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Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

16. Dezember 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Kapitalverkehr – Geschlossene Investmentfonds – Offene Investmentfonds – Investitionen in Immobilien – Hypotheken- und Katastersteuern – Geschlossenen Immobilienfonds vorbehaltener Steuervorteil – Ungleichbehandlung – Vergleichbarkeit der Situationen – Objektive Unterscheidungskriterien“

In den verbundenen Rechtssachen C-478/19 und C-479/19

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidungen vom 21. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juni 2019, in den Verfahren

UBS Real Estate Kapitalanlagegesellschaft mbH

gegen

Agenzia delle Entrate

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer A. Arabadjiev in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin I. Ziemele sowie der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb (Berichterstatter) und A. Kumin,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der UBS Real Estate Kapitalanlagegesellschaft mbH, vertreten durch S. Ricci und M. Serpieri, avvocati,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und F. Tomat als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Februar 2021

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 43 und 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 49 und 63 AEUV).

2        Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der UBS Real Estate Kapitalanlagegesellschaft mbH (im Folgenden: UBS Real Estate) und der Agenzia delle Entrate (Finanzverwaltung, Italien) wegen der Beschränkung der Ermäßigung der Hypotheken- und Katastersteuern auf geschlossene Investmentfonds unter Ausschluss offener Investmentfonds.

 Italienisches Recht

 Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 347 vom 31. Oktober 1990

3        Das Decreto legislativo n. 347 – Approvazione del testo unico delle disposizioni concernenti le imposte ipotecaria e catastale (gesetzesvertretendes Dekret Nr. 347 – Billigung der konsolidierten Fassung der Vorschriften über die Hypotheken- und Katastersteuern) vom 31. Oktober 1990 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 277 vom 27. November 1990) in seiner auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung sieht zum einen vor, dass die Förmlichkeiten der Übertragung, der Eintragung von Hypotheken, der Erneuerung und der Eintragung von Vermerken in den öffentlichen Liegenschaftsregistern der Hypothekensteuer (imposta ipotecaria) unterliegen. Die Bemessungsgrundlage dieser Steuer wird durch den Wert des übertragenen oder eingebrachten Grundstücks gebildet, und der Satz beträgt 1,6 %.

4        Zum anderen ist auch die Katastersteuer (imposta catastale) im gesetzesvertretenden Dekret Nr. 347 vom 31. Oktober 1990 geregelt; sie wird bei der Umschreibung, d. h. dem Wechsel des Namens des Eigentümers oder Inhabers eines dinglichen Nutzungsrechts an einem im Kataster eingetragenen Grundstück, erhoben. Diese Steuer, deren Satz 0,4 % beträgt, bemisst sich nach dem Wert des Grundstücks.

 Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 58/1998

5        Das Decreto legislativo n. 58 – Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria, ai sensi degli articoli 8 e 21 della legge 6 febbraio 1996, n. 52 (gesetzesvertretendes Dekret Nr. 58 – Konsolidierte Fassung der Vorschriften im Bereich der Finanzvermittlung gemäß den Art. 8 und 21 des Gesetzes Nr. 52 vom 6. Februar 1996) vom 24. Februar 1998 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 71 vom 26. März 1998), in der auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: gesetzesvertretendes Dekret Nr. 58/1998) bestimmte in Art. 1 („Definitionen“):

„(1)      Für die Zwecke dieses gesetzesvertretenden Dekrets gelten die folgenden Definitionen:

(k)      ‚offener Fonds‘: ein Investmentfonds, dessen Anteilseigner das Recht haben, jederzeit die Rücknahme der Anteile gemäß der Satzung des Fonds zu verlangen;

(l)      ‚geschlossener Fonds‘: ein Investmentfonds, bei dem das Recht auf Rücknahme der Anteile den Anteilseignern nur nach im Voraus festgelegten Fristen zusteht …

…“

6        In Art. 36 („Investmentfonds“) dieses gesetzesvertretenden Dekrets heißt es:

„(1)      Der Investmentfonds wird von der Vermögensverwaltungsgesellschaft, die ihn errichtet hat, oder von einer anderen Vermögensverwaltungsgesellschaft verwaltet. Letztere kann sowohl die Fonds, die sie selbst errichtet hat, als auch die von anderen Gesellschaften errichteten Fonds verwalten.

(3)      Der Beteiligungsbericht für den gemeinsamen Fonds ist in der Fondssatzung geregelt. Die Banca d’Italia [(italienische Zentralbank)] legt nach Anhörung der CONSOB [(Commissione Nationale per le Società e la Borsa [nationale Börsenaufsichtsbehörde, Italien])] in Ergänzung zu Art. 39 die allgemein auf die Abfassung der Satzungsbestimmungen anwendbaren Kriterien sowie deren Mindestinhalt fest.

(6)      Jeder Investmentfonds oder jeder Teilfonds desselben bildet ein Sondervermögen, das in jeder Hinsicht vom Vermögen der Vermögensverwaltungsgesellschaft und vom Vermögen der einzelnen Anteilseigner sowie von anderen von derselben Gesellschaft verwalteten Vermögen getrennt ist. …“

7        In Art. 37 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 58/1998 heißt es:

„Der Minister für Wirtschaft und Finanzen legt durch eine Verordnung, die nach Anhörung der Banca d’Italia und der Consob erlassen wird, die allgemeinen Kriterien fest, die Investmentfonds erfüllen müssen, und zwar im Hinblick auf

a)      den Zweck der Anlage;

b)      die Kategorien von Anlegern, denen Anteile angeboten werden;

c)      die Bedingungen für die Teilnahme an offenen und geschlossenen Fonds, insbesondere die Häufigkeit der Ausgabe und Rücknahme von Anteilen, den gegebenenfalls geltenden Mindestbetrag der Zeichnung sowie das anwendbare Verfahren;

d)      die gegebenenfalls anwendbare Mindest- und Höchstlaufzeit;

d-bis)      die Bedingungen und Modalitäten für den Erwerb oder die Einbringung von Sacheinlagen zum Zeitpunkt der Errichtung des Fonds und danach, bei Fonds, die ausschließlich oder überwiegend in Immobilien, dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen und in Beteiligungen an Immobiliengesellschaften investieren.

(2-bis)      Mit der Verordnung gemäß Abs. 1 wird auch festgelegt, für welche Angelegenheiten die Anteilseigner der geschlossenen Fonds sich versammeln, um Beschlüsse zu fassen, die für die Vermögensverwaltungsgesellschaft verbindlich sind. Die Versammlung entscheidet auf jeden Fall über den Wechsel der Vermögensverwaltungsgesellschaft, über den Antrag auf Zulassung zur Börsennotierung, sofern diese nicht vorgesehen ist, sowie über Änderungen der Verwaltungsrichtlinien. …“

8        In Art. 39 („Fondssatzung“) dieses gesetzesvertretenden Dekrets heißt es:

„(1)      Die Satzung eines jeden Investmentfonds legt dessen Merkmale fest, regelt seine Funktionsweise, nennt den Promotor, den Verwalter, wenn es sich nicht um den Promotor handelt, sowie die Depotbank, legt die Verteilung der Aufgaben zwischen diesen Akteuren fest und regelt die zwischen ihnen und den Anteilseignern des Fonds bestehenden Beziehungen.

(2)      Die Satzung regelt insbesondere

a)      Name und Laufzeit des Fonds;

b)      die Bedingungen für die Beteiligung am Fonds, die Fristen und Modalitäten für die Ausgabe und das Ende der Gültigkeit der Zertifikate sowie für die Zeichnung und Rücknahme der Anteile sowie die Bedingungen für die Liquidation des Fonds;

c)      die für die Auswahl der Anlagen zuständigen Organe und die Kriterien für die Verteilung dieser Anlagen;

d)      die Arten von Gütern, Finanzinstrumenten und anderen Vermögenswerten, in die das Fondsvermögen investiert werden kann;

…“

 GesetzesdekretNr. 223/2006

9        Art. 35 („Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung“) des Decreto-legge n. 223 – Disposizioni urgenti per il rilancio economico e sociale, per il contenimento e la razionalizzazione della spesa pubblica, nonché interventi in materia di entrate e di contrasto all’evasione fiscale (Gesetzesdekret Nr. 223 betreffend Dringlichkeitsmaßnahmen für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufschwung sowie die Begrenzung und Rationalisierung der öffentlichen Ausgaben sowie mit Maßnahmen im Bereich der Steuereinnahmen und zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung) vom 4. Juli 2006 (GURI Nr. 153 vom 4. Juli 2006) in seiner auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 223/2006), nach Änderungen in ein Gesetz umgewandelt durch die Legge n. 248 – Conversione in legge, con modificazioni, del decreto-legge 4 luglio 2006, n. 223, recante disposizioni urgenti per il rilancio economico e sociale, per il contenimento e la razionalizzazione della spesa pubblica, nonché interventi in materia di entrate e di contrasto all’evasione fiscale (Gesetz Nr. 248 – Änderung und Umwandlung des Gesetzesdekrets Nr. 223 vom 4. Juli 2006 betreffend Dringlichkeitsmaßnahmen für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufschwung sowie die Begrenzung und Rationalisierung der öffentlichen Ausgaben sowie mit Maßnahmen im Bereich der Steuereinnahmen und zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung) vom 4. August 2006 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 186 vom 11. August 2006), sieht in Abs. 10-ter vor:

„Für die in Art. 10 Abs. 1 Nr. 8-ter des decreto del presidente della Repubblica n. 633, [istituzione e disciplina dell’imposta sul valore aggiunto (Dekret Nr. 633 des Präsidenten der Republik über die Einführung und Regelung der Mehrwertsteuer)] vom 26. Oktober 1972 [(Supplemento ordinario zur GURI Nr. 292 vom 11. November 1972)] genannten Übertragungen und Umschreibungen bei Veräußerungen geschäftlich genutzter Immobilien auch wenn sie mehrwertsteuerpflichtig sind –, an denen durch Art. 37 der konsolidierten Fassung der Vorschriften im Bereich der Finanzvermittlung des [gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 58/1998] mit nachfolgenden Änderungen sowie durch Art. 14-bis der legge n. 86 – [Istituzione e disciplina dei fondi comuni di investimento immobiliare chiusi (Gesetz Nr. 86 – Einrichtung und Regelung geschlossener Immobilienfonds)] vom 25. Januar 1994 [(Supplemento ordinario zur GURI Nr. 29 vom 5. Februar 1994)] geregelte geschlossene Immobilienfonds oder Leasing-Unternehmen oder Banken und Finanzvermittler … beteiligt sind, begrenzt auf den Erwerb und den Rückerwerb der zu verleasenden oder verleasten Güter, sind die Hypotheken- und Katastersteuersätze, so, wie sie durch Abs. 10-bis des vorliegenden Artikels geändert wurden, um die Hälfte ermäßigt. Die im vorstehenden Satz genannte Bestimmung gilt ab dem 1. Oktober 2006.“

 Ministerialdekret Nr. 228/1999

10      Das Decreto ministeriale n. 228 – Regolamento recante norme per la determinazione dei criteri generali cui devono essere uniformati i fondi comuni di investimento (Ministerialdekret Nr. 228 – Regelung mit Bestimmungen zur Festlegung der allgemeinen Kriterien, die Investmentfonds zu erfüllen haben) vom 24. Mai 1999 (GURI Nr. 164 vom 15. Juli 1999) in seiner auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: Ministerialdekret Nr. 228/1999) bestimmt in Art. 1 Abs. 1 Buchst. d-bis:

„‚Immobilienfonds‘ [sind] Fonds, die ausschließlich oder hauptsächlich in Immobilien, dingliche Rechte an Immobilien und Beteiligungen an Immobiliengesellschaften investieren.“

11      Art. 12-bis Abs. 1 des Ministerialdekrets Nr. 228/1999 lautet:

„Immobilienfonds werden in geschlossener Form errichtet.“

 Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefrage

12      UBS Real Estate, eine Fondsverwaltungsgesellschaft mit Sitz in Deutschland und einer Niederlassung in Italien, verwaltet u. a. zwei nach deutschem Recht errichtete offene Immobilienfonds, nämlich UBS (D) 3 Sector Real Estate Europe (ehemals UBS [D] 3 Kontinente Immobilien) und UBS (D) Euroinvest Immobilien Real Estate Investment Fund (im Folgenden zusammen: UBS-Fonds).

13      Am 4. Oktober 2006 erwarb diese Verwaltungsgesellschaft für die UBS-Fonds zwei in San Donato Milanese (Italien) gelegene geschäftlich genutzte Immobilienkomplexe, bei deren Eintragung sie der Steuerverwaltung Hypotheken- und Katastersteuern zu zahlen hatte, deren Gesamtbetrag sich für die Immobilienkomplexe auf 802 400 Euro bzw. 820 900 Euro belief.

14      Später erfuhr die Verwaltungsgesellschaft, dass das Gesetzesdekret Nr. 223/2006 vor den so vorgenommenen Erwerben, nämlich am 1. Oktober 2006, in Kraft getreten war und dass dieses Gesetzesdekret in Art. 35 Abs. 10-ter eine 50%ige Ermäßigung der Hypotheken- und Katastersteuern für Immobilienkäufe vorsah, die durch oder für geschlossene Immobilienfonds getätigt werden, für die Art. 37 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 58/1998 gilt.

15      Da die Verwaltungsgesellschaft der Ansicht war, dass offene Investmentfonds ebenfalls Anspruch auf diese Ermäßigung hätten, beantragte sie bei der Steuerverwaltung die hälftige Erstattung der Beträge, die sie als Hypotheken- und Katastersteuern für die beiden für die UBS-Fonds gekauften Gebäudekomplexe entrichtet hatte.

16      Da die Steuerverwaltung nicht antwortete, erhob UBS Real Estate gegen diese beiden impliziten Ablehnungsentscheidungen bei der Commissione tributaria provinciale di Milano (Finanzgericht der Provinz Mailand, Italien) Klagen. Mit Urteilen vom 21. Dezember 2009 (Nrn. 282/05/09 und 283/05/09) wies dieses Gericht die Klagen mit der Begründung ab, dass der italienische Gesetzgeber mit dem Gesetzesdekret Nr. 223/2006 die Gewährung der Ermäßigung der Hypotheken- und Katastersteuern allein auf die Kategorie geschlossener Investmentfonds habe beschränken wollen.

17      Gegen diese beiden Urteile legte UBS Real Estate bei der Commissione Tributaria Regionale per la Lombardia (Finanzgericht der Region Lombardei, Italien) Berufung ein. Mit Urteilen vom 3. April 2012 wies dieses Gericht die Berufungen mit im Wesentlichen der Begründung zurück, dass angesichts der beträchtlichen Unterschiede zwischen den in Italien anerkannten und dort tätigen geschlossenen Investmentfonds und den in Deutschland anerkannten und dort tätigen offenen Investmentfonds insbesondere kein Verstoß gegen Unionsrecht wegen einer Ungleichbehandlung festzustellen sei, da verschiedene Situationen verschiedenen Steuerrechtsvorschriften unterworfen sein könnten.

18      Da UBS Real Estate der Ansicht war, dass das Berufungsgericht Art. 35 Abs. 10-ter des Gesetzesdekrets Nr. 223/2006 zu Unrecht für mit den Art. 12, 43 und 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 18, 49 und 63 AEUV) vereinbar gehalten habe, legte sie bei der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerden ein. Zur Stützung ihrer Kassationsbeschwerden macht sie u. a. einen Verstoß gegen die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit geltend, da im Berufungsverfahren befunden worden sei, dass die beiden in der vorstehenden Randnummer genannten Arten von Investmentfonds unterschiedlichen Situationen entsprächen, die unterschiedlich behandelt werden könnten, obgleich solche Unterschiede angesichts der ratio legis des Art. 35 Abs. 10-ter des Gesetzesdekrets Nr. 223/2006 irrelevant seien.

19      Das vorlegende Gericht weist zunächst darauf hin, dass die italienischen Steuerrechtsvorschriften für geschlossene Immobilienfonds in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher Maßnahmen des nationalen Gesetzgebers gewesen seien. Diesen Maßnahmen lägen zwei verschiedene Ziele zugrunde, nämlich das Ziel, die Entwicklung eines besonderen Vermögensverwaltungsinstruments zu fördern, und das Ziel, dessen Verwendung zur Umgehung des Steuerrechts zu beschränken.

20      Das vorlegende Gericht erläutert sodann die besonderen Merkmale der beiden betroffenen Arten von Investmentfonds. Zum einen sehe die italienische Regelung über Investmentfonds für geschlossene Investmentfonds die Rücknahme durch die Vermögensverwaltungsgesellschaft, die den jeweiligen Fonds errichtet habe, nur für Anteile vor, die in bestimmten Zeiträumen gezeichnet worden seien. Diese Fonds seien daher durch eine im Voraus festgelegte Anzahl von Anteilen gekennzeichnet, die sich im Laufe der Zeit nicht ändere. Da das festgelegte Vermögen dieser Fonds bei ihrer Errichtung eingebracht werde, könnten diese gemeinsamen Anlageinstrumente nur in einem bestimmten im Voraus festgelegten Zeitraum gezeichnet werden, und die Rückzahlung des so angelegten Kapitals könne nur zum Ende der Laufzeit der Fonds oder nach einer bestimmten Anzahl von Jahren nach ihrer Errichtung verlangt werden. Außerhalb dieser Zeiträume könnten Anteile eines geschlossenen Investmentfonds nur an der Börse gekauft und verkauft werden. Die Laufzeit eines solchen Fonds liege zwischen 10 und 30 Jahren, und am Ende seiner Laufzeit werde sein Vermögen unter den verschiedenen Anteilseignern aufgeteilt oder – im Fall seines Verkaufs – der etwaige Gewinn an diese ausgeschüttet.

21      Zum anderen ergebe sich aus der anwendbaren italienischen Regelung, dass offene Investmentfonds durch ihr variables Vermögen gekennzeichnet seien, das täglich wachsen oder schrumpfen könne, je nachdem, ob neue Anteile gezeichnet oder Anträge auf Rücknahme von Anteilen gestellt würden. Die Anteile könnten somit jederzeit gezeichnet werden, und eine vollständige oder teilweise Rückzahlung des eingebrachten Kapitals sei jederzeit möglich. Insoweit führt das vorlegende Gericht aus, dass der Anleger eines geschlossenen Fonds, der seine Anlage verwerten wolle, keine andere Wahl habe, als seine Anteile an einen Dritten abzutreten, wohingegen der Inhaber von Anteilen eines offenen Fonds die Möglichkeit habe, von diesem Fonds die Rückzahlung des seinen Anteilen entsprechenden Betrags zu verlangen.

22      Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die etwaige Auslösung einer Marktkrise, die nach einem Rückgang der Immobilienpreise eintreten könnte, zahlreiche Anteilseigner offener Investmentfonds dazu veranlassen könnte, die vorzeitige Rücknahme ihrer Anteile zu verlangen, was zum Aufbrauchen der „Liquiditätsreserven“ dieser Fonds führen würde. Diese Fonds wären somit gezwungen, einen Teil der erworbenen Immobilien unter ihrem Buchwert zu verkaufen, um diesen Rücknahmeforderungen nachkommen zu können. So gesehen könnte das Ziel des italienischen Gesetzgebers, das der Begrenzung der Ermäßigung der Hypotheken- und Katastersteuern auf geschlossene Investmentfonds zugrunde liege, darin bestanden haben, die Errichtung von Investmentfonds, die nicht durch „äußerst spekulative und willkürliche Ziele“ geprägt seien, zu fördern und zu begünstigen. Ein solcher Ansatz sei jedoch nicht frei von Kritik, da er tatsächlich ein Hindernis für Investitionen aus anderen Mitgliedstaaten schaffen würde, weil es für offene Investmentfonds aus diesen Staaten unattraktiv wäre, in Italien geschäftlich genutzte Immobilien zu erwerben.

23      Unter diesen Umständen hat die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende in den Rechtssachen C-478/19 und C-479/19 gleichlautende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Stehen das Unionsrecht – und insbesondere die Bestimmungen der Verträge betreffend die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof – der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wie der des Art. 35 Abs. 10-ter des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 223/2006 (soweit dieser Erleichterungen bei Hypotheken- und Katastersteuern auf geschlossene Immobilienfonds beschränkt) entgegen?

24      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 22. Juli 2019 sind die Rechtssachen C-478/19 und C-479/19 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.

 Zur Vorlagefrage

25      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 43 und 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 49 und 63 AEUV) dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der die Ermäßigung der Hypotheken- und Katastersteuern ausschließlich geschlossenen Immobilienfonds zu gewähren ist, nicht aber offenen Immobilienfonds.

 Zur anzuwendenden Verkehrsfreiheit

26      Vorab genügt zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des AEU-Vertrags und zum Vorbringen der italienischen Regierung, das im Wesentlichen dahin geht, dass die Beantwortung der in diesen verbundenen Rechtssachen gestellten Vorlagefrage auf die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. 2011, L 174, S. 1) zu stützen sei, die Feststellung, dass diese Richtlinie zum Zeitpunkt des Sachverhalts der Ausgangsrechtsstreitigkeiten nicht anwendbar war.

27      Da sich diese Vorlagefrage auf die Vorschriften des AEU-Vertrags sowohl über die Niederlassungsfreiheit als auch über den freien Kapitalverkehr bezieht, ist zu klären, welche Freiheit in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbar ist (Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C-52/16 und C-113/16, EU:C:2018:157, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Um festzustellen, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere der nach dem AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten fällt, ist nach gefestigter Rechtsprechung auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Juni 2018, Fidelity Funds u. a., C-480/16, EU:C:2018:480, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 3. März 2020, Tesco-Global Áruházak, C-323/18, EU:C:2020:140, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Desgleichen ist darauf hinzuweisen, dass innerstaatliche Regelungen für Geschäfte, durch die Gebietsfremde in einem Mitgliedstaat Immobilieninvestitionen vornehmen, nach ständiger Rechtsprechung sowohl unter Art. 43 EG (nach Änderung jetzt Art. 49 AEUV) über die Niederlassungsfreiheit als auch unter Art. 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 63 AEUV) über den freien Kapitalverkehr fallen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juni 1999, Konle, C-302/97, EU:C:1999:271, Rn. 22).

30      Die Ausübung des Rechts, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Immobilien zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen, das die notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit darstellt, führt zu Kapitalverkehr (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Januar 2007, Festersen, C-370/05, EU:C:2007:59, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 11. Oktober 2007, ELISA, C-451/05, EU:C:2007:594, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Der Kapitalverkehr umfasst nämlich Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ihren Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen; dies ergibt sich aus der Nomenklatur für den Kapitalverkehr in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (ABl. 1988, L 178, S. 5), die ihren Hinweischarakter für die Definition des Begriffs des Kapitalverkehrs behält (Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C-52/16 und C-113/16, EU:C:2018:157, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Im vorliegenden Fall betrifft die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung die Ermäßigung der Hypotheken- und Katastersteuern bei Veräußerungen geschäftlich genutzter Immobilien, an denen insbesondere geschlossene Immobilienfonds beteiligt sind.

33      Auch wenn diese Regelung a priori sowohl unter Art. 43 EG als auch unter Art. 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 49 bzw. Art. 63 AEUV) fallen kann, würden etwaige aus ihr resultierende Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit im Kontext der Ausgangsverfahren eine unvermeidliche Folge der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen und rechtfertigen damit keine eigenständige Prüfung der Regelung anhand von Art. 43 EG (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C-52/16 und C-113/16, EU:C:2018:157, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Zudem geht – wie der Generalanwalt in Nr. 44 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat – aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervor, dass UBS Real Estate den Erwerb der beiden betreffenden Gebäudekomplexe für die UBS-Fonds nur in Form einer passiven Anlage vorgenommen hat, und zwar allein zu Geldanlagezwecken, und nicht, um dort eine wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen.

35      Nach alledem ist die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Maßnahme ausschließlich anhand der Bestimmungen des Primärrechts über den freien Kapitalverkehr, nämlich Art. 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 63 AEUV), zu prüfen.

 Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

36      Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den Maßnahmen, die Art. 56 Abs. 1 EG (nach Änderung jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die in diesem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (vgl. u. a. Urteile vom 2. Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek, C-252/14, EU:C:2016:402, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 30. Januar 2020, Köln-Aktienfonds Deka, C-156/17, EU:C:2020:51, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Da es im vorliegenden Fall bei der im Rahmen der Ausgangsrechtsstreitigkeiten gestellten Frage darum geht, ob die Unterschiede zwischen geschlossenen Investmentfonds und offenen Investmentfonds eine unterschiedliche steuerliche Behandlung dieser beiden Arten von Fonds zulassen können, ist zu prüfen, ob das Kriterium der „offenen“ oder „geschlossenen“ Art des Immobilienfonds eine nach Art. 56 Abs. 1 EG (nach Änderung jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) grundsätzlich verbotene Beschränkung darstellen kann.

38      Insoweit ist festzustellen, dass das mit der Form des Immobilienfonds zusammenhängende Kriterium als solches keine Ungleichbehandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Immobilienfonds darstellt.

39      Nationale Regelungen, die unterschiedslos für gebietsansässige und gebietsfremde Wirtschaftsteilnehmer gelten, können jedoch eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich nämlich, dass selbst eine auf objektiven Kriterien beruhende Differenzierung de facto grenzüberschreitende Sachverhalte benachteiligen kann (Urteil vom 30. Januar 2020, Köln-Aktienfonds Deka, C-156/17, EU:C:2020:51, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Dies ist der Fall, wenn nationale Regelungen, die unterschiedslos für gebietsansässige und gebietsfremde Wirtschaftsteilnehmer gelten, die Gewährung eines Steuervorteils daran knüpfen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Voraussetzungen oder Verpflichtungen erfüllt, die ihrer Art nach oder de facto für den inländischen Markt spezifisch sind, so dass nur die auf dem inländischen Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer sie erfüllen können und gebietsfremde Wirtschaftsteilnehmer vergleichbarer Art diese Voraussetzungen im Allgemeinen nicht erfüllen (Urteil vom 30. Januar 2020, Köln-Aktienfonds Deka, C-156/17, EU:C:2020:51, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Insoweit geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervor, dass gemäß Art. 12-bis des Ministerialdekrets Nr. 228/1999 Immobilienfonds in Italien nur als geschlossene Investmentfonds errichtet werden können.

42      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 75 und 76 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat in Anbetracht dessen, dass nur Immobilienfonds, die dem Recht anderer Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik unterliegen, in der Form offener Investmentfonds errichtet werden können und ihnen deshalb die Gewährung des Steuervorteils nach Art. 35 Abs. 10-ter des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 223/2006 versagt werden kann, die Anwendung des auf der „offenen“ oder „geschlossenen“ Art der Investmentfonds beruhenden Unterscheidungskriteriums zur Folge, dass Immobilienfonds, die dem Recht anderer Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik unterliegen, benachteiligt werden, wodurch eine Ungleichbehandlung zu ihren Lasten geschaffen wird.

43      Daher ist festzustellen, dass diese Ungleichbehandlung, wie das vorlegende Gericht ausführt, geeignet ist, offene Investmentfonds, die dem Recht anderer Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik unterliegen, davon abzuhalten, im italienischen Hoheitsgebiet geschäftlich genutzte Immobilien zu erwerben, so dass sie eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt, die gemäß Art. 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 63 AEUV) grundsätzlich verboten ist.

44      Dies vorausgeschickt, ist festzustellen, dass Art. 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 63 AEUV) gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG (nach Änderung jetzt Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV) nicht das Recht der Mitgliedstaaten berührt, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.

45      Diese Bestimmung ist, da sie eine Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs darstellt, eng auszulegen. Daher kann sie nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Staat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit den Verträgen vereinbar wäre. Die in Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG (nach Änderung jetzt Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV) vorgesehene Ausnahme wird nämlich ihrerseits durch Art. 58 Abs. 3 EG (nach Änderung jetzt Art. 65 Abs. 3 AEUV) eingeschränkt, wonach die in Abs. 1 des Art. 58 EG (nach Änderung jetzt Art. 65 AEUV) genannten nationalen Vorschriften „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels [56 EG (nach Änderung jetzt Art. 63 AEUV)] darstellen [dürfen]“ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Einkünfte aus OGAW], C-480/19, EU:C:2021:334, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass daher die nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG (nach Änderung jetzt Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV) zulässigen Ungleichbehandlungen von den durch Art. 58 Abs. 3 EG (nach Änderung jetzt Art. 65 Abs. 3 AEUV) verbotenen Diskriminierungen unterschieden werden müssen. Eine nationale Steuerregelung kann aber nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die sich aus ihr ergebende Ungleichbehandlung entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Einkünfte aus OGAW], C-480/19, EU:C:2021:334, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zum Vorliegen objektiv vergleichbarerSituationen

47      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Prüfung der Vergleichbarkeit einer grenzüberschreitenden Situation mit einer mitgliedstaatsinternen Situation das mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgte Ziel (vgl. u. a. Urteil vom 30. April 2020, Société Générale, C-565/18, EU:C:2020:318, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie ihr Zweck und ihr Inhalt zu berücksichtigen (vgl. u. a. Urteil vom 2. Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek, C-252/14, EU:C:2016:402, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Im Übrigen sind für die Beurteilung, ob die unterschiedliche Behandlung aufgrund einer derartigen Regelung einem objektiven Unterschied der Situationen entspricht, nur die von der betreffenden Regelung aufgestellten maßgeblichen Unterscheidungskriterien zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek, C-252/14, EU:C:2016:402, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Insoweit ist entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 78 seiner Schlussanträge erstens festzustellen, dass bei der Prüfung, ob zwischen der Situation offener Immobilienfonds und der geschlossener Immobilienfonds ein objektiver Unterschied besteht, die Hauptschwierigkeit darin besteht, dass das vorlegende Gericht nicht klar den Grund darlegt, aus dem im italienischen Recht der in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuervorteil vorgesehen wurde.

50      In Bezug auf das Ziel des durch die nationale Regelung gewährten Steuervorteils hat das vorlegende Gericht nämlich nur mit allgemeinen Formulierungen darauf hingewiesen, dass die Steuerrechtsvorschriften für geschlossene Immobilienfonds in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher Maßnahmen des Gesetzgebers gewesen seien, denen zwei einander entgegengesetzte Ziele zugrunde gelegen hätten, nämlich das Ziel, die Entwicklung eines besonderen Vermögensverwaltungsinstruments zu fördern, und das Ziel, dessen Verwendung zur Umgehung der Rechtsvorschriften zu begrenzen. Das vorlegende Gericht hat ausgeführt, dass die etwaige Auslösung einer Marktkrise, die nach einem Rückgang der Immobilienpreise eintreten könnte, zahlreiche Anteilseigner offener Investmentfonds dazu veranlassen könnte, die vorzeitige Rücknahme ihrer Anteile zu verlangen, was zum Aufbrauchen der „Liquiditätsreserven“ dieser Fonds führen würde. Diese Fonds wären somit gezwungen, einen Teil der erworbenen Immobilien unter ihrem Buchwert zu verkaufen, um diesen Rücknahmeforderungen nachkommen zu können. Unter diesen Umständen könnte, so das vorlegende Gericht, das Ziel des italienischen Gesetzgebers, das dem durch Art. 35 Abs. 10-ter des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 223/2006 gewährten Steuervorteil für geschlossene Immobilienfonds zugrunde liege, darin bestehen, die Errichtung von Investmentfonds, die nicht durch äußerst spekulative und willkürliche Ziele geprägt seien, zu fördern und zu begünstigen.

51      Zweitens ist festzustellen, dass die Standpunkte der verschiedenen Parteien, die schriftliche Erklärungen abgegeben haben, beträchtlich in Bezug darauf divergieren, was das Ziel des durch Art. 35 Abs. 10-ter des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 223/2006 gewährten Steuervorteils ist, der in einer 50%igen Ermäßigung des Hypotheken- und Katastersteuersatzes für Immobilienerwerbe besteht, die durch oder für geschlossene Fonds getätigt werden, für die Art. 37 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 58/1998 gilt.

52      Zunächst beanstandet UBS Real Estate die Prämisse, auf die sich das vorlegende Gericht stützt, und macht geltend, dass die ratio legis einer Vorschrift wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die den als Hypotheken- und Katastersteuern zu entrichtenden Betrag um die Hälfte ermäßige, in der Notwendigkeit bestehe, zu verhindern, dass Wirtschaftsteilnehmer, die häufig gewerbsmäßig Immobilien kauften und verkauften, durch diese Tätigkeit benachteiligt würden, indem sie dieselben Steuern zweimal zahlten, nämlich sowohl beim Kauf einer Immobilie als auch bei deren Verkauf, was u. a. durch eine Studie des Consiglio nazionale del Notariato (Nationaler Notariatsrat, Italien) und durch ein Rundschreiben der Associazione fra le società italiane per azioni (Assonime) (Verband der italienischen Aktiengesellschaften) bestätigt werde.

53      Sodann vertritt die italienische Regierung die Ansicht, dass die funktionalen und strukturellen Unterschiede, die zwischen geschlossenen und offenen Immobilienfonds bestünden, sei es bei den Zeichnungsverfahren und den Modalitäten der Rücknahme der Anteile oder bei den Merkmalen dieser Arten von Fonds, zeigten, dass sich offene Immobilienfonds nicht in einer Situation befänden, die mit der geschlossener Immobilienfonds objektiv vergleichbar wäre. Dies werde zudem durch die Entstehungsgeschichte der nationalen Vorschrift bestätigt, aus der hervorgehe, dass der italienische Gesetzgeber diesen Steuervorteil nur Investitionen habe vorbehalten wollen, die tatsächlich in Immobilien getätigt würden, unter Ausschluss von Investitionen in bewegliche Vermögenswerte, selbst wenn diese durch den vorübergehenden Erwerb von Immobilien verwirklicht würden, und diese Regelung solle im Wesentlichen die Errichtung geschlossener Fonds, die Investitionen in Immobilien tätigten, in Italien begünstigen.

54      Schließlich weist die Europäische Kommission darauf hin, dass das italienische Recht für alle Investmentfonds eine einzige materiell-rechtliche Regelung vorsehe, aber der Erwerb geschäftlich genutzter Immobilien durch geschlossene Immobilienfonds dadurch steuerlich begünstigt werde, dass eine Ermäßigung der Hypotheken- und Katastersteuern gewährt werde. Da das Hauptziel sowohl geschlossener als auch offener Fonds darin bestehe, dem Zeichner eine Geldanlagemöglichkeit zu bieten, seien geschlossene und offene Immobilienfonds jedoch völlig vergleichbar. Zudem seien geschlossene Immobilienfonds und offene Immobilienfonds auch unter Berücksichtigung des Ziels des Fonds vergleichbar, das darin bestehe, Immobilien zu kaufen, um sie anschließend weiterzuverkaufen.

55      In diesem Zusammenhang ist es Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Auslegung des nationalen Rechts unter Berücksichtigung aller Bestandteile der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerregelung und aller betreffenden nationalen Steuerrechtsvorschriften zuständig ist, das mit der fraglichen Vorschrift in erster Linie verfolgte Ziel zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Köln-Aktienfonds Deka, C-156/17, EU:C:2020:51, Rn. 79).

56      Gelangt das vorlegende Gericht insoweit zu dem Ergebnis, dass das Ziel von Art. 35 Abs. 10-ter des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 223/2006 darin besteht, zu verhindern, dass ein Fonds beim Erwerb der Immobilien und ihrem anschließenden Weiterverkauf durch eine Doppelbesteuerung benachteiligt wird, so ist im Hinblick auf dieses Ziel und entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 81 seiner Schlussanträge davon auszugehen, dass sich offene und geschlossene Fonds in objektiv vergleichbaren Situationen befinden.

57      Das vorlegende Gericht könnte aber auch zu dem Ergebnis kommen, dass die Ziele der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung darin bestehen, die Errichtung geschlossener Fonds, die nicht durch äußerst spekulative und willkürliche Ziele geprägt sind, zu fördern und zu begünstigen und die systemischen Risiken auf dem Immobilienmarkt zu begrenzen, und dass diese Erwägungen somit die Grundlage für den Ausschluss offener Fonds von dem durch Art. 35 Abs. 10-ter des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 223/2006 gewährten Steuervorteil darstellen. Derartige Erwägungen betreffen aber nicht speziell die Gründe, die offene Fonds im Hinblick auf den in Rede stehenden Steuervorteil von geschlossenen Fonds unterscheiden.

58      In Bezug auf den Gegenstand und den Inhalt der genannten Regelung ist hinzuzufügen, dass diese darin bestehen, eine 50%ige Ermäßigung des Hypotheken- und Katastersteuersatzes für Immobilienkäufe vorzusehen, die durch oder für geschlossene Fonds getätigt werden, für die Art. 37 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 58/1998 gilt, und dass sich ein geschlossener Fonds und ein offener Fonds in Bezug auf diesen Steuervorteil in einer vergleichbaren Situation zu befinden scheinen, soweit sie beide die im Kauf und anschließenden Weiterverkauf von Immobilien bestehende doppelt besteuerte Tätigkeit ausüben.

59      Daher ist zu prüfen, ob die durch Art. 37 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 58/1998 eingeführte Ungleichbehandlung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann.

 Zum Bestehen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses

60      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zulässig sein, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, sowie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Einkünfte aus OGAW], C-480/19, EU:C:2021:334, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht in den Vorabentscheidungsersuchen zwar keine derartigen Gründe angeführt hat, dass es aber – wie in Rn. 50 des vorliegenden Urteils festgestellt – die Ziele erläutert hat, die den Maßnahmen des Gesetzgebers im Bereich der steuerlichen Behandlung geschlossener Immobilienfonds zugrunde liegen, nämlich das Ziel, die Entwicklung eines besonderen Vermögensverwaltungsinstruments zu fördern, das Ziel, dessen Verwendung zur Umgehung der Rechtsvorschriften zu begrenzen, sowie das Ziel, die Errichtung geschlossener Fonds, die nicht durch äußerst spekulative und willkürliche Ziele geprägt sind, zu fördern und zu begünstigen, wobei diese verschiedenen legislativen Maßnahmen von Erwägungen geleitet wurden, die mit der Notwendigkeit zusammenhängen, die systemischen Risiken auf dem Immobilienmarkt zu begrenzen. Zudem haben die Kommission und die italienische Regierung vor dem Gerichtshof verschiedene Rechtfertigungsgründe angeführt, nämlich die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung sowie die Wahrung der Kohärenz des in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuersystems.

62      Was zunächst die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass eine nationale Maßnahme, die den freien Kapitalverkehr beschränkt, durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein kann, der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung vorzubeugen, wenn sie sich spezifisch gegen rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen richtet, die zu dem Zweck errichtet werden, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für die durch Tätigkeiten im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erzielten Gewinne geschuldet wird (Urteil vom 26. Februar 2019, X [In Drittländern ansässige Zwischengesellschaften], C-135/17, EU:C:2019:136, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine allgemeine Vermutung der Steuerflucht oder der Steuerhinterziehung genügt also nicht, um eine steuerliche Maßnahme zu rechtfertigen, die die Ziele der Verträge beeinträchtigt (Urteil vom 11. Oktober 2007, ELISA, C-451/05, EU:C:2007:594, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Insoweit genügt die Feststellung, dass die nationale Regelung, soweit sie alle offenen Immobilienfonds von dem Steuervorteil ausschließt, offensichtlich nicht den in der vorstehenden Randnummer genannten Anforderungen entspricht und daher nicht durch die Notwendigkeit, die Steuerhinterziehung und Steuerumgehung zu verhindern, gerechtfertigt sein kann.

64      Sodann trägt die italienische Regierung vor, die durch Art. 35 Abs. 10-ter des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 223/2006 eingeführte Ungleichbehandlung sei durch die Notwendigkeit der Wahrung des Gleichgewichts und der Kohärenz des nationalen Systems gerechtfertigt, da nach italienischem Recht geschlossene Investmentfonds die einzige Kategorie von Fonds seien, die Immobilien kaufen dürfe.

65      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, eine Regelung rechtfertigen kann, die geeignet ist, Grundfreiheiten einzuschränken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Mai 2012, Santander Asset Management SGIIC u. a., C-338/11 bis C-347/11, EU:C:2012:286, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. März 2014, Bouanich, C-375/12, EU:C:2014:138, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument kann jedoch nach ständiger Rechtsprechung nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss (Urteile vom 10. Mai 2012, Santander Asset Management SGIIC u. a., C-338/11 bis C-347/11, EU:C:2012:286, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. März 2014, Bouanich, C-375/12, EU:C:2014:138, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Im vorliegenden Fall hat die Italienische Republik jedoch nicht dargetan, dass der Steuervorteil, der italienischen geschlossenen Fonds gewährt wurde, durch eine bestimmte steuerliche Belastung ausgeglichen wurde, die es rechtfertigte, Immobilienfonds, die dem Recht anderer Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik unterliegen, von der Gewährung dieses Vorteils auszuschließen.

68      Was schließlich die Notwendigkeit, die Entwicklung eines besonderen Vermögensverwaltungsinstruments zu fördern, die Errichtung geschlossener Fonds, die nicht durch äußerst spekulative und willkürliche Ziele geprägt sind, sowie die Notwendigkeit, die systemischen Risiken auf dem Immobilienmarkt zu begrenzen, anbelangt, ist erstens hinsichtlich der Notwendigkeit, die Entwicklung eines bestimmten Instruments zu fördern, festzustellen, dass dieses Ziel durch die nationale Regelung, die nur die Errichtung geschlossener Fonds gestattet, erreicht zu sein scheint.

69      Allerdings führt eine steuerliche Benachteiligung andersartiger Fonds, die gemäß dem Recht eines anderen Mitgliedstaats errichtet werden, im Wesentlichen dazu, dass nationale Fonds systematisch begünstigt werden.

70      Ferner kann nach ständiger Rechtsprechung ein rein wirtschaftliches Ziel die Beschränkung einer durch die Verträge garantierten Grundfreiheit nicht rechtfertigen (Urteil vom 25. Februar 2021, Novo Banco, C-712/19, EU:C:2021:137, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Zweitens ist entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in den Nrn. 88 und 89 seiner Schlussanträge darauf hinzuweisen, dass es zwischen der offenen oder geschlossenen Art eines Fonds einerseits und dem Spekulationsgrad der von dem Fonds getätigten Investitionen oder den mehr oder weniger gewissen Zielen in dieser Hinsicht andererseits keine Verbindung zu geben scheint und dass der Umstand, dass es sich um einen geschlossenen Fonds handelt, diesen Fonds nicht dazu verpflichtet, das erworbene Eigentum länger zu halten, als wenn es sich um einen offenen Fonds handelte.

72      Daher kann die Notwendigkeit, die Spekulation mit Immobilien zu verhindern, selbst wenn sie als zwingender Grund des Allgemeininteresses angesehen werden könnte, der geeignet wäre, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zu rechtfertigen, in den vorliegenden Ausgangsverfahren nicht geltend gemacht werden, da die Gewährung eines Steuervorteils nur an geschlossene Fonds unter Ausschluss offener Fonds nicht dazu geeignet zu sein scheint, das angestrebte Ziel zu erreichen.

73      Drittens könnte, wie der Generalanwalt in den Nrn. 90 und 91 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, das Ziel, systemische Risiken auf dem Immobilienmarkt zu begrenzen, ein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein. Damit eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs durch die Notwendigkeit, die systemischen Risiken auf dem Immobilienmarkt zu begrenzen, gerechtfertigt sein kann, muss die nationale Regelung, mit der allein geschlossenen Immobilienfonds ein Steuervorteil gewährt wird, jedoch geeignet sein, die Erreichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

74      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 63 AEUV) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Ermäßigung der Hypotheken- und Katastersteuern ausschließlich geschlossenen Immobilienfonds zu gewähren ist, nicht aber offenen Immobilienfonds, sofern sich diese beiden Fondskategorien in objektiv vergleichbaren Situationen befinden, es sei denn, eine solche Ungleichbehandlung ist durch das Ziel gerechtfertigt, systemische Risiken auf dem Immobilienmarkt zu begrenzen.

 Kosten

75      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 56 EG (nach Änderung jetzt Art. 63 AEUV) ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Ermäßigung der Hypotheken- und Katastersteuern ausschließlich geschlossenen Immobilienfonds zu gewähren ist, nicht aber offenen Immobilienfonds, sofern sich diese beiden Fondskategorien in objektiv vergleichbaren Situationen befinden, es sei denn, eine solche Ungleichbehandlung ist durch das Ziel gerechtfertigt, systemische Risiken auf dem Immobilienmarkt zu begrenzen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.