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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIOVANNI PITRUZZELLA

vom 14. Mai 2020(1)

Rechtssache C-181/19

Jobcenter Krefeld – Widerspruchsstelle

gegen

JD

(Vorabentscheidungsersuchen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freizügigkeit – Unionsbürger, der die Arbeitnehmereigenschaft verloren hat – Aufenthaltsrecht – Grundsatz der Gleichbehandlung – Anspruch auf eine Sozialhilfeleistung – Soziale Vergünstigungen – Früherer Wanderarbeitnehmer mit unterhaltsberechtigten Kindern, die im Aufnahmemitgliedstaat zur Schule gehen – Recht auf Zugang zum Schulunterricht – Wirksamkeit – Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“






Inhaltsverzeichnis


I. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

1. Richtlinie 2004/38/EG

2. Verordnung (EG) Nr. 833/2004

3. Verordnung (EU) Nr. 492/2011

B. Deutsches Recht

II. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

III. Würdigung

A. Vorbemerkungen zur Einstufung der in Rede stehenden Leistungen

B. Zu den Vorlagefragen

1. Zur Unanwendbarkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

2. Zur Reichweite des auf Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 gestützten Aufenthaltsrechts

a) Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 in der Rechtsprechung des Gerichtshofs

b) Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 und Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang zu den Leistungen der sozialen Grundsicherung: die logische Folge

1) Erster Ansatz: Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011 als Grundlage des Rechts von JD auf Gleichbehandlung

2) Zweiter Ansatz: das Recht auf Zugang zum Unterricht als Grundlage des Rechts auf Gleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zur Sozialhilfe

3. Ergänzende Bemerkungen

IV. Ergebnis


1.        Zu der Zeit, da ich diese Schlussanträge verfasse, durchläuft die Europäische Union eine beispiellose sanitäre Krise, auf die die Mitgliedstaaten geantwortet haben, indem sie im Gesundheitsbereich eine ebenso beispiellose Solidarität an den Tag gelegt haben. In der vorliegenden Rechtssache soll der Gerichtshof klären, wo die Grenzen der sozialen Solidarität verlaufen, indem er sich zu der Frage äußert, in welchem Umfang ein Aufnahmemitgliedstaat einem ehemaligen Wanderarbeitnehmer, der eine Beschäftigung sucht und die elterliche Sorge für seine beiden in diesem Staat zur Schule gehenden Kinder wahrnimmt, Sozialhilfe gewähren muss.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Richtlinie 2004/38/EG

2.        Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG(2) ist mit „Gleichbehandlung“ überschrieben. Er lautet:

„(1)      Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)      Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b) einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.“

2.      Verordnung (EG) Nr. 833/2004

3.        Nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 (ABl. 2009, L 284, S. 43) geänderten Fassung(3) gilt diese Verordnung „auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70“.

4.        Gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 haben, „[s]ofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, ... Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates“.

5.        In Art. 70 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 883/2004 heißt es:

„(1)      Dieser Artikel gilt für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen.

(2)      Für die Zwecke dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck ,besondere beitragsunabhängige Geldleistungen‘ die Leistungen:

a)      die dazu bestimmt sind:

i)      einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht,

und

b)      deren Finanzierung ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen. ...

und

c)      die in Anhang X aufgeführt sind.“

6.        Anhang X der Verordnung Nr. 883/2004 betrifft in Bezug auf Deutschland „Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitssuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) erfüllt sind“.

3.      Verordnung (EU) Nr. 492/2011

7.        Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union(4) lautet:

„(1)      Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2)      Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.“

8.        Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 können „[d]ie Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, ..., wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen“. Gemäß Abs. 2 fördern „[d]ie Mitgliedstaaten ... die Bemühungen, durch die es diesen Kindern ermöglicht werden soll, unter den besten Voraussetzungen am Unterricht teilzunehmen“.

B.      Deutsches Recht

9.        § 7 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch in der Fassung vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155) (im Folgenden: SGB II) bestimmt:

„(1)       Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.      das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,

2.      erwerbsfähig sind,

3.      hilfebedürftig sind und

4.      ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Ausgenommen sind

...

2.      Ausländerinnen und Ausländer,

a)      die kein Aufenthaltsrecht haben,

b)      deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder

c)      die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung ... Nr. 492/2011... ableiten,

und ihre Familienangehörigen,

(2)      Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. …

(3)      Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.      die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,

4.      die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.“

10.      § 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (im Folgenden: FreizügG/EU)(5) sieht vor:

(1)      Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(2)      Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:

1.      Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,

1a.      Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden, für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten und nur insoweit, als sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden,

6.      Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4,

(3)      ... Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.“

11.      In Art. 3 FreizügG/EU heißt es:

„(1)      Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 genannten Unionsbürger haben das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. …

(2)      Familienangehörige sind

1.      der Ehegatte, der Lebenspartner und die Verwandten in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die noch nicht 21 Jahre alt sind,

2.      die Verwandten in aufsteigender und in absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren.

(4)      Die Kinder eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers und der Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich ausübt, behalten auch nach dem Tod oder Wegzug des Unionsbürgers, von dem sie ihr Aufenthaltsrecht ableiten, bis zum Abschluss einer Ausbildung ihr Aufenthaltsrecht, wenn sich die Kinder im Bundesgebiet aufhalten und eine Ausbildungseinrichtung besuchen.“

II.    Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

12.      JD ist polnischer Staatsangehöriger und Vater zweier 2005 und 2010 geborener Kinder. Seit 2012 oder 2013 – dem Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland nach einem Aufenthalt in den Niederlanden – lebt er von seiner ebenfalls polnischen Ehefrau getrennt, die Ehe wurde im Januar 2019 geschieden. Seine Ehefrau, die gleichzeitig mit ihm aus den Niederlanden nach Deutschland gereist war, kehrte im April 2016 nach Polen zurück. Seit September 2015 sind der Vater und seine beiden Töchter in Deutschland unter derselben Anschrift gemeldet. Die beiden Töchter besuchen mindestens seit August 2016 in Deutschland die Schule. In den Jahren 2016 und 2017 bezog JD ununterbrochen Kindergeld für seine beiden Töchter sowie Unterhaltsleistungen von der Stadt, in der die Familie wohnt(6).

13.      Von 2009 bis 2011 war JD in den Niederlanden als Arbeitnehmer beschäftigt. Von Januar 2013 bis März 2015 war er nicht erwerbstätig. Vom 6. März 2015 bis zum 1. September 2015 war er in Deutschland abhängig beschäftigt. Vom 1. September 2015 bis 17. Januar 2016 war er erneut ohne Beschäftigung. Am 18. Januar 2016 nahm er eine Vollzeitbeschäftigung auf, die am 31. Oktober 2016 endete. Er war vom 4. Oktober 2016 bis 7. Dezember 2016 arbeitsunfähig und erhielt bis zum 29. Oktober 2016 Lohnfortzahlung und anschließend von der Sozialversicherung bis zum 7. Dezember 2016 Krankengeld. Mit Bescheid vom 31. März 2017 wurde JD für die Zeit vom 23. Februar 2017 bis 24. August 2017 Arbeitslosengeld bewilligt. Die Gewährung dieser Leistungen wurde mit Wirkung zum 13. April 2017 wegen Erlöschen der Arbeitslosmeldung von JD widerrufen. Mit Bescheid vom 13. Juni 2017 wurde ihm Arbeitslosengeld für die Zeit vom 12. Juni 2017 bis 23. Oktober 2017 bewilligt.

14.      Seit dem 2. Januar 2018 übt JD eine Vollzeitbeschäftigung aus.

15.      Vom 1. September 2016 bis 7. Juni 2017 bezogen JD und seine Töchter Leistungen der sozialen Grundsicherung nach dem SGB II. Im Juni 2017 beantragte JD die Weiterbewilligung dieser Leistungen für sich und seine Töchter. Mit Bescheid vom 13. Juni 2017 lehnte das Jobcenter Krefeld diesen Antrag mit der Begründung ab, dass der Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b SGB II anwendbar sei, da sich JD nur noch zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalte. Den von JD und seinen Töchtern gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies das Jobcenter Krefeld mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2017 zurück. Am 31. Juli 2017 erhoben JD und seine Töchter Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 13. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2017 und beantragten, das Jobcenter Krefeld zur Zahlung der Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 8. Juni 2017 bis 31. Dezember 2017 (im Folgenden: streitiger Zeitraum) zu verurteilen.

16.      Mit Urteil vom 8. Mai 2018 gab das Sozialgericht Düsseldorf (Deutschland) der Klage statt und verpflichtete das Jobcenter Krefeld, JD und seinen Töchtern die für den streitigen Zeitraum beanspruchten Leistungen zu bewilligen. Zwar könne sich JD nicht über den 7. Juli 2017 hinaus auf ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht nach Beschäftigungsaufgabe nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Satz 2 FreizügG/EU berufen. Er habe jedoch ein von den Aufenthaltsrechten seiner Töchter gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Diese Bestimmung begründe ein von den in der Richtlinie 2004/38 normierten Aufenthaltsrechten unabhängiges und eigenständiges Aufenthaltsrecht. Die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 enthaltene abweichende Regelung finde somit nur Anwendung, wenn sich ein Aufenthaltsrecht allein aus dieser Richtlinie ableite. Dagegen finde diese abweichende Regelung keine Anwendung, wenn die betreffende Person ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 ableite. Als Ergebnis dieser Prüfung entschied das Sozialgericht Düsseldorf daher, dass der Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II als unionsrechtswidrig anzusehen sei.

17.      Am 4. Juli 2018 legte das Jobcenter Krefeld gegen dieses Urteil Berufung beim vorlegenden Gericht ein.

18.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es sich bei den Leistungen der sozialen Grundsicherung um Sozialhilfeleistungen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38(7) und um besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004(8) handle, da sie der Bestreitung der Lebenshaltungskosten von Kindern und ihren Eltern dienten. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts stellen diese Leistungen auch soziale Vergünstigungen im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 dar.

19.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Berufung des Jobcenters Krefeld bei isolierter Betrachtung nach nationalem Recht begründet sei. Fraglich sei jedoch, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II mit dem Unionsrecht vereinbar ist. JD sei zwar im streitigen Zeitraum weder erwerbstätig gewesen, noch habe er über ausreichende Existenzmittel verfügt und könne sich weder auf ein Daueraufenthaltsrecht noch auf die Arbeitnehmereigenschaft berufen, er habe aber während dieses Zeitraums ein von dem seiner Töchter abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 gehabt. Die Frage, ob in einem solchen Fall der in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Leistungsausschluss Anwendung finden könne, sei auf nationaler Ebene umstritten.

20.      Der nationale Gesetzgeber sei der Ansicht, dass der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II vorgesehene Leistungsausschluss unionsrechtskonform sei, da sonst die Vorschriften der Richtlinie 2004/38 leerlaufen würden. Bei der Einführung dieses Leistungsausschlusses in das nationale Recht habe sich der Gesetzgeber u. a. auf den zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38 berufen, wonach Ziel der Richtlinie sei, zu verhindern, dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausübten, die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nähmen, sowie auf das vom Gerichtshof mehrfach angeführte Ziel der Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts der Systeme der sozialen Sicherheit(9). Aus diesem Grund habe er gemeint, den Leistungsausschluss auf Unionsbürger mit einem Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 erstrecken zu können, ohne dass dies zu einem Konflikt mit dem Unionsrecht führe. Dem folge ein Teil der Rechtsprechung mit der Begründung, dass der Anwendungsbereich der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nicht auf diese Richtlinie beschränkt sei und dass dieser Artikel eine Ausnahme von Art. 18 AEUV normiere, auch wenn sich das Aufenthaltsrecht auf Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 stütze. Dies werde durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, da dieser den Schlussanträgen seines Generalanwalts in der Rechtssache Alimanovic(10) nicht gefolgt sei und nicht deshalb eine andere Prüfung vorgenommen habe, weil es damals für das Aufenthaltsrecht eine andere Grundlage als die Richtlinie 2004/38 gegeben habe.

21.      Diese Auffassung werde jedoch nicht von allen nationalen Gerichten geteilt, vielmehr legten einige das Urteil Alimanovic(11) anders, nämlich dahin gehend aus, dass der Gerichtshof Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nur im Kontext eines auf diese Richtlinie gestützten Aufenthaltsrechts angewandt habe. Die Frage der Anwendbarkeit von Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie auf einen Unionsbürger, der einen Aufenthaltstitel auf der Grundlage von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 besitze, sei daher nicht entschieden. Außerdem sei Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nach Ansicht dieser Gerichte als Ausnahme vom Diskriminierungsverbot eng, allein in den Grenzen des Anwendungsbereichs der Richtlinie auszulegen.

22.      Das vorlegende Gericht folgt dieser zuletzt dargestellten Auffassung, die es dadurch bestätigt sieht, dass das Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 nicht an die Einhaltung der Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 gebunden sei. Zudem seien die von JD beanspruchten Leistungen als soziale Vergünstigungen im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 anzusehen, auch wenn sie in keinem Zusammenhang mit dem Schulbesuch oder der Ausbildung als solchen stünden. Nach diesem Artikel müsse die Gleichbehandlung auf dem Gebiet der sozialen Vergünstigungen gewährleistet werden. Außerdem habe der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Anwendungsbereich von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 durch die Richtlinie 2004/38 nicht eingeschränkt werden könne(12). Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber, obwohl er beim Erlass der Verordnung Nr. 492/2011 Gelegenheit dazu gehabt hätte, in diese Verordnung keine Bestimmung aufgenommen habe, die den Gerichtshof hätte veranlassen müssen, seine auf der Grundlage der Vorgängerverordnung ergangene Rechtsprechung zu ändern, um die Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich nur auf Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 stütze, ausdrücklich von der Gleichbehandlung auszuschließen.

23.      Unter diesen Umständen hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Deutschland) die Aussetzung des Verfahrens beschlossen und dem Gerichtshof mit Entscheidung, die am 25. Februar 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist der Ausschluss von Unionsbürgern, die über ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verfügen, vom Bezug von Sozialhilfeleistungen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 18 AEUV in Verbindung mit den Art. 7 und 10 der Verordnung Nr. 492/2011 vereinbar?

a)      Stellt eine Sozialhilfeleistung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 dar?

b)      Findet die Schrankenregelung des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 18 AEUV in Verbindung mit den Art. 7 und 10 der Verordnung Nr. 492/2011 Anwendung?

2.      Ist der Ausschluss von Unionsbürgern vom Bezug von besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 18 AEUV in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 vereinbar, wenn diese über ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verfügen und in einem Sozialversicherungssystem oder Familienleistungssystem im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 eingebunden sind?

24.      Das Jobcenter Krefeld, die deutsche und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und in der Sitzung vom 26. Februar 2020 vor dem Gerichtshof mündliche Ausführungen gemacht.

III. Würdigung

A.      Vorbemerkungen zur Einstufung der in Rede stehenden Leistungen

25.      Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, wird der Gerichtshof nicht zum ersten Mal ersucht, sich zu den Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II zu äußern, er hat somit diese Leistungen bereits anhand verschiedener Bestimmungen des abgeleiteten Rechts eingestuft, die sich für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits als relevant erweisen könnten.

26.      Die in Rede stehenden Leistungen können, wie dargelegt, als „besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“ im Sinne von Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 eingestuft werden und sind im Übrigen als solche in Anhang X der Verordnung Nr. 883/2004 aufgeführt(13).

27.      Diese Leistungen fallen auch unter den Begriff „Sozialhilfe“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, der sich auf sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme bezieht, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise zu einer Belastung der öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats wird, was geeignet ist, sich auf das gesamte Niveau der Sozialhilfe auszuwirken, die dieser Staat gewähren kann(14). Wie der Gerichtshof ebenfalls entschieden hat, besteht die überwiegende Funktion der in Rede stehenden Leistungen gerade darin, „das Minimum an Existenzmitteln zu gewährleisten, das erforderlich ist, um ein Leben zu führen, das der Menschenwürde entspricht“(15).

28.      Zu prüfen bleibt, ob die in Rede stehenden Leistungen als soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 eingestuft werden können. Nach ständiger Rechtsprechung sind unter „sozialen Vergünstigungen“ alle Vergünstigungen zu verstehen, „die – ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht – den inländischen Arbeitnehmern im Allgemeinen gewährt werden, und zwar hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland, und deren Erstreckung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Union und daher auch ihre Integration im Aufnahmemitgliedstaat zu fördern“(16). Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts stellen die in Rede stehenden Leistungen derartige Vergünstigen dar, weil sie der Sicherstellung des Lebensunterhalts eines Kindes und seines die tatsächliche Sorge ausübenden Elternteils während einer Schul- oder Berufsausbildung dienen(17).

29.      Wie die Kommission meines Erachtens zu Recht ausgeführt hat, ist die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II gewährte soziale Grundsicherung, da sie Erwerbsfähigkeit voraussetzt, daran geknüpft, dass der Begünstigte Arbeitnehmer war, Arbeitnehmer mit unzureichenden Einkünften ist oder Arbeitnehmer sein wird. Zumindest in den ersten beiden dieser Fälle weist die in Rede stehende Leistung einen Bezug zur Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers auf, selbst wenn diese nicht mehr besteht. Schließlich weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof eine Sozialleistung, die allgemein ein Existenzminimum gewährleistet, bereits als soziale Vergünstigung im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68(18) – der Vorgängerregelung zur Verordnung Nr. 492/2011 – eingestuft hat(19). Unter diesen Umständen ist daher davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Leistungen auch unter den Begriff „soziale Vergünstigungen“ im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 fallen, zumal wenn man, wie es der Gerichtshof mehrfach getan hat, auf die Integrationsfunktion dieses Schutzes durch eine Grundsicherung abstellt, auf die ich später zurückkommen werde(20).

30.      Nach dieser Vorbemerkung wende ich mich nun der Würdigung der Vorlagefragen selbst zu.

B.      Zu den Vorlagefragen

31.      Der Ausschluss von JD und seinen Töchtern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts stellt eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar. Mit diesen Vorlagefragen, die ich zusammen prüfen werde, ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof, nacheinander die verschiedenen möglichen Grundlagen für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den streitigen Zeitraum an JD und seine beiden Töchter, d. h. die Anerkennung eines Anspruchs auf Gleichbehandlung im Kontext des Ausgangsrechtsstreits, zu prüfen.

32.      Eine solche Prüfung wäre jedoch nicht sinnvoll, wenn der Gerichtshof entscheiden sollte, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt jedenfalls unter die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Ausnahme von der Gleichbehandlung fällt. Daher muss ich zunächst erläutern, warum diese Bestimmung meines Erachtens hier nicht anwendbar ist, bevor ich prüfe, ob das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 so weit reicht, dass es auch das Recht auf Gleichbehandlung in Bezug auf die Voraussetzungen für den Zugang zu den in Rede stehenden Leistungen umfasst. Die Schlussfolgerungen, die ich aus der Analyse von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 ziehen werde, sollten eine spezifische Prüfung der Verordnung Nr. 883/2004 entbehrlich machen.

1.      Zur Unanwendbarkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

33.      Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass JD im streitigen Zeitraum ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 besaß, das sich von dem seiner beiden im Aufnahmemitgliedstaat zur Schule gehenden Töchter ableitete. Ferner steht fest, dass JD in diesem streitigen Zeitraum die Arbeitnehmereigenschaft verloren hatte und auf Arbeitssuche war.

34.      Gegenstand von Art. 24 der Richtlinie 2004/38 ist die Gleichbehandlung. Nach seinem Abs. 1 hat „jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält“, Anspruch auf Gleichbehandlung, allerdings „[v]orbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen“. Als eine ausdrückliche Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung sieht Abs. 2 dieser Bestimmung vor, dass der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet ist, „anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen“ während der festgelegten Zeiträume einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren.

35.      Die deutsche Regierung, deren Vorbringen sich das Jobcenter Krefeld teilweise anschließt, macht im Wesentlichen geltend, dass Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 unabhängig davon, ob das Aufenthaltsrecht von JD in Deutschland, der sich im streitigen Zeitraum dort nur zur Arbeitssuche aufgehalten habe, auch auf dieser Richtlinie beruht habe(21), als Querschnittsbestimmung die Frage der Gleichbehandlung in Bezug auf Leistungen der Sozialhilfe abschließend regle und damit über den normativen Rahmen der Richtlinie 2004/38 hinausgehe. Es sei daher unerheblich, dass die Rechtsgrundlage für das Aufenthaltsrecht von JD Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 sei, da Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 jedenfalls Unionsbürger, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht mehr besäßen, von der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Sozialhilfeleistungen ausschließe. Würde die Anwendung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 in einem Fall wie dem von JD ausgeschlossen, so liefe dies darauf hinaus, die in dieser Bestimmung vorgesehene Beschränkung und den Handlungsspielraum auszuhöhlen, den die Richtlinie den Mitgliedstaaten, die sich gegen Sozialtourismus schützen müssten, notwendig einräume, indem verhindert werde, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit unangemessen in Anspruch nähmen. Diese brauchten sich nämlich nur auf den Schulbesuch ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu berufen, um den Mechanismus zur Verteidigung dieser Systeme zu gefährden, den die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 darstelle. Schließlich habe der Gerichtshof diese Frage bereits im Urteil Alimanovic(22) entschieden. In diesem Urteil, dessen tatsächlicher und rechtlicher Kontext dem der vorliegenden Rechtssache völlig vergleichbar sei, habe der Gerichtshof die Anwendung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nicht ausgeschlossen, obwohl den betroffenen Unionsbürgern, die keine Wanderarbeitnehmer gewesen seien, ebenfalls ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zugestanden habe.

36.      Diesem Vorbringen vermag ich nicht zu folgen.

37.      Was zunächst seinen Wortlaut betrifft, gewährleistet Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 den Grundsatz der Gleichbehandlung der Unionsbürger, die sich im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhalten, „[v]orbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen“. Die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 enthaltene Ausnahme von diesem Grundsatz greift somit stets innerhalb dieser Grenzen. Zudem lässt sich ein solcher Verweis in Art. 24 auf andere Bestimmungen des Primär- oder des Sekundärrechts schlecht mit der These einer abschließenden und querschnittlichen Harmonisierung des Rechts auf Gleichbehandlung vereinbaren.

38.      Sodann gibt es in systematischer Hinsicht keinerlei Anhaltspunkt für eine Anwendung von Art. 24 der Richtlinie 2004/38 über diese hinaus. Blickt man wiederum auf den Wortlaut seines Abs. 2, so wird dort durch die Verweisungen auf andere Bestimmungen dieser Richtlinie die in ihm enthaltene Ausnahme im Geltungsbereich der Richtlinie selbst verortet. Auch die Beibehaltung einer Bestimmung über die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im Bereich der sozialen Vergünstigungen in der Verordnung Nr. 492/2011 widerspricht der These der abschließenden und querschnittlichen Harmonisierung des Rechts auf Gleichbehandlung durch die Richtlinie 2004/38.

39.      Auch aus teleologischer Sicht schließlich kann meines Erachtens das vom Unionsgesetzgeber verfolgte und nun vom deutschen Gesetzgeber und von der deutschen Regierung angeführte legitime Ziel für sich genommen nicht die Überführung einer Norm des abgeleiteten Rechts in einen anderen normativen Kontext rechtfertigen. Zudem wird das Vorbringen der deutschen Regierung erheblich dadurch geschwächt, dass sie weder in ihren schriftlichen Erklärungen noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof, in der sie genau hierzu befragt worden ist, in der Lage war, genaue Zahlen zur Veranschaulichung der Bedrohung für das deutsche System der sozialen Sicherheit vorzulegen, die von einer Auslegung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 in dem Sinne ausgehen soll, dass diese Bestimmung nicht anwendbar ist, wenn der betreffende Unionsbürger ein Aufenthaltsrecht auf eine andere Grundlage als die Richtlinie stützen kann, wofür die deutsche Regierung das Gespenst des Sozialtourismus beschworen hat.

40.      Ich möchte noch drei Bemerkungen hinzufügen.

41.      Zum einen kann das Argument, es könne kein Aufenthaltsrecht nach der Verordnung Nr. 492/2011 bestehen, ohne dass ihm zwangsläufig ein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 vorausgegangen sei, dieser Verordnung nicht ihre normative Selbständigkeit nehmen. Dazu genügt die Feststellung, dass das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011, wie ich noch darlegen werde, nicht von der Einhaltung der Bedingungen abhängt, die nach der Richtlinie 2004/38 für nicht erwerbstätige Unionsbürger gelten.

42.      Zum anderen sprechen zwar alle vorstehend angeführten Gründe für sich genommen dafür, die Reichweite der in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Ausnahme auf diese Richtlinie zu beschränken, doch möchte ich hinzufügen, dass, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, jede abweichende Bestimmung im Unionsrecht eng ausgelegt wird. Diesen Auslegungsgrundsatz hat der Gerichtshof im Übrigen bereits in Bezug auf Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 selbst herangezogen, als er entschieden hat, dass diese Bestimmung „[a]ls Ausnahme von dem in Art. 18 AEUV normierten Grundsatz der Gleichbehandlung, der in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 lediglich einen besonderen Ausdruck findet, ... eng auszulegen ist“(23).

43.      Was schließlich die Präzedenzwirkung des Urteils Alimanovic(24) angeht, so ist dieses Urteil im Licht seiner Rn. 40 zu lesen, in der der Gerichtshof darauf hingewiesen hat, dass das vorlegende Gericht in dieser Rechtssache davon ausging, „dass Frau Alimanovic und ihre Tochter Sonita ein Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchende haben und dass es durch die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen ... gebunden ist“. Bei einem sehr formalistischen Verständnis des Urteils könnte man einwenden, dass mit dieser Rn. 40 der Teil des Urteils eingeleitet wird, der die Qualifizierung der seinerzeit in Rede stehenden Leistungen – die gleichen, die uns heute beschäftigen – betrifft. Es ist jedoch festzustellen, dass die Klarstellung in Rn. 40 sich rechtlich nicht auf die Qualifizierung der Leistungen selbst auswirkt, so dass die aus dieser Randnummer zu ziehenden Erkenntnisse nicht auf diesen Teil des Urteils beschränkt sind(25).

44.      An keiner Stelle des Urteils(26) ging der Gerichtshof von der in dessen Rn. 40 aufgestellten Prämisse ab. Obwohl der Generalanwalt, wenn auch nur hilfsweise, die Möglichkeit angesprochen hatte(27), dass Frau Alimanovic und ihrer Tochter ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zustand, ging der Gerichtshof hierauf in keiner Weise ein.

45.      Rn. 40 des Urteils Alimanovic(28) bewirkt somit eine Beschränkung der Tragweite dieses Urteils auf Unionsbürger, denen ein Aufenthaltsrecht allein auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 zusteht. In diesem Urteil hat sich der Gerichtshof nicht zu dem uns heute vorliegenden besonderen Fall geäußert, da dies schlicht nicht Gegenstand der ihm damals vorgelegten Fragen war(29).

46.      Interessant ist jedenfalls, dass der Gerichtshof im Urteil Alimanovic(30) sehr klar einen Zusammenhang zwischen der Anwendung der in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Gleichbehandlung und dem Genuss eines Aufenthaltsrechts – abgesehen von dem auf Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 gestützten Recht(31) – aus der Richtlinie 2004/38 hergestellt hat(32).

47.      Wenn also JD einfach als Inhaber eines Aufenthaltsrechts nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 anzusehen wäre, könnte er sich nicht auf die Gleichbehandlung berufen. Art. 24 der Richtlinie 2004/38 soll jedoch, wie ich im Vorstehenden darzutun versucht habe, nicht die Frage der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf einen Unionsbürger regeln, dem ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zusteht(33).

2.      Zur Reichweite des auf Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 gestützten Aufenthaltsrechts

48.      Nachdem die Anwendung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt ausgeschlossen worden ist, bleibt zu prüfen, ob JD und seine Töchter einen Anspruch auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zu den Leistungen der sozialen Grundsicherung geltend machen können. Da sie ein Aufenthaltsrecht nach Artikel 10 der Verordnung Nr. 492/2011 haben, ist zu prüfen, ob sich eine solche Gleichbehandlung aus der Verordnung selbst, gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Normen, ergeben kann.

49.      Ich werde zunächst darlegen, welche Tragweite der Gerichtshof Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 beigemessen hat, und sodann zwei mögliche Wege vorschlagen, um zu der Feststellung zu gelangen, dass im vorliegenden Fall ein Recht auf Gleichbehandlung anzuerkennen ist.

a)      Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 in der Rechtsprechung des Gerichtshofs

50.      Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 ist bekanntlich mit Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 identisch, so dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung der letztgenannten Bestimmung für die Auslegung der erstgenannten entsprechend heranzuziehen ist(34).

51.      Der Gerichtshof hat entschieden, dass „die Verwirklichung der von der Verordnung Nr. 1612/68 bezweckten Freizügigkeit der Arbeitnehmer unter Wahrung der Freiheit und Menschenwürde es erforderlich macht, die bestmöglichen Bedingungen für die Integration der Familie des EG-Arbeitnehmers im Aufnahmeland zu schaffen“(35), und er hat den Zusammenhang zwischen erfolgreicher Integration und der Möglichkeit für ein Kind eines Wanderarbeitnehmers, im Aufnahmeland die Schule zu besuchen und ein Studium zu absolvieren, als unauflöslich bezeichnet(36).

52.      Zu diesem Zweck sind auch die Personen, denen das in Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verankerte Recht auf Zugang zum Unterricht zusteht, weit definiert, da die Kinder möglicherweise nicht selbst Unionsbürger oder nicht die gemeinsamen Kinder des Wanderarbeitnehmers und seines Ehegatten sind(37). Durch eine Scheidung der Ehe des Wanderarbeitnehmers und seines Ehegatten, die mit der Rückkehr des Wanderarbeitnehmers in seinen Herkunftsstaat einhergeht, während sein Ehegatte mit den Kindern im Aufnahmemitgliedstaat bleibt, wird das Recht dieser Kinder auf Zugang zum Unterricht im letztgenannten Staat nicht in Frage gestellt(38). Auch der Umstand, dass der Elternteil, von dem die Kinder ihr Recht auf Zugang zur Ausbildung ursprünglich abgeleitet haben, die Arbeitnehmereigenschaft verliert, wirkt sich nicht auf den Genuss dieses Rechts aus(39).

53.      Um die Wirksamkeit des in Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 vorgesehenen Rechts auf Zugang zum Unterricht zu gewährleisten, muss dieses Recht notwendig mit einem entsprechenden Aufenthaltsrecht der Kinder einhergehen(40).

54.      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es der Besitz der Arbeitnehmereigenschaft ist, der für die Kinder der betreffenden Person das Recht auf Zugang zum Unterricht und damit das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 entstehen lässt. Sobald aber die Voraussetzungen für seine Anerkennung erfüllt sind, erwächst dieses Recht zu einem eigenständigen Recht und bietet einen verstärkten Schutz der Rechtsstellung der Kinder, die nun nur noch im Aufnahmemitgliedstaat wohnen und dort die Schule besuchen müssen(41).

55.      Dieser verstärkte rechtliche Schutz der Stellung der Kinder wirkt sich mittelbar auf die Stellung des Elternteils aus, der die elterliche Sorge für sie innehat. Während also das Aufenthaltsrecht der Kinder nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 daraus entsteht, dass ein Elternteil zu einem bestimmten Zeitpunkt die Arbeitnehmereigenschaft besitzt, kann das Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge wahrnimmt, über den Verlust der Arbeitnehmereigenschaft hinaus oder ohne diese Eigenschaft fortbestehen, solange die Kinder die Schule besuchen. Um es mit einer grammatikalischen Metapher zu sagen: Der Elternteil, der ursprünglich der Hauptsatz war, wird zum Nebensatz, während das Kind, das ursprünglich der Nebensatz war, zum Hauptsatz wird. Demgemäß hat der Gerichtshof entschieden, dass in einem Fall, in dem die Kinder nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zum weiteren Schulbesuch berechtigt sind, „[diese ein] Recht, das ihnen der Gemeinschaftsgesetzgeber zuerkannt hat, ... verlieren [könnten], wenn den Eltern die Möglichkeit versagt würde, während der Schulausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu bleiben(42). Nach dem Hinweis darauf, dass die Verordnung Nr. 1612/68 im Licht des in Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten normierten Rechts auf Achtung des Familienlebens(43) auszulegen ist, hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass „[d]as dem Kind eines Wanderarbeitnehmers in Art. 12 [der Verordnung Nr. 1612/68] zuerkannte Recht, im Aufnahmemitgliedstaat weiterhin unter den bestmöglichen Voraussetzungen am Unterricht teilzunehmen, unabdingbar das Recht [umfasst], dass sich die die Personensorge tatsächlich wahrnehmende Person bei ihm aufhält und dass es demgemäß dieser Person ermöglicht wird, während der Ausbildung des Kindes mit diesem zusammen in dem betreffenden Mitgliedstaat zu wohnen. Würde dem Elternteil, der effektiv die Personensorge für ein Kind ausübt, das sein Recht auf weitere Teilnahme am Unterricht im Aufnahmemitgliedstaat wahrnimmt, die Aufenthaltserlaubnis versagt, so würde dieses Recht verletzt“(44). Der Gerichtshof hat auch hervorgehoben, dass angesichts des Zusammenhangs und der Zielsetzung der Verordnung Nr. 1612/68 und insbesondere ihres Art. 12 Letzterer nicht eng ausgelegt und ihm keinesfalls die praktische Wirksamkeit genommen werden darf(45). Der Elternteil, der die elterliche Sorge für ein Kind innehat, genießt somit ein von dem seines Kindes abgeleitetes Aufenthaltsrecht, auch wenn, wie ich bereits dargelegt habe, er kein Unionsbürger ist und im Aufnahmemitgliedstaat nicht oder nicht mehr die Wanderarbeitnehmereigenschaft besitzt(46).

56.      Schließlich hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung zu Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 später dahin weiter entwickelt, dass „den Kindern eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Aufnahmemitgliedstaat arbeitet oder gearbeitet hat, ebenso wie dem Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage allein von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 zusteht, ohne dass sie die in der Richtlinie 2004/38 aufgestellten Voraussetzungen erfüllen müssen“(47). Insbesondere hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Wortlaut von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 das Aufenthaltsrecht der Kinder und des die elterliche Sorge für sie wahrnehmenden Elternteils nicht von ihrer wirtschaftlichen Eigenständigkeit – d. h. vom Besitz ausreichender Existenzmittel und eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes im Aufnahmemitgliedstaat – abhängig macht und dass sich ein solches Erfordernis auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt(48).

57.      Die vorstehend dargestellte Rechtsprechungsentwicklung hat sich in drei Schritten vollzogen: Zunächst musste der Gedanke herausgearbeitet werden, dass das in Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 vorgesehene Recht auf Zugang zum Unterricht mit der Anerkennung eines eigenen Aufenthaltsrechts der Kinder einhergehen muss. Sodann wurde die Zuerkennung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts der Eltern, die die elterliche Sorge für diese Kinder wahrnehmen, mit dem Gebot der Effektivität des Rechts auf Zugang zum Unterricht gerechtfertigt. Schließlich musste die Rechtsstellung der am Schulunterricht teilnehmenden Kinder dadurch gesichert werden, dass sowohl das eigenständige Aufenthaltsrecht der Kinder als auch das abgeleitete Aufenthaltsrecht der Eltern von der Voraussetzung wirtschaftlicher Eigenständigkeit abgekoppelt wurden.

58.      Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, einen weiteren Schritt zur Ausgestaltung der mit Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verbundenen Rechtsstellung zu gehen.

b)      Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 und Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang zu den Leistungen der sozialen Grundsicherung: die logische Folge

59.      Wie bereits angedeutet, kommen meines Erachtens zwei Prüfungsansätze in Betracht, je nachdem, ob als Inhaber des Rechts auf Gleichbehandlung JD selbst (erster Ansatz) oder seine beiden Töchter (zweiter Ansatz) angesehen werden.

1)      Erster Ansatz: Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011 als Grundlage des Rechts von JD auf Gleichbehandlung

60.      Wie bereits hinreichend dargelegt, verfügt JD über ein von dem seiner Töchter abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011.

61.      Die Verordnung Nr. 492/2011 enthält eine besondere Ausprägung des in Art. 18 AEUV verankerten Grundsatzes der Gleichbehandlung in ihrem Art. 7, nach dessen Abs. 2 ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen sozialen Vergünstigungen genießt wie die inländischen Arbeitnehmer.

62.      Zu beachten ist jedoch, dass dieser Art. 7 den Abschnitt 2 der Verordnung Nr. 492/2011 einleitet, der mit „Ausübung der Beschäftigung und Gleichbehandlung“ überschrieben ist. Weiter ist zu beachten, dass er sich ausdrücklich auf einen „Arbeitnehmer“ bezieht, was JD nicht mehr ist.

63.      Gleichwohl kann eine weite Auslegung dieser Bestimmung nicht ausgeschlossen werden. Zwar bezieht sich Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011 nicht wie deren Art. 10 auf den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der Arbeitnehmer ist oder gewesen ist; aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 ergibt sich jedoch, dass der gewährte Schutz über den Zeitraum der Beschäftigung dieses Arbeitnehmers und möglicherweise sogar über den Zeitraum hinausgeht, in dem er eben diese Arbeitnehmereigenschaft hat. Es sei daran erinnert, dass in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 das Recht auf Gleichbehandlung „insbesondere im Hinblick auf ... Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf ... Wiedereinstellung“ verankert ist(49).

64.      Im Übrigen ergibt sich zwar aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich Unionsbürger, die nur zuwandern, um eine Beschäftigung zu suchen, nicht auf die in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 vorgesehene Gleichbehandlung berufen können, doch können sich diejenigen, die bereits Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben, selbstverständlich darauf berufen(50).

65.      Im vorliegenden Fall erlaubt es die Anerkennung eines Anspruchs auf Gleichbehandlung, der darauf beruht, dass der Antragsteller ein ehemaliger Arbeitnehmer ist – und kein Unionsbürger, der sich in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nur begeben hat, um dort eine Beschäftigung zu suchen, ohne dass er tatsächlich jemals Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden hat –, die Sozialhilfe nicht auf jeden Unionsbürger auszudehnen, der sich sonst darauf beschränken könnte, sein Recht auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat wahrzunehmen, ohne dort je nach Arbeit zu suchen, und dort sofort seine Kinder zur Schule gehen zu lassen, um bis zum Ende ihrer Schulzeit ein Aufenthaltsrecht und die im Aufnahmemitgliedstaat gewährte Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen(51).

66.      Mit anderen Worten würde die vorgeschlagene Auslegung von Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011 die Mitgliedstaaten zwar verpflichten, ehemaligen Arbeitnehmern, die erwerbslos geworden sind, Hilfe zu gewähren, sie würden dabei aber ihr Recht behalten, Unionsbürgern, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machen, sich aber gegen eine Erwerbstätigkeit entscheiden und sich daher nicht auf den durch diese Bestimmung gewährten Schutz berufen können, diese Hilfe zu verweigern. Eine solche Auslegung wird zudem auch durch das zwischen der Verordnung Nr. 492/2011 und der Richtlinie 2004/38 bestehende Verhältnis normativer Autonomie ermöglicht.

67.      Es muss jedoch noch sichergestellt sein, dass die Diskriminierung nicht gerechtfertigt werden kann(52). Insoweit steht zwar die Legitimität des vom deutschen Gesetzgeber verfolgten Ziels außer Zweifel, da es dem vom Unionsgesetzgeber verfolgten entspricht, doch genügt diese Diskriminierung nicht der Verhältnismäßigkeitsprüfung, denn § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II führt zu einem systematischen Ausschluss aller Unionsbürger, die ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 besitzen, ohne Rücksicht auf ihre individuelle Situation und insbesondere ihre Beziehungen zum Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats sowie auf Art und Intensität ihrer Bindungen zur Gesellschaft dieses Staates.

68.      Aus einer solchen Prüfung ergibt sich daher, dass Art. 7 Abs. 2 und Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen sind, dass einem ehemaligen Wanderarbeitnehmer, dessen Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zur Schule gehen und dem ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Art. 10 dieser Verordnung zusteht, ein Anspruch auf Gleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zu sozialen Vergünstigungen wie den Leistungen der sozialen Grundsicherung zuerkannt werden muss.

2)      Zweiter Ansatz: das Recht auf Zugang zum Unterricht als Grundlage des Rechts auf Gleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zur Sozialhilfe

69.      Meines Erachtens lässt sich dasselbe Ergebnis – Bestehen eines Rechts von JD und seinen beiden Töchtern auf Zugang zu den streitigen Leistungen – auch erreichen, indem auf die Rechte der Kinder abgestellt wird.

70.      Nach der oben angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 nicht eng ausgelegt und seine praktische Wirksamkeit muss gewährleistet werden. Die Verordnung ist ihrerseits im Licht des in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Union vorgesehenen Erfordernisses der Achtung des Familienlebens auszulegen.

71.      Was bliebe unter diesen Umständen vom Recht auf Zugang zum Unterricht, das nach Meinung aller den beiden Töchtern von JD zusteht, wenn für sie und ihren Vater ein Anspruch auf Zugang zu den in Rede stehenden Leistungen verneint würde?

72.      Begrifflich gesehen kann ich durchaus einräumen, dass das Aufenthaltsrecht nicht unbedingt mit dem Recht auf Zugang zu diesen Leistungen in eins fällt. Welche tatsächliche – effektive – Tragweite hätte aber, funktional gesehen, die Rechtsprechung des Gerichtshofs, in der dem Schicksal der Kinder von Wanderarbeitnehmern solche Aufmerksamkeit gewidmet wird, zumal das Aufenthaltsrecht des die elterliche Sorge wahrnehmenden Elternteils nicht davon abhängt, dass er über ausreichende Existenzmittel oder einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, wenn der Gerichtshof heute entscheiden sollte, dass dieser Elternteil, der für die Betreuung dieser Kinder während ihrer Schulzeit unentbehrlich ist, keinen Anspruch auf staatliche Sozialhilfe hat?

73.      Es wäre eine Illusion, eine rechtliche Fiktion, würde das Recht auf Zugang zum Unterricht schon deshalb als wirksam angesehen, weil dem Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder innehat, ein Aufenthaltsrecht gewährt wird, ohne dass dieses Recht auch mit Sozialhilfe einhergeht. Eben deshalb schlage ich dem Gerichtshof vor, diesen Schritt nun zu gehen.

74.      Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 sieht ein Recht auf Zugang zum Unterricht „unter den gleichen Bedingungen wie [für] die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats“(53) vor. Wenn die bedürftigen Eltern eines die Schule besuchenden Kindes, die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats sind, Anspruch auf Sozialhilfe haben, um für dieses Kind und mittelbar seine Familiengemeinschaft lebenswürdige Lebens- und Schulbedingungen zu gewährleisten, und da die Bedürftigkeit offenkundig ein Hindernis für den Zugang eines jeden Kindes zum Unterricht ist, sollte das Recht auf Sozialhilfe als zu den „Bedingungen“ im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 gehörig verstanden werden, soll dem Kind nicht ein Recht entzogen werden, das ihm der Gesetzgeber zuerkannt hat(54).

75.      Durch eine solche Auslegung wird somit die praktische Wirksamkeit von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 sichergestellt, wie es die Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt. Sie steht auch völlig im Einklang mit dem ursprünglichen Ziel dieser Verordnung, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Welcher Arbeitnehmer würde denn sein Herkunftsland verlassen, sich darum bemühen, sich möglichst gut, auch wirtschaftlich, in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats zu integrieren und seine Kinder dort zur Schule zu schicken, wenn er weiß, dass er bei einer Verschlechterung seiner Situation nicht auf die Solidarität des Mitgliedstaats, der ihn aufgenommen hat, zählen könnte und gezwungen wäre, in sein Herkunftsland zurückzukehren und seine Kinder aus dem schulischen und sprachlichen Umfeld herauszureißen, in das sie bisher integriert waren? Diese Auslegung steht sodann ersichtlich im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach das Aufenthaltsrecht der Kinder und des die elterliche Sorge für sie wahrnehmenden Elternteils nicht von der Beachtung der Voraussetzung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit abhängt(55).

76.      Aus den bereits angeführten Gründen(56) lässt sich meines Erachtens die durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II eingeführte Diskriminierung nicht rechtfertigen.

77.      In diesem Stadium der Prüfung neige ich daher zu der Auffassung, dass Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen ist, dass Kindern mit einem Aufenthaltsrecht auf der Grundlage dieser Bestimmung und dem Elternteil, der die elterliche Sorge für diese Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Grundsicherung zuzuerkennen ist.

3.      Ergänzende Bemerkungen

78.      Die vorstehende Analyse, in der Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 den Schwerpunkt der zur Entscheidung der vorliegenden Rechtssache angestellten Erwägungen bildet, ist daher meines Erachtens der Hauptweg zu diesem Ziel. Der Vollständigkeit halber möchte ich gleichwohl noch einige Überlegungen hinzufügen, die als Erstes die Verordnung Nr. 883/2004 und als Zweites Art. 18 AEUV betreffen. Da diese Überlegungen jedoch nur hilfsweise angestellt werden, wird die Prüfung entsprechend knapper ausfallen.

79.      Was die Verordnung Nr. 883/2004 betrifft, haben wir bereits gesehen, dass die fraglichen Leistungen der sozialen Grundsicherung in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen und dass ihr Art. 4 für die Personen, für die diese Verordnung gilt, einen Anspruch auf Gleichbehandlung vorsieht, sofern in der Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Aus dem Wortlaut der zweiten Vorlagefrage ergibt sich, dass JD als dem System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats oder dessen System der Familienleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 angeschlossen anzusehen ist. Auch wenn die Festlegung der materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden den Rechtsvorschriften jedes einzelnen Mitgliedstaats unterliegt(57), sind die Mitgliedstaaten gleichwohl verpflichtet, dabei den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten. Der Gerichtshof hat bereits anerkannt, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, Sozialleistungen nur Unionsbürgern zu gewähren, die die Aufenthaltsvoraussetzungen nach der Richtlinie 2004/38 erfüllen(58), und dass sie Unionsbürger während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat oder Unionsbürger, deren Aufenthalt sich nur auf Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 stützt, von der Gewährung von Leistungen ausschließen können. Selbst wenn man davon ausginge, dass sich aus dieser Rechtsprechung ein Bestreben ableiten lässt, Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 mit Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 in dem Sinne in Einklang zu bringen, dass die Wirksamkeit der letztgenannten Bestimmung eine Begrenzung der erstgenannten erfordert, käme ein solches verschränktes Verständnis dieser Bestimmungen jedenfalls in einem Fall wie dem von JD nicht in Betracht, in dem das Aufenthaltsrecht nicht mehr oder nicht mehr nur auf der Richtlinie 2004/38 beruht, sondern auf Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011. Die Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zu besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen wie den Leistungen der sozialen Grundsicherung kann daher für einen Unionsbürger wie JD, dem im Übrigen ein auf Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 beruhendes Aufenthaltsrecht zusteht, auch auf Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 gestützt werden.

80.      Da ich schließlich der Ansicht bin, dass sich die vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Fragen durch Auslegung der Verordnung Nr. 492/2011, die eine besondere Ausprägung des allgemein in Art. 18 AEUV verankerten Diskriminierungsverbots enthält, beantworten lassen, erscheint mir eine eigenständige Prüfung dieser Bestimmung nicht erforderlich(59).

IV.    Ergebnis

81.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Deutschland) wie folgt zu antworten:

1.      Leistungen der sozialen Grundsicherung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden stellen soziale Vergünstigungen im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union dar.

2.      Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG soll nicht die Frage der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf einen Unionsbürger regeln, dem ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zusteht.

3.      Art. 7 Abs. 2 und Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 sind dahin auszulegen, dass einem ehemaligen Wanderarbeitnehmer, dessen Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zur Schule gehen und dem ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Art. 10 dieser Verordnung zusteht, ein Anspruch auf Gleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zu sozialen Vergünstigungen wie Leistungen der sozialen Grundsicherung zuerkannt werden muss.

4.      Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 ist dahin auszulegen, dass Kindern mit einem Aufenthaltsrecht auf der Grundlage dieser Bestimmung und dem Elternteil, der die elterliche Sorge für diese Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Grundsicherung zuzuerkennen ist.


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2004, L 158, S. 77.


3      Im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004.


4      ABl. 2011, L 141, S. 1.


5      In der Fassung vom 2. Dezember 2014 (BGBl. I S. 1922).


6      Aus den Akten geht hervor, dass JD diese Unterhaltsleistungen für seine Töchter vom 1. Oktober 2015 bis zu deren vollendetem 12. Lebensjahr gezahlt wird.


7      Das vorlegende Gericht verweist dafür auf die Urteile vom 11. November 2014, Dano (C-333/13, EU:C:2014:2358), vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597), und vom 25. Februar 2016, García-Nieto u. a. (C-299/14, EU:C:2016:114).


8      Das vorlegende Gericht verweist dafür auf die Urteile vom 11. November 2014, Dano (C-333/13, EU:C:2014:2358), vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597), und vom 25. Februar 2016, García-Nieto u. a. (C-299/14, EU:C:2016:114).


9      Vgl. Urteile vom 11. November 2014, Dano (C-333/13, EU:C:2014:2358), vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597), und vom 25. Februar 2016, García-Nieto u. a. (C-299/14, EU:C:2016:114).


10      Urteil vom 15. September 2015 (C-67/14, EU:C:2015:597).


11      Urteil vom 15. September 2015 (C-67/14, EU:C:2015:597).


12      Das vorlegende Gericht nennt hier die Urteile vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C-310/08, EU:C:2010:80), und Teixeira (C-480/08, EU:C:2010:83).


13      Vgl. Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597, Rn. 43).


14      Vgl. Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15      Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597, Rn. 45).


16      Urteil vom 18. Dezember 2019, Generálny riaditeľ Sociálnej poisťovne Bratislava u. a. (C-447/18, EU:C:2019:1098, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


17      Die deutsche Regierung hat sich zu dieser Frage nicht geäußert, ohne allerdings eine solche Qualifizierung auszuschließen.


18      Verordnung des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. 1968, L 257, S. 2).


19      Vgl. Urteil vom 27. März 1985, Hoeckx (249/83, EU:C:1985:139), bestätigt in Rn. 27 des Urteils vom 20. September 2001, Grzelczyk (C-184/99, EU:C:2001:458).


20      Vgl. zur Einstufung verschiedener Maßnahmen als soziale Vergünstigungen im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 durch den Gerichtshof unter besonderer Betonung ihrer Integrationsfunktion Urteil vom 18. Dezember 2019, Generálny riaditeľ Sociálnej poisťovne Bratislava u. a. (C-447/18, EU:C:2019:1098, Rn. 48).


21      Gemäß Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38.


22      Urteil vom 15. September 2015 (C-67/14, EU:C:2015:597).


23      Urteil vom 4. Oktober 2012, Kommission/Österreich (C-75/11, EU:C:2012:605, Rn. 54).


24      Urteil vom 15. September 2015 (C-67/14, EU:C:2015:597).


25      Dies wird zudem durch Rn. 41 bestätigt, in der nur die zweite und die dritte Vorlagefrage in jener Rechtssache rekapituliert werden und die daher als solche nichts mit der Einstufung der Leistungen zu tun hat, die der Gerichtshof dann in den Rn. 42 bis 46 des Urteils vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597), vornimmt.


26      Urteil vom 15. September 2015 (C-67/14, EU:C:2015:597).


27      Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Wathelet in der Rechtssache Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:210, Nrn. 117 bis 122).


28      Urteil vom 15. September 2015 (C-67/14, EU:C:2015:597).


29      Vgl. Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597, Rn. 38).


30      Urteil vom 15. September 2015 (C-67/14, EU:C:2015:597).


31      Da dieses in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ausdrücklich ausgeschlossen wird.


32      Vgl. Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597, Rn. 49). Vgl. auch Rn. 53 dieses Urteils.


33      In diesem Zusammenhang weise ich noch darauf hin, dass der Gerichtshof in Rn. 49 des Urteils vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597), entschieden hat, dass „ein Unionsbürger hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen ... eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt“ (Hervorhebung nur hier). Da das aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 folgende Aufenthaltsrecht gerade von der Einhaltung dieser Voraussetzungen ausgenommen ist, ist Art. 24 der Richtlinie 2004/38 nicht die Bestimmung, anhand deren die Frage einer etwaigen Gleichbehandlung von JD zu prüfen ist.


34      In der folgenden Untersuchung werde ich im Übrigen unterschiedslos Bezugnahmen auf die eine und die andere Verordnung verwenden.


35      Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 50).


36      Vgl. Urteile vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 51), und vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C-310/08, EU:C:2010:80, Rn. 43).


37      Vgl. Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 56 und 57).


38      Vgl. Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 63).


39      Vgl. Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 63).


40      Vgl. Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 63).


41      Vgl. Urteil vom 23. Februar 2010, Teixeira (C-480/08, EU:C:2010:83, Rn. 49). Zur Eigenständigkeit des Aufenthaltsrechts vgl. Urteile vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C-310/08, EU:C:2010:80, Rn. 35, 40 und 41), und vom 23. Februar 2010, Teixeira (C-480/08, EU:C:2010:83, Rn. 46).


42      Urteile vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 71), und vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C-310/08, EU:C:2010:80, Rn. 30).


43      Unterzeichnet am 4. November 1950 in Rom.


44      Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 73).


45      Vgl. Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 74).


46      Vgl. Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 75).


47      Urteil vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C-310/08, EU:C:2010:80, Rn. 50); Hervorhebung nur hier.


48      Vgl. Urteil vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C-310/08, EU:C:2010:80, Rn. 52 und 53). Zur Situation der Kinder hatte der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Rechtsstellung als Kind eines Wanderarbeitnehmers im Sinne der Verordnung Nr. 1612/68 „insbesondere zur Folge hat, dass diese Kinder aufgrund des Unionsrechts in den Genuss staatlicher Studienbeihilfen kommen müssen, damit sie in das soziale Leben des Aufnahmemitgliedstaats integriert werden können, und dass dies vor allem dann geboten ist, wenn es sich bei dem durch die Bestimmungen dieser Verordnung begünstigten Personenkreis um Studenten handelt, die noch vor dem schulpflichtigen Alter in diesen Mitgliedstaat gekommen sind“ (Urteil vom 15. März 1989, Echternach und Moritz, 389/87 und 390/87, EU:C:1989:130, Rn. 35, wieder aufgenommen in Rn. 54 des Urteils vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department, C-310/08, EU:C:2010:80).


49      Ich weise darauf hin, dass diese Bestimmung ihrem Wortlaut nach das Recht auf Gleichbehandlung in Bezug auf die Dauer der Arbeitslosigkeit nicht ausdrücklich einschränkt.


50      Vgl. u. a. Urteil vom 23. März 2004, Collins (C-138/02, EU:C:2004:172, Rn. 31).


51      Insoweit möchte ich an dieser Stelle hervorheben, dass sich die Situation von JD und seinen beiden Töchtern in jeder Hinsicht von der der Klägerin in der Rechtssache Dano (Urteil vom 11. November 2014, C-333/13, EU:C:2014:2358) unterscheidet, in der der Gerichtshof entschieden hat, dass ein Mitgliedstaat auf der Grundlage der Richtlinie 2004/38 „nicht erwerbstätigen Unionsbürgern, die von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaats zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts verfügen, Sozialleistungen zu versagen“ (Rn. 78, Hervorhebung nur hier). Wie die Kommission in der vorliegenden Rechtssache hervorgehoben hat, kann JD kein Betrug oder Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden, und dieser hat auch von seiner Freizügigkeit nicht allein mit dem Ziel Gebrauch gemacht, die in Rede stehenden Leistungen in Anspruch zu nehmen.


52      Vgl. entsprechend Urteil vom 14. Dezember 2016, Bragança Linares Verruga u. a. (C-238/15, EU:C:2016:949).


53      Hervorhebung nur hier.


54      Vgl. die in Nr. 55 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung.


55      Andernfalls würde nämlich implizit eine Voraussetzung wirtschaftlicher Eigenständigkeit für die tatsächliche Inanspruchnahme des Rechts auf Zugang zum Unterricht geschaffen.


56      Siehe Nr. 67 der vorliegenden Schlussanträge.


57      Vgl. Urteile vom 19. September 2013, Brey (C-140/12, EU:C:2013:565, Rn. 41), und vom 11. November 2014, Dano (C-333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 83).


58      Vgl. Urteile vom 11. November 2014, Dano (C-333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 83), und vom 25. Februar 2016, García-Nieto u. a. (C-299/14, EU:C:2016:114, Rn. 52).


59      Das vorlegende Gericht hat im Übrigen keine Fragen allein zu Art. 18 AEUV gestellt. Eine solche Prüfung wäre nur erforderlich, wenn der Gerichtshof der Ansicht sein sollte, dass JD wegen der fehlenden Arbeitnehmereigenschaft weder unter Art. 24 der Richtlinie 2004/38 fällt noch in den Genuss des Grundsatzes der Gleichbehandlung nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 kommen kann und auch nicht unmittelbar oder mittelbar Schutz gegen jede Diskriminierung beim Zugang zu den Leistungen der sozialen Grundsicherung nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 genießt. JD könnte sich nur noch auf seine Eigenschaft als nicht erwerbstätiger Unionsbürger berufen, der sich rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält und eine Leistung der sozialen Grundsicherung beantragt. Ein solcher Fall ähnelte dann dem, zu dem das Urteil vom 7. September 2004, Trojani (C-456/02, EU:C:2004:488), ergangen ist.