwertsteuerbefreit gehaltener Ausgangsumsatz – Nationale Maßnahme, die die Änderung der Abzugsmethode für bereits abgelaufene Jahre verbietet – Ausschlussfrist – Grundsätze der Steuerneutralität, der Rechtssicherheit, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit“
In der Rechtssache C-661/18
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa) (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten [Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren], Portugal) mit Entscheidung vom 15. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Oktober 2018, in dem Verfahren
CTT – Correios de Portugal
gegen
Autoridade Tributária e Aduaneira
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb (Berichterstatter) sowie der Richter T. von Danwitz und A. Kumin,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der CTT – Correios de Portugal, vertreten durch A. Fernandes de Oliveira, advogado,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, T. Larsen, R. Campos Laires und P. Barros da Costa als Bevollmächtigte,
– der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und B. Rechena als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie die Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität, der Äquivalenz und der Verhältnismäßigkeit.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der CTT – Correios de Portugal (im Folgenden: CTT) und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde, Portugal) über die Berichtigung der von CTT im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit der Erbringung von Postdiensten vorgenommenen Vorsteuerabzüge.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Titel IX („Steuerbefreiungen“) der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält u. a. die Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“) und 3 („Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten“).
4 In Titel IX Kapitel 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt Art. 132 Abs. 1:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
a) von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen;
…“
5 In Titel IX Kapitel 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt Art. 135 Abs. 1:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
d) Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen;
…“
6 Titel X („Vorsteuerabzug“) der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält u. a. die Kapitel 2 („Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs“, Art. 173 bis 175) und 5 („Berichtigung des Vorsteuerabzugs“, u. a. Art. 184 bis 189).
7 Art. 173 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„(1) Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug … besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, darf nur der Teil der Mehrwertsteuer abgezogen werden, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.
Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs wird gemäß den Artikeln 174 und 175 für die Gesamtheit der von dem Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.
(2) Die Mitgliedstaaten können folgende Maßnahmen ergreifen:
…
c) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;
…“
8 Art. 175 Abs. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Die Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes, die für jedes Jahr im Laufe des folgenden Jahres vorgenommen wird, führt zur Berichtigung der nach dem vorläufigen Pro-rata-Satz vorgenommenen Vorsteuerabzüge.“
9 Art. 184 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.“
10 In Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist in Abs. 1 bestimmt:
„Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben …“
11 Art. 186 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten für die Anwendung der Artikel 184 und 185 fest.“
Portugiesisches Recht
12 Art. 9 des Código do Imposto sobre o Valor Acrescentado (Mehrwertsteuergesetzbuch) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: CIVA) bestimmt:
„Steuerfrei sind
…
23. von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Telekommunikationsdienstleistungen;
24. Lieferungen von ausgegebenen Postwertzeichen oder Wertmarken – einschließlich der auf sie entfallenden Provisionen – zum aufgedruckten Wert;
…“
13 Art. 22 („Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug“) des CIVA bestimmt in den Abs. 1 bis 3:
„(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, sobald die abziehbare Steuer gemäß den Art. 7 und 8 geschuldet ist. Es wird ausgeübt, indem vom Gesamtbetrag der während des Anmeldungszeitraums auf die steuerpflichtigen Umsätze des Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer die im selben Zeitraum geschuldeten Vorsteuerbeträge abgezogen werden.
(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Art. 78 ist der Vorsteuerabzug in der Anmeldung des Zeitraums vorzunehmen, in dem der Steuerpflichtige die Rechnung oder die der Einfuhranmeldung beigefügte Bescheinigung über die Zahlung der Mehrwertsteuer erhalten hat. Er kann auch noch in der Anmeldung des Folgezeitraums vorgenommen werden.
(3) Erhält der Steuerpflichtige die Rechnung oder die Bescheinigung über die Zahlung der Mehrwertsteuer in einem anderen Anmeldezeitraum als dem der Ausstellung, kann der Vorsteuerabzug, sofern dies noch möglich ist, im Anmeldezeitraum der Ausstellung vorgenommen werden.“
14 Art. 23 („Abzugsmethoden für gemischt genutzte Gegenstände“) des CIVA bestimmt:
„(1) Bewirkt der Steuerpflichtige im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeiten sowohl Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 20 besteht, als auch Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, so wird der Abzug der Steuer, die beim Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Bewirkung beider Arten von Umsätzen verwendet werden, wie folgt bestimmt:
…
b) Unbeschadet der Bestimmungen von Buchst. a ist die Steuer bei Gegenständen oder Dienstleistungen, die für Umsätze verwendet werden, die in Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a bewirkt werden und die teilweise nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, in Höhe des Prozentsatzes abziehbar, der dem Anteil der Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, am Jahresumsatz entspricht.
…
(2) Unbeschadet der Bestimmungen von Abs. 1 Buchst. b kann der Steuerpflichtige den Abzug je nach der tatsächlichen Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der verwendeten Gegenstände und Dienstleistungen anhand objektiver Kriterien vornehmen, anhand deren sich der Grad der Verwendung dieser Gegenstände und Dienstleistungen für Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, und für Umsätze, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, bestimmen lässt. Die Generaldirektion für Steuern kann ihm jedoch besondere Bedingungen auferlegen oder die Beendigung dieser Art des Vorsteuerabzugs verfügen, wenn sie feststellt, dass diese zu erheblichen Verzerrungen der Besteuerung führt oder führen kann.
…
(4) Der in Abs. 1 Buchst. b genannte Prozentsatz des Vorsteuerabzugs ergibt sich aus einem Bruch, der im Zähler den Jahresbetrag – ohne Mehrwertsteuer – der zum Vorsteuerabzug nach Art. 20 Abs. 1 berechtigenden Umsätze und im Nenner den Jahresbetrag – ohne Mehrwertsteuer – aller vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a bewirkten Umsätze sowie die nicht steuerbaren Subventionen mit Ausnahme von Ausstattungsbeihilfen enthält.
…
(6) Der vorläufig auf der Grundlage der im Vorjahr bewirkten Umsätze berechnete Prozentsatz des Vorsteuerabzugs (Abs. 1 Buchst. b) und der vorläufig auf der Grundlage der ursprünglich für die Anwendung der Methode der tatsächlichen Zuordnung herangezogenen objektiven Kriterien berechnete Vorsteuerabzug (Abs. 2), werden im Hinblick auf die endgültigen Beträge für das Jahr, auf das sie sich beziehen, berichtigt, was zu einer entsprechenden Berichtigung der vorgenommenen Vorsteuerabzüge führt, die in der Anmeldung des letzten Zeitraums des betreffenden Jahres anzugeben ist.“
15 Art. 78 („Berichtigungen“) Abs. 6 des CIVA lautet:
„Die Berichtigung von sachlichen Fehlern oder Rechenfehlern im Register, die sich auf die Art. 44 bis 51 und 65 beziehen, in den die in Art. 41 genannten Anmeldungen und in den in Art. 67 Abs. 1 Buchst. b und c genannten Leitlinien oder Anmeldungen, ist fakultativ, wenn sich aus ihr eine Steuer zugunsten des Steuerpflichtigen ergibt, jedoch darf sie nur innerhalb einer Frist von zwei Jahren vorgenommen werden, die im Fall der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem dieses Recht nach Art. 22 entsteht. Die Berichtigung muss vorgenommen werden, wenn sich aus ihr eine Steuer zugunsten des Staates ergibt.“
16 Art. 98 („Überprüfung von Amts wegen und Frist für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug“) Abs. 2 des CIVA lautet:
„Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, kann das Recht auf Vorsteuerabzug oder auf Erstattung zu viel entrichteter Steuer nur innerhalb von vier Jahren nach Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug bzw. der Überzahlung ausgeübt werden.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
17 CTT ist auf dem portugiesischen Markt für Postdienste tätig. Sie erfüllt dabei auch gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen.
18 Ihre Umsätze des postalischen Universaldienstes sind gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Mehrwertsteuer befreit. Sie berechtigen daher nicht zum Vorsteuerabzug. Da CTT auch mehrwertsteuerpflichtige Umsätze bewirkt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist sie „gemischt“ steuerpflichtig.
19 2007 erteilte die Steuer- und Zollbehörde die verbindliche Auskunft (im Folgenden: verbindliche Auskunft von 2007), dass die von CTT angebotenen Postzahlungsdienste von der Mehrwertsteuer befreit seien. Die verbindliche Auskunft war bis zum 31. Dezember 2012 gültig.
20 2012 änderte der portugiesische Gesetzgeber die für die Erbringung von Postdiensten geltende rechtliche Regelung, um den Markt gemäß der Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 52, S. 3) ab dem 1. Januar 2013 zu liberalisieren.
21 Zweifel hinsichtlich der steuerlichen Folgen der Liberalisierung des portugiesischen Postmarkts kamen allerdings erst im Laufe des Jahres 2015 auf. Ab April 2015 vereinnahmte CTT auf Postzahlungsdienste Mehrwertsteuer. Sie beantragte am 23. Juni 2015, die verbindliche Auskunft von 2007 zu aktualisieren.
22 In einer neuen verbindlichen Auskunft vom 20. November 2015 erläuterte die Steuer- und Zollbehörde die Auswirkung der Liberalisierung des Marktes der Postdienste auf die Mehrwertsteuerbefreiung. Sie stellte fest, dass die seit dem 1. Januar 2013 erbrachten Postzahlungsdienste nicht mehr unter die für öffentliche Posteinrichtungen geltende Mehrwertsteuerbefreiung fielen. Sie verwies insoweit auf das Urteil vom 23. April 2009, TNT Post UK (C-357/07, EU:C:2009:248).
23 Daraufhin vereinnahmte CTT 2016 die Mehrwertsteuer auf die ab dem 1. Januar 2013 mit Postzahlungsdiensten getätigten Umsätze und gab berichtigte Anmeldungen ab, in denen sie für die Jahre 2013, 2014 und 2015 rückwirkend zusätzliche Mehrwertsteuer berücksichtigte. Außerdem änderte CTT bei diesen Anträgen auf Berichtigung die Methode des Vorsteuerabzugs. Ein Teil der zuvor mit der Pro-rata-Methode abgezogenen Mehrwertsteuer wurde nun nach der Methode der Zuordnung abgezogen. Die Berichtigung ergab einen zusätzlichen Vorsteuerabzug von insgesamt 1 967 567,82 Euro.
24 Im Anschluss an eine bei CTT vorgenommene Überprüfung des Steuerjahrs 2015 wies die Steuer- und Zollbehörde darauf hin, dass die Abzugsmethode nach Anwendung des endgültigen Pro-rata-Satzes nicht mehr geändert werden könne. Da CTT bereits den endgültigen Pro-rata-Satz angewandt habe, habe sie ihre Abzugsmethode nicht mehr ändern können. Im Übrigen finde die von CTT beantragte Berichtigung hinsichtlich der Änderung der Abzugsmethode im CIVA keine Rechtsgrundlage. Die Steuer- und Zollverwaltung lehnte daher den durch die Änderung der Abzugsmethode bedingten zusätzlichen Vorsteuerabzug ab. Sie berichtigte aber die endgültigen Pro-rata-Sätze für die Jahre 2013, 2014 und 2015, weil die in diesen Jahren mit Postzahlungsdiensten bewirkten Umsätze nicht von der Mehrwertsteuer befreit waren.
25 Am 21. März 2018 stellte CTT beim vorlegenden Gericht einen Antrag auf Erlass eines Schiedsspruchs. Sie machte geltend, dass die Auslegung des CIVA dahin, dass die Bestimmung der Abzugsmethode erst zum Zeitpunkt des Erhalts der Rechnungen möglich sei, nicht mit den Grundsätzen der Effektivität und der Äquivalenz vereinbar sei.
26 Vor diesem Hintergrund hat das Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa) (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten [Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren], Portugal) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Stehen die Grundsätze der Neutralität, der Effektivität, der Äquivalenz und der Verhältnismäßigkeit einer Auslegung von Art. 98 Abs. 2 des CIVA entgegen, nach der die Anwendung dieser Vorschrift auf eine Änderung oder Berichtigung von bereits vorgenommenen Abzügen ausgeschlossen ist?
2. Stehen diese Grundsätze einer Vorschrift wie Art. 23 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 6 des CIVA entgegen, die dahin ausgelegt wird, dass ein Steuerpflichtiger, der für die Berechnung des Anspruchs auf Abzug der für gemischt genutzte Gegenstände oder Dienstleistungen entrichteten Vorsteuer eine Berechnungsmethode oder einen Umsatzschlüssel gewählt und den Anspruch auf der Grundlage der endgültigen Werte des Jahres, auf das sich der Abzug bezieht, gemäß Abs. 6 dieser Vorschrift angepasst hat, diese Elemente nicht rückwirkend ändern und den bereits gemäß dieser Vorschrift berichtigten ursprünglichen Abzug im Anschluss an eine rückwirkende Mehrwertsteuererklärung für eine Tätigkeit, die zuvor als mehrwertsteuerfrei galt, neu berechnen kann?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
27 In ihren schriftlichen Erklärungen äußert die portugiesische Regierung Zweifel an der Zulässigkeit der Vorlagefragen. Das vorlegende Gericht erläutere nicht, warum die Grundsätze der Steuerneutralität, der Verhältnismäßigkeit, der Äquivalenz und der Effektivität im vorliegenden Fall einschlägig sein sollten. Zudem werde der Gerichtshof um die Bestimmung des Anwendungsbereichs nationaler Rechtsvorschriften ersucht.
28 Hierzu ist festzustellen, dass das in Art. 267 AEUV errichtete System der Zusammenarbeit auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht. Im Rahmen eines gemäß diesem Artikel eingeleiteten Verfahrens ist die Auslegung der nationalen Vorschriften Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten und nicht des Gerichtshofs, und es kommt diesem nicht zu, sich zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit den Bestimmungen des Unionsrechts zu äußern. Dagegen ist der Gerichtshof befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem Gericht ermöglichen, die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu beurteilen (Urteil vom 15. Oktober 2015, Iglesias Gutiérrez und Rion Bea, C-352/14 und C-353/14, EU:C:2015:691, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Auch wenn sich der Gerichtshof nach dem Wortlaut der vom vorlegenden Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zur Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht äußern soll, ist er durch nichts daran gehindert, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, indem er ihm Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts liefert, anhand deren das Gericht selbst über die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht entscheiden kann (Urteil vom 15. Oktober 2015, Iglesias Gutiérrez und Rion Bea, C-352/14 und C-353/14, EU:C:2015:691, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Soweit die Vorlagefragen die Auslegung des Unionsrechts betreffen, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, über sie zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 13. Dezember 2012, Debiasi, C-560/11, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:802, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Danach sind die Vorlagefragen dahin zu verstehen, dass der Gerichtshof mit ihnen im Wesentlichen um die Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie, insbesondere der Art. 173 und 184 bis 186, im Licht der unionsrechtlichen Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität, der Äquivalenz und der Verhältnismäßigkeit ersucht wird.
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
31 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 173 der Mehrwertsteuerrichtlinie im Licht der Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität, der Äquivalenz und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat Steuerpflichtigen, denen er gemäß dieser Bestimmung gestattet, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der sowohl für Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendeten Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen, verbietet, die Methode des Vorsteuerabzugs nach der Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes zu ändern.
32 Nach Art. 173 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie wird der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs gemäß den Art. 174 und 175 der Richtlinie für die Gesamtheit der von dem Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt. Nach Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie können die Mitgliedstaaten dem Steuerpflichtigen aber gestatten oder ihn verpflichten, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2018, Volkswagen Financial Services [UK], C-153/17, EU:C:2018:845, Rn. 49 und 50).
33 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der portugiesische Gesetzgeber gemischt Steuerpflichtigen gemäß Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie gestattet hat, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen, und dass CTT bei gemischt genutzten Gegenständen oder Dienstleistungen somit die Wahl hatte, den Vorsteuerabzug nach der Pro-rata-Methode oder der Methode der Zuordnung vorzunehmen.
34 Die Anwendung des Systems des Vorsteuerabzugs durch Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen stellt nach Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie eine fakultative Option dar, über die die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihres Besteuerungssystems verfügen. Auch wenn diese hinsichtlich der Wahl der Maßnahmen zur Sicherstellung der genauen Erhebung der Mehrwertsteuer und der Vermeidung von Steuerhinterziehung einen weiten Gestaltungsspielraum haben, müssen sie bei der Ausübung ihrer Befugnisse das Unionsrecht und dessen allgemeine Grundsätze, insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Steuerneutralität und der Rechtssicherheit beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2012, BLC Baumarkt, C-511/10, EU:C:2012:689, Rn. 22 und 23, sowie vom 17. Mai 2018, Vámos, C-566/16, EU:C:2018:321, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Zu diesen Grundsätzen ist zunächst festzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausschließt, dass ein Mitgliedstaat, der von der Befugnis Gebrauch gemacht hat, seinen Steuerpflichtigen das Recht einzuräumen, für eine bestimmte Steuerregelung zu optieren, eine Regelung einführt, die die Anwendung der Regelung von der nicht rückwirkenden vorherigen Zustimmung der Finanzverwaltung abhängig macht. Ein solches Verfahren ist nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Zustimmung keine Rückwirkung hat. Folglich geht eine nationale Regelung wie die des Ausgangsverfahrens, die dem Steuerpflichtigen nach der Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes die Anwendung des Systems des Vorsteuerabzugs je nach Zuordnung verwehrt, nicht über das hinaus, was zur genauen Erhebung der Mehrwertsteuer erforderlich ist (vgl. entsprechend [Regelung zur Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen] Urteil vom 17. Mai 2018, Vámos, C-566/16, EU:C:2018:321, Rn. 43 bis 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Was sodann den Grundsatz der Steuerneutralität anbelangt, können die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gemäß Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 auf einen bestimmten Umsatz eine andere Aufteilungsmethode oder einen anderen Aufteilungsschlüssel als die Umsatzmethode anwenden, sofern sich der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs so genauer bestimmen lässt als nach der Umsatzmethode. Der Mitgliedstaat, der es dem Steuerpflichtigen gestattet oder ihn verpflichtet, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen, hat darauf zu achten, dass die Modalitäten für die Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug aufs Genaueste die Feststellung des Teils der Mehrwertsteuer erlauben, der auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze entfällt. Der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewohnende Grundsatz der Neutralität verlangt nämlich, dass die Modalitäten für die Berechnung des Vorsteuerabzugs objektiv den tatsächlichen Anteil der beim Erwerb gemischt genutzter Gegenstände und Dienstleistungen angefallenen Ausgaben widerspiegeln, der auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze entfällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2018, Volkswagen Financial Services [UK], C-153/17, EU:C:2018:845, Rn. 51 und 52 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
37 Die gewählte Methode muss nicht unbedingt die genauestmögliche sein. Es genügt, dass sie ein genaueres Ergebnis gewährleistet als das, das sich aus der Anwendung des Umsatzschlüssels ergäbe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2018, Volkswagen Financial Services [UK], C-153/17, EU:C:2018:845, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Danach lässt sich aus dem Grundsatz der Steuerneutralität entgegen dem Vorbringen von CTT nicht ableiten, dass in jedem Einzelfall die genaueste Abzugsmethode zu ermitteln und die ursprünglich angewandte Abzugsmethode so immer wieder in Frage zu stellen wäre, auch nach der Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes.
39 Sonst würde das in Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Recht der Mitgliedstaaten, den Steuerpflichtigen zu gestatten, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen, ausgehöhlt. Aus dem Recht würde faktisch eine Verpflichtung. Die Berücksichtigung der Grundsätze des Mehrwertsteuersystems, von denen der Gesetzgeber aber wirksam abweichen kann, kann jedenfalls nicht eine Auslegung rechtfertigen, die dieser vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten Abweichung jede praktische Wirksamkeit nähme (Urteil vom 14. Dezember 2016, Mercedes Benz Italia, C-378/15, EU:C:2016:950, Rn. 42).
40 Im Übrigen stünde ein solches Verständnis auch in Widerspruch zu der Rechtsprechung, nach der die Mehrwertsteuerrichtlinie dem Steuerpflichtigen, wenn dieser die Wahl zwischen zwei Umsätzen hat, nicht vorschreibt, den Umsatz zu wählen, der die höhere Mehrwertsteuerzahlung nach sich zieht. Der Steuerpflichtige hat vielmehr das Recht, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C-255/02, EU:C:2006:121, Rn. 73).
41 Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt schließlich, dass die steuerliche Lage des Steuerpflichtigen hinsichtlich seiner gegenüber der Steuerverwaltung bestehenden Rechte und Pflichten nicht unbegrenzt offen bleiben kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Februar 2014, Fatorie, C-424/12, EU:C:2014:50, Rn. 46, und vom 17. Mai 2018, Vámos, C-566/16, EU:C:2018:321, Rn. 51). Wie die portugiesische Regierung zu Recht geltend macht, erscheint es nicht sachgerecht, von den Steuerbehörden zu verlangen, dass sie unter allen Umständen akzeptieren, dass ein Steuerpflichtiger die Methode des Vorsteuerabzugs einseitig ändern kann.
42 Somit ist Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie im Licht der Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität, der Äquivalenz und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass er nicht dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat Steuerpflichtigen, denen er gemäß dieser Bestimmung gestattet, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der sowohl für Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendeten Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen, verbietet, die Methode des Vorsteuerabzugs nach der Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes zu ändern.
Zur zweiten Frage
43 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 184 bis 186 der Mehrwertsteuerrichtlinie im Licht der Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität, der Äquivalenz und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es Steuerpflichtigen nach der Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes gemäß Art. 175 Abs. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie verwehrt, Vorsteuerabzüge für den Erwerb von sowohl für Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendeten Gegenständen oder Dienstleistungen nach der vom nationalen Recht gemäß Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie zugelassenen Methode der Zuordnung zu berichtigen, wenn der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Wahl der Vorsteuerabzugsmethode nicht wusste, dass ein Umsatz, den er für steuerbefreit gehalten hat, es in Wirklichkeit nicht war, und die im nationalen Recht vorgesehene allgemeine Frist für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge noch nicht abgelaufen ist.
44 Wie aus der Vorlageentscheidung und den Antworten der Parteien auf die Fragen des Gerichtshofs hervorgeht, war CTT bei der Entscheidung, bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Jahren die Mehrwertsteuer für bestimmte Gegenstände und Dienstleistungen nach der Umsatzmethode abzuziehen, davon ausgegangen, dass die von ihr mit Postzahlungsdiensten bewirkten Umsätze nach der verbindlichen Auskunft von 2007 von der Mehrwertsteuer befreit seien. Im Jahr 2015 gelangte die zuständige Steuerbehörde jedoch zu der Auffassung, dass die Befreiung nach der ab dem 1. Januar 2013 vollzogenen Liberalisierung des Postmarkts auf von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienste beschränkt sei. Daher habe CTT bei den Jahren 2013, 2014 und 2015 zu Unrecht angenommen, dass die mit Postzahlungsdiensten bewirkten Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit gewesen seien.
45 Für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts ist allein das nationale Gericht zuständig. Es ist aber Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2017, Farkas, C-564/15, EU:C:2017:302, Rn. 37 und 38 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Im vorliegenden Fall vertreten die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen und CTT in ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs die Auffassung, dass es sich bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zahlungsdiensten um von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze im Zahlungsverkehr im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie handeln könnte. CTT weist darauf hin, dass diese Dienste in der verbindlichen Auskunft von 2007 auf dieser Grundlage und nicht auf der Grundlage von Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie als von der Mehrwertsteuer befreit angesehen worden seien. Das vorlegende Gericht hat daher darüber zu befinden, ob die Dienste in den Anwendungsbereich der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. d vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung fallen.
47 Bei der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage ist nach der Vorlageentscheidung davon auszugehen, dass die betreffenden Dienstleistungen zwar ab dem 1. Januar 2013 nicht mehr von der Mehrwertsteuer befreit waren, diese Änderung aber erst im Laufe des Jahres 2015 deutlich geworden ist, weshalb CTT bei der Wahl der Vorsteuerabzugsmethode nicht wusste, dass die Umsätze, die sie für befreit gehalten hat, es in Wirklichkeit nicht waren.
48 Das vorlegende Gericht wird in diesem Zusammenhang zu prüfen haben, ob CTT gutgläubig war. Insoweit ist u. a. maßgeblich, ob es vorhersehbar war, dass nach der Liberalisierung des portugiesischen Postmarkts hinsichtlich der Steuerbefreiung der von den öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen Änderungen eintreten würden.
49 Nach Art. 184 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist der ursprüngliche Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war. Nach Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie erfolgt eine Berichtigung insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die ursprünglich bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden, geändert haben (Urteil vom 16. Juni 2016, Kreissparkasse Wiedenbrück, C-186/15, EU:C:2016:452, Rn. 46).
50 Der in den Art. 184 bis 186 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Berichtigungsmechanismus verfolgt das Ziel, einen engen und unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Recht auf Vorsteuerabzug und der Nutzung der betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen für besteuerte Ausgangsumsätze herzustellen (Urteil vom 27. März 2019, Mydibel, C-201/18, EU:C:2019:254, Rn. 27). Die Aufhebung der Befreiung der Postzahlungsdienste von der Steuer hatte jedoch zur Folge, dass dieser enge und unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Recht auf Vorsteuerabzug und der Nutzung der betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen für besteuerte Ausgangsumsätze unterbrochen wurde. Dadurch hatte sich für die Jahre 2013, 2014 und 2015 ein Faktor, der ursprünglich bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurde, im Sinne von Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie geändert. CTT hatte deshalb nach Art. 184 der Mehrwertsteuerrichtlinie ein Recht auf Berichtigung (vgl. entsprechend [fälschliche Einstufung eines steuerfreien Umsatzes als steuerpflichtigen Umsatz], Urteil vom 11. April 2018, SEB bankas, C-532/16, EU:C:2018:228, Rn. 39).
51 Aus einer Gesamtbetrachtung der Art. 184 und 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt sich, dass die Berichtigung der Vorsteuerabzüge dazu führen muss, dass der Betrag des endgültig vorgenommenen Vorsteuerabzugs demjenigen entspricht, zu dessen Vornahme ein Steuerpflichtiger wie CTT berechtigt gewesen wäre, wenn er von Anfang an berücksichtigt hätte, dass die Postzahlungsdienste nicht von der Mehrwertsteuer befreit waren (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juni 2016, Kreissparkasse Wiedenbrück, C-186/15, EU:C:2016:452, Rn. 47).
52 Ob ein bestimmter Umsatz von der Steuer befreit ist oder nicht, ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, den ein gemischt Steuerpflichtiger berücksichtigt, um zu bestimmen, wie die Vorsteuerabzüge vorzunehmen sind. Die Aufhebung der Befreiung eines Ausgangsumsatzes kann dazu führen, dass bestimmte Gegenstände oder Dienstleistungen, bei denen davon ausgegangen wurde, dass sie für eine gemischte Verwendung bestimmt waren, in Wirklichkeit nur für Umsätze verwendet werden, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Aus dem Wortlaut von Art. 173 der Mehrwertsteuerrichtlinie geht aber klar hervor, dass er nur auf Gegenstände und Dienstleistungen anwendbar ist, die zur gemischten Verwendung bestimmt sind. Bei ausschließlich für besteuerte Umsätze bestimmten Gegenständen und Dienstleistungen darf der Steuerpflichtige die gesamte Steuer auf den Erwerb bzw. die Lieferung dieser Gegenstände und Dienstleistungen abziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2018, Volkswagen Financial Services [UK], C-153/17, EU:C:2018:845, Rn. 47).
53 Danach hatte CTT im vorliegenden Fall das Recht, die Abzugsmethode zu ändern, um die Vorsteuerabzüge vornehmen zu können, zu denen sie berechtigt gewesen wäre, wenn sie ursprünglich hätte berücksichtigen können, dass die Postzahlungsdienste für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Jahre nicht von der Mehrwertsteuer befreit waren. Insoweit greift auch das Argument der portugiesischen Regierung nicht, dass eine Berichtigung der Vorsteuerabzüge stattgefunden habe, da die Steuerbehörde für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Jahre die Abänderung der endgültigen Pro-rata-Sätze wegen der zu Unrecht als von der Mehrwertsteuer befreit angesehenen Postzahlungsdienste zugelassen habe.
54 Zwar überlässt Art. 186 der Mehrwertsteuerrichtlinie es ausdrücklich den Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen für die Berichtigung festzulegen. Die Mitgliedstaaten müssen beim Erlass entsprechender nationaler Rechtsvorschriften jedoch das Unionsrecht wahren, insbesondere dessen Grundprinzipien (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2018, SEB bankas, C-532/16, EU:C:2018:228, Rn. 27 und 48).
55 Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 36), verlangt der Grundsatz der Steuerneutralität, dass die Modalitäten für die Berechnung des Vorsteuerabzugs den tatsächlich auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze entfallenden Anteil der beim Erwerb gemischt genutzter Gegenstände und Dienstleistungen angefallenen Ausgaben objektiv widerspiegeln. Danach darf ein Mitgliedstaat eine Berichtigung der Methode des Vorsteuerabzugs in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht ablehnen, es sei denn, diese ist nicht geeignet, den auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze entfallenden Teil der Mehrwertsteuer genauer festzustellen.
56 Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann der nationale Gesetzgeber Strafen vorsehen, um die Steuerpflichtigen zur Einhaltung der von ihnen zu beachtenden formellen Anforderungen anzuhalten und damit das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems zu gewährleisten. Bei dem hohen Stellenwert, den das Recht auf Vorsteuerabzug im gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystem hat, erscheint eine Strafe, die einer absoluten Verwehrung des Abzugsrechts entspricht, aber unangemessen, wenn kein Betrug und keine Schädigung des Staatshaushalts nachgewiesen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2018, Zabrus Siret, C-81/17, EU:C:2018:283, Rn. 48 und 51).
57 Im vorliegenden Fall ist aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht ersichtlich, dass sich CTT betrügerisch oder missbräuchlich verhalten hätte.
58 Schließlich macht die portugiesische Regierung geltend, dass CTT, auch wenn sie zur Änderung der Methode des Vorsteuerabzugs berechtigt gewesen wäre, die Berichtigung nicht fristgemäß beantragt habe. Während nämlich Art. 98 Abs. 2 des CIVA für die Änderung oder Berichtigung der Vorsteuerabzüge eine allgemeine Frist von vier Jahren vorsehe, die mit der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug oder der Überzahlung der Steuer beginne, sei die Anwendung dieser Frist nach Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes gemäß Art. 175 Abs. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie ausgeschlossen.
59 Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist eine Ausschlussfrist, deren Ablauf den nicht hinreichend sorgfältigen Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht hat, mit dem Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug bestraft, nicht mit der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar, sofern diese Frist zum einen für die entsprechenden auf innerstaatlichem Recht beruhenden steuerlichen Rechte wie für die auf Unionsrecht beruhenden Rechte gleichermaßen gilt (Äquivalenzgrundsatz) und sie zum anderen die Ausübung des Abzugsrechts nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Effektivitätsgrundsatz) (Urteil vom 26. April 2018, Zabrus Siret, C-81/17, EU:C:2018:283, Rn. 38).
60 Im vorliegenden Fall sieht die nationale Regelung, um die es im Ausgangsverfahren geht, nach den Angaben des vorlegenden Gerichts für die Mehrwertsteuer keine andere Regelung vor als für andere innerstaatliche Steuern. Der Grundsatz der Effektivität steht einer solchen Regelung jedoch entgegen, wenn diese geeignet ist, dem Steuerpflichtigen unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nach Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes die Möglichkeit zu nehmen, seine Mehrwertsteuererklärung zu berichtigen, obwohl die in der Regelung vorgesehene vierjährige Ausschlussfrist noch nicht abgelaufen ist. Unter solchen Umständen wäre die Ausübung des Rechts auf Berichtigung der Vorsteuerabzüge (siehe oben, Rn. 51) in der Praxis nämlich übermäßig erschwert oder gar unmöglich (vgl. entsprechend Urteil vom 26. April 2018, Zabrus Siret, C-81/17, EU:C:2018:283, Rn. 40 und 41).
61 Die nationalen Gerichte sind zu einer so weit wie möglich unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts verpflichtet. Auch wenn die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen darf, müssen die nationalen Gerichte gegebenenfalls eine Rechtsprechung oder Entscheidungspraxis abändern, wenn diese auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie nicht vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Związek Gmin Zagłębia Miedziowego, C-566/17, EU:C:2019:390, Rn. 48 und 49).
62 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 184 bis 186 der Mehrwertsteuerrichtlinie im Licht der Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung, die es einem Steuerpflichtigen, der Vorsteuerabzüge für den Erwerb von sowohl für Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendeten Gegenständen oder Dienstleistungen nach der Umsatzmethode vorgenommen hat, nach der Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes gemäß Art. 175 Abs. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie verwehrt, die Vorsteuerabzüge nach der vom nationalen Recht gemäß Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Meherwertsteuerrichtlinie zugelassenen Methode der Zuordnung zu berichtigen, dann entgegenstehen, wenn
– der betreffende Mitgliedstaat Steuerpflichtigen gemäß Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie gestattet, den Vorsteuerabzug entsprechend der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der sowohl für Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendeten Gegenstände und Dienstleistungen vorzunehmen,
– der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Wahl der Vorsteuerabzugsmethode nicht wusste, dass ein Umsatz, den er für steuerbefreit gehalten hat, es in Wirklichkeit nicht war,
– die im nationalen Recht vorgesehene allgemeine Ausschlussfrist für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge noch nicht abgelaufen ist und
– die Änderung der Methode des Vorsteuerabzugs es erlaubt, den auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze entfallenden Teil der Mehrwertsteuer genauer festzustellen.
Kosten
63 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist im Licht der Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität, der Äquivalenz und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass er nicht dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat Steuerpflichtigen, denen er gemäß dieser Bestimmung gestattet, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der sowohl für Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendeten Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen, verbietet, die Methode des Vorsteuerabzugs nach der Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes zu ändern.
2. Die Art. 184 bis 186 der Richtlinie 2006/112 sind im Licht der Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die es einem Steuerpflichtigen, der Vorsteuerabzüge für den Erwerb von sowohl für Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendeten Gegenständen oder Dienstleistungen nach der Umsatzmethode vorgenommen hat, nach der Festsetzung des endgültigen Pro-rata-Satzes gemäß Art. 175 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112 verwehrt, Vorsteuerabzüge nach der Methode der Zuordnung zu berichtigen, dann entgegenstehen, wenn
– der betreffende Mitgliedstaat Steuerpflichtigen gemäß Art. 173 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 gestattet, den Vorsteuerabzug entsprechend der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der sowohl für Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendeten Gegenstände und Dienstleistungen vorzunehmen,
– der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Wahl der Vorsteuerabzugsmethode nicht wusste, dass ein Umsatz, den er für steuerbefreit gehalten hat, es in Wirklichkeit nicht war,
– die im nationalen Recht vorgesehene allgemeine Ausschlussfrist für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge noch nicht abgelaufen ist und
– die Änderung der Methode des Vorsteuerabzugs es erlaubt, den auf zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze entfallenden Teil der Mehrwertsteuer genauer festzustellen.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Portugiesisch.