Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)
11. Mai 2023(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 132 Abs. 1 Buchst. g – Befreiung von eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind – Dienstleistungen an einen Nichtsteuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Niederlassung des Dienstleistungserbringers – Beurteilung der Art der Leistungen und der Voraussetzung, dass es sich um eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung handelt – Bestimmung des maßgebenden nationalen Rechts – Begriff ‚betreffender Mitgliedstaat‘“
In der Rechtssache C-620/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Gericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 27. September 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Oktober 2021, in dem Verfahren
MOMTRADE RUSE OOD
gegen
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen und J. Passer,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, vertreten durch S. Petkov,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Drambozova und J. Jokubauskaitė als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. Dezember 2022
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 (ABl. 2008, L 44, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der MOMTRADE RUSE OOD (im Folgenden: Momtrade) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ Varna bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen, Bulgarien) (im Folgenden: Direktor) über einen Mehrwertsteuerbescheid.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Mehrwertsteuerrichtlinie
3 Art. 45 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Als Ort einer Dienstleistung an einen Nichtsteuerpflichtigen gilt der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch von der festen Niederlassung des Dienstleistungserbringers, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, aus erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des Dienstleistungserbringers.“
4 Titel IX der Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft die Mehrwertsteuerbefreiungen.
5 Art. 131 in Kapitel 1 („Allgemeine Bestimmungen“) des Titels IX der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.“
6 Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“) des Titels IX der Mehrwertsteuerrichtlinie umfasst deren Art. 132 bis 134.
7 Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
g) eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“.
8 Art. 133 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Befreiungen nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen abhängig machen:
a) Die betreffenden Einrichtungen dürfen keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.
b) Leitung und Verwaltung dieser Einrichtungen müssen im Wesentlichen ehrenamtlich durch Personen erfolgen, die weder selbst noch über zwischengeschaltete Personen ein unmittelbares oder mittelbares Interesse am wirtschaftlichen Ergebnis der betreffenden Tätigkeiten haben.
c) Die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, müssen von den zuständigen Behörden genehmigt sein oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern.
d) Die Befreiungen dürfen nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen führen.
…“
9 Art. 134 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„In folgenden Fällen sind Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen von der Steuerbefreiung des Artikels 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n ausgeschlossen:
a) [S]ie sind für die Umsätze, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich;
b) sie sind im Wesentlichen dazu bestimmt, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden.“
Richtlinie 2008/8
10 In den Erwägungsgründen 3 und 5 der Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung (ABl. 2008, L 44, S. 11) heißt es:
„(3) Alle Dienstleistungen sollten grundsätzlich an dem Ort besteuert werden, an dem der tatsächliche Verbrauch erfolgt. Allerdings wären auch bei einer entsprechenden Änderung dieser Grundregel für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung sowohl aus verwaltungstechnischen als auch aus politischen Gründen noch gewisse Ausnahmen davon erforderlich.
…
(5) Bei Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige sollte die Grundregel weiterhin lauten, dass als Ort der Dienstleistung der Ort gilt, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat.“
Bulgarisches Recht
Verfassung der Republik Bulgarien
11 Art. 26 Abs. 2 der Verfassung der Republik Bulgarien sieht vor:
„Ausländer, die sich in der Republik Bulgarien aufhalten, haben alle in der Verfassung festgelegten Rechte und Pflichten, mit Ausnahme der Rechte und Pflichten, für die nach der Verfassung und dem Gesetz die bulgarische Staatsangehörigkeit vorgeschrieben ist.“
Steuer- und Sozialversicherungsverfahrensordnung
12 Art. 122 Abs. 1 des Danachno-osiguritelen protsesualen kodeks (Steuer- und Sozialversicherungsverfahrensordnung) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung bestimmt:
„Die Steuerverwaltung kann unter folgenden Umständen den Steuerbetrag anwenden, der nach dem entsprechenden Gesetz anhand der von ihr selbst ermittelten Bemessungsgrundlage nach Abs. 2 bestimmt wird:
…
3. wenn in der Buchführung falsche oder unrichtige Unterlagen verwendet wurden;
4. wenn es keine dem Zakon za schetovodstvoto [(Gesetz über das Rechnungswesen)] entsprechende Buchführung gibt oder sie nicht vorgelegt wurde oder wenn die Buchführung nicht die Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage ermöglicht und wenn die für die Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage oder der Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung erforderlichen Unterlagen gesetzeswidrig vernichtet worden sind;
…“
ZDDS
13 Art. 21 Abs. 1 des Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz) (DV Nr. 63 vom 4. August 2006) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZDDS) lautet:
„Ist der Dienstleistungsempfänger eine nicht steuerpflichtige Person, so gilt als Ort der Erbringung der Dienstleistung der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit hat.“
14 Art. 38 ZDDS lautet:
„(1) Von der Steuer befreit sind die in diesem Kapitel genannten Umsätze.
(2) Befreit sind auch innergemeinschaftliche Umsätze, die nach diesem Kapitel befreit wären, wenn sie im Inland bewirkt worden wären.
(3) Befreit ist auch jeder innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, deren Lieferung im Inland gemäß diesem Kapitel befreit ist.
…“
15 Art. 40 ZDDS bestimmt:
„Ein von der Steuer befreiter Umsatz ist:
1. die Erbringung sozialer Dienstleistungen im Sinne des Zakon za sotsialno podpomagane [(Gesetz über die Sozialhilfe)];
…“
16 Art. 67 ZDDS sieht vor:
„(1) Der Steuerbetrag wird durch Multiplikation der Steuerbemessungsgrundlage mit dem Steuersatz bestimmt.
(2) Wird bei der Aushandlung des Umsatzes nicht ausdrücklich angegeben, dass die Steuer gesondert geschuldet wird, so gilt sie als im vereinbarten Preis enthalten.
(3) Die Steuer gilt auch dann als in dem angegebenen Preis enthalten, wenn Gegenstände im Handel auf der Einzelhandelsebene geliefert werden.
…“
ZSP
17 Art. 16 des Zakon za sotsialno podpomagane (Gesetz über die Sozialhilfe) (DV Nr. 56 vom 19. Mai 1998) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZSP) bestimmt:
„(1) Soziale Dienstleistungen beruhen auf zielgerichteter sozialer Arbeit zur Unterstützung von Personen mit dem Ziel
1. der Erledigung von alltäglichen Tätigkeiten;
2. der sozialen Integration.
(2) Soziale Dienstleistungen werden auf der Grundlage einer individuellen Bedarfsbewertung auf Wunsch und nach Wahl der betreffenden Personen gewährt.
…“
18 Art. 18 ZSP in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung lautet:
„(1) Soziale Dienstleistungen werden erbracht von:
1. dem Staat;
2. den Gemeinden;
3. bulgarischen natürlichen Personen, die nach dem Targovski zakon [(Handelsgesetz)] registriert sind, und juristischen Personen;
4. natürlichen Personen, die eine Geschäftstätigkeit ausüben, und juristischen Personen, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums [(EWR)] registriert sind.
(2) Die in Abs. 1 Nrn. 3 und 4 genannten Personen dürfen soziale Dienstleistungen erst nach Eintragung in das Register der Agentsia za sotsialno podpomagane [(Agentur für Sozialhilfe)] erbringen.
(3) Die in Abs. 1 Nrn. 3 und 4 genannten Personen können soziale Dienstleistungen für Kinder bis zu 18 Jahren nach Erteilung einer Lizenz und Eintragung in das Register nach Abs. 2 erbringen.
(4) Die Modalitäten der Registrierung werden in der Durchführungsverordnung zu dem Gesetz festgelegt.“
19 § 1 der Zusatzvorschriften zum ZSP in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung sieht vor:
„Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck:
…
6. ‚soziale Dienstleistungen‘ Tätigkeiten, die Personen unterstützen und ihre Möglichkeiten erweitern, ein selbständiges Leben zu führen; sie werden in spezialisierten Einrichtungen und in der Gemeinschaft ausgeübt;
7. ‚soziale Dienstleistungen in der Gemeinschaft‘ Dienstleistungen, die im familiären oder im familiennahen Umfeld erbracht werden.
…“
Verordnung zur Durchführung des ZSP
20 Art. 40 des Pravilnik za prilagane na ZSP (Verordnung zur Durchführung des ZSP) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung bestimmt:
„(1) Personen, die soziale Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen, stellen nach Maßgabe ihrer aktuellen Anschrift einen schriftlichen Antrag bei:
1. dem Direktor der Direktion Sozialhilfe für soziale Dienstleistungen im Rahmen der delegierten Tätigkeiten des Staates gemäß Anhang Nr. 9;
2. dem Bürgermeister der Gemeinde für soziale Dienstleistungen der Gemeinde;
3. dem Leitungsorgan, wenn der Erbringer der sozialen Dienstleistungen eine nach dem Handelsgesetz registrierte natürliche Person oder eine juristische Person ist.
(2) Dem Antrag nach Abs. 1 sind beizufügen:
1. ein Ausweisdokument (als Referenz);
2. gegebenenfalls eine Kopie der Krankenakte;
3. gegebenenfalls eine Kopie einer Entscheidung der Lekarska consultativna comitsia (LKK) [(Ärztlicher beratender Ausschuss [LKK])], der Teritorialna ekspertna lekarska comitsia (TELK) [(Territorialer ärztlicher Fachausschuss [TELK])], der Natsionalna ekspertna lekarska comitsia (NELK) [(Nationaler ärztlicher Fachausschuss [NELK])].
(3) Der Erbringer sozialer Dienstleistungen kann gegebenenfalls weitere Unterlagen anfordern.
(4) Auf der Grundlage des Antrags und der beigefügten Unterlagen sowie in den Fällen nach Art. 27 Abs. 7 nimmt die in Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 genannte Stelle innerhalb von 20 Tagen die soziale Bewertung des Bedarfs der betreffenden Person an sozialen Dienstleistungen gemäß Anhang Nr. 10 vor und übermittelt sie ihr in einem Bericht/Vorschlag nach dem Muster in Anhang Nr. 8. In den in Art. 27 Abs. 7 genannten Fällen reicht die Person ihren Antrag nach der sozialen Bewertung ein.
…“
21 Art. 40d der Verordnung zur Durchführung des ZSP lautet:
„(1) Die Erbringer sozialer Dienstleistungen erstellen nach der Bewertung des Bedarfs jedes einzelnen Leistungsberechtigten und der Festlegung der zu erreichenden Ziele einen individuellen Plan.
(2) Der in Abs. 1 genannte Plan umfasst Tätigkeiten, um Folgendes zu decken:
1. den täglichen Bedarf;
2. den Gesundheitsbedarf;
3. den Bildungsbedarf;
4. den Rehabilitationsbedarf;
5. den Freizeitbedarf;
6. den Bedarf in Bezug auf Kontakte mit der Familie, Freunden, nahestehenden und anderen Personen.
…“
22 Art. 40e der Verordnung zur Durchführung des ZSP bestimmt:
„(1) Der Erbringer sozialer Dienstleistungen führt ein Verzeichnis der Leistungsberechtigten.
(2) Das Verzeichnis enthält folgende Informationen:
1. Name, Wohnsitz und/oder aktuelle Anschrift, Geburtsdatum und Familienstand der Leistungsberechtigten;
2. den Bescheid über die Unterbringung oder die Zulassung zu der betreffenden sozialen Dienstleistung;
3. Name, Wohnsitz und/oder aktuelle Anschrift und Telefonnummer eines Vormunds, Betreuers oder eines nahen Angehörigen der Leistungsberechtigten;
4. Name, Anschrift und Telefonnummer des behandelnden Arztes der Leistungsberechtigten;
5. das Datum der Unterbringung oder der Zulassung zu der betreffenden sozialen Dienstleistung;
6. das Enddatum;
7. Datum, Uhrzeit und Ursache des Todes, wenn der Leistungsberechtigte in einer spezialisierten Einrichtung gestorben ist oder wenn es sich um eine soziale Dienstleistung in der Gemeinschaft handelt.
(3) Der Leistungserbringer führt ein nummeriertes, verschlossenes und mit dem Stempel der spezialisierten Einrichtung versehenes Buch, das Folgendes enthält:
1. das Verzeichnis der Gelder und materiellen Werte, die von den Bewohnern zum Zweck der Aufbewahrung übergeben wurden;
2. das Datum, an dem die Gelder oder die materiellen Werte hinterlegt wurden;
3. das Datum, an dem ein Geldbetrag oder materielle Werte den Bewohnern zurückgegeben oder auf ihr Ersuchen in ihrem Namen verwendet wurden, sowie die entsprechende Verwendung;
4. Name und Funktion der für die Verwahrung der Gelder und anderen materiellen Werte verantwortlichen Person.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
23 Momtrade ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz im Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien. Diese Gesellschaft ist in diesem Mitgliedstaat seit dem 24. Juni 2014 für die Zwecke der Mehrwertsteuer registriert. Außerdem ist sie bei der Agentur für Sozialhilfe als Erbringerin sozialer Dienstleistungen eingetragen und verfügt über Registrierungsbescheinigungen für persönliche Betreuung, soziale Assistenz und Haushaltshilfe für ältere Menschen.
24 Empfänger der von Momtrade erbrachten Dienstleistungen sind ältere Menschen mit Wohnsitz in Deutschland und Österreich. Nach den zwischen dieser Gesellschaft und ihren Kunden geschlossenen Verträgen bestehen die erbrachten Dienstleistungen in der Bereitstellung von persönlicher Pflege und in der Leistung von Haushaltshilfe. Die verschiedenen Pflichten des Leistungserbringers werden im Einzelnen in einem den genannten Verträgen beigefügten Fragebogen beschrieben, der von einer in Deutschland bzw. in Österreich registrierten Vermittlungsgesellschaft erstellt wurde, die damit betraut ist, Kunden zu finden und an diese Gesellschaft zu vermitteln. Diese Pflichten umfassen die Betreuung und häusliche Unterstützung älterer Menschen mit gesundheitlichen Problemen.
25 Im Rahmen eines von ihnen für den Zeitraum vom 24. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2015 durchgeführten Prüfungsverfahrens vertraten die bulgarischen Steuerbehörden die Auffassung, dass Momtrade – da die von ihr erbrachten Dienstleistungen tatsächlich in den Hoheitsgebieten der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich erbracht worden seien –, um sich auf die Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 40 Nr. 1 ZDDS berufen zu können, Nachweise vorlegen müsse, die den sozialen Charakter der in diesem Zeitraum im Hoheitsgebiet dieser Mitgliedstaaten erbrachten Dienstleistungen nach deutschem und österreichischem Recht belegten.
26 Nachdem die bulgarischen Steuerbehörden festgestellt hatten, dass Momtrade solche Nachweise nicht vorgelegt hatte, erließen sie am 4. Oktober 2018 einen Steuerbescheid gegen Momtrade, mit dem eine Mehrwertsteuerforderung für diesen Zeitraum festgestellt wurde. Dieser Bescheid wurde vom Direktor bestätigt.
27 Momtrade erhob beim Administrativen sad Ruse (Verwaltungsgericht Ruse, Bulgarien) Klage gegen den in der vorstehenden Randnummer angeführten Steuerbescheid. Das Gericht kürzte die in diesem Bescheid festgestellte Forderung und bestätigte den Bescheid im Übrigen. In diesem Zusammenhang bestätigte das Gericht – nachdem es festgestellt hatte, dass mit Art. 40 Nr. 1 ZDDS Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt worden sei –, dass die von Momtrade in den Hoheitsgebieten der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich erbrachten Dienstleistungen keinen sozialen Charakter hätten, weil diese Gesellschaft keine von den zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten ausgestellten amtlichen Dokumente vorgelegt habe, die diesen Charakter bescheinigten.
28 Gegen das Urteil des Administrativen sad Ruse (Verwaltungsgericht Ruse) legten der Direktor und Momtrade beim vorlegenden Gericht, dem Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien), Rechtsmittel ein.
29 Dieses Gericht führt aus, nach seiner Rechtsprechung sei Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten nicht verpflichte, soziale Dienstleistungen, die an Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats außerhalb ihres Hoheitsgebiets erbracht würden, von der Steuer zu befreien. Diese Auslegung beruhe auf Art. 26 Abs. 2 der Verfassung der Republik Bulgarien.
30 Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass es zum einen für die Erreichung des mit Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie verfolgten Ziels unerheblich sei, ob die Erbringer und die Empfänger von Dienstleistungen, die von der Mehrwertsteuer befreit werden könnten, im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats oder zweier Mitgliedstaaten wohnten oder niedergelassen seien.
31 Zum anderen sei, da es sich bei den Empfängern der Dienstleistungen um natürliche Personen handele, die nicht steuerpflichtig seien, der Ort der Erbringung der Dienstleistungen der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit habe, das sei im vorliegenden Fall das Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien. Wäre die vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht) vorgenommene Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie zutreffend, würden demnach in Bulgarien ansässige Erbringer sozialer Dienstleistungen steuerlich unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie Dienstleistungen im Gebiet der Republik Bulgarien oder im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zugunsten ausländischer Staatsangehöriger erbrächten, was auch bei einer fehlenden vollständigen Steuerharmonisierung im Bereich der Mehrwertsteuer nicht hinnehmbar erscheine.
32 Unter diesen Umständen hat der Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Gestattet es die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie einer Handelsgesellschaft, die als Erbringerin von sozialen Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat (vorliegend der Republik Bulgarien) registriert ist, sich auf diese Vorschrift zu berufen, um eine Steuerbefreiung für soziale Dienstleistungen zu erlangen, die von ihr an natürliche Personen, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, im Hoheitsgebiet dieser Staaten erbracht werden? Ist für die Antwort auf diese Frage der Umstand von Bedeutung, dass die Empfänger der Dienstleistungen dem Erbringer durch Handelsgesellschaften vermittelt wurden, die in den Mitgliedstaaten registriert sind, in denen die Dienstleistungen erbracht werden?
2. Wenn die erste Frage bejaht wird, nach welchen Kriterien und nach welchem Recht – nach bulgarischem und/oder nach österreichischem und deutschem Recht – ist bei der Auslegung und der Anwendung der angeführten Unionsvorschrift zu beurteilen, ob die überprüfte Gesellschaft „als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt“ ist und der Nachweis als erbracht gilt, dass es sich um „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene“ Dienstleistungen handelt?
3. Reicht nach dieser Auslegung die Registrierung einer Handelsgesellschaft als Erbringerin von sozialen Dienstleistungen, wie diese im nationalen Recht definiert sind, für die Annahme aus, dass die Gesellschaft eine von dem entsprechenden Mitgliedstaat „als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung“ darstellt?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
33 Der Direktor bestreitet die Zulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens mit der Begründung, dass zum einen die Antworten auf die Fragen des vorlegenden Gerichts in Anbetracht nicht nur der Klarheit der Art. 132 und 133 der Mehrwertsteuerrichtlinie, sondern auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu diesen Bestimmungen außer Zweifel stünden und zum anderen diese Fragen hypothetisch seien.
34 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV allein Sache des nationalen Gerichts ist, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die Auslegung des Unionsrechts, um die er ersucht wird, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a., C-158/21, EU:C:2023:57, Rn. 50 und 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Im vorliegenden Fall betreffen die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen, die im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer Gesellschaft und einer nationalen Steuerbehörde, die es ablehnt, diese Gesellschaft nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Mehrwertsteuer zu befreien, aufgeworfen werden, die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Befreiung und insbesondere die Auslegung der Begriffe „als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ und „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ im Sinne dieser Bestimmung, um dem vorlegenden Gericht die Feststellung, ob die von dieser Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit sind, und damit die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerbescheids zu ermöglichen.
36 Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder dass das vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Problem hypothetischer Natur wäre, wobei der Gerichtshof im Übrigen über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.
37 Dass nach Ansicht des Direktors hinsichtlich der Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie kein Zweifel besteht, ist für die Zulässigkeit dieser Fragen unerheblich.
38 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, würden die Vorlagefragen nämlich, selbst wenn ihre Beantwortung keinen Raum für vernünftige Zweifel lassen sollte, deshalb nicht unzulässig (Urteil vom 27. März 2014, Consejería de Infraestructuras y Transporte de la Generalitat Valenciana und Iberdrola Distribución Eléctrica, C-300/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:188, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Daraus folgt, dass das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
40 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen zum einen wissen, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass soziale Dienstleistungen, die an natürliche Personen erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem der Leistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, nach dieser Bestimmung von der Steuer befreit sein können, und zum anderen, ob es für diese Auslegung von Bedeutung ist, dass der Leistungserbringer eine in diesem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft in Anspruch genommen hat, um seine Kunden zu kontaktieren.
41 Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie befreien die Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, von der Steuer.
42 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 7. April 2022, I [Mehrwertsteuerbefreiung von Krankenhausleistungen], C-228/20, EU:C:2022:275, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 Insoweit ergibt sich erstens aus dem Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung von zwei kumulativen Voraussetzungen abhängt, nämlich zum einen von der Voraussetzung in Bezug auf die Art der erbrachten Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sein müssen, und zum anderen von der Voraussetzung in Bezug auf den Dienstleistungserbringer, bei dem es sich um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder eine andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung handeln muss.
44 Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie macht daher die Gewährung der betreffenden Steuerbefreiung von keiner Voraussetzung in Bezug auf den Ort abhängig, an dem die in dieser Bestimmung genannten Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden müssen. Diese Bestimmung macht die Gewährung einer solchen Befreiung auch nicht davon abhängig, dass der Erbringer und der Empfänger dieser Dienstleistungen in demselben Mitgliedstaat ansässig sind.
45 Unter diesen Umständen kann aus dem Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht abgeleitet werden, dass die in dieser Bestimmung genannten Dienstleistungen, wenn sie tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat als dem erbracht werden, in dem der Leistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, von der dort vorgesehenen Steuerbefreiung ausgeschlossen sind.
46 Was zweitens den Zusammenhang betrifft, in den sich Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie einfügt, so steht diese Bestimmung in Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“) des Titels IX der Mehrwertsteuerrichtlinie, das deren Art. 132 bis 134 umfasst. Die Überschrift dieses Kapitels zeigt, dass die Gemeinwohlorientierung der dort angeführten Umsätze das Kriterium ist, das der Unionsgesetzgeber als für die Befreiung dieser Umsätze von der Mehrwertsteuer ausschlaggebend angesehen hat. Dass die Umsätze tatsächlich im Gebiet eines Mitgliedstaats und nicht im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats bewirkt werden, hat jedoch keinen Einfluss auf die Gemeinwohlorientierung.
47 Im Übrigen ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Art. 133 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie es den Mitgliedstaaten gestattet, die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g dieser Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung von der Erfüllung einer oder mehrerer der dort genannten Bedingungen abhängig zu machen. Diese Bedingungen beziehen sich auf die Ziele, die von den privaten Einrichtungen, die die von dieser Befreiung erfassten Dienstleistungen erbringen, verfolgt werden, sowie auf die Verwaltung dieser Einrichtungen und die von ihnen verlangten Preise.
48 Zum anderen schließt Art. 134 der Mehrwertsteuerrichtlinie die in ihrem Art. 132 Abs. 1 Buchst. g angeführten Dienstleistungen von der dort vorgesehenen Steuerbefreiung aus, wenn sie für die unter die Sozialfürsorge und die soziale Sicherheit fallenden Umsätze nicht unerlässlich sind oder im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der die Leistung erbringenden Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden.
49 Da die Art. 133 und 134 der Mehrwertsteuerrichtlinie keine Beschränkungen hinsichtlich des Ortes vorsehen, an dem die betreffenden Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden, sind die Mitgliedstaaten nicht befugt, die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie angeführten Dienstleistungen von der dort vorgesehenen Steuerbefreiung auszuschließen, wenn sie tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Niederlassung des Dienstleistungserbringers erbracht werden (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Dezember 2013, Bridport and West Dorset Golf Club, C-495/12, EU:C:2013:861, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Was drittens das Ziel angeht, das mit der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung verfolgt wird, so zielt diese Befreiung dadurch, dass sie für bestimmte im sozialen Sektor erbrachte Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, eine günstigere Mehrwertsteuerbehandlung gewährt, darauf ab, die Kosten dieser Leistungen zu senken und dadurch diese Leistungen dem Einzelnen, der sie in Anspruch nehmen könnte, zugänglicher zu machen (Urteil vom 8. Oktober 2020, Finanzamt D, C-657/19, EU:C:2020:811, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
51 Eine Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie, die den Anwendungsbereich der dort vorgesehenen Steuerbefreiung auf Dienstleistungen beschränken würde, die tatsächlich in dem Mitgliedstaat erbracht werden, in dem der Leistungserbringer ansässig ist, liefe indessen dem in der vorstehenden Randnummer genannten Ziel zuwider, da Dienstleistungen, die die beiden in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllen und in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem der Leistungserbringer ansässig ist, an Personen erbracht werden, die Hilfe oder Pflege benötigen, dann der Mehrwertsteuer unterlägen, was zwangsläufig zu einer Erhöhung der Kosten der betreffenden Dienstleistungen führen würde, wodurch für diese Personen der Zugang zu diesen Dienstleistungen erschwert würde.
52 Folglich ergibt sich aus einer wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung für jede Dienstleistung gilt, die die beiden in dieser Bestimmung genannten und in Rn. 43 des vorliegenden Urteils angeführten Voraussetzungen erfüllt, unabhängig davon, ob eine solche Leistung tatsächlich in dem Mitgliedstaat erbracht wird, in dem der Leistungserbringer ansässig ist, oder in einem anderen Mitgliedstaat.
53 Schließlich ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass der Umstand, dass ein Leistungserbringer, der eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen erbringt, und zwar an natürliche Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem er ansässig ist, einen in diesem anderen Mitgliedstaat ansässigen Vermittler eingesetzt hat, um seine Kunden zu kontaktieren, für die Feststellung, ob die in Rede stehenden Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Steuer befreit sein können, unerheblich ist.
54 Wie die Europäische Kommission ausgeführt hat, stellen in einem solchen Fall die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen, die der Leistungserbringer an natürliche Personen erbringt, auf der einen Seite und die Dienstleistungen, die von dem vom Leistungserbringer in Anspruch genommenen Vermittler erbracht werden, auf der anderen Seite unterschiedliche und selbständige Umsätze dar, die daher getrennt zu beurteilen und unterschiedlich zu besteuern sind.
55 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass zum einen soziale Dienstleistungen, die an natürliche Personen erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem der Leistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, nach dieser Bestimmung von der Steuer befreit sein können und es zum anderen insoweit irrelevant ist, dass der Leistungserbringer eine in diesem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft in Anspruch genommen hat, um seine Kunden zu kontaktieren.
Zur zweiten Frage
56 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass dann, wenn eine Gesellschaft soziale Dienstleistungen an natürliche Personen erbringt, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, die Art dieser Dienstleistungen und die Merkmale dieser Gesellschaft zum Zweck der Bestimmung, ob diese Dienstleistungen unter die Wendung „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen …, die durch … von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“ im Sinne dieser Bestimmung fallen, nach dem Recht des Mitgliedstaats zu prüfen sind, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, oder nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die fraglichen Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden.
57 Es ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Befreiungen autonome unionsrechtliche Begriffe darstellen, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung verhindern sollen (Urteil vom 28. April 2022, Happy Education, C-612/20, EU:C:2022:314, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass dies auch für die spezifischen Bedingungen, von denen die Gewährung dieser Befreiungen abhängig gemacht wird, und für die zu ihrer Bezeichnung verwendeten Begriffe und Ausdrücke gilt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Mai 2005, Kingscrest Associates und Montecello, C-498/03, EU:C:2005:322, Rn. 23 und 27, sowie vom 5. Oktober 2016, TMD, C-412/15, EU:C:2016:738, Rn. 24 und 25).
58 Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, legen die Mitgliedstaaten nämlich nach dem einleitenden Satz in Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie zwar die Bedingungen für die Steuerbefreiungen fest, um eine korrekte und einfache Anwendung dieser Befreiungen zu gewährleisten und um Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch zu verhindern, doch können sich diese Bedingungen nicht auf den Inhalt der vorgesehenen Steuerbefreiungen erstrecken (Urteil vom 26. Mai 2005, Kingscrest Associates und Montecello, C-498/03, EU:C:2005:322, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
59 Was erstens die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie genannte Voraussetzung anbelangt, dass die Dienstleistungen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sein müssen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Voraussetzung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Licht von Art. 134 Buchst. a dieser Richtlinie zu betrachten ist, wonach die betreffenden Lieferungen von Gegenständen bzw. Dienstleistungen jedenfalls für die der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätze unerlässlich sein müssen (Urteil vom 15. April 2021, Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, C-846/19, EU:C:2021:277, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
60 Im Übrigen hat der Gerichtshof entschieden, dass Leistungen der Pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, grundsätzlich im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind. Dies gilt auch für Dienstleistungen, die an geistig hilfsbedürftige Personen erbracht werden und zu deren Schutz bei zivilrechtlichen Handlungen dienen, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, für diese selbst zu sorgen, ohne Gefahr zu laufen, ihren eigenen Interessen – sei es finanzieller oder anderer Natur – zu schaden, da gerade diese Gefahr die Feststellung ihrer Geschäftsunfähigkeit gerechtfertigt hat (Urteil vom 15. April 2021, Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, C-846/19, EU:C:2021:277, Rn. 62 und 63 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
61 Wenn eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder eine private Einrichtung, die für die Zwecke von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt wurde, Dienstleistungen wie die in der vorstehenden Randnummer genannten zugunsten von Personen erbringt, die körperlich, wirtschaftlich oder geistig hilfsbedürftig sind, ist demnach der Mitgliedstaat, in dem die Mehrwertsteuer zu entrichten wäre, nach dieser Bestimmung verpflichtet, diese Leistungen von der Mehrwertsteuer zu befreien.
62 Unter solchen Umständen darf dieser Mitgliedstaat daher die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung nicht von der Voraussetzung abhängig machen, dass die fraglichen Leistungen nach dem nationalen Recht eines anderen Mitgliedstaats sozialen Charakter haben; andernfalls würde er die gebotene autonome Auslegung des Begriffs „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ beeinträchtigen und damit diese Bestimmung verkennen.
63 Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden sozialen Dienstleistungen von einer Gesellschaft mit Sitz in Bulgarien an natürliche Personen erbracht werden, die in Deutschland und in Österreich wohnen.
64 Gemäß Art. 45 der Mehrwertsteuerrichtlinie gilt als Ort einer Dienstleistung an einen Nichtsteuerpflichtigen der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat.
65 Somit gelten für die Zwecke der Anwendung der Mehrwertsteuer soziale Dienstleistungen, die an eine natürliche Person erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnt, in dem der Leistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, als im Gebiet des Mitgliedstaats erbracht, in dem der Leistungserbringer ansässig ist, so dass diese Dienstleistungen im letztgenannten Mitgliedstaat der Mehrwertsteuer unterliegen.
66 Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die Republik Bulgarien der Besteuerungsmitgliedstaat ist.
67 Folglich ist, wie die Generalanwältin in den Nrn. 47 und 48 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Beurteilung der Art der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden sozialen Dienstleistungen zum Zweck der Feststellung, ob sie „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellen, anhand der bulgarischen Mehrwertsteuervorschriften vorzunehmen, wobei diese Rechtsvorschriften die Mehrwertsteuerrichtlinie ordnungsgemäß umsetzen müssen und, wenn dies nicht der Fall sein sollte, sich der Dienstleistungserbringer, d. h. die Klägerin des Ausgangsverfahrens, vor dem vorlegenden Gericht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie berufen könnte, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist (Urteil vom 15. November 2012, Zimmermann, C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68 Sollte sich aus den Prüfungen, die das vorlegende Gericht vorzunehmen hat, ergeben, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden sozialen Dienstleistungen insbesondere in Anbetracht der Auslegungshinweise in der in den Rn. 59 und 60 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie sind und dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens eine „von dem betreffenden Mitgliedstaat als [Einrichtung] mit sozialem Charakter anerkannte [Einrichtung]“ im Sinne dieser Bestimmung ist, könnte sie sich in diesem Zusammenhang auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung berufen.
69 Was zweitens die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie genannte Voraussetzung betrifft, wonach Dienstleistungen, um von der Steuer befreit zu sein, von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtungen erbracht werden müssen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung weder die Voraussetzungen noch die Modalitäten der Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, festlegt. Es ist daher grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen solchen Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann, wobei die Mitgliedstaaten insoweit über einen Gestaltungsspielraum verfügen (Urteil vom 15. April 2021, Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, C-846/19, EU:C:2021:277, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 In diesem Zusammenhang räumt Art. 133 der Mehrwertsteuerrichtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis ein, die Gewährung der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Befreiung für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, von der Erfüllung einer oder mehrerer der in Art. 133 genannten Bedingungen abhängig zu machen. Diese in der Mehrwertsteuerrichtlinie als fakultativ angegebenen Bedingungen können von den Mitgliedstaaten als zusätzliche Bedingungen für die Gewährung der betreffenden Befreiung vorgesehen werden (vgl. zu Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [ABl. 1977, L 145, S. 1] [jetzt Art. 133 der Mehrwertsteuerrichtlinie] Urteil vom 21. Januar 2016, Les Jardins de Jouvence, C-335/14, EU:C:2016:36, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 Somit werden die Mitgliedstaaten durch den Gestaltungsspielraum, über den sie in Bezug auf die Anerkennung einer Einrichtung als Einrichtung mit sozialem Charakter für die Zwecke der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Befreiung verfügen, nicht dazu ermächtigt, den Inhalt dieser Befreiung zu ändern, indem sie z. B. als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne dieser Bestimmung eine private Einrichtung einstufen, die keine gemeinwohlorientierten Dienstleistungen im sozialen Sektor erbringt oder die ihre Tätigkeit der Erbringung sozialer Dienstleistungen in einer Form oder unter Bedingungen ausübt, die mit diesem Charakter unvereinbar sind.
72 Zu der Frage, welchem Mitgliedstaat die Befugnis zukommt, den sozialen Charakter von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, für die Zwecke der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung anzuerkennen, und insbesondere zu der Frage, ob, wenn die in Rede stehenden sozialen Dienstleistungen, wie im vorliegenden Fall, an natürliche Personen erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem der Leistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, für eine solche Anerkennung der Mitgliedstaat zuständig ist, in dem der Leistungserbringer ansässig ist, oder der Mitgliedstaat, in dem die betreffenden Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden, ist darauf hinzuweisen, dass, da die Mehrwertsteuerrichtlinie keine Definition der in ihrem Art. 132 Abs. 1 Buchst. g verwendeten Begriffe enthält, die Bedeutung und die Tragweite dieser Begriffe unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts dieser Bestimmung, sondern auch des Zusammenhangs, in den sie sich einfügt, und der Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, zu bestimmen sind (Urteil vom 22. Dezember 2022, EUROAPTIEKA, C-530/20, EU:C:2022:1014, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
73 Insoweit deutet erstens der Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie darauf hin, dass die Wendung „von dem betreffenden Mitgliedstaat“ mit der Wendung „Die Mitgliedstaaten befreien … von der Steuer“ im einleitenden Satzteil von Art. 132 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung gebracht werden muss. Mit der Bezugnahme auf den „betreffenden Mitgliedstaat“ hätte der Unionsgesetzgeber somit nur auf den Mitgliedstaat abgestellt, der in einem bestimmten Fall die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g dieser Richtlinie genannten Umsätze von der Mehrwertsteuer zu befreien hat.
74 Es ist indessen Sache des Mitgliedstaats, dem die Mehrwertsteuerrichtlinie die Steuerhoheit für die Erhebung der Mehrwertsteuer auf diese Umsätze zuweist, d. h. des Besteuerungsmitgliedstaats, diese Umsätze von dieser Steuer zu befreien, wenn die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
75 Zweitens bestätigt eine Auslegung von Art. 132 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie im Licht von Art. 131 dieser Richtlinie, dass sich der Ausdruck „von dem betreffenden Mitgliedstaat“ auf den Mitgliedstaat der Besteuerung bezieht.
76 Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie, der die allgemeinen Bestimmungen für die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 des Titels IX dieser Richtlinie, darunter die in ihrem Art. 132 vorgesehenen, enthält, bestimmt nämlich, dass diese Befreiungen „unter den Bedingungen angewandt [werden], die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen“.
77 Aus Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt sich somit, dass es Sache des Mitgliedstaats ist, der diese Befreiungen anzuwenden hat, unter Beachtung der Mehrwertsteuerrichtlinie die Bedingungen für ihre Anwendung festzulegen, zu denen die Voraussetzungen gehören, unter denen eine private Einrichtung für die Zwecke der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt werden kann. Wie in Rn. 74 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist der Mitgliedstaat, der derartige Befreiungen anzuwenden hat, der Besteuerungsmitgliedstaat.
78 Außerdem hätte sich der Unionsgesetzgeber, wenn er gewollt hätte, dass die Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, für die Zwecke der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung in die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen fällt, der diese Befreiung anzuwenden hat, insbesondere etwa in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, in dem die Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden, nicht darauf beschränkt, den „betreffenden Mitgliedstaat“ zu erwähnen.
79 Was drittens das Ziel angeht, das mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie verfolgt wird, so zielt die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung, wie in Rn. 50 des vorliegenden Urteils ausgeführt, dadurch, dass sie für bestimmte im sozialen Sektor erbrachte Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, eine günstigere Mehrwertsteuerbehandlung gewährt, darauf ab, die Kosten dieser Leistungen zu senken und dadurch diese Leistungen dem Einzelnen, der sie in Anspruch nehmen könnte, zugänglicher zu machen (Urteil vom 8. Oktober 2020, Finanzamt D, C-657/19, EU:C:2020:811, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
80 Im Hinblick auf dieses Ziel erscheint es jedoch kohärent, dass der Mitgliedstaat, der auf die Erhebung der Mehrwertsteuer zu verzichten hat, die auf die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Dienstleistungen anwendbar wäre, und es damit ermöglicht, dass der Preis, den die Einzelnen, die diese Leistungen in Anspruch nehmen wollen, zu zahlen haben, niedriger ausfällt, in den Grenzen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums bestimmt, bei welchen privaten Einrichtungen davon auszugehen ist, dass die von ihnen erbrachten sozialen Dienstleistungen in Anbetracht des sozialen Charakters dieser Einrichtungen die gleiche günstige mehrwertsteuerliche Behandlung verdienen wie die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts dieses Mitgliedstaats erbrachten Leistungen.
81 Daher ergibt sich aus einer wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass die Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, für die Zwecke der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung in die Zuständigkeit des Besteuerungsmitgliedstaats fällt.
82 Daher fällt unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn eine Gesellschaft soziale Dienstleistungen an natürliche Personen erbringt, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem sie den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, die Anerkennung des sozialen Charakters dieser Gesellschaft für die Zwecke der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung nicht in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, in dem diese Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden – hier die der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich –, sondern in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, im vorliegenden Fall die der Republik Bulgarien.
83 Diese Auslegung wird im Übrigen durch die den Vorschriften über die Bestimmung des Ortes von Dienstleistungen zugrunde liegende Logik gestützt, die in den Erwägungsgründen 3 und 5 der Richtlinie 2008/8 sowie in Art. 45 der Mehrwertsteuerrichtlinie zum Ausdruck kommt, wonach die Besteuerung von Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige an dem Ort erfolgen muss, an dem der Dienstleistungserbringer ansässig ist, unabhängig davon, wo diese Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden.
84 In diesem Zusammenhang entspricht es offensichtlich dieser Logik, dass ebenso wie die Zuständigkeit zur Erhebung der Mehrwertsteuer auf soziale Dienstleistungen, die an eine nicht steuerpflichtige Person erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnt, in dem der Dienstleistungserbringer ansässig ist, die Zuständigkeit für die Anerkennung des sozialen Charakters des betreffenden Leistungserbringers für die Zwecke der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung auf der Grundlage des Herkunftslandprinzips bestimmt wird.
85 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung der Begriffe, mit denen die in Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen umschrieben sind, die Erfordernisse des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität gewahrt werden müssen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht und der es insbesondere nicht zulässt, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (Urteil vom 16. Oktober 2008, Canterbury Hockey Club und Canterbury Ladies Hockey Club, C-253/07, EU:C:2008:571, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
86 Eine Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie, nach der die Anerkennung des sozialen Charakters des betreffenden Dienstleistungserbringers für die Zwecke der in dieser Bestimmung vorgesehenen Steuerbefreiung in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats fällt, in dem die Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden, würde indessen dazu führen, dass eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne dieser Bestimmung, die von einer Gesellschaft, die in einem Mitgliedstaat ansässig ist und von ihm im Sinne dieser Bestimmung als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt ist, zugunsten einer in diesem Mitgliedstaat wohnenden nicht steuerpflichtigen Person erbracht werden, von der Mehrwertsteuer befreit sind, während die gleichen Dienstleistungen, wenn sie von dieser Gesellschaft oder einer anderen, ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässigen und von ihm als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannten Gesellschaft an eine nicht steuerpflichtige Person erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in dem der soziale Charakter dieser Gesellschaften nicht anerkannt ist, nicht von der Mehrwertsteuer befreit wären. Diese Auslegung würde ungeachtet dessen gelten, dass beide Kategorien von Umsätzen gemäß Art. 45 der Mehrwertsteuerrichtlinie für die Zwecke der Mehrwertsteuer als in dem Mitgliedstaat bewirkt gelten, in dem der Leistungserbringer ansässig ist, und daher in diesem Mitgliedstaat der Mehrwertsteuer unterliegen, dass sie einen ähnlichen Inhalt haben und von demselben Leistungserbringer oder von zwei Leistungserbringern mit ähnlichen Merkmalen getätigt werden.
87 Zwar kann beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie, wie sie sich aus Rn. 81 des vorliegenden Urteils ergibt, zu einer Situation führen, in der – was eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen betrifft, die an einen Nichtsteuerpflichtigen erbracht werden, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Niederlassung des Leistungserbringers wohnt – ein Dienstleistungserbringer, der in einem Mitgliedstaat ansässig ist, der hinsichtlich der Anerkennung des sozialen Charakters privater Einrichtungen für die Zwecke der in dieser Bestimmung vorgesehenen Steuerbefreiung wenig strenge Anforderungen stellt, von der Mehrwertsteuer befreite Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat erbringen könnte, der insoweit besonders strenge Anforderungen stellt, während ein im letztgenannten Staat ansässiger Leistungserbringer möglicherweise nicht in den Genuss einer solchen Befreiung kommen könnte. Umgekehrt könnte – ebenfalls bei eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen – ein Leistungserbringer, der in einem Mitgliedstaat ansässig ist, der hinsichtlich einer solchen Anerkennung besonders strenge Anforderungen stellt, in einem Mitgliedstaat, der insoweit weniger strenge Anforderungen stellt, Dienstleistungen erbringen, die nicht von der Mehrwertsteuer befreit sind, während ein im letztgenannten Staat ansässiger Dienstleistungserbringer von der Mehrwertsteuer befreite Dienstleistungen erbringen könnte.
88 Die etwaige unterschiedliche mehrwertsteuerliche Behandlung zweier privater Einrichtungen, die die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Dienstleistungen an einen Nichtsteuerpflichtigen erbringen, je nachdem, ob sie in dem Mitgliedstaat, in dem der Empfänger dieser Dienstleistungen wohnt, oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, ergibt sich jedoch daraus, dass zum einen gemäß Art. 45 der Mehrwertsteuerrichtlinie solche Leistungen der Mehrwertsteuer in verschiedenen Mitgliedstaaten unterliegen – unter den in den Rechtsvorschriften des Besteuerungsmitgliedstaats unter Beachtung der Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegten Voraussetzungen – und dass zum anderen der Unionsgesetzgeber, was insbesondere die Voraussetzung der Anerkennung des sozialen Charakters einer privaten Einrichtung, die diese Leistungen erbringt, für die Zwecke der in dieser Bestimmung vorgesehenen Steuerbefreiung betrifft, den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum zuerkannt hat, der eine einheitliche Praxis ausschließt. Soweit dieser Aspekt der geltenden Unionsregelung somit nachteilige Auswirkungen wie die von der Generalanwältin in den Nrn. 73 und 74 ihrer Schlussanträge aufgezeigten haben kann, ist es Sache des Unionsgesetzgebers, eine mögliche Änderung dieser Regelung zu beschließen (vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2021, Ministère public [Extraterritoriale Sanktionen], C-906/19, EU:C:2021:715, Rn. 45).
89 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass dann, wenn eine Gesellschaft soziale Dienstleistungen an natürliche Personen erbringt, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, die Art dieser Dienstleistungen und die Merkmale dieser Gesellschaft zum Zweck der Bestimmung, ob diese Dienstleistungen unter die Wendung „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen …, die durch … von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“ im Sinne dieser Bestimmung fallen, nach dem – der Umsetzung der Mehrwertsteuerrichtlinie dienenden – Recht des Mitgliedstaats, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, zu prüfen sind.
Zur dritten Frage
90 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft, die soziale Dienstleistungen erbringt, bei einer öffentlichen Einrichtung des Besteuerungsmitgliedstaats als Erbringerin sozialer Dienstleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats eingetragen ist, für die Annahme ausreicht, dass diese Gesellschaft unter den Begriff „von dem betreffenden Mitgliedstaat als [Einrichtung] mit sozialem Charakter anerkannte [Einrichtung]“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.
91 Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, haben die nationalen Behörden zum Zweck der Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, nach dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte mehrere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu ihnen können das Bestehen spezifischer Vorschriften – seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit –, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und der Gesichtspunkt zählen, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden, insbesondere, wenn die privaten Wirtschaftsteilnehmer vertragliche Beziehungen zu diesen Einrichtungen unterhalten (Urteil vom 15. April 2021, Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, C-846/19, EU:C:2021:277, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).
92 Im Übrigen kann sich, wie in Rn. 67 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht auf die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. In einem solchen Fall ist es Sache des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung ist (Urteil vom 15. November 2012, Zimmermann, C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
93 Ficht ein Steuerpflichtiger die Anerkennung oder die Nichtanerkennung der Eigenschaft als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie an, haben die nationalen Gerichte somit zu prüfen, ob die zuständigen Behörden die Grenzen des ihnen mit dieser Bestimmung eingeräumten Ermessens unter Beachtung der Grundsätze des Unionsrechts eingehalten haben, einschließlich insbesondere des Grundsatzes der Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt (Urteil vom 15. November 2012, Zimmermann, C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
94 Zum letztgenannten Punkt ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Umsetzung der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie die Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität grundsätzlich verlangt, dass alle Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, in Bezug auf ihre Anerkennung für die Erbringung vergleichbarer Leistungen gleich behandelt werden (Urteil vom 15. November 2012, Zimmermann, C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
95 Daraus folgt, dass der Besteuerungsmitgliedstaat bei der von ihm vorzunehmenden Anwendung dieser Befreiung bei zwei Steuerpflichtigen, die die gleichen Tätigkeiten ausüben und die die Tätigkeit der Erbringung sozialer Dienstleistungen in einer vergleichbaren Form oder unter vergleichbaren Bedingungen ausüben, nicht einem der beiden Steuerpflichtigen die Anerkennung des sozialen Charakters gewähren und dem anderen Steuerpflichtigen hingegen eine solche Anerkennung versagen kann, da andernfalls der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt würde.
96 Im Licht dieser Rechtsprechung ist festzustellen, dass die Eintragung einer Gesellschaft bei einer öffentlichen Einrichtung des Besteuerungsmitgliedstaats als Erbringerin von sozialen Dienstleistungen nach dem Recht dieses Mitgliedstaats ein Kriterium sein kann, das bei der Prüfung, ob diese Gesellschaft unter den Ausdruck „von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt, insbesondere dann zu berücksichtigen ist, wenn die so eingetragenen Gesellschaften von den Steuerbehörden dieses Mitgliedstaats systematisch oder gewöhnlich als solche Einrichtungen angesehen werden. Eine solche Eintragung lässt jedoch nur dann den Schluss zu, dass die betreffende Gesellschaft unter diesen Ausdruck fällt, wenn dafür Voraussetzung ist, dass die zuständigen nationalen Behörden zuvor anhand der in den Rn. 91 bis 94 des vorliegenden Urteils genannten Gesichtspunkte den sozialen Charakter dieser Gesellschaft für die Zwecke dieser Bestimmung geprüft haben.
97 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft, die soziale Dienstleistungen erbringt, bei einer öffentlichen Einrichtung des Besteuerungsmitgliedstaats als Erbringerin sozialer Dienstleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats eingetragen ist, nur dann für die Annahme ausreicht, dass diese Gesellschaft unter den Begriff „von dem betreffenden Mitgliedstaat als [Einrichtung] mit sozialem Charakter anerkannte [Einrichtung]“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn für eine entsprechende Eintragung Voraussetzung ist, dass die zuständigen nationalen Behörden zuvor den sozialen Charakter dieser Gesellschaft für die Zwecke dieser Bestimmung geprüft haben.
Kosten
98 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
zum einen soziale Dienstleistungen, die an natürliche Personen erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem der Leistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, nach dieser Bestimmung von der Steuer befreit sein können und es zum anderen insoweit irrelevant ist, dass der Leistungserbringer eine in diesem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft in Anspruch genommen hat, um seine Kunden zu kontaktieren.
2. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
dann, wenn eine Gesellschaft soziale Dienstleistungen an natürliche Personen erbringt, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, die Art dieser Dienstleistungen und die Merkmale dieser Gesellschaft zum Zweck der Bestimmung, ob diese Dienstleistungen unter die Wendung „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen …, die durch … von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“ im Sinne dieser Bestimmung fallen, nach dem – der Umsetzung der Richtlinie 2006/112 in der geänderten Fassung dienenden – Recht des Mitgliedstaats, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, zu prüfen sind.
3. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
der Umstand, dass eine Gesellschaft, die soziale Dienstleistungen erbringt, bei einer öffentlichen Einrichtung des Besteuerungsmitgliedstaats als Erbringerin sozialer Dienstleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats eingetragen ist, nur dann für die Annahme ausreicht, dass diese Gesellschaft unter den Begriff „von dem betreffenden Mitgliedstaat als [Einrichtung] mit sozialem Charakter anerkannte [Einrichtung]“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn für eine entsprechende Eintragung Voraussetzung ist, dass die zuständigen nationalen Behörden zuvor den sozialen Charakter dieser Gesellschaft für die Zwecke dieser Bestimmung geprüft haben.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Bulgarisch.